NJW 1986, 2647
Vgl. dazu:
Wolf, NJW 1987, 821
Freckmann, NJW 1987, 3113
Wolf, NJW 1988, 1251
Freckmann, NJW 1988, 1252
Teichmann JA 1987, 65
Jauch, JuS 1990, 706
s. auch BGH v. 5.4.2006 - VIII ZR 283/05
Zum Wandelungsrecht bei einer Schnecke im Salat
innerhalb einer Menufolge.
Zentrales Problem:
Die Entscheidung wird - insoweit
besteht Einigkeit - allgemein wegen ihrer Gesetzesferne kritisiert, da
sie das Ergebnis nicht gesetzlich, sondern letztlich nur aus allgemeinen
Billigkeitskriterien herleitet. Über die richtige Lösung des
Falles wird bis heute gestritten (vgl. zusammenfassend zuletzt Jauch,
JuS 1990, 706).
Der vom Gast im Restaurant geschlossene
Vertrag ist ein gemischttypischer Vertrag mit kaufvertraglichen, werkvertraglichen
und auch mietvertraglichen Elementen. Da der Schwerpunkt bei dem bestellten
Essen liegt, ist insofern von einem Werklieferungsvertrag auszugehen. Ist
das Essen mangelhaft, kann der Gast gem. §§ 462, 459, 651 BGB
wegen eines Mangels, den der Gastwirt nach den Vorschriften der §§
459, 460 BGB zu vertreten hat, nach seiner Wahl Rückgängigmachung
des Kaufs (Wandelung) oder Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) verlangen
(§ 462 BGB). Da es sich nach der Verkehrsanschauung bei einem Menu
nicht um die Lieferung "mehrerer Sachen" i.S.v. § 469 BGB, sondern
um eine Gesamtsache handelt, kommt auch eine Wandelung hinsichtlich des
gesamten Menus in Betracht. Zu dieser Gesamtsache gehört nach der
Verkehrsanschauung auch das Menu des Ehemanns, denn Sinn eines gemeinsamen
Menus ist der gemeinsame und gleichzeitige Verzehr von Speisen in dem entsprechenden
Ambiente.
Zentrale Frage ist dann diejenige,
ob die Wandelung (nicht die Minderung!) nach §§ 651, 462, 467,
351 BGB wegen (teilweisen) verschuldeten Untergangs der Sache ausgeschlossen
ist, wenn der Gast bereits einen Teil des Menus verzehrt hat. Entscheidend
ist dabei der Verschuldensbegriff des § 351 BGB. Dieses "Verschulden"
ist nur im Falle der direkten Anwendung von § 351 BGB, d.h. beim vertraglichen
Rücktrittsrecht ein echtes Verschulden i.S.v. § 276 BGB, weil
nur in diesem Fall der Schuldner weiß bzw. wissen muß, daß
er die Sache u.U., d.h. bei Ausübung des Rücktrittsrechts, zurückgeben
muß. Im Falle der Wandelung und des gesetzlichen Rücktrittsrechts
ist der Verschuldensbegriff hingegen umstritten. Vor Kenntnis des Wandelungs-
oder Rücktrittsrechts geht die h.M. hierbei von einem "untechnischen
Verschuldensbegriff" bzw. von einem "Verschulden gegen sich selbst" aus.
Wandelung (bzw. Rücktritt) sind danach nur dann ausgeschlossen, wenn
der Untergang durch eine zurechenbare Unachtsamkeit in eigenen Angelegenheiten
verursacht wurde. Da man ein solches "Verschulden" beim Verzehr eines Menus
nicht bejahen kann, war damit die Wandelung im vorliegenden Fall nach zutreffender
Ansicht nicht ausgeschlossen. Für den bereits verzehrten Teil des
Menus haftet der Wandelungsberechtigte nach h.M. nicht nach §§
347, 989 ff BGB, sondern analog § 327 S. 2 BGB nur nach § 818
BGB (vgl. etwa BGHZ 53, 144 ff; Medicus
SchuldR AT Rn. 558 m.w.N.), es kommt damit auf die noch vorhandenene Bereicherung
an, die man bei einem dergestalt "verdorbenen Abend" getrost mit "0" ansetzen
kann.
Die Kl. betreiben ein französisches Restaurant.
Der Bekl. (Dr. Ing.) hatte für sich und seine Gattin am 4. 10. 1985
einen Tisch reservieren lassen. Er bestellte Speisen und Getränke
im Gesamtwert von 152 DM. Während des Essens ist im Salat, der der
Ehefrau des Bekl. gereicht wurde, eine Schnecke entdeckt worden. Der Bekl.
hat daraufhin mit seiner Gattin ohne zu bezahlen das Lokal verlassen. Die
Kl. begehren Zahlung von 142 DM (152 DM Rechnungsbetrag abzüglich
eines Abschlags von 10 DM für den Salat).Die Klage war in Höhe
von 86 DM erfolgreich.
Der Zahlungsanspruch der Kl. gegen den Bekl. ergibt
sich aus § 433 II BGB. Nach dieser Vorschrift ist der Käufer
verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen.
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen vor. Bei dem zwischen den
Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen im BGB nicht näher
geregelten Vertragstypus, in dem Elemente des Dienst-, Werk- sowie des
Kaufvertrags vorhanden sind. Schwerpunkt des Vertrags ist jedoch das Kaufvertragselement,
nämlich das Bereitstellen von Getränken und Speisen gegen Entgelt,
was rechtfertigt, den Zahlungsanspruch aus dem Kaufrecht herzuleiten.
Zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über
Speisen in einem Gesamtwert von 152 DM geschlossen worden. Diese Speisen
und die Getränke haben die Kl. auch angeliefert. Dennoch ist der Bekl.
nicht verpflichtet, den bestellten und gelieferten Kupferkessel zum Preise
von 29,50 DM sowie das Kalbsmedaillon zum Preise von 36,50 DM zu bezahlen.
Denn es war dem Bekl. und seiner Ehefrau nicht zumutbar, nach Entdecken
der Schnecke den Salat einfach fortbringen zu lassen und weiter zu essen.
Es ist durchaus verständlich und nachvollziehbar, daß sich bei
dem Bekl. und seiner Ehefrau nach dem Auffinden einer Schnecke im Salat
ein solcher Ekel und Widerwille gebildet hat, daß ein Fortsetzen
des Essens für den Bekl. und seine Ehefrau unzumutbar wurde.
Da bei gehöriger Säuberung des Salats
die Schnecke hätte entfernt werden müssen, ist diese Unzumutbarkeit,
das Essen fortzusetzen, auch von den Kl. bzw. deren Personal verursacht
worden. Wenn aber dem Bekl. und seiner Ehefrau aus Gründen, die die
Kl. zu vertreten haben, ein Fortsetzen des Essens nicht zugemutet werden
kann, kann auch keine Verpflichtung entstehen, insoweit den vereinbarten
Preis zu zahlen.
Anders wäre die Sachlage dann, wenn die Schnecke
erst zu einem Zeitpunkt gefunden und entdeckt worden wäre, als entweder
der Bekl. oder seine Ehefrau bereits das für sie Bestellte verzehrt
hatten. Dies konnten jedoch die Kl. nicht nachweisen. Die beiden Zeuginnen
B und N waren sich bei ihrer Aussage, ob der Bekl. bereits sein Essen verzehrt
habe, nicht ganz sicher. Sie meinten zwar, daß der Bekl. im wesentlichen
sein Gericht schon aufgegessen hatte, mit Gewißheit konnten die Zeuginnen
dies nicht sagen. Demgegenüber hat die Ehefrau des Kl. eindeutig erklärt,
daß sowohl ihr Mann als auch sie erst 1/3 der gerade servierten Speisen
gegessen hätten.
Den Kaufpreis wegen der bereits verzehrten Getränke
und Speisen in Höhe von 86 DM hat der Bekl. jedoch in voller Höhe
zu zahlen. Ein Abschlag wegen entgangenen Genußgewinnes ist nicht
gegeben, da bis zum Auftauchen der Schnecke das Essen so verlaufen ist,
wie es der Bekl. sich vorgestellt hat. Die nach dem Verzehr der Speisen
und Getränke auftretende Unzumutbarkeit des Weiteressens rechtfertigt
nicht rückwirkend eine Minderung.
Auch aus dem Umstand, daß die Kl. sich nicht
beim Bekl. bzw. dessen Ehefrau entschuldigt haben, begründet keinen
Minderungsanspruch für den Bekl. Eine Entschuldigung der Kl., die
vielleicht üblich sein mag, auf die aber kein Anspruch besteht, hätte
den Widerwillen des Bekl. und seiner Ehefrau weiter zu essen nicht aufheben
können
Insgesamt ergibt sich somit, daß der Bekl.
den Kaufpreis für die verzehrten Speisen in Höhe von 86 DM zu
zahlen hat.