Erfüllungsort des
Nacherfüllungsanspruchs (§ 439 BGB)
OLG München v. 16.7.2007 -
20 U 2204/07
Fundstelle:
NJW 2007, 3214
ZGS 2007, 398
JuS 2008, 84 (Faust)
Amtl. Leitsatz:
Ist bei dem Kauf eines
Fahrzeugs für private Zwecke für die Durchführung der Nacherfüllung ein Ort
im Vertrag nicht bestimmt, richtet sich der Leistungsort für die
Nacherfüllung grundsätzlich nach dem ursprünglichen Leistungsort des durch
den Kaufvertrag begründeten Primärleistungsanspruch.
Zentrale Probleme:
S. auch die gegenteilige Entscheidung
OLG München NJW 2006, 449
sowie BGH v. 8.1.2008 - X ZR
97/05. Zum Erfüllungsort der Nacherfüllungspflicht s.
jetzt
BGH v. 13.4.2011 - VIII ZR 220/10.
©sl 2007
Aus den Gründen:
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Kl. als Käuferin berechtigt ist,
von einem Kaufvertrag über Kraftfahrzeug zurückzutreten oder ob dem
entgegensteht, dass sie dem Verkäufer nicht Gelegenheit zur Nacherfüllung
gewährt hat.
I.
Der Darstellung bedarf es nicht, denn der Wert der Beschwerde der Bekl.
übersteigt 20.000 EUR nicht (s. § 26 Nr. 8 EGZPO). Nach herrschender Meinung
ist § 313a ZPO, auf den § 540 II ZPO ausdrücklich verweist, auch auf
Berufungsurteile anwendbar, s. a. Thomas/Putzo, ZPO, 27. Auflage, Rnr. 2 zu
§ 313a und Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, Rnr. 2 zu § 313a.
II.
Die zulässige Berufung der Bekl. hat in der Sache Erfolg. Die klägerseits
geltend gemachten Ansprüche wegen Rückabwicklung eines PKW-Kaufvertrages
bestehen nicht, da die Kl. nicht wirksam von diesem Kaufvertrag
zurückgetreten ist.
Es kann dahin stehen, ob die Kl. wegen Lieferung eines mangelhaften
Kraftfahrzeugs gem. § 437 Nr. 2 BGB berechtigt wäre, vom
streitgegenständlichen Kaufvertrag zurückzutreten, da sie der Bekl.
innerhalb der gesetzten Frist die Nacherfüllung nicht ermöglicht hat (§ 323
I BGB). Sie hat ihr das Fahrzeug nicht am Firmensitz zur Nachbesserung zur
Verfügung gestellt und damit eine Mitwirkungshandlung verweigert, die das
Rücktrittsrecht voraussetzt (Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 323, Rn.
15).
Der Anspruch auf Nacherfüllung bzw. Nachbesserung ist nicht auf den
Gattungskauf beschränkt, sondern gilt auch für einen Stückkauf wie den
Gebrauchtwagenkauf. Die für das Kaufrecht in § 439 BGB geregelte
Nacherfüllung besteht in der Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer
mangelfreien Sache. Der Wortlaut der Bestimmung, wonach es weder
hinsichtlich der Nachbesserung noch der Ersatzlieferung darauf ankommt, ob
ein Stückkauf oder ein Gattungskauf vorliegt, enthält keinen Anhaltspunkt
für die Annahme, dass ein Anspruch auf Ersatzlieferung nur bei einem
Gattungskauf, nicht dagegen bei einem Stückkauf gegeben sei (BGH NJW 2006,
2839 ff). Im zur Entscheidung stehenden Fall ist die
Nachbesserungsmöglichkeit evident durch das klägerische Schreiben vom 8. 12.
2005 (K 3), in dem die Kl. selbst Nachbesserung durch Einbau eines
Austauschmotors fordert.
Diese Nachbesserung hat die Kl. der Bekl. in der von ihr gleichzeitig
gesetzten Frist nicht ermöglicht, da sie sich geweigert hat, das Fahrzeug
zwecks Vornahme der eventuell erforderlichen Nacherfüllung, an den
Firmensitz der Bekl. zu verbringen oder verbringen zu lassen. Ein
entsprechendes Angebot der Bekl. lag mit ihrem fristgemäßen Antwortschreiben
vom 13. 12. 2005 (K 4) vor. Erfüllungsort für die Nacherfüllung ist hier
mangels vorrangiger Parteivereinbarung der Firmensitz der Bekl. als dem
Erfüllungsort ihrer kaufvertraglichen Lieferverpflichtung (§ 269 I BGB).
Als Nacherfüllungsort kommt grundsätzlich in Betracht der ursprüngliche
Leistungsort des durch den Kaufvertrag begründeten Primärleistungsanspruches
oder aber der Belegenheitsort der mangelhaften Sache im Zeitpunkt des
Nacherfüllungsverlangens. Die Entscheidung dieser Frage ist streitig. Unter
Hinweis auf Art. 3 Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie geht ein Teil des
Schrifttums davon aus, dass der Leistungsort der Nacherfüllung allein am
momentanen Ort der bestimmungsgemäßen Belegenheit der mangelhaften Sache
liegen könne; nur dies sei mit der Richtlinie vereinbar und entspreche der
Entstehungsgeschichte der die Richtlinienvorgabe umsetzenden Vorschrift des
§ 439 BGB. Einige Entscheidungen in der Rechtsprechung haben sich dem
angeschlossen (z.B. OLG München NJW 2006, 449; OLG Köln NJW-RR 2006, 677; AG
Menden NJW 2004, 2171).
Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass der Nacherfüllungsanspruch der
modifizierte Erfüllungsanspruch ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., §
439 Rn. 1 und 2 m.w. Nachw.). Die Lieferung einer mangelhaften Sache führt –
mangels Bewirkens der im Kaufvertrag geschuldeten Leistung – nicht zur
Erfüllung (§ 362 I BGB). Vielmehr verwandelt sich der ursprüngliche
Lieferanspruch des Käufers in einen Nacherfüllungsanspruch nach §§ 437 Nr.
1, 439 BGB. An die Stelle des Anspruchs auf Übereignung der Kaufsache (§ 433
I Satz 1 BGB) tritt das Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Nachlieferung
(§ 439 I BGB). Vor diesem dogmatischen Ansatz drängt es sich auf, dem dem
Erfüllungsanspruch modifiziert entsprechenden Nacherfüllungsanspruch
denselben Leistungsort zuzuweisen. Dies steht keineswegs in Widerspruch zu
Art 3 Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie. Dieser Vorschrift ist eine
Leistungsortbestimmung gerade nicht zu entnehmen. Die Richtlinie fordert
lediglich, dass die „Nachbesserung oder die Ersatzlieferung innerhalb einer
angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den
Verbraucher” sowie „unentgeltlich” zu erfolgen hat. Dem trägt § 439 BGB, der
ebenfalls keine Bestimmung zum Leistungsort enthält in II dadurch Rechnung,
dass „der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen
Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu
tragen hat”. Damit ist sowohl „erheblichen Unannehmlichkeiten” für den
Verbraucher weitgehend vorgebaut als auch das Gebot der Unentgeltlichkeit
erfüllt. Für eine darüber hinaus gehende grundsätzliche Verlegung des
Leistungsorts der Nacherfüllung an den Sitz des Käufers besteht kein
Bedürfnis und würde auch in vielen Lebensbereichen auf Unverständnis stoßen.
In der Regel erfolgt im täglichen Leben nach wie vor die Reklamation
selbstverständlich beim Verkäufer. Im Einzelfall mögen Verkehrssitte und
Treu und Glauben ein anderes Ergebnis fordern. Jedoch gerade bei der hier
anstehenden Nachbesserung eines beim Händler gekauften Kraftfahrzeuges ist
auch unter Berücksichtigung der letztgenannten Argumente, jedenfalls bei
Erforderlichkeit umfangreicher Fehleruntersuchungen und
Instandsetzungsmaßnahmen, die ersichtlich nur in einer Werkstatt vorgenommen
werden können und kostenträchtig sind – wie es vorliegend der Fall ist –,
regelmäßig der Betriebssitz des Händlers Leistungsort der Nacherfüllung (so
auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 439 Rn. 3a; Reinking, ZfS 2003,
57, 60; Ball, NVZ 2004, 217, 220; Skamel, ZGS 2006, 227 ff).
Das verfahrensgegenständliche Fahrzeug wurde trotz eines entsprechenden
Angebots der Bekl. unstreitig zu keinem Zeitpunkt an deren Firmensitz
verbracht. Die Kl. hat damit eine für die Nacherfüllung erforderliche
Mitwirkungshandlung verweigert. Aus diesem Grund konnte sie nicht wirksam
vom Vertrag zurücktreten (Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 323, Rn. 15).
Die geltend gemachten Rückabwicklungsansprüche stehen ihr nicht zu.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 97, 708 Nr. 10,
713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 II ZPO). Soweit
verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen betroffen sind, folgt der Senat
gefestigter Rechtsprechung des BGH. Im Übrigen handelt es sich um
tatrichterliche Anwendung dieser Grundsätze hierauf den Einzelfall. |