Erfüllungsort (§ 269 BGB) für den Nacherfüllungsanspruch aus § 439 BGB


OLG München, Urteil vom 12. 10. 2005 - 15 U 2190/05


Fundstelle:

NJW 2006, 449
ZGS 2006, 155


(Eigener) Leitsatz:

Erfüllungsort für den Nacherfüllungsanspruch ist der Ort, an welchem sich die Sache nach dem Vertragszweck befindet, in der Regel also der Wohnort des Käufers


Zentrale Probleme:

Es geht u.a. um die Frage, wo sich der Erfüllungsort für den Nacherfüllungsanspruch befindet. Das OLG steht mit der hM auf dem Standpunkt, daß dies der Ort ist, an welchem sich die Sache nach dem Vertragszweck befindet, s. auch  AG Menden NJW 2004, 2171 sowie BGH v. 8.1.2008 - X ZR 97/05. Zum Erfüllungsort der Rückabwicklung nach Rücktritt bzw. Nachlieferung s. OLG Karlsruhe ZGS 2004, 432 sowie OLG Köln ZGS 2006, 77. S. nun aber die gegenteilige Ansicht von OLG München NJW 2007, 3214 sowie jetzt BGH v. 13.4.2011 - VIII ZR 220/10.

©sl 2006


Zum Sachverhalt:

Der Kl. hat im Wege des Verbrauchsgüterkaufs am 13. 2. 2003 bei der Bekl. in Chemnitz einen gebrauchten Pkw erworben und begehrt vorliegend wegen eines behaupteten Mangels des Fahrzeugs im Wege von Rücktritt und Schadensersatz den Betrag von 24368,33 Euro nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe dieses Fahrzeugs, sowie Feststellung des Annahmeverzugs, hilfsweise eine Zahlung von 7368,33 Euro nebst Zinsen.

Das LG hat der Klage in Höhe von 21382,53 Euro nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe stattgegeben und die beantragte Feststellung des Annahmeverzugs getroffen. In Höhe eines Teils des begehrten Nutzungsersatzes (statt vom 17. 12. 2003 bis zum 26. 1. 2004 nur für die Zeit vom 7. 1. 2004 bis zum 23. 1. 2004) hat es die Klage abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Nur das Rechtsmittel des Kl. hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

I. ....

II. 1. Berufung der Bekl. Die Berufung der Bekl. ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Anspruch des Kl. aus Rücktritt und auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 2, 323, 346 ff. BGB und (§ 325 BGB) §§ 437 Nr. 3, 281 BGB ist begründet.

a) Die Gewährleistung aus § 437 BGB ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Zwar enthält der Formularvertrag den formularmäßigen Ausschluss der Sachmängelhaftung, jedoch haben die Parteien davon abweichend durch Individualvereinbarung Gewährleistung für ein Jahr vereinbart, was unstreitig und durch das Schreiben der Bekl. vom 14. 2. 2003 belegt ist.

b) Nacherfüllung. Der Kl. hat zwar ursprünglich - statt die Nacherfüllung vorzuschalten - den Rücktritt angekündigt, dann aber mit Schriftsatz vom 23. 4. 2003 gefordert, dass die Bekl. die Nachbesserung zusichere. Mit Schreiben vom 27. 6. 2003 hat der Kl. die Bekl. unter Fristsetzung bis 7. 7. 2003 aufgefordert, den Sachmangel anzuerkennen und reparieren zu lassen. Die vom Gesetz geforderte Nacherfüllung wurde daher geltend gemacht. Zu einer Nacherfüllung durch die Bekl. ist es nicht gekommen. Möglicherweise hat unter den Parteien Unklarheit bestanden, an welchem Ort und auf wessen Kosten die Nacherfüllung durchzuführen ist. Der Nacherfüllungsanspruch ist der so genannte modifizierte Erfüllungsanspruch. Der Erfüllungsort ist nicht notwendig identisch mit dem Verkaufsort (Chemnitz). Maßgebend ist § 269 BGB. Für die Durchführung der Nacherfüllung war ein Ort im Vertrag nicht bestimmt. Jedoch ist aus den Umständen und der Natur des Schuldverhältnisses als Leistungsort der Wohnsitz des Käufers anzunehmen. Dem Käufer wie der Verkäuferin war klar, dass das Fahrzeug zum Gebrauch des Käufers bestimmt war und ein solches bestimmungsgemäß beim Käufer sein wird, im Falle eines Firmenfahrzeugs beim Firmenort, bei einem Kauf - wie hier - für private Zwecke beim Wohnsitz des Käufers. Beiden Seiten war bei Vertragsabschluss klar, dass das Fahrzeug dort sein werde. Dort schuldet der Verkäufer die noch nicht vollständig erbrachte Erfüllung. § 439 II BGB macht dies überdies hinsichtlich der Kostenpflicht vollends klar: Nach der Gesetzesbegründung und dem Wortlaut der Vorschrift sollen dem Käufer keine weiteren „Aufwendungen“ entstehen, der Verkäufer soll alle Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten tragen. Erfüllungsort der Nacherfüllung (§ 269 BGB) ist daher der Ort, wo sich die Sache jetzt (Nacherfüllung) befindet, hier also der Wohnsitz des Käufers (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2004, § 439 Rdnr. 9; Erman/Grunewald, BGB, 11. Aufl., § 439 Rdnr. 3; Westermann, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 439 Rndr. 7; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 439 Rdnr. 13; Jauernig/Berger, BGB, 11. Aufl., § 439 Rdnr. 7).

Demnach hatte die Bekl. als Verkäuferin die Nacherfüllung am Wohnort des Käufers in M. zu leisten, dort also das Fahrzeug auf die behaupteten Mängel durchzusehen und reparieren zu lassen bzw. das Fahrzeug dort auf ihre Kosten abzuholen und auf eigene Gefahr nach Chemnitz zur Durchsicht und Reparatur zu verbringen und auf eigene Kosten und Gefahr wieder nach M. zurückzubringen.

Dies alles ist nicht geschehen. Nach vergeblicher Fristsetzung im Schreiben vom 27. 6. 2003 hat der Kl. mit Schreiben vom 11. 7. 2003 ein Beweissicherungsverfahren beantragt, zumal die Bekl. auch Existenz und Verantwortung für die behaupteten Mängel bestritten hatte. Mit Schriftsatz vom 7. 8. 2003 in diesem Beweissicherungsverfahren hat die Bekl. jede Verpflichtung zur Gewährleistung abgelehnt, was auch die Ablehnung der Nacherfüllung mit einschließt. Dort hat sich die Bekl. auf den Ausschluss der Gewährleistung berufen, die für das Jahr nach dem Kauf gleichwohl bestanden hat. Mängel hätten nicht vorgelegen, für sie sei - dies wird erneut betont - auch jede Gewährleistung ausgeschlossen. Wenn der Ast. ein solches Risiko nicht habe tragen wollen, so hätte er ein Neufahrzeug mit Gewährleistung erwerben müssen. Mit diesem Verhalten wurde konkludent auch jede Nacherfüllung abgelehnt, abgesehen davon, dass die gesetzte Frist zur Nacherfüllung zum 7. 7. 2003 ohnehin bereits abgelaufen war.

Zusammengefasst: Die Nacherfüllung wurde gefordert. Eine Frist wurde erfolglos gesetzt und die Nacherfüllung darüber hinaus spätestens im Beweissicherungsverfahren auch konkludent abgelehnt.

c) Zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (Übertragung des Besitzes, § 446 BGB) war das Fahrzeug auch mangelhaft i.S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB. (Wird ausgeführt.)

d) Höhe der Forderung: Insoweit wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils. Im Berufungsrechtszug wurden die zugesprochenen Positionen nicht angegriffen.

2. Berufung des Kl. Die zulässige Berufung des Kl. ist in der Sache begründet. Der Kl. hat überzeugend dargelegt, dass er bereits deshalb schon vor Weihnachten des Jahres 2003, nämlich am 17. 12. 2003, das Fahrzeug zur Begutachtungsstelle gebracht hat, weil der Gutachter S dazu aufgefordert hatte, da diese Werkstatt die einzige Stelle gewesen sei, die noch vor Weihnachten die zur Begutachtung notwendigen Vorarbeiten machen könne. Diese Tatsachenbehauptung blieb unstreitig, weshalb dem Kl. aus dem vermeintlich frühen Einliefern des Fahrzeugs und Beginn des Nutzungsausfalls kein Vorwurf zu machen ist. Dem Kl. steht daher der geforderte Nutzungsausfall in vollem Umfang zu, so dass die weiteren geforderten 1200 Euro zuzusprechen waren.