NJW 1986, 588
LM § 91 a ZPO Nr. 49
MDR 1985, 570
ZIP 1985, 833
Zur Aufrechnung s. BGH v. 17.7
2003 - IX ZR 268/02
Bei einseitiger Erledigungserklärung kommt
es für den Ausspruch des Gerichts, daß die Hauptsache erledigt
ist, darauf an, ob die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen
erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war (Klarstellung
zu BGH, NJW 1982, 767 und BGHZ 83, 12 = NJW 1982,
1598).
Vor dem LG hat die Kl. zwar ihre Klage mit Schriftsatz
vom 4. 10. 1976 begründet. Sie hat dann aber die Sache zunächst
nicht weiter betrieben, nach ihrem Vortrag wegen außergerichtlicher
Vergleichsverhandlungen. Ein auf den 12. 10. 1976 anberaumter Termin zur
mündlichen Verhandlung wurde auf ihren Antrag ohne Bestimmung eines
neuen Termins aufgehoben. Im August 1980 erhoben die Bekl. ihrerseits wegen
eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung Klage gegen die Kl.
(Zwischenprozeß). Gegenüber dieser Forderung hat die Kl. mit
Schriftsatz vom 26. 8. 1980 mit ihrer restlichen Werklohnforderung aufgerechnet.
Dieser Rechtsstreit ist rechtskräftig beendet. Die zur Aufrechnung
gestellten Gegenforderungen der Kl. hat das OLG mit 10146,18 DM zugunsten
der Kl. berücksichtigt und sie im übrigen für unbegründet
erachtet. Inzwischen hatten die Bekl. im vorliegenden Rechtsstreit, in
dem sie erstmals die Einrede der Verjährung erhoben haben, beantragt,
Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen. Das LG hat darauf
entsprechend einem Antrag der Kl. das Verfahren bis zur rechtskräftigen
Entscheidung des Zwischenprozesses ausgesetzt. Im Termin hat dann die Kl.
die Klage in Höhe von 4090,17 DM zuzüglich Zinsen zurückgenommen
und im übrigen, d. h. wegen der restlichen 10146,18 DM zuzüglich
Zinsen im Hinblick auf die im Zwischenprozeß erklärte Aufrechnung
für erledigt erklärt.
Das LG hat durch Urteil ausgesprochen, daß
der Rechtsstreit, soweit die Klage nicht zurückgenommen worden war,
in der Hauptsache erledigt ist. Die Kosten des Verfahrens hat es zu 1/4
der Kl., zu 3/4 den Bekl. auferlegt. Die hiergegen gerichtete Berufung
der Bekl. blieb ohne Erfolg. Das OLG hat lediglich die Kostenentscheidung
des LG abgeändert. Die Revision der Bekl. hatte im wesentlichen keinen
Erfolg.
Aus den Gründen:
Nach Auffassung des BerGer. hat das Gericht im
Falle der einseitigen Erledigungserklärung zu prüfen, ob die
Klageforderung bis zu dem Zeitpunkt bestanden hat, in dem das Ereignis
eintrat, das nach Rechtsauffassung des Kl. zur Erledigung der Hauptsache
geführt hat. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtslage
sei also der Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses. Nicht von Bedeutung
sei hingegen der Zeitpunkt der Zustellung der Klage, denn eine Klage könne
ursprünglich, bei Klageerhebung, unzulässig oder unbegründet
gewesen, aber später zulässig bzw. begründet worden sein.
Ebensowenig komme es auf den Zeitpunkt der Erledigungserklärung an.
Denn dann sei die Klage in aller Regel unzulässig oder unbegründet,
weil sie eben durch das zur Erledigung führende Ereignis unzulässig
oder unbegründet geworden sei.
Im vorliegenden Fall sei die im Zwischenprozeß
mit Schriftsatz vom 26. 8. 1980 erklärte Aufrechnung der tatsächliche
Vorgang, der zur Erledigung der Hauptsache geführt habe, also das
erledigende Ereignis. Bis zu dieser Aufrechnung sei die Klage jedenfalls
in Höhe des Betrages vom 10146,18 DM begründet gewesen. Da die
Bekl. vor dem erledigenden Ereignis weder die Verjährung noch ein
Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht hätten, könne offen
bleiben, ob ihnen diese Einreden zugestanden hätten.
Dagegen wendet sich die Revision der Bekl. - bis
auf eine geringfügige Korrektur bei der Entscheidung über die
Kosten des ersten Rechtszugs - ohne Erfolg.
1. Wenn ein Kl. die Hauptsache einseitig für
erledigt erklärt, der Bekl. dem aber widerspricht und Klageabweisung
beantragt, hat das Gericht, wie es auch hier geschehen ist, durch Urteil
darüber zu entscheiden, ob die Erledigung eingetreten ist oder nicht
(BGHZ 83, 12 (13) = NJW 1982, 1598 m. Nachw.). Dabei kommt es hier auf
den Meinungsstreit über die Rechtsnatur der einseitigen Erledigungserklärung
nicht an (vgl. zum Meinungsstand die Nachw. BGH, NJW 1982, 767 (768)).
2. Das BerGer. hat auch zu Recht die gegen den
Ausspruch der Erledigung durch das LG gerichtete Berufung der Bekl. zurückgewiesen,
weil die Klage bei Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig
und begründet war und weil sie eben durch dieses Ereignis unbegründet
geworden ist.
a) Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung
ausgesprochen, daß Erledigung dann eintritt und auf einseitige Erledigungserklärung
des Kl. durch Urteil auszusprechen ist, wenn eine "ursprünglich" zulässige
und begründete Klage nach Rechtshängigkeit gegenstandslos wird
(BGHZ
37, 137 (142) = NJW 1962, 1723; BGHZ 79, 275 (276) = NJW 1981, 990; BGH,
NJW 1961, 1210 (1211); 1965, 537; 1969, 237; 1981, 686 Nr. 11; LM §
823 (Dc) BGB Nr. 106 = VersR 1976, 954; BGH, VersR 1980, 384 (385)).
b) Dabei ist dem BerGer. darin zu folgen, daß
"ursprüngliche" Zulässigkeit und Begründetheit nicht als
Aussage für den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit zu verstehen ist.
Vielmehr kann sich grundsätzlich eine zunächst unzulässige
oder unbegründete Klage "erledigen", wenn sie nur später, nämlich
im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, zulässig und begründet
war (Habscheid, JZ 1963, 631). Davon gehen auch mehrere Entscheidungen
des BGH aus, so Senat (NJW 1969, 237), nach dem es darauf ankommt, ob die
Klage "vor dem angeblich erledigenden Ereignis" schon unzulässig oder
unbegründet war, und die in diesem Sinne auf die "ursprüngliche"
Unbegründetheit oder Unzulässigkeit der Klage abstellt (ähnlich
BGHZ 37, 137 (142) = NJW 1962, 1723; BGH, NJW 1965, 537; 1975, 539
(540); BGH, LM § 826 (Dc) BGB Nr. 106 = VersR 1976, 954 (955)). Entscheidungen
des BGH, die das nicht deutlich werden lassen (z. B. LM ZPO § 91a
Nr. 39 = WM 1979, 1129; BGH, NJW 1965, 1597; VersR 1980, 384 (385)) hatten
nach der Fallgestaltung keinen Anlaß, auf die Fragestellung
einzugehen.
c) Nach der Rechtsprechung des BGH muß
die Klage aber auch nicht länger als bis zum erledigenden Ereignis
zulässig und begründet sein (BGH, NJW 1965, 537; NJW 1969, 237;
BGH, LM § 826 (Dc) BGB Nr. 106 = VersR 1976, 954 (955)). In all diesen
Fällen war die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig
und begründet und sie wurde eben durch dieses Ereignis unzulässig
oder unbegründet. Ein späterer Zeitpunkt, also z. B. der der
Erledigungserklärung, kommt auch nicht in Betracht. Die materielle
Erledigung der Klage, also das erledigende Ereignis, muß immer vor
der Erledigungserklärung liegen. Diese betrifft also notwendig eine
Klage, die zur Zeit der Abgabe der Erledigungserklärung nicht mehr
zulässig oder nicht mehr begründet ist, und zwar weil sie materiell
bereits erledigt ist (vgl. auch BGHZ 83, 12 (13) = NJW 1982, 1598).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung
BGH, NJW 1982, 767 (= VersR 1982, 295). Auch in diesem Fall hatte bereits
das erledigende Ereignis (die Entfernung eines Anschlags am schwarzen Brett)
und nicht erst die Erledigungserklärung die Klage unzulässig
bzw. unbegründet gemacht. Im Zusammenhang der Entscheidungsgründe
kann dieses Urteil also nicht anders verstanden werden als die - auch dort
- zitierte sonstige Rechtsprechung des BGH. Der angeführte Zeitpunkt
"bis zur Erledigungserklärung" bezieht sich ersichtlich nur auf die
prozessuale Lage und nicht auf die Frage der materiellen Erledigung.
d) Die in diesem Sinne zu verstehende ständige
Rechtsprechung des BGH entspricht auch den Interessen beider Parteien.
Der Kl. soll sich nicht den Folgen einer unzulässigen oder unbegründeten
Klage, etwa nachdem sich ihre Aussichtslosigkeit herausgestellt hat, zu
Lasten des Bekl. durch einseitige Erledigungserklärung entziehen dürfen.
Dem Bekl. andererseits sollen zu Lasten des Kl. keine prozessualen Vorteile
daraus erwachsen, daß die Klage nachträglich unzulässig
oder unbegründet wird, sei es durch ein Verhalten des Bekl., sei es
durch ein sonstiges Ereignis, das das in diesem Zeitpunkt noch berechtigte
Klagebegehren gegenstandslos macht (zur Interessenlage ähnlich Habscheid,
JZ 1963, 629 f.). Gerade um diesen Interessen beider Parteien gerecht zu
werden, kann jede Partei einen streitigen Ausspruch über die Erledigung
oder Nichterledigung erzwingen, ohne daß hierfür ein besonderes
und weiteres Rechtsschutzbedürfnis erforderlich wäre (BGHZ 83,
12 = NJW 1982, 1598; BGH, NJW 1982, 767 m. w. Nachw.). Auch aus dieser,
dem Rechtsinstitut zugrunde liegenden Interessenlage folgt im übrigen,
daß als maßgeblicher Zeitpunkt nur der des erledigenden Ereignisses
gesehen werden kann.
3. Danach hat das BerGer. die Klage zutreffend
als erledigt angesehen. Die Erledigung ist materiell eingetreten durch
die begründete Aufrechnung der streitgegenständlichen Werklohnforderung
mit ebenfalls begründeten Gegenforderungen der Bekl. ("erledigendes
Ereignis"). Daß die Erledigung durch die Kl. selbst herbeigeführt
wurde, ist dabei nicht schädlich, denn die Aufrechnung ist einer Zahlung
durch die Bekl. gleich zu erachten. Sie stellt sachlich nichts anderes
als eine Zwangserfüllung durch Verrechnung dar. Da die Klage bis zu
diesem Zeitpunkt zulässig und begründet war, ist somit Erledigung
eingetreten, ohne daß es auf die Frage der Verjährung oder eines
Zurückbehaltungsrechts ankäme, denn entsprechende Einreden waren
im Prozeß jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nicht erhoben.
Zu Unrecht meint die Revision, das BerGer. habe
die Erledigungserklärung der Kl. im Sinne eines Klageverzichts oder
einer Klagerücknahme umdeuten müssen. Es besteht keinerlei Anlaß,
der Prozeßhandlung einer anwaltschaftlich vertretenen Partei, die
sich ausdrücklich auf ein nicht verwechselbares prozeßrechtliches
Rechtsinstitut bezieht, einen anderen Sinn beizumessen, als sie nach ihrem
Wortlaut hat.
... Lediglich die vom BerGer. vorgenommene Korrektur
der Entscheidung über die Kosten des ersten Rechtszuges ist rückgängig
zu machen. Sie beruht darauf, daß das BerGer. die Auffassung vertritt,
bei einseitiger Erledigungserklärung verringere sich der Streitwert
nicht. Der Senat hält demgegenüber an der gefestigten Rechtsprechung
des BGH fest, wonach in diesem Falle der Streitwert regelmäßig
in der Höhe der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten
besteht (BGH, NJW 1961, 1210 Nr. 10; 1982, 768 Nr. 13 m. w. Nachw.). Eine
vom Regelfall abweichende Beurteilung ist hier nicht geboten.