Erledigung in der Hauptsache (§ 91a ZPO) und materiell-rechtliche Rückwirkung der Aufrechnung (§ 389 BGB): Aufrechnungslage oder Aufrechnungserklärung als maßgeblicher Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses?

BGH, Urteil vom 17. 7. 2003 - IX ZR 268/02


Fundstelle:

BGHZ 155, 392


Zentrale Probleme:

Es geht um ein "Klassikerproblem" an der Schnittstelle zwischen Zivilprozeßrecht und materiellem Recht: Eine Erledigung in der Hauptsache (in der ZPO nur in Bezug auf die Kosten in § 91a ZPO geregelt) tritt nur ein, wenn eine anfänglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit liegendes Ereignis unzulässig bzw. unbegründet wird (s. dazu nur BGH NJW 1986, 588 ff ; BGH NJW 1994, 2363 ff, BGHZ 83, 12 sowie die Anm. zu BGH v. 13.12.2006 - XII ZB 71/04).
Erklärt der Bekl. im Prozeß die Aufrechnung, so wirkt diese nach § 389 BGB auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage zurück. Dies ist aber, wie der BGH hier betont, eine materiellrechtliche Fiktion, die nichts daran ändert, daß erst die (materiellrechtlich notwendige) Erklärung der Aufrechung (§ 388 BGB) den Anspruch vernichtet und die Klage - bei Vorliegen des Klageanspruchs - bis zum Zeitpunkt der Erklärung deshalb zulässig und begründet war. Zur gleichen Problematik bei der Verjährung vgl. jetzt
BGH v. 27.1.2010 - VIII ZR 58/09.
Praktisch relevant und heftig umstritten ist dieses Problem der Rückwirkungsfiktion auch im Rahmen der Präklusion der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 2 ZPO. Hier stellt die Rspr. überwiegend auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage ab (s. etwa BGH NJW 1994, 2769). Das ist vielleicht unrichtig (so die hM im Schriftttum) im Hinblick auf die unterschiedliche Zielsetzung der Regelung aber kein Widerspruch zur Argumentation der vorliegenden Entscheidung und durch diese damit auch nicht präjudiziert.

©sl 2003


Amtl. Leitsatz:

Erklärt der Bekl. nach Klagezustellung mit einer bereits vor Klageerhebung der Klageforderung aufrechenbar gegenüberstehenden Forderung gegen diese die Aufrechnung, so ist trotz der materiell-rechtlichen Rückwirkung der Aufrechnung (§ 389 BGB) erst die Aufrechnungserklärung das „erledigende Ereignis“ für eine bis dahin zulässige und begründete Klage.


Tatbestand:

Die Kl. hat Zahlung eines restlichen Steuerberaterhonorars in Höhe von 3.916,32 € verlangt, das sie den Bekl. mit Schreiben vom 10. 12. 1999 in Rechnung gestellt hat. Sie hat die Klageforderung mit Mahnbescheid vom 29. 12. 2000 rechtshängig gemacht. Die Bekl. haben eingewendet, Auftraggeber der Kl. sei lediglich der Bekl. zu 1 gewesen, und haben weiter einzelne Ansätze der Rechnung bestritten.

Im Verlaufe des Rechtsstreites hat der Bekl. zu 1 mit einer ihm durch rechtskräftiges Urteil des AG Landshut vom 14. 3. 2001 zugesprochenen Forderung gegen die Kl. in Höhe von 3.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. 5. 1998 gegen die Klageforderung aufgerechnet. Die Kl. hat die Hauptsache in Höhe von 1.632,72 € ( = 3.193,33 DM) für erledigt erklärt, die Verurteilung der Bekl. als Gesamtschuldner zur Zahlung von 2.283,59 (= 4.466,32 DM) und, da die Bekl. der Erledigungserklärung nicht zustimmten, die Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache begehrt. Das AG hat den Bekl. zu 1 zur Zahlung von 1.401,43 nebst 10,5 % Zinsen seit dem 20. 9. 2000 verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch gegen die Bekl. zu 2 stehe der Kl. nicht zu, weil diese nicht Auftraggeberin der Kl. sei. Aus der Rechnung vom 10. 12. 1999 seien die dort angesetzten Beträge für Bericht und Antrag zur Bilanz zu streichen, weil die Kl. insoweit keinen Auftrag des Bekl. zu 1 gehabt habe; ferner seien weitere Vorschußzahlungen sowie die zur Aufrechnung gestellte Forderung in Höhe von 1.632,72 € abzuziehen. Der Feststellungsantrag der Klägerin, dass sich die Hauptsache in dieser Höhe erledigt habe, sei zurückzuweisen. Die Forderung des Bekl. zu 1 sei bereits vor Rechtshängigkeit der Klageforderung entstanden. Wegen § 389 BGB sei auf den Eintritt der Aufrechnungslage abzustellen, so dass die Klage unbegründet gewesen sei. Die Berufung der Kl. blieb ohne Erfolg, soweit sie die Verurteilung des Bekl. zu 1 zur Zahlung eines weiteren Betrages von 679,05 € be- gegehrte. Hingegen stellte das BerGer. auf die Berufung der Kl. fest, dass sich der Rechtsstreit in bezug auf den Bekl. zu 1 in Höhe von 1.632,72 € erledigt habe. Entgegen der Auffassung des AG stelle nicht die Aufrechnungslage, sondern die im Prozess abgegebene Aufrechnungserklärung das erledigende Ereignis dar, durch das die zunächst zulässige und begründete Klage unbegründet geworden sei. Dagegen wendet sich der Bekl. zu 1 mit der - zugelassenen - Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

I. 1. Die Revision ist gem. § 543 I Nr. 1 ZPO statthaft, da sie vom BerGer. im Tenor des angefochtenen Urteils zugelassen worden ist. Daß in den Entscheidungsgründen von der Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 II Nr. 1 und 2 ZPO die Rede ist, berührt die Bindung des RevGer. an die Zulassung (§ 543 II Satz 2 ZPO) nicht, weil die Zulassungsgründe für die Rechtsbeschwerde mit denjenigen für die Revision übereinstimmen (§ 543 II Satz 1, § 574 II ZPO). Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich jedoch, dass das BerGer. die Revision nur hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes zugelassen hat. Denn es führt dort zur Zulassung aus, zu der hier für einen Teil des Streitgegenstandes streitentscheidenden Frage, ob bei einer Erledigung durch Aufrechnung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung oder der Aufrechnungslage abzustellen sei, liege eine divergierende obergerichtliche Rechtsprechung vor. Diese Ausführungen lassen deutlich erkennen, dass das BerGer. nur hinsichtlich eines rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Streitstoffes, über den gesondert hätte entschieden werden können (Antrag auf Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache durch die von dem Bekl. zu 1 erklärte Aufrechnung), eine die Anrufung des RevGer. rechtfertigende Rechtsfrage gesehen hat. In einem solchen Fall ist die Zulassung trotz der uneingeschränkten Zulassung der Revision im Tenor auf diesen Teil des Streitgegenstandes beschränkt (vgl. BGH, Urt. v. 5. 2. 1998 - III ZR 103/97, NJW 1998, 1138, 1139 f; v. 9. 1. 2001 - VI ZR 407/99, NJW 2001, 969, 970; v. 29. 1. 2003 - XII ZR 92/01, z.V.b. in BGHZ).

2. Die gem. § 543 I Nr. 1 ZPO statthafte Revision ist auch im übrigen zulässig, insbesondere ergibt sich - ungeachtet der weiten Antragsfassung - aus der Revisionsbegründung hinreichend deutlich, dass mit der Revision nur die Aufhebung des Berufungsurteils hinsichtlich des zugelassenen Teils des Streitgegenstandes begehrt wird. Denn nur insoweit ist der Bekl. zu 1 durch die angefochtene Entscheidung beschwert.

II. Die Revision ist jedoch unbegründet.

1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsurteil enthalte keine hinreichenden Gründe i.S. des § 540 I Nr. 1 ZPO, weil die Berufungsanträge nicht aufgenommen seien. Es genügt, dass aus den Ausführungen des BerGer. hinreichend deutlich wird, was die Parteien mit ihren Rechtsmitteln erstrebt haben (vgl. BGH, Urt. v. 26. 2. 2003 - VIII ZR 262/02, z.V.b. in BGHZ; Urt. v. 6. 6. 2003 - V ZR 392/02, z.V.b.). Das ist hier der Fall.
2. Das BerGer. hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Rechtsstreit in bezug auf den Bekl. zu 1 in Höhe von 1.632,72 € in der Hauptsache erledigt ist.
a) Die Hauptsache ist erledigt, wenn die Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch das behauptete Ereignis unzulässig oder unbegründet wurde (BGHZ 106, 359, 366 f; BGH, Urt. v. 6. 12. 1984 - VII ZR 64/84, NJW 1986, 588, 589). Ein vor Rechtshängigkeit liegendes Ereignis kann die Hauptsache nicht erledigen (BGHZ 83, 12, 14; BGHZ127, 156, 163). Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob die Klage durch die von dem Bekl. zu 1 erklärte Aufrechnung in Höhe von 1.632,72 € (nachträglich) unbegründet geworden ist oder ob sie , wie der Bekl. zu 1) meint, wegen der Rückwirkung der Aufrechnungserklärung gem. § 389 BGB von Anfang an unbegründet war. Die Feststellung der Vorinstanzen, dass die Klageforderung in dieser Höhe bis zur Aufrechnung gegen den Bekl. zu 1 bestanden hat und durch die Aufrechnung mit der dem Bekl. zu 1 vor Rechtshängigkeit der Klageforderung aufrechenbar zustehenden Gegenforderung in Höhe von 1.632,72 € erloschen ist, wird von den Parteien nicht beanstandet. Sie läßt einen Rechtsfehler auch nicht erkennen.

Ebensowenig bestehen an der Zulässigkeit der Klage hinsichtlich des durch Aufrechnung erloschenen Teils der Klageforderung Bedenken wegen eines möglicherweise fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. Axel Schulte, Die Kostenentscheidung bei der Aufrechnung durch den Bekl. im Zivilprozeß, 1990 S. 56; N. Schneider MDR 2000, 507, 508). Insbesondere war die Kl. nicht gehalten, ihrerseits gegen die Forderung des Bekl. zu 1 mit ihrer Honorarforderung aufzurechnen, statt diese in vollem Umfange klageweise geltend zu machen. Bei der Gegenforderung des Bekl. zu 1 handelte es sich um eine von der Kl. zunächst bestrittene Kaufpreisforderung, die in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Honorarforderung der Kl. stand. In dem über diese Forderung des Bekl. zu 1 anhängigen Rechtsstreit musste sich die Kl. schon wegen § 145 III ZPO nicht mit einer (Hilfs-)Aufrechnung verteidigen. Da sie die Gegenforderung des Bekl. zu 1 bestritt, war es ihr bis zu deren rechtskräftiger Feststellung auch nicht zuzumuten, von einer gerichtlichen Geltendmachung ihrer eigenen Forderung in Höhe der Gegenforderung des Bekl. zu 1 abzusehen und sich statt dessen durch Aufrechnung zu befriedigen. Nach ihrer rechtskräftigen Verurteilung zur Bezahlung der Forderung des Bekl. zu 1 war ihr die Verteidigung gegen diese Forderung im Wege der Aufrechnung durch § 767 II ZPO verwehrt. Denn nach der Rechtsprechung des BGH beurteilt sich die Frage, wann eine gegen den festgestellten Anspruch geltend gemachte Einwendung entstanden ist, nach materiellem Recht, wobei für die Aufrechnung nicht auf die Ausübung dieses Gestaltungsrechts, sondern ohne Rücksicht auf eine etwaige Kenntnis auf die Aufrechnungslage, also darauf abzustellen ist, wann sich die Forderungen objektiv aufrechenbar gegenübergestanden haben (BGHZ 24, 97, 98; BGHZ 34, 274, 279; BGHZ 100, 222, 225).

b) Wenn die Aufrechnungslage (§ 387 BGB) - wie im vorliegenden Fall - bereits vor Zustellung der Klage bestanden hat, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ob das erledigende Ereignis die Aufrechnungslage oder die Aufrechnungserklärung (§ 388 Satz 1 BGB) ist.

aa) Ein Teil der jüngeren Rechtsprechung und die überwiegende Kommentarliteratur sehen wegen der materiell-rechtlichen Rückwirkung nach § 389 BGB die Aufrechnungslage als erledigendes Ereignis an und verneinen demnach, wenn die Aufrechnungslage schon vor Klageerhebung bestanden hat, eine Erledigung der Hauptsache, weil diese nur durch ein nach Klagezustellung liegendes Ereignis eintreten kann (vgl. OLG Hamm MDR 2000, 296, 297 = OLG-Report 2000, 100; OLG Jena OLG-Report 1997, 135, 136; Münch- Komm-ZPO/Lindacher, 2. Aufl. § 91a Rn. 134; Musielak/Wolst, ZPO 3. Aufl. § 91a Rn. 57; Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl. § 91a Rn. 58 „Aufrechnung“; Bamberger/Roth/Dennhardt, BGB § 389 Rn. 3; Erman/Westermann, BGB 10. Aufl. § 389 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Schlüter, 4. Aufl. § 389 Rn. 11; Palandt/ Heinrichs, BGB 62. Aufl. § 389 Rn. 2).

bb) Die Gegenansicht hält demgegenüber die durch § 389 BGB angeordnete Rückwirkung als lediglich materiell-rechtliche Fiktion für die verfahrensmäßige Frage der Erledigung der Hauptsache für bedeutungslos und stellt auf den tatsächlichen Vorgang der Erledigungserklärung als erledigendes Ereignis ab (vgl. BayObLG NJW-RR 2002, 373 f; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 432 = MDR 2000, 540; Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 91a Rn. 4 a.E.; Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. § 91a Rn. 6 Fn. 12; Heistermann NJW 2001, 3527 f; N. Schneider, aaO; Schulte, aaO S. 58 ff, 64).

cc) Das RG hat kurz nach dem Inkrafttreten des BGB - ohne nähere Begründung - ausgesprochen, dass der Kl. wegen der Rückwirkung der Aufrechnungserklärung nach § 389 BGB kostenfällig sei, wenn schon vor Beginn des Prozesses die beiden Forderungen einander gegenüber gestanden hätten, obgleich in einem solchen Falle die Beseitigung des Klageanspruchs erst durch die Erklärung erfolge (RGZ 50, 389, 391). Später hat es die Erledigung der Hauptsache nur in einem Fall angenommen, in dem die zur Aufrechnung gestellte Forderung im Laufe des Rechtsstreites für die bekl. Partei entstanden war (RGZ 57, 381, 384). In der Entscheidung RGZ 58, 414, in der es um die Kostenentscheidung bei der Fortsetzung eines von dem Konkursverwalter angestrengten Anfechtungsrechtsstreites nach Aufhebung des Konkurses zwischen dem bisherigen Gemeinschuldner und dem Anfechtungsgegner ging, hat das RG offengelassen, ob in dem Falle, dass die Aufrechnungslage bereits vor Beginn des Rechtsstreites bestand, „die rückwirkende Kraft der Aufrechnung zu einem abweichenden Resultate führen kann“ (aaO S. 417).

Der BGH hatte sich in der Entscheidung vom 6. 12. 1984 (VII ZR 64/84, NJW 1986, 588) mit dem Sachverhalt zu befassen, dass der Kl. mit einem Teil der in einem Erstprozeß im Jahre 1976 rechtshängig gemachten Klageforderung gegen eine Forderung des Bekl. in einem von diesem im Jahre 1980 angestrengten Zwischenprozeß aufgerechnet und sodann im Erstprozeß die Hauptsache im Hinblick auf die im Zwischenprozeß erklärte Aufrechnung insoweit für erledigt erklärt hatte. Der BGH hat eine Erledigung mit der Begründung angenommen, diese sei materiell eingetreten durch die begründete Aufrechnung der streitgegenständlichen Forderung mit ebenfalls begründeten Gegenforderungen des Bekl.; dies sei das „erledigende Ereignis“. Da die Klage bis zu diesem Zeitpunkt zulässig und begründet gewesen sei, sei somit Erledigung eingetreten (aaO S. 589). Nach dem festgestellten Sachverhalt bestand allerdings kein Anhaltspunkt dafür, dass die Aufrechnungslage bereits vor Klageerhebung in dem Erstprozeß bestanden haben könnte.

c) Der Senat schließt sich auch für den Fall, dass die Aufrechnungslage bereits vor Rechtshängigkeit der Klageforderung bestanden hat, der Auffassung an, dass nicht die Aufrechnungslage, sondern erst die Aufrechnung als solche, also die Aufrechnungserklärung, das erledigende Ereignis darstellt.

aa) Ein erledigendes Ereignis ist der Eintritt einer Tatsache mit Auswirkungen auf die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit der Klage (vgl. Musielak/Wolst aaO Rn. 10). Die materiell-rechtliche Wirkung, die bei der Aufrechnung die Geltendmachung der Klageforderung berührt, ist deren Erlöschen. Dieser Erfolg wird aber, wie § 389 BGB eindeutig besagt, (erst) durch die Aufrechnung, d.h. durch die Aufrechnungserklärung (§ 388 Satz 1 BGB) „bewirkt“ und nicht (bereits) durch die Aufrechnungslage (vgl. BGHZ 109, 47, 51). Das Vorliegen einer Aufrechnungslage führt, wenn und solange die Aufrechnung nicht erklärt wird, noch nicht zum Erlöschen der beiderseitigen Forderungen (BGHZ 2, 300, 303 f).

bb) Tritt die Erlöschenswirkung erst mit der Erklärung der Aufrechnung ein, so war die Klage bis dahin zulässig und begründet. Die von § 389 BGB angeordnete Fiktion („gilt“) der Rückwirkung des Erlöschens auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage ändert daran nichts. Diese Fiktion der Rückwirkung hat lediglich zur Folge, dass nicht nur die Hauptforderungen erlöschen, sondern auch Ansprüche z.B. auf Verzugszinsen für den Zeitraum bis zur Erklärung der Aufrechnung, die ohne die Rückwirkung nach wie vor bestünden, ab dem Zeitpunkt der Aufrechnungslage wegfallen (vgl. BGHZ 80, 269, 278 f). Diese materiell- rechtliche Rückwirkung tritt aber gleichfalls erst mit Abgabe der Aufrechnungserklärung ein. Sie steht damit der Auffassung, dass prozessual die Aufrechnungserklärung und nicht die Aufrechnungslage das erledigende Ereignis darstellt, nicht entgegen.

cc) Weder die Abwägung der Interessen der Beteiligten noch sonstige Billigkeitserwägungen vermögen ein abweichendes Ergebnis zu rechtfertigen. Zwar mag es zutreffen, dass sich der Inhaber einer aufrechenbaren Forderung wegen § 389 BGB ab Bestehen der Aufrechnungslage „wirtschaftlich nicht mehr als Schuldner zu fühlen“ braucht (so Palandt/Heinrichs aaO), weil er jederzeit durch Erklärung der Aufrechnung die Forderung seines Gläubigers rückwirkend zum Erlöschen bringen kann. Gleichwohl wird damit nicht schon die Aufrechnungslage zum „relevanten“ Erledigungsereignis (vgl. aber Münch- Komm-ZPO/Lindacher aaO). Es ist grundsätzlich dem beklagten Schuldner zur freien Entscheidung überlassen, ob und wann er durch Erklärung der Aufrechnung (§ 388 Satz 1 BGB) die Erlöschenswirkung (mit der materiell-rechtlichen Folge des § 389 BGB) eintreten lassen will. Fordert ihn der Kl. vorprozessual zur Zahlung auf, so vermag der Schuldner, dem die Aufrechnungslage bekannt ist, durch Erklärung der Aufrechnung vor Rechtshängigkeit eine etwaige Klage von Anfang an unbegründet zu machen. Sieht der Kl. von einer vorprozessualen Aufforderung ab, können ihm gem. § 93 ZPO die Prozeßkosten zur Last fallen.

Dagegen besteht für den klagenden Gläubiger nicht in jedem Falle die Möglichkeit, sich seinerseits vor Klageerhebung durch Erklärung der Aufrechnung gegen die Forderung des beklagten Schuldners zu befriedigen. Für ihn kann die Aufrechnung aus Rechtsgründen ausgeschlossen sein, z.B. wenn dem Bekl. eine Schadensersatzforderung gegen ihn zusteht (§ 393 BGB) oder die Forderung des Kl. vor Klageerhebung noch einredebehaftet ist (§ 390 Satz 1 BGB). Die Aufrechnung vor Klageerhebung kann dem Kl./ Gläubiger ferner aus tatsächlichen Gründen unmöglich sein, wenn etwa der Bekl. die Gegenforderung durch Abtretung oder im Wege der Erbfolge erlangt hat (möglicherweise sogar erst nach Klageerhebung) und dies dem Kl. nicht bekannt ist. Im übrigen kann der Kl. - wie der Bekl. - gute Gründe haben, von einer Aufrechnungserklärung zunächst abzusehen, so wenn Kl. und/oder Bekl. mehrere Forderungen haben, mit denen und gegen die aufgerechnet werden kann. Für den Kl. kann es ferner beispielsweise naheliegen, von einer Aufrechnung abzusehen, wenn die Forderung des Bekl. demnächst verjährt (vgl. § 390 Satz 2 BGB). Würde man bei einer vor Rechtshängigkeit gegebenen Aufrechnungslage bereits diese grundsätzlich als erledigendes Ereignis ansehen, so dass bei einer erst im Prozess erklärten Aufrechnung des Bekl. die Klage gleichwohl als von Anfang an unbegründet zu behandeln wäre, hätte dies zur Folge, dass auch in den soeben genannten Fällen der Kl. weder durch Klagerücknahme noch durch eine Erledigungserklärung verhindern könnte, mit den durch die Klageerhebung verursachten Kosten belastet zu werden, sofern der Bekl. der Erledigung nicht zustimmt (§§ 91, 269 III ZPO a.F.). Auch § 269 III Satz 3 ZPO in der seit dem 1. 1. 2002 geltenden Fassung (§ 26 Nr. 2 EGZPO) zwingt den Kl. nicht, die Klage zurückzunehmen, statt sie für erledigt zu erklären. Ist dagegen die Erledigung der Hauptsache durch Erklärung der Aufrechnung im Prozess eingetreten, erlaubt es die bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien gem. § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung, bei der Verteilung der Kostenlast zu berücksichtigen, ob und gegebenenfalls welcher Partei es billigerweise zuzumuten war, die Aufrechnung bereits vorgerichtlich zu erklären.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.