NJW 1989, 218 ff
(s. dazu auch BGHZ 115,
286 ff = NJW 1992, 566 ff sowie RGZ 86, 90 ff)
1. Die Lieferung eines als Auslese gekauften
Weins stellt eine Falschlieferung dar, wenn er die Merkmale einer Auslese
nur deshalb aufweist, weil ihm weinrechtlich unerlaubte Fremdstoffe (hier:
Diethylenglykol) zugesetzt wurden.
2. Der Verdacht einer gesundheitsschädlichen
Beschaffenheit gelieferter Waren bildet keinen Sachmangel, wenn er sich
nachträglich als unbegründet herausstellt.
Die Kl. lieferte dem Bekl. aufgrund einer entsprechenden
Bestellung drei Posten Wein: am 20. 3. 1985 120 Flaschen 1983er Westhofener
Bergkloster, Auslese, Rheinhessen, zum Preise von 725,04 DM und 200 Flaschen
1982er St. Georgener Auslese, Burgenland, Österreich, zum Preise von
934,80 DM sowie am 16. 4. 1985 150 Flaschen 1982er St. Georgener Auslese
der vorbezeichneten Lage zum Preise von 701,10 DM. Der St. Georgener aus
der Lieferung vom 20. 3. 1985 enthält 3,4 g Diethylenglykol (DEG)
pro Liter. Erst durch die Zugabe dieses Stoffes erreichte er die Merkmale
einer Auslese. Er ist neben anderen von der Kl. abgefüllten österreichischen
Weinen in der vom Bundesminister für Gesundheit am 17. 2. 1986 herausgegebenen
DEG-Liste aufgeführt, in der unter Angabe des Herkunftsgebietes, der
AP-Nummer und des jeweiligen Abfüllers Weine benannt sind, deren Untersuchung
auf DEG-Zusätze einen positiven Befund ergeben hatte. Der am 16. 4.
1985 gelieferte St. Georgener ist - wie im Verlaufe des vorliegenden Prozesses
unstreitig wurde - glykolfrei. Ob dies auch für den Westhofener Bergkloster
zutrifft, ist ungeklärt. Nachdem im Sommer 1985 der sogenannte Glykol-Skandal
aufgedeckt und am 10. 7. 1985 vom Bundesminister für Gesundheit generell
vor dem Genuß österreichischer Weine gewarnt worden war, rügte
der Bekl. am 13. 8. 1985, daß der Westhofener Bergkloster und der
am 16. 4. 1985 gelieferte St. Georgener DEG-haltig seien, und am 21. 12.
1985, daß dies auch bei dem St. Georgener aus der Lieferung vom 20.
3. 1985 der Fall sei. Er verweigerte die Zahlung des Kaufpreises und verlangte
Wandelung. Die Kl. hat den Bekl. daraufhin klageweise auf Zahlung von 2360,94
DM nebst Zinsen in Anspruch genommen und gegenüber dem aufrechterhaltenen
Wandelungsbegehren des Bekl. die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat der Klage in Höhe von 1426,14
DM (725,04 DM + 701,10 DM) nebst Zinsen stattgegeben und sie im übrigen
abgewiesen. Die Sprungrevisionen beider Parteien hatten keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
A. Die Revision der Kl. ist unbegründet.
I. Das LG hat der Kl. den Kaufpreisanspruch für
die am 20. 3. 1985 gelieferten 200 Flaschen St. Georgener Auslese in Höhe
von 934,80 DM mit der Begründung aberkannt, daß der Bekl. insoweit
wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sei. Dieser Wein erfülle
nicht die an eine Auslese zu stellenden Anforderungen. Es handele sich
vielmehr um einen minderwertigen Wein, dem Glykol zugesetzt worden sei,
um die zuckerfreien Extraktwerte des Weins zu erhöhen und damit die
Qualitätsstufe einer Auslese zu erreichen. Durch die Zugabe von Glykol
werde ein minderwertiger Wein aber nicht zu einer Auslese. Es liege daher
eine Falschlieferung vor, auf die nicht die Gewährleistungsvorschriften
der §§ 459 ff. BGB, sondern die §§ 320 ff. BGB Anwendung
fänden. Da die Kl. sich ernsthaft und endgültig geweigert habe,
die vertragsmäßige Leistung zu erbringen, habe der Bekl.
ohne vorherige Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung nach § 326
BGB vom Vertrag zurücktreten können. Der Rücktritt sei spätestens
mit Schriftsatz vom 7. 5. 1987 erklärt worden.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen
Nachprüfung stand.
1. Die Entscheidung hängt - wovon auch das
LG ausgegangen ist - davon ab, ob der mit Glykol versetzte Wein lediglich
eine mangelhafte Auslese oder wegen Fehlens der an eine Auslese zu stellenden
Anforderungen eine Falschlieferung (aliud) darstellt.
Im ersten Fall wäre der Bekl. zur Zahlung
verpflichtet, weil er den Mangel erst im Dezember 1985 und damit nach Ablauf
der mit der Anlieferung (=20. 3. 1985) beginnenden sechsmonatigen Verjährungsfrist
des § 477 BGB angezeigt hat. Er könnte daher weder Wandelung
(§ 462 BGB) beanspruchen noch gem. § 478 I BGB die Zahlung des
Kaufpreises verweigern. Handelt es sich dagegen um ein aliud, so greift
die kaufrechtliche Gewährleistung und damit auch die Verjährungsvorschrift
des § 477 BGB nicht ein (Senat, NJW 1969, 787 = WM 1969, 95 (96);
NJW 1984, 1955 = WM 1984, 1059 (1060)). Vielmehr richten sich die - insoweit
der 30-jährigen Verjährung nach § 195 BGB unterfallenden
- Rechte des Bekl. nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 320
ff. BGB. In diesem Fall ist der Bekl., was das LG rechtlich zutreffend
angenommen hat und von der klägerischen Revision hinsichtlich der
tatsächlichen Voraussetzungen auch nicht angegriffen wird, wirksam
gem. § 326 BGB vom Vertrag zurückgetreten.
Dies träfe selbst dann zu, wenn einem Teil
der Rechtslehre zu folgen wäre, wonach auch unter Nichtkaufleuten
im Falle einer Falschlieferung die kaufrechtliche Gewährleistung gelten
soll, sofern die gelieferte Ware nicht i. S. von § 378 HGB genehmigungsunfähig
ist (vgl. Reinicke-Tiedtke, KaufR, 3. Aufl., S. 137 ff., und die w. Nachw.
in Fußn. 268). Genehmigungsunfähigkeit ist anzunehmen, wenn
der Verkäufer bei objektiver Betrachtungsweise schlechterdings nicht
erwarten kann, der Käufer werde die Falschlieferung als Erfüllung
akzeptieren (vgl. Senat, NJW 1969, 787). Das Vorliegen einer solchen Fallgestaltung
hat das LG hier indessen mit Rücksicht auf die - aus damaliger Sicht
- gesundheitsgefährdende Verfälschung des am 20. 8. 1985 gelieferten
Weins aus dem Burgenland rechtlich bedenkenfrei festgestellt. Die Revision
wendet sich auch nicht dagegen.
2. Bei den am 20. 3. 1985 als Auslese gelieferten
200 Flaschen St. Georgener handelt es sich um eine Falschlieferung, nämlich
um eine andere als die bedungene Ware.
a) Eine Falschlieferung liegt bei nur gattungsmäßiger
Bestimmung vor, wenn die gelieferten Waren einer anderen als der geschuldeten
Gattung entstammen. Welche Gattung konkret geschuldet ist, bestimmt sich
unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung in erster Linie nach
der Parteivereinbarung (Senat, NJW 1986, 659 = WM 1985, 1361 (1362 unter
III 2 a) m. w. Nachw.). Die Vertragspartner haben es danach weitgehend
in der Hand, durch genaue Bestimmung der für die zu liefernden Waren
maßgeblichen Eigenschaften eng begrenzte Warengattungen festzulegen
(Senat, NJW 1975, 2011 = WM 1975, 562 (563)).
Dies haben die Parteien hier getan, indem sie
den Vertragsgegenstand u. a. auch durch das Prädikat "Auslese" näher
beschrieben. Damit haben sie den zu liefernden Wein gattungsmäßig
von Weinen anderer Prädikats(Qualitäts-) stufen abgegrenzt (vgl.
Senat, NJW 1985, 2403 = WM 1985, 837 (838)). Die Ansicht der Revision,
nach der Verkehrsauffassung gehörten die weinrechtlich anerkannten
Prädikate nicht zu den Gattungsmerkmalen eines Weines, geht fehl.
Sie beruht auf der irrtümlichen Annahme, innerhalb der Oberbegriffe
"Qualitätswein", "Qualitätswein bA" oder "Qualitätswein
mit Prädikat" seien gattungsmäßige Eingrenzungen nicht
möglich. Im Urteil vom 24. 4. 1985 (NJW 1985, 2403 (unter II 2 b))
hat der erkennende Senat bereits ausdrücklich hervorgehoben, daß
nicht nur die Angabe von Lage, Jahrgang, Rebsorte usw., sondern auch der
Begriff "Spätlese" - und die daraus weinrechtlich zu stellenden Anforderungen
- zur gattungsmäßigen Eingrenzung des geschuldeten Weins dienen.
b) Der von der Kl. gelieferte, mit Glykol versetzte
Wein entspricht nicht der geschuldeten Gattung "Auslese". Dies wäre
nur der Fall, wenn der Wein schon vor dem Glykolzusatz die an eine Auslese
zu stellenden Anforderungen erfüllt hätte und durch das Glykol
lediglich noch innerhalb dieser Qualitätsstufe "verbessert" worden
wäre. Wie das LG in Übereinstimmung mit dem beiderseitigen Parteivortrag
festgestellt hat, gehörte der als Auslese verkaufte St. Georgener
aus der Lieferung vom 20. 3. 1985 indessen einer niedrigeren Qualitätsstufe
an und erhielt erst durch die Zugabe von Glykol, mit der eine Erhöhung
der zuckerfreien Extraktwerte und eine Abrundung sowie Intensivierung der
Geschmacksqualität erreicht wurden, die für die Einstufung als
Auslese maßgeblichen Merkmale. Damit wurde, wie das LG zutreffend
angenommen hat, der einer niedrigeren Qualitätsstufe zugehörige
Wein jedoch nicht zu einer Auslese (ebenso AG Bad Kreuznach, NJW-RR 1987,
242 = MDR 1987, 232). Der weinrechtlich unerlaubte (vgl. §§ 3
IV, 8 I WeinG i. V. mit Art. 46 VO 337/79/EWG) Zusatz von Fremdstoffen,
die die Merkmale einer höheren Qualitätsstufe hervorrufen, hebt
Wein nicht - wie die Revision meint - gattungsmäßig aus der
Qualitätsstufe heraus, der er nach seinen natürlichen, arteigenen
Eigenschaften zuzuordnen ist.
Daran vermag nichts zu ändern, daß
- was die klägerische Revision geltend macht - dem in Rede stehenden
Wein "amtlich" das Prädikat "Auslese" verliehen worden war. Dies beruhte
ersichtlich allein darauf, daß die Prüfstelle die Zugabe von
Glykol nicht erkannt hatte. Entgegen der Auffasung der Revision ist es
auch unerheblich, ob der Wein trotz vorschriftswidriger künstlicher
Verbesserung verkehrsfähig im Sinne des Weingesetzes blieb. Die Verkehrsfähigkeit
besagt nichts darüber, ob der gelieferte Wein der Gattung entstammt,
der er vereinbarungsgemäß zugehören soll.
B. Auch der Revision des Bekl. war im Umfange
ihrer Annahme der Erfolg zu versagen.
I. Das LG hat ausgeführt, dem Anspruch der
Kl. auf Zahlung des Kaufpreises für die am 16. 4. 1985 gelieferten
150 Flaschen St. Georgener Auslese (=701,10 DM) könne der Bekl. keine
Rechte aus §§ 320 ff. BGB oder §§ 480, 459 ff. BGB
entgegenhalten, weil dieser Wein weder einer andern als der geschuldeten
Gattung angehöre noch mangelhaft sei. Er enthalte, wie im Verhandlungstermin
unstreitig geworden sei, kein Glykol. Darauf, daß einmal der Verdacht
einer Glykolhaltigkeit und Gesundheitsgefährdung bestanden habe, vermöge
der Bekl. seine Zahlungsverweigerung nicht zu stützen. Dieser Verdacht
sei bei Lieferung des Weines noch nicht aufgekommen gewesen. Deshalb sei
fraglich, ob ein durch diesen Verdacht etwa begründeter Mangel überhaupt
im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrüberganges vorgelegen habe.
Diese Frage brauche jedoch nicht entschieden zu werden, weil nach der Rechtsprechung
des BGH der auf konkrete Tatsachen gestützte Verdacht einer gesundheitsschädlichen
Beschaffenheit der gekauften Ware einen Mangel derselben nur begründe,
wenn er vom Käufer nicht durch zumutbare Maßnahmen beseitigt
werden könne. Gleiches müsse gelten, wenn der Verkäufer
den Nachweis führe, daß der eingetretene Verdacht nicht berechtigt
sei. Da der Bekl. hier das Ergebnis der Betriebsprüfung der Kl. akzeptiert
habe und die Mangelfreiheit des Weins unstreitig sei, entfalle jeglicher
Grund, den qualitativ einwandfreien Wein als minderwertig zu behandeln.
II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis
gleichfalls der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Unstreitig handelt es sich bei dem am 16. 4.
1985 gelieferten St. Georgener nicht um ein aliud, so daß die Kl.
den Kaufvertrag ihrerseits erfüllt hat. Ihr Kaufpreisanspruch könnte
daher allenfalls an der vom Bekl. geltend gemachten Mangelhaftigkeit scheitern.
Da hieraus ableitbare Gewährleistungsrechte jedenfalls aber verjährt
sind (§ 477 BGB), brauchte der Bekl. den Kaufpreis nur dann nicht
zu zahlen, wenn die Voraussetzungen des § 478 I BGB vorlägen.
Danach kann der Käufer, der - wie hier - den Mangel angezeigt hat,
bevor der Anspruch auf Wandelung oder Minderung verjährt war, auch
nach Vollendung der Verjährung die Zahlung des Kaufpreises insoweit
verweigern, als er ohne Eintritt der Verjährung berechtigt gewesen
wäre, Wandelung oder Minderung zu beanspruchen.
2. Ein - hier allein geltend gemachtes - Recht
zur Wandelung (§ 462 BGB) stand der Bekl. indessen nicht zu.
a) Der erkennende Senat hat zwar in einem Fall,
in dem der Verdacht eines Salmonellenbefalles von Gefrierhasen bestand,
entschieden, daß beim Kauf zum Weiterverkauf ein Fehler der gelieferten
Ware auch vorliegen kann, wenn sie wegen ihrer Herkunft unter dem auf konkrete
Tatsachen gestützten, naheliegenden Verdacht gesundheitsschädlicher
Beschaffenheit steht, dieser Verdacht durch dem Käufer zumutbare Maßnahmen
nicht zu beseitigen ist und daher zwangsläufig die nach dem Vertrag
vorausgesetzte Verkäuflichkeit der Ware entfällt (BGHZ 52, 51
= NJW 1969, 1171). Diese Entscheidung hat der Senat später dahingehend
ergänzt, daß bei zur Weiterveräußerung bestimmten
Lebensmitteln der nicht ausgeräumte Verdacht einer gesundheitsgefährdenden
Verseuchung der Ware und die dadurch herbeigeführte Unverkäuflichkeit
auch dann einen bei Gefahrübergang vorhandenen Mangel bildet, wenn
der Verdacht der Verseuchung zwar erst nach Gefahrübergang entsteht,
aber auf Tatsachen beruht, die vor Gefahrübergang gegeben, jedoch
nicht erkannt waren (NJW 1972, 1462 = WM 1972, 1314).
b) Ob diese Grundsätze sich auch auf Fälle
übertragen lassen, in denen - wie hier - die Ware nicht zur Weiterveräußerung,
sondern zum Verzehr durch den Käufer selbst oder dessen Gäste
bestimmt war, bedarf indessen ebensowenig einer abschließenden Entscheidung
wie die Beantwortung der weiteren Fragen, ob sich ein solcher Verdacht
hier hinsichtlich des streitigen St. Georgener aus der Lieferung vom 16.
4. 1985 tatsächlich zunächst aufdrängen mußte und
ob er durch vor dem Gefahrübergang liegende Tatsachen begründet
war. Denn jedenfalls hätte der Verdacht gesundheitsschädlicher
Beschaffenheit einen - ein Wandelungsrecht des Bekl. auslösenden -
Mangel nur dann bilden können, wenn er nicht ausgeräumt worden
wäre, also die Möglichkeit, daß Tatsachen vorliegen, die
die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendbarkeit des Weins beeinträchtigen,
fortbestanden hätte (vgl. Senat, NJW 1972, 1462 (unter I 3 b)). Dies
ist jedoch nicht der Fall. Durch die von der Kl. durchgeführte und
vom Bekl. akzeptierte Laboruntersuchung stellte sich die Glykolfreiheit
des Weines und damit die Unbegründetheit des ursprünglich etwa
aufgekommenen Verdachts der Glykolhaltigkeit heraus.