Auslegung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern  

BGH, Urteil v. 12.03.1992 - IX ZR 141/91  

Amtlicher Leitsatz:

Eine Bürgschaft mit einem im bankgeschäftlichen Verkehr für die Bürgschaft auf erstes Anfordern typischen Wortlaut ist außerhalb dieses Bereichs als einfache Bürgschaft auszulegen, wenn der Gläubiger den Text der Bürgschaft gewählt hat und nicht erwarten konnte, der Bürge verstehe ihn im banküblichen Sinne.  



Fundstellen:

NJW 1992, 1446
LM § 765 BGB Nr. 81
MDR 1992, 961
BB 1992, 878
DB 1992, 1234
WM 1992, 854
ZIP 1992, 684



Zentrales Problem:

Die Bürgschaft auf erstes Anforderung ist wegen der mit ihr verbundenen Lockerung der Akzessorietät für den Bürgen sehr riskant. Im vorliegenden Fall geht es um die Auslegung einer solchen Bürgschaft, wenn der (private) Bürge eine solche Bürgschaftserklärung abgibt. Während der BGH daher früher apodiktisch und ohne nähere Begründung behauptet hatte, die Übernahme einer solchen Bürgschaft sei "den Kreditinstituten vorbehalten" (NJW-RR 1990, 1265), stellt er nun klar, daß es die Vertragsfreiheit grundsätzlich jedermann erlaubt, eine solche Verpflichtung einzugehen. Privatpersonen werden aber dennoch vor der Eingehung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern geschützt (vgl. auch - unter ausdrücklicher Klarstellung - BGH NJW 1998, 2280). Im Rahmen von AGB wird man dies entweder über die Einbeziehungskontrolle des § 3 AGBG oder aber wegen der Leitbildfunktion von § 768 über die Inhaltskontrolle nach § 9 II Nr. 1 AGBG erreichen. Bei einer Individualvereinbarung wird man bei Beteiligung von geschäftsunerfahrenen Personen i.d.R. über den in der vorliegenden Entscheidung gewählten Weg der Auslegung der jeweiligen Willenserklärungen zur Vereinbarung lediglich einer "gewöhnlichen" Bürgschaft kommen: Der Gläubiger darf die  Willenserklärung eines geschäftsunerfahrenen Bürgen, welche objektiv auf eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gerichtet ist, nur dann als eine solche verstehen, wenn er sich (etwa durch entsprechende Aufklärung) vergewissert hat, daß dies auch dem wirklichen Willen des Erklärenden entspricht. Hat der Gläubiger den Bürgschaftstext gewählt und durfte er nicht voraussetzen, sein Vertragspartner werde den Begriff der Bürgschaft auf erstes Anfordern im banküblichen Sinne verstehen, ist der Vertrag demzufolge als einfache Bürgschaft auszulegen.
Vgl. zum ganzen Lorenz, Innenverhältnis und Leistungsbeziehungen bei der Bürgschaft, JuS 1999, Heft 12.



Zum Sachverhalt:

Die Kl. nimmt die Bekl. aus einer Bürgschaftserklärung auf Zahlung von 200000 DM nebst Zinsen in Anspruch. L und H, der Ehemann der Bekl., hatten eine geschäftliche Zusammenarbeit verabredet. Zu diesen Zweck war die Kl. gegründet worden, die sich mit der Vermarktung von Geschäftszentren und SB-Warenhäusern befassen sollte. Die Anteile wurden von L und seinem Bruder D sowie von der zur "H-Gruppe" zählenden Firma B-GmbH gehalten. Die Vermittlung geeigneter Grundstücke hatte die Firma G-Beteiligungsgesellschaft mbH übernommen, die ebenfalls zur "H-Gruppe" gehörte. Nachdem es zwischen den Gesellschaftern der Kl. zu Auseinandersetzungen gekommen war, einigten sich der Geschäftsführer der Kl. und H, dieser handelnd für B und G, in einer privatschriftlichen Urkunde vom 23. 6. 1987 unter anderem darüber, daß der Dienstleistungsvertrag zwischen der Kl. und G aufgelöst wird, diese eine bereits erhaltene Vorauszahlung in Höhe von 500000 DM mit Zinsen in Raten an die Kl. zurückzahlt, H für die Rückzahlungsverpflichtung eine "persönliche selbstschuldnerische Bürgschaft" übernimmt und B ihren Geschäftsanteil an L veräußert. In einem Nachtrag vom 23. 7. 1987 legten die Beteiligten fest, daß die selbstschuldnerische Bürgschaft durch die Bekl. gestellt wird; die entsprechende Verpflichtung des Ehemanns H entfiel. Durch notariellen Vertrag vom gleichen Tage trat B ihren Geschäftsanteil an der Kl. an die zur "L-Gruppe" gehörende L GmbH & Co. Beteiligungs KG ab. Die Bekl. unterzeichnete am 27. 7. 1987 eine von der Kl. formulierte Urkunde, in der es auszugsweise heißt: "Für die Erfüllung der Rückzahlungen der G zum
31. 3. 1988  100000 DM
31.12.1988  100000 DM
30. 9. 1989  100000 DM
sowie für die Zinsen übernehme ich hiermit unter Verzicht auf alle Einreden, insbesondere der Anfechtung, Aufrechnung und der Vorausklage (§§ 770, 771 BGB) die selbstschuldnerische Bürgschaft. Der verbürgte Betrag ist auf Anforderung bzw. bei erster Vorlage dieser Urkunde sofort zahlbar, frühestens jedoch zu oben angegebenen Fälligkeitsterminen." Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat ausgeführt, die Bekl. habe im Wege einer Individualvereinbarung eine Bürgschaft auf erstes Anfordern übernommen. Personen, die nicht im Kreditgewerbe tätig seien, könnten ein derartiges Geschäft aber wegen seiner unüberschaubaren Risiken und der unzumutbaren Belastung für den Bürgen nicht wirksam abschließen. Die Bekl. hafte auch nicht als selbstschuldnerische Bürgin, weil die Hauptschuld nicht entstanden sei. Das Versprechen der G, das Dienstleistungshonorar an die Kl. zurückzuzahlen, sei Teil einer Auseinandersetzungsvereinbarung gewesen, zu der auch die Übertragung von GmbH-Anteilen gehört habe und die deshalb insgesamt der notariellen Beurkundung bedurft hätte. Daß die Rückzahlungsverpflichtung notfalls auch allein - ohne die Übertragung des Gesellschaftsanteils - vereinbart woren wäre, habe die Kl. nicht bewiesen. Eine Heilung der formnichtigen Vereinbarung durch die Abtretung des Gesellschaftsanteils sei nicht eingetreten, weil für die Abtretung die Genehmigung aller Gesellschafter erforderlich gewesen sei und die Kl. nicht dargetan habe, daß alle Gesellschafter genehmigt hätten.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Der Bürge, der sich zur Zahlung auf erstes Anfordern verpflichtet, muß sofort zahlen und kann Einwendungen oder Einreden aus dem Haftschuldverhältnis erst in einem Rückforderungsprozeß geltend machen (BGHZ 74, 244 (247 f.) = NJW 1979, 1500 = LM § 765 BGB Nr. 27). Ob jemand, der nicht im Kreditgewerbe tägig ist, im Wege einer Individualvereinbarung eine derartige Verpflichtung übernehmen kann, hat der Senat bislang nicht entschieden. Das BerGer. bezieht sich für seine ablehnende Haltung zu Unrecht auf das Urteil vom 5. 7. 1990 (NJW-RR 1990, 1265 = LM § 765 BGB Nr. 71 = WM 1990, 1410 = WuB I F 1 a. Bürgschaft 13.90 m. Anm. Schäfer = ZIP 1990, 1186 = EWiR § 765 BGB 3/90, 981 m. Anm. v. Stebut). Der dort zugrundeliegende Sachverhalt war dadurch gekennzeichnet, daß ein Nichtkaufmann (vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes) eine von einer Bank vorformulierte und AGB-mäßig verwendete Bürgschaft auf erstes Anfordern übernommen hatte. Auf einen Individualvertrag - wie er hier vorliegt - ist die Entscheidung nicht ohne weiteres übertragbar. Auch der Streitfall gibt keine Veranlassung, diese Frage zu beantworten. Denn die Parteien haben keine Bürgschaft auf erstes Anfordern, sondern eine schlichte selbstschuldnerische Bürgschaft vereinbart.
a) Das BerGer. hat bei der Auslegung der Bürgschaftserklärung vom 27. 7. 1987 gegen §§ 133, 157 BGB, § 286 ZPO verstoßen. Die Auslegung einer Individualvereinbarung unterliegt der revisionsgerichtlichen Überprüfung darauf, ob anerkannte Auslegungsgrundsätze, gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind und ob wesentlicher Auslegungsstoff übersehen wurde (st. Rspr.; vgl. BGH, WM 1978, 266; NJW-RR 1990, 455 = LM § 133 (C) BGB Nr. 66 = BGHRZPOO § 559 Abs. 2 - Auslegungsgrundsätze 1). Das LG hatte die Bestimmung über die sofortige Zahlbarkeit "auf Anforderung" dahin verstanden, daß sie lediglich eine deklaratorische Fälligkeitsabrede darstelle. Dem ist das BerGer. nicht gefolgt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Formulierung, daß die Teilbeträge auf Anforderung "zahlbar", nicht dagegen "zu zahlen" seien, spreche nicht gegen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern. Es handele sich um eine bei Bankgarantien im Außenhandel gängige Klausel, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch für Bürgschaft verwendet werde. Der Zusatz, daß Zahlungen nicht vor den genannten Fälligkeitsterminen verlangt werden könnten, sei wegen der Ratenzahlungsvereinbarung hinsichtlich der Hauptverbindlichkeit erforderlich gewesen. Damit hat sich das BerGer. darauf beschränkt darzulegen, was nicht gegen die Übernahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern spreche, und für die Auslegung wesentliche Tatsachen unbeachtet gelassen. Der Senat kann die fehlende Auslegung nachholen, weil der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (BGH, LM § 27 VerglO Nr. 2 = ZIP 1984, 193 (194) m. w. Nachw.). b) Die Auslegung hat sich danach auszurichten, was als Wille für denjenigen erkennbar geworden ist, für den die Erklärung bestimmt war (BGHZ 36, 30 (33) = NJW 1961, 2252 = LM § 179 BGB Nr. 4; BGHZ 47, 75 (78) = NJW 1967, 673 = LM § 1357 BGB Nr. 3; BGHZ 103, 275 (280) = NJW 1988, 1378 = LM § 459 BGB Nr. 90; BGH, NJW 1990, 3206 = LM § 19 BNotO Nr. 47 = BGHRBGBB § 133 - Wille 7). Dieser für empfangsbedürftige Willenserklärungen geltende Grundsatz ist auch auf die Bürgschaft als einseitig verpflichtenden Vertrag anzuwenden (BGH, NJW 1986, 1681 (1683) = LM § 125 BGB Nr. 43 = ZIP 1986, 702 (705); NJW-RR 1987, 1138 = LM § 133 (A) BGB Nr. 21 = BGHRBGBB § 765 Abs. 1 - Hauptschuld 1). Da die Bürgschaftserklärung für den Gläubiger bestimmt ist, kommt es also darauf an, wie dieser sie nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung verstehen mußte (BGH, aaO; vgl. auch Staudinger-Horn, BGB, 12. Aufl., § 765 Rdnr. 19). Maßgeblich für die Auslegung ist in erster Linie der Inhalt der Bürgschaftsurkunde (BGHZ 76, 187 (189) = NJW 1980, 1449 = LM § 765 BGB Nr. 30; BGH, NJW 1988, 907 = LM § 765 BGB Nr. 56 = ZIP 1988, 222 (224); NJW 1989, 1856 = LM § 777 BGB Nr. 10 = BGHRBGBB § 765 Abs. 1 - Hauptschuld 2). Selbst wenn die Kl. bei ihrer Formulierung mit Bedacht einen Text gewählt haben sollte, den die Banken ständig für die Bürgschaft auf erstes Anfordern verwenden, konnte sie allein deshalb beim Empfang der Bürgschaftserklärung noch nicht davon ausgehen, die Bekl. habe eine solche Bürgschaft auf erstes Anfordern auch übernehmen wollen. Aus der Sicht des Gläubigers, der die Bürgschaftserklärung veranlaßt und formuliert hat, kann der Bürge seinen Willen nur so erklärt haben, wie er seinerseits den ihm vorgegebenen Text verstehen konnte. Deshalb muß die Kl. die Bürgschaftserklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie bei Berücksichtigung der für sie erkennbaren Umstände objektiv zu verstehen ist (vgl. BGH, NJW 1983, 1903 (1904) = LM § 404 BGB Nr. 20). Allerdings entspricht der Wortlaut der fraglichen Abrede ("Der verbürgte Betrag ist auf Anforderung bzw. bei erster Vorlage dieser Urkunde sofort zahlbar ...") dem Vertragsmuster, wie es sich im bankgeschäftlichen Verkehr für die Bürgschaft auf erstes Anfordern eingebürgert hat. Solche außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände können in die Auslegung einbezogen werden, soweit sie für den Erklärungsempfänger einen Schluß auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH, WM 1971, 39 (42); NJW 1984, 721 = LM § 133 (B) BGB Nr. 22; NJW 1987, 2437 = LM § 15 GmbHG Nr. 22 = BGHRBGBB § 133 - Wille 1). Das trifft hier nicht zu, denn die Kl. konnte nicht davon ausgehen, daß der Bekl. der dem Wortlaut der Abrede im Bankenverkehr beigemessene Sinn bekannt oder erkennbar war. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist - einem Bedürfnis der exportorientierten Wirtschaft Rechnung tragend - erst seit dem Ende der 70er Jahre richterlich anerkannt und kommt hauptsächlich als Sicherungsmittel im Außenhandelsverkehr vor. Im Inlandsgeschäft hat sie praktische Bedeutung vor allem im Rahmen der Konzernfinanzierung gewonnen (Heinsius, in: Festschr. f. Merz, 1992, S. 177, 181). Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist ein typisches Bankgeschäft. Außerhalb des Bankverkehrs ist sie weitgehend unbekannt. Daß die Bekl. über Erfahrungen auf dem Gebiet der Kreditsicherheiten im allgemeinen und in den Bereichen, in denen die Bürgschaft auf erstes Anfordern anzutreffen ist, im besonderen verfügte oder daß sie vor Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung über die Eigenarten der Bürgschaft auf erstes Anfordern aufgeklärt worden wäre, hat die Kl. nicht vorgetragen. Wer nicht über besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Kreditsicherung verfügt und insbesondere die Rechtsfigur der Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht kennt, kann der Abrede nicht entnehmen, daß den Erklärenden eine vorläufige Zahlungspflicht treffen soll, die keine Einwendungen oder Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis zuläßt. Für ihn zielt namentlich die Verknüpfung der Zahlungspflicht mit den für die Hauptschuld vereinbarten Zahlungsterminen eher in die Richtung einer Fälligkeitsabrede. Daß die Bekl. der Meinung sein konnte, sie übernehme eine "normale" selbstschuldnerische Bürgschaft, wenn sie den ihr von der Kl. vorgelegten Text unterschreibe, wird durch die Entstehungsgeschichte der Bürgschaft bekräftigt. Nach den tatrichterlichen Feststellungen war zwischen der Kl. und dem Ehemann der Bekl. am 23. 6. 1987 vereinbart worden, daß dieser zur Sicherung der ihn treffenden Rückzahlungsverpflichtung eine "persönliche selbstschuldnerische Bürgschaft" übernehmen solle. Als sich später die Bekl. bereit erklärte, statt ihres Ehemannes zu bürgen, konnte sie ebenfalls davon ausgehen, daß die Kl. eine "normale" BGB-Bürgschaft von ihr erwartete. Denn noch in dem Nachtrag vom 23. 7. 1987, in dem der Eintritt der Bekl. anstelle ihres Ehemannes festgelegt wurde, ist nur von einer "selbstschuldnerischen Bürgschaft" die Rede. Schließlich geben auch der mit der Bürgschaft von Seiten der Kl. verfolgte Zweck und die Interessenlage keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Bekl. etwas anderes als eine selbstschuldnerische Bürgschaft hat übernehmen wollen. Indem die Bürgschaft auf erstes Anfordern alle Einwendungen und Einrede vorübergehend ausschaltet, dient sie der Sicherung der Liquidität des Bürgschaftsgläubigers (BGHZ 74, 244 (247 f.) = NJW 1979, 1500 = LM § 765 BGB Nr. 27; BGH, NJW 1989, 1606 = LM § 282 ZPO (Beweislast) Nr. 65 = BGHRBGBB § 765 - erstes Anfordern 3; NJW-RR 1989, 1324 = LM § 765 BGB Nr. 69 = BGHRBGBB § 765 - erstes Anfordern 5). Daß für die Kl. ein dahingehendes Bedürfnis bestand, ist nicht festgestellt und von der Kl. nicht einmal vorgetragen worden.
2. Die Annahme des BerGer., daß der gegen die Hauptschuld erhobene Einwand der Formnichtigkeit durchgreife - weshalb die Kl. aus der selbstschuldnerischen Bürgschaft keinen Anspruch herleiten könne -, beruht auf Verfahrensfehlern.
a) Aus Rechtsgründen ist es allerdings nicht zu beanstanden, daß das BerGer. die verbürgte Schuld der G, den auf das Dienstleistungshonorar erhaltenen Vorschuß an die Kl. zurückzuzahlen, als untrennbaren Bestandteil der am 23. 6. 1987 getroffenen Absprachen betrachtet hat. Da zu diesen Absprachen weiterhin die Verpflichtung der B zur Übertragung ihres Geschäftsanteils an die Kl. gehörte, deren Begründung gem. § 15 IV 1 GmbHG der notariellen Form bedurfte, waren zunächst einmal alle Vereinbarungen - weil nur privatschriftlich abgeschlossen - gem. § 125 S. 1 BGB formnichtig (Hachenburg-Zutt, GmbHG, 8. Aufl., § 15 Rdnrn. 18 ff.; Scholz-Winter, GmbHG, 7. Aufl., § 15 Rdnr. 54; Baumbach-Hueck, GmbHG, 15. Aufl., § 15 Rdnr. 32).
b) Zu Unrecht hat das BerGer. indessen eine Heilung des ursprünglichen Formmangels verneint. Gem. § 15 IV 2 GmbHG wird eine nicht in notarieller Form getroffene Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines GmbH-Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird, durch den seinerseits in notarieller Form abgeschlossenen Abtretungsvertrag gültig. Das hat das BerGer. nicht verkannt. Es hat auch richtig gesehen, daß die Abtretung, um die heilende Wirkung auszulösen, nicht notwendig an den Gläubiger des obligatorischen Vertrages erfolgen muß; Abtretungsempfänger kann auch ein Dritter sein, wenn der Verpflichtete an ihn leisten durfte und zum Zwecke der Vertragserfüllung an ihn geleistet hat (Scholz-Winter, § 15 Rdnr. 72). Diese Voraussetzungen hat das BerGer. hier rechtsfehlerfrei für gegeben erachtet. Die Unwirksamkeit der Abtretung an die L-GmbH & Co. Beteiligung KG entnimmt das BerGer. allein daraus, daß sie nicht von allen Gesellschaftern der Kl. genehmigt worden sei. Nach § 10 des Gesellschaftsvertrages (i. V. mit § 15 V GmbHG) sei dies aber Wirksamkeitsvoraussetzung gewesen. Diese Annahme beruht auf einem Verfahrensfehler. Die Bekl. hatte mit Schriftsatz vom 17. 4. 1990 vorgetragen, neben L sei nur noch sein Bruder D Gesellschafter der Kl. Daß der eine oder der andere die Abtretung des Geschäftsanteils der B an die L-GmbH & Co. Beteiligungs KG etwa nicht genehmigt habe, hatte die Bekl. nicht geltend gemacht. Gleichwohl hat das BerGer. die Kl. unter dem 1. 2. 1991 darauf hingewiesen, daß sich "die Zustimmungserklärung des Herrn DL ... nicht in den Gerichtsakten befindet". Daraufhin hat die Kl. in der mündlichen Verhandlung vom 21. 3. 1991 eine undatierte Erklärung der "Gesellschafter der EEZ", O und D, vorgelegt, mit welcher der Abtretung vom 23. 7. 1987 zugestimmt wurde. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 2. 4. 1991 hat die Bekl. behauptet, daß die Zustimmungserklärungen erst im Laufe des Rechtsstreits abgegeben worden seien, und bestritten, daß O und/oder D bei Abgabe der Zustimmungserklärungen noch "materiell Berechtigte" gewesen seien. Dies hat das BerGer. im folgenden, "da dem Vorbringen der Kl. Abweichendes nicht zu entnehmen" sei, als "zugestanden" (§ 138 III ZPO) zugrunde gelegt. Das rügt die Revision mit Recht. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß entweder O oder D zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr Gesellschafter der Kl. waren, hatte die Bekl. nicht vorgetragen. Zudem spielte der Zeitpunkt der Abgabe der "Zustimmungs"-Erklärungen bei fortbestehender materieller Berechtigung der Erklärenden keine Rolle. Deshalb war der Vortrag neu und durch den Schriftsatznachlaß (§ 283 ZPO) nicht gedeckt. Nur eine Erwiderung auf verspäteten Sachvortrag des Gegners darf berücksichtigt werden, nicht jedoch neuer Sachvortrag, der über eine Replik hinausgeht (BGH, NJW 1965, 297 (298) = LM § 272a ZPO Nr. 4; NJW 1966, 1657 (1658 = LM § 272a ZPO Nr. 5; Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 283 Rdnr. 26; Zöller-Stephan, ZPO, 17. Aufl., § 283 Rdnr. 5). Da bis dahin nicht streitig gewesen war, daß O und D Gesellschafter der Kl. waren und sind, und auch deren Zustimmung nicht in Zweifel gezogen worden war, durfte das BerGer. den abweichenden Vortrag in dem nachgereichten Schriftsatz ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht berücksichtigen.
3. Da es bereits wegen der rechtsirrtümlich bejahten Formnichtigkeit der Vereinbarung gemeint hat, die Hauptschuld sei nicht entstanden, ist das BerGer. auf die weiteren Einwände der Bekl. - die Vereinbarung vom 23. 6. 1987 sei wegen Irrtums angefochten, jedenfalls sei die Geschäftsgrundlage später weggefallen - nicht mehr eingegangen. Auch insofern ist die Sache für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht hinreichend aufgeklärt.  



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