Sachmängelhaftung,
Inhalt des Nacherfüllungsanspruchs, Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch
OLG Köln,
Urt.v.21.12.2005-11 U46/05
Fundstelle:
ZGS 2006, 77
Amtl. Leitsatz:
Die Pflicht des Verkäufers zur Nachlieferung nach § 439 BGB umfasst die
Lieferung einer mangelfreien und die Rücknahme der mangelhaften Sache. Hatte
der Käufer die mangelhafte Sache eingebaut (hier: Fliesen), so ist der
Einbau einer mangelfreien Sache nicht Gegenstand der Nacherfüllung. Die
vergeblichen Aufwendungen des Käufers für den Einbau der mangelhaften Sache
hat der Verkäufer nur unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes (§§ 437
Nr.3, 280 BGB) oder des Aufwendungsersatzes (§§437 Nr.3,284 BGB) zu
erstatten; das setzt allerdings voraus, dass der Verkäufer den Mangel zu
vertreten hat.
Zentrale Probleme:
S. die ausführliche Anm. zu OLG
Karlsruhe, Urt. v. 02.09.2004 - 12 U 144/04
sowie Lorenz ZGS 2004, 408. Das
OLG wendet sich zu recht gegen diese Entscheidung, s. dazu unbedingt
BGH v. 15.7.2008 - VIII ZR 211/07. Zum Erfüllungsort s.
BGH v. 8.1.2008 - X ZR 97/05.
S. jetzt auch BGH v. 14.1.2009
- VIII ZR 70/08 - Vorlage des Problems an den
EuGH!
©sl 2006
Zum Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die
Beklagte auf Schadensersatz wegen Lieferung nach seiner Behauptung
mangelhafter Bodenfliesen in Anspruch. Er verlangt den Ersatz von
Aufwendungen für Ersatzfliesen nebst Frachtkostenpauschale sowie Erstattung
der Aufwendungen für die Neuverlegung der Fliesen. Das LG hat der Klage
i.H.v. 8.966,19 € stattgegeben, wobei es Ersatz für die Neuverlegung der
Fliesen i.H.v. 2.500 € zuerkannt hat.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage
weiter.
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung hat in der Sache lediglich zu einem geringen Teil
Erfolg.
1. Das LG hat dem Kläger dem Grunde nach zu Recht Schadensersatz statt der
Leistung nach §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB zuerkannt. Die gelieferten
Fliesen weisen - was die Beklagte in der Berufung nicht mehr in Abrede
gestellt hat - einen Sachmangel i.S.d.§ 434 Abs. 1 BGB auf,da sie vom
Hersteller und Lieferanten nicht ordnungsgemäß poliert worden waren.
2. Hinsichtlich der Höhe des Schadensersatzes gilt Folgendes:
a) Die Aufwendungen für Ersatzfliesen (6.437,19 € nebst Fracht
kostenpauschale i.H.v. 29 €) hat das LG dem Kläger mit Recht zugesprochen.
Da die Beklagte die Ersatzlieferung verweigert, hat sie ihre entsprechende
Verpflichtung in von ihr zu vertretender Weise verletzt, sodass der Kläger
die Erstattung der entsprechenden Aufwendungen im Wege des Schadensersatzes
verlangen kann.
b) Anders liegt es hinsichtlich der Aufwendungen für die Verlegung der
Fliesen,die das LG i.H.v.2.500 € zuerkannt hat. Diese könnten als
vergebliche Aufwendungen nach §§ 280, 281 BGB oder § 284 BGB nur dann zu
ersetzen sein, wenn die Klägerin den Mangel der Fliesen zu vertreten hätte.
Dafür ist indes nichts ersichtlich. Ein Verschulden ihrer Lieferantin - der
Streit helferin erster Instanz - muss sie sich nicht zurechnen lassen, weil
diese nicht ihr Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 BGB ist (vgl. Palandt/Heinrichs,
BGB,64.Aufl.,§ 278 Rn. 13 ;Palandt/Sprau,a.a.O., § 437 Rn. 37;
Lorenz, ZGS 2004, 408, 410).
Auch eine Überprüfungspflicht bei Anlieferung der Fliesen bestand nicht,
zumal davon auszugehen ist,dass die Fliesen ohnehin an die Baustelle
geliefert wurden. Aber selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte
die Beklagte die Fliesen mangels konkreter Anhaltspunkte für das Vorliegen
von Mängeln nach der Anlieferung nicht nochmals untersuchen müssen. Bei
neuen Sachen darf der Verkäufer i.d.R.davon ausgehen,dass sie nicht mit
Mängeln behaftet sind.
Schadensersatz für den Einbau der Fliesen (als Kosten des Einbaus neuer
mangelfreier Fliesen) könnte der Kläger daher nur unter dem Gesichtspunkt
der Verweigerung der Nacherfüllung verlangen. Das würde voraussetzen, dass
die Nacherfüllung auch die Verlegung der nachzuliefernden mangelfreien
Fliesen umfassen würde. Diese Ansicht wird vom OLG Karlsruhe vertreten (OLGR
Karlsruhe 2004,465 = MDR 2005,135 = BauR 2005, 109; ebenso Terrahe,
VersR 2004, 680 ff.; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 439 Rn. 18). Durch
die Nacherfüllung solle der Käufer in die Lage versetzt werden, mit der
Sache so zu verfahren, als wäre diese mangelfrei gewesen. Damit sei auch der
Zustand geschuldet, in dem sich die Sache befände, wenn sie mangelfrei
gewesen wäre; zu den Aufwendungen i.S.v. § 439 Abs. 2 BGB zählten damit auch
die Kosten des Ein-und Ausbaus der Fliesen. Dem ist nicht zu folgen. Die
geschuldete Nacherfüllung beschränkt sich auf Nachlieferung mangelfreier
Fliesen. Der Einbau und die Verlegung der Fliesen ist dagegen nicht
Bestandteil der Verkäuferpflichten aus §§ 433, 434 BGB. Die gegenteilige
Auffassung vermengt Kauf- und Werkvertrag (Lorenz,
ZGS 2004,408 f.). Das OLG Karlsruhe bezieht sich zur Begründung außerdem
auf die zum früheren Recht ergangene Entscheidung des BGH im sog.
Dachziegelfall (BGHZ 87,104 = NJW 1983,1479).
Der BGH hat dort die Kosten für das Verarbeiten der mangelhaften Sache
(Aufbringen der Ziegel) als Vertragskosten i.S.d. § 467 Satz 1 BGB
a.F.eingeord- net und auf dieser Grundlage einen verschuldensunabhängigen
Ersatzanspruch, der hier auf Ersatz der vergeblichen (frustrierten) Kosten
für das Verlegen der mangelhaften Fliesen gerichtet wäre, angenommen. Das
lässt sich für das neue Recht nicht mehr aufrechterhalten (BGH,
NJW 2005, 2848, 2850 f. = BGHReport 2005, 1293, 1295 zu Überführungs-
und Zulassungskosten für einen Neuwagen). Die Regelung des § 467 Satz 1 BGB
a.F. hat der Gesetzgeber als systemfremde Vorschrift bewusst nicht in das
neue Kaufrecht übernommen. Zur Begründung hat er angeführt: Ein Anspruch
folge aus § 284 i.V.m. §§ 281, 280 Abs. 1 Satz 2 BGB; dieser Anspruch hänge
aber von einem Verschulden des Verkäufers ab (Begr. des RegE zum
Schuldrechtsmodernisierungsrechts,
BT-Drucks. 14/6040, S. 225). Die Einbaukosten sind somit ein durch die
mangelhafte Lieferung bedingter Schaden, der nicht im Rahmen der
Nachbesserung, sondern lediglich im Wege des Schadensersatzes auszugleichen
ist (so auch Lorenz, ZGS
2004,408,409 f.; ders., NJW 2005,
1889, 1895; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2004, § 439 Rn. 21; von
Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, S. 22), wobei als Anspruchsgrundlage
allerdings nicht nur der in den Gesetzesmaterialien genannte § 284 BGB,
sondern auch § 280 BGB in Betracht kommt (vgl.
Lorenz,ZGS 2004, 408,409). Da
der Beklagten - wie ausgeführt - ein Verschulden nicht zur Last fällt, hat
der Kläger weder einen Anspruch auf Ersatz der vergeblichen Kosten für das
erstmalige Verlegen noch der für eine Neuverlegung mangelfreier Fliesen.
c) Erstattungsfähig sind demgegenüber die Kosten für die Rücknahme und
Entfernung der mangelhaften Fliesen. Insoweit gelten die in der Entscheidung
BGHZ 87,104 aufgestellten Grundsätze fort. Der
Verkäufer hat eine Rücknahmeverpflichtung, die er am Ort der eingebauten
Sache zu erfüllen hat. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so macht er
sich schadensersatzpflichtig. Das gilt auch für das neue Recht (vgl.
Lorenz, ZGS 2004,408,410 f.).
Nach der vom Kläger vorgelegten Rechnung für die Neuverlegung der Fliesen v.
10.9.2004 belaufen sich die Kosten für das Entfernen des Bodens und der
Sockelleisten einschließlich der Gestellung eines Containers sowie
Deponiekosten auf 1.469,60 € zzgl. MWSt,insgesamt also auf 1.704,74 €.Diese
Kosten hat die Klägerin anstelle der vom LG zuerkannten 2.500 € zu ersetzen.
3. Der zu ersetzende Schaden beträgt demnach insgesamt 8.170,93 € (6.437,19
€, 29 € und 1.704,74 €). Hierbei sind die Kosten für die mangelfreien
Sockelleisten nicht außer Ansatz zu lassen; wie das LG zutreffend ausgeführt
hat, bilden diese mit den Bodenfliesen eine Einheit.
4. Der Ersatz dieses Schadens ist nicht unverhältnismäßig (§ 439 Abs. 3
BGB). Es handelt sich zwar nur um einen optischen Mangel. Aber auch den muss
der Kläger bei den im Wohnbereich verlegten Fliesen nicht hinnehmen. Der
Mangel lässt sich nicht anders als durch Neuverlegung beheben. Die
Behauptung, der Mangel könne durch Aufbringung eines metallvernetzenden
Polymers abgestellt werden, hat die Beklagte ausdrücklich aufgegeben.
Ihr Einwand, der Mangel hätte dem Beklagten bzw. dem von ihm mit den
Verlegearbeiten betrauten Fliesenleger auffallen müssen, greift nicht durch.
Dieser Einwand könnte unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254
BGB) oder der Unverhältnismäßigkeit (§ 439 Abs.3 BGB) von Bedeutung sein.
Unter beiden Aspekten ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Der
Sachverständige F hat insoweit ausgeführt, dass der Verleger vor Ort erklärt
habe, die Platten seien feucht gewesen. Treffe dies zu, wovon er ausgehe, so
sei dieser Mangel während der Verlegung nicht erkennbar gewesen. Die
Beklagte behauptet zwar, die Fliesen seien nicht feucht, sondern in einem
trockenen Zustand verlegt worden. Dass sie eine gewisse Restfeuchte gehabt
haben, bei der der Mangel nicht erkennbar gewesen ist, wird von ihr jedoch
nicht substantiiert in Abrede gestellt.
5. Schließlich meint die Beklagte, eine Schadensersatzpflicht scheide im
Hinblick auf Nr. 5 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus, wonach den
Kläger als Käufer eine Pflicht zur unverzüglichen Untersuchung und
Mitteilung getroffen habe und Schadensersatzansprüche außer im Falle von
Vorsatz und grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen seien. Das verfängt nicht.
Die Klausel in Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stellt auf das
alte Kaufrecht ab. So wird in Nr. 5 Abs. 2 auf § 459 BGB a.F. und die daraus
entstehenden „gesetzlichen Gewährleistungsrechte" Bezug genommen. Die
gesamte Regelung passt für das neue Kaufrecht nicht. Sie ist ungeachtet
sonstiger Bedenken schon allein wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot
unwirksam (vgl. dazu allgemein Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 307 Rn. 16 ff.).
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