Erfüllungsort (§ 269
BGB) für die werkvertragliche und kaufvertragliche Nacherfüllungspflicht
BGH, Urt. v. 8. Januar 2008
- X ZR 97/05
Fundstelle:
NJW-RR 2008, 724
Amtl. Leitsatz:
Fehlen anderweitige
Absprachen der Parteien, ist im Zweifel die Nachbesserung dort zu erbringen,
wo das nachzubessernde Werk sich vertragsgemäß befindet.
Zentrale Probleme:
Eine Entscheidung zum (alten) Werkvertragsrecht, die aber
gleichermaßen für das neue Werkvertragsrecht und damit auch für das hier
auch ausdrücklich erwähnte Kaufrecht von großer Bedeutung ist. Auch im
Zusammenhang mit § 439 BGB wird nämlich von der h.M. vertreten, daß
Erfüllungsort für die Nacherfüllungspflicht nicht der ursprüngliche
Erfüllungsort ist, sondern der Ort, an dem sich die Sache vertragsgemäß
befindet. Das hat erhebliche praktische Bedeutung (s. dazu die Anm. zu
OLG Karlsruhe ZGS 2004, 432 sowie
Lorenz
ZGS 2004, 408 ff).
Allerdings ist diese Ansicht in jüngerer Zeit in Frage gestellt worden (so
von
OLG München NJW 2007, 3214;
anders die hier zitierte Entscheidung
OLG München NJW 2006, 449,
s. auch AG Menden NJW
2004, 2171 sowie OLG Köln ZGS
2006, 77). Offen gelassen wurde die Frage noch in
BGH v. 15.7.2008 - VIII ZR 211/07; dann aber
in
BGH v. 13.4.2011 - VIII ZR 220/10
entschieden (s. die dortige Anm.).
Der BGH spricht sich hier im Sinne der h.M. aus. Da das Kaufrecht in Bezug
auf den Nacherfüllungsanspruch im wesentlichen dem Modell des früheren
Werkvertragsrechts nachgebildet wurde, kann die Entscheidung auch auf die
kaufrechtliche Nacherfüllung bezogen werden. Insbesondere die Argumentation
mit der Kostentragungspflicht läßt sich vollständig auf § 439 II BGB
übertragen.
©sl 2008
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Mängeln an seiner Yacht in Anspruch.
Diese Yacht erwarb der Kläger von der Beklagten gemäß schriftlichen
Vereinbarungen vom 19. Dezember 2000 und 18. Januar 2001 im Austausch gegen
eine andere Yacht, die er ebenfalls von der Beklagten erworben hatte und die
mit erheblichen Mängeln behaftet gewesen war.
2 Der Kläger machte in der Folgezeit wiederum Mängel geltend, die die
Beklagte zum Teil anerkannte und deren Beseitigung an ihrem Sitz sie
zusagte. Der Kläger beansprucht mit seiner Klage Kostenvorschuss für die
Beseitigung der seiner Meinung nach noch vorliegenden Mängel, die Erstattung
von Kosten für Mängelbeseitigungsarbeiten, die er durch Dritte hat vornehmen
lassen, sowie Schadensersatz für Transportkosten, die infolge eines
Verlangens der Beklagten nach einem aufwändigeren Transport zusätzlich und
nach Meinung des Klägers unnötig angefallen sind.
3 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, soweit der Kläger sie nicht
teilweise zurückgenommen hatte, und die Beklagte zur Zahlung von 25.607,-- €
verurteilt. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung abgeändert und dem
Kläger lediglich den Schadensersatzanspruch wegen unnötiger Transportkosten
zuerkannt, deswegen die Beklagte zur Zahlung von 5.378,79 € verurteilt und
die Klage im Übrigen als zur Zeit unbegründet abgewiesen.
4 Mit seiner Revision strebt der Kläger die Wiederherstellung der
erstinstanzlichen Entscheidung an.
5 Die Beklagte tritt dem entgegen.
Entscheidungsgründe:
6 Die vom Senat zugelassene Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht.
7 Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung wie folgt begründet:
8 Die Beklagte habe sich mit der Mängelbeseitigung nicht in Verzug befunden,
wie dies für die geltend gemachten Vorschuss- und Ersatzansprüche
erforderlich sei; Ansprüche aus § 633 Abs. 3 BGB a.F. kämen daher nicht in
Betracht. Die Beklagte habe die allerdings bislang unterbliebene
Mängelbeseitigung nicht zu vertreten. Sie sei zur Mängelbeseitigung nur am
Ort ihres Sitzes in L. verpflichtet gewesen, so dass es Sache des Klägers
gewesen sei, zur Begründung eines Leistungsverzuges der Beklagten die Yacht
dorthin zu bringen. Er hätte allerdings die dadurch verursachten
Transportkosten von der Beklagten ersetzt verlangen können.
9 Die Behauptung des Klägers, er habe, vertreten durch seine Ehefrau, mit
der Beklagten, diese vertreten durch den Zeugen M. , am 24. August 2001
vereinbart, dass die Mängel in D. , wo sich die Yacht befunden habe, und,
soweit dort die Mängelbeseitigung nicht möglich gewesen sei, auf der R.
beseitigt werden sollten, sei nicht bewiesen. Die erstinstanzlich
vernommenen Zeugen L. hätten lediglich bekundet, dass beim Hafenmeister in
D. ein Schlüssel für die Yacht hinterlegt worden sei, den die Beklagte habe
benutzen können und auch benutzt habe. Daraus folge aber noch nicht, dass
die Parteien eine Vereinbarung getroffen hätten, dass der Nachbesserungsort
D. habe sein sollen. Dies ergebe sich auch nicht aus dem vom Kläger in Bezug
genommenen Schreiben des Zeugen M. . Zwar sei diesem Schreiben zu entnehmen,
dass die Beklagte zunächst bereit gewesen sei, bestimmte
Mängelbeseitigungsarbeiten in D. in Angriff zu nehmen. Dies rechtfertige
aber nicht den Schluss, dass man sich verbindlich darauf verständigt habe,
dass die Nachbesserungsarbeiten in D. hätten durchgeführt werden sollen.
Eine solche Vereinbarung ergebe sich auch nicht aus den Umständen,
insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte in L. keine Werft unterhalte.
Schließlich trage das Argument des Klägers nicht, für ihn sei es unzumutbar
gewesen, die Yacht nach L. zu bringen. Die Entfernung zwischen D. und L. sei
nicht so groß, dass allein daraus auf einen anderen Erfüllungsort
geschlossen werden könne.
10 Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11 Für die Frage, wo die Beklagte ihre Nachbesserungsarbeiten
durchzuführen hatte, sind, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen
hat, in erster Linie die Absprachen der Parteien sowie die Umstände des
Falls maßgeblich (§ 269 BGB a.F.).
12 Von Rechtsfehlern beeinflusst ist jedoch bereits die Annahme, die
Nichterweislichkeit der von dem Kläger behaupteten Absprache, nach der die
Mängelbeseitigungsarbeiten am Liegeplatz der Yacht hätten stattfinden
sollen, gehe zu seinen Lasten. 13
Fehlen anderweitige Absprachen der Parteien, ist im Zweifel die
Nachbesserung dort zu erbringen, wo das nachzubessernde Werk sich
vertragsgemäß befindet. Das war bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes
zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138)
anerkannt (vgl. BGB RGRK/Glanzmann, 12. Aufl., § 633 Rdn. 17; Staudinger/Peters,
BGB, 12. Aufl., § 631 Rdn. 45). Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes hat
sich hieran nichts geändert (vgl. Staudinger/Peters, Neubearb. 2003, §
631 Rdn. 45; MünchKomm./Krüger, 4. Aufl., § 269 Rdn. 45; Palandt/Heinrichs,
67. Aufl., § 269 Rdn. 15; ebenso für den kaufrechtlichen Anspruch
Jauernig-Berger, 11. Aufl., § 439 BGB Rdn. 7; Erman-Grunewald, 11. Aufl., §
439 Rdn. 3; MünchKomm.BGB/Westermann, 4. Aufl., § 439 Rdn. 7; Staudinger/Matusche-Beckmann,
Aufl. 2004, § 439 Rdn. 9). Dass der Unternehmer nach altem wie nach neuem
Recht die Kosten der Nachbesserung einschließlich der Transportkosten zu
tragen hat (§ 633 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F., § 635 Abs. 2 BGB), ist insoweit
unerheblich. Aus dieser Regelung ergibt sich nicht mehr als die
Verpflichtung des Unternehmers, etwa erforderliche Transportkosten zu
übernehmen. Auf diese Kostentragungspflicht lässt sich die vom
Berufungsgericht gezogene Überlegung, die gesetzliche Regelung gehe nicht
davon aus, dass der Unternehmer die Sache beim Besteller abzuholen habe,
nicht stützen. Die Vorschrift stellt lediglich klar, dass dem Erwerber im
Fall der Mängelbeseitigung keine weiteren "Aufwendungen" entstehen sollen;
Transport-, Wege-, Arbeitsund Materialkosten fallen vielmehr allein dem
Verkäufer zur Last. Mit dieser Lastenverteilung und Interessenwertung wäre
es nicht zu vereinbaren, wenn der Erwerber des Kaufgegenstandes diesen an
den Sitz des Lieferanten verbringen müsste, was dem Abnehmer insbesondere
bei größeren Gegenständen vielfach nicht oder nur schwer möglich sein wird.
Nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Wertung ist vor diesem Hintergrund
als Erfüllungsort der Gewährleistung (§ 269 BGB) nach altem wie nach neuem
Recht der Ort anzusehen, an dem sich die Sache zum Zeitpunkt der
Gewährleistung bestimmungsgemäß befindet (so auch für den kaufrechtlichen
Nacherfüllungsanspruch, OLG München NJW 2006, 449),
hier also am Liegeplatz der Yacht. Es war daher ggfs. Sache der
Beklagten, eine abweichende Vereinbarung darzulegen und zu beweisen; deren
Nichterweislichkeit ginge mithin allein zu ihren Lasten.
14 Darüber hinaus kann die Entscheidung des Berufungsgerichts auch deshalb
keinen Bestand haben, weil seine Würdigung, der Kläger habe die von ihm
behauptete Absprache nicht bewiesen, dass die Arbeiten am Liegeplatz der
Yacht hätten ausgeführt werden sollen, auf Verfahrensfehlern beruht. Bei
dieser Würdigung hat sich das Berufungsgericht auf die Bekundungen der
Zeugen vor dem Landgericht gestützt, die die vom Kläger behauptete
Vereinbarung nicht bestätigt hätten. Die Zeugen sind jedoch in erster
Instanz in diesem Zusammenhang nur zu der Frage vernommen worden, ob eine
Hinterlegung der Schlüssel für die Yacht beim Hafenmeister in D. vereinbart
worden sei, um der Beklagten den jederzeitigen Zugang zu der Yacht zu
eröffnen. Nur dies war insoweit Gegenstand des Beweisbeschlusses. Eine
Beweisaufnahme zu einer Vereinbarung über den Ort der Nachbesserung ist
weder dort noch später im Zusammenhang mit der Vernehmung der Zeugen selbst
angeordnet worden; sie war auch sonst nicht Gegenstand der Beweisaufnahme.
Sind die Zeugen aber nicht zur Frage der Vereinbarung eines Leistungsorts
befragt worden, konnte das Berufungsgericht aus der mangelnden Erwähnung
oder Bestätigung einer solchen Absprache durch die Zeugen nicht herleiten,
der Kläger habe diese nicht bewiesen. Dazu hätte es einer auf diesen
Gegenstand gerichteten Befragung der Zeugen aufgrund einer entsprechenden
Beweisanordnung bedurft.
15 Darüber hinaus hätte das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner
Rechtsauffassung auch nicht von der Vernehmung des Zeugen K. absehen dürfen.
Dieser Beweisantritt war insbesondere nicht verspätet. Nachdem das
Landgericht die Frage der Vereinbarung eines Leistungsorts für nicht
entscheidungserheblich gehalten hatte, war der Kläger nicht gehindert,
diesen Zeugen in zweiter Instanz für eine solche Absprache zu benennen. Da
die Frage erst in der Berufungsinstanz entscheidungserheblich geworden ist,
hätte das Berufungsgericht diesen Zeugen noch vernehmen müssen (§ 531 Abs. 2
Nr. 1 ZPO).
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