1. Außerhalb des Geltungsbereichs des
AGB-Gesetzes gestattet die Vertragsfreiheit es grundsätzlich jedermann,
Bürgschaften auf erstes Anfordern zu erteilen (Abgrenzung z. Senat,
NJW-RR 1990, 1265 = LM § 675 BGB Nr. 71 = ZIP 1990, 1186).
2. Ist für den Gläubiger erkennbar,
daß der Erklärende mit dem Rechtsinstitut einer Bürgschaft
auf erstes Anfordern nicht hinreichend vertraut ist, hat er seinen Vertragspartner
umfassend über deren Rechtsfolgen zu belehren; bei Verletzung der
Hinweispflicht haftet der Schuldner nur aus einer gewöhnlichen Bürgschaft.
3. Bezeichnet eine Partei hinreichend
konkret, welche Urkunden sie für erheblich hält, kann der Urkundenbeweis
auch durch Antrag auf Beiziehung von Akten geführt werden, die dem
erkennenden Gericht - nicht notwendig demselben Spruchkörper - bereits
vorliegen.
NJW 1998, 2280
S. Anm. zu BGH NJW 1999,
55 ff; zur Verjährung s. BGH v. 8.7.2008 -
XI ZR 230/07
Zum Sachverhalt:
Am 16. 12. 1992 erteilte die E-Bau GmbH der Kl.
den Auftrag zum Abbruch von zwei Brückenbauwerken. Die Kl. sollte
dafür eine Bruttovergütung von 395 272,20 DM erhalten. Die Geltung
der VOB-B wurde vereinbart. Die Auftragsbestätigung sah eine Sicherheitsleistung
durch eine "unbefristete und ohne Einrede behaftete" Bankbürgschaft
in der Höhe von 100 000 DM zugunsten der Kl. vor. Am 27. 1. 1993 übernahm
die Bekl. auf einem für Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften
vorgesehenen Formular, welches die Kl. als Auftraggeber, die E-GmbH als
Auftragnehmer bezeichnet, zugunsten der Kl. eine Bürgschaft, deren
vorgedruckter Text u. a. wie folgt lautet: "… Gemäß den Besonderen
Vertragsbedingungen dieses Vertrages hat der Auftragnehmer als Sicherheit
für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag
- insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der
Leistung einschließlich der Abrechnung, Gewährleistung und Schadensersatz
- und für die Erstattung von Überzahlungen dem Auftraggeber eine
Bürgschaft in Höhe von … v. H. der Auftragssumme einschließlich
der Nachträge zu stellen … (Es folgen Name und Anschrift des Bürgen
[= Bekl.].) Der vorgenannte Bürge übernimmt hiermit für
den Auftragnehmer die selbstschuldnerische Bürgschaft nach deutschem
Recht und verpflichtet sich, auf erstes Anfordern jeden Betrag bis zu einer
Gesamthöhe von 395 272,20 DM an den Auftraggeber zu zahlen." Der Bauvertrag
wurde vorzeitig gekündigt. In einem derzeit anhängigen
Rechtsstreit verlangt die E-Bau GmbH von der Kl. 276 115,17 DM Schadens-
und Aufwendungsersatz, die Kl. macht dort im Wege der Widerklage 178 777,81
DM gemäß ihrer Schlußrechnung vom 12. 12. 1994 geltend.
In Höhe dieses Betrags nimmt die Kl. die
Bekl. im Urkundenprozeß aus der Bürgschaft in Anspruch. Das
LG hat der Klage unter Vorbehalt der Rechte im Nachverfahren stattgegeben.
Das BerGer. hat die Klage als im Urkundenprozeß unstatthaft abgewiesen.
Die Revision der Kl. war erfolgreich.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat zur Begründung seiner Entscheidung
ausgeführt: Zwar ergebe sich mittels einer auch im Urkundenprozeß
zulässigen Auslegung, daß die Bürgschaft der Bekl. die
Werklohnforderung der Kl. sichern solle.
Die Verwechslung von Auftragnehmer und Auftraggeber
im schriftlichen Vertrag brauche nicht durch Urkunden bewiesen zu werden,
weil sie unstreitig sei. Die Kl. berühme sich jedoch keines Werklohnanspruchs;
denn sie habe nichts dazu vorgetragen, sondern sich auf den Standpunkt
gestellt, daß es dazu keiner weiteren Angaben bedürfe, weil
die Bekl. eine Bürgschaft auf erstes Anfordern erteilt habe. Dies
sei indessen nicht zutreffend. Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern
sei außerhalb des dafür typischen Verwendungsbereichs, der den
Banken und Versicherungsgesellschaften vorbehalten bleibe, als einfache
Bürgschaft anzusehen. Dies gelte selbst dann, wenn die Haftungserklärung,
wie im Streitfall, auf einem vom Bürgen verwendeten Formular abgegeben
worden sei; denn die Kl. habe nicht davon ausgehen dürfen, daß
ihr eine weitergehende Bürgschaft erteilt werde. Die Kl. habe weder
die Fälligkeit ihrer Teilwerklohnforderung noch die Begründetheit
ihrer Schadensersatzansprüche durch Urkunden belegt.
II. Diese Erwägungen halten in wesentlichen
Punkten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das BerGer. geht zutreffend davon aus, daß
die Bekl. der Kl. wirksam eine Bürgschaft erteilt hat und dies in
einer den Anforderungen des § 592 ZPO genügenden Weise durch
Vorlage der Urkunde belegt worden ist. Unstreitig haben die Parteien vereinbart,
daß die Bekl. für die Forderung der Kl. gegen die E-Bau GmbH
aus dem Vertrag vom 16. 12. 1992 einstehen soll. Im Hinblick darauf stellt
die Urkunde vom 27. 1. 1993, die die Personen des Bürgen, des Gläubigers
und des Hauptschuldners sowie eine genau dem vereinbarten Werklohn entsprechende
Haftungssumme nennt, ein für den Inhalt der getroffenen Vereinbarung
taugliches Beweismittel dar. Der auf den ersten Blick irreführende
Wortlaut wird ohne weiteres daraus verständlich, daß ein für
Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften, also
die Sicherung von Ansprüchen des Auftraggebers, vorgesehenes Formular
verwendet wurde, die Verpflichtung der Bekl. sich jedoch auf eine Werklohnforderung
des Auftragnehmers bezog.
2. Zu Recht wendet sich die Revision aber dagegen,
wie das BerGer. den Inhalt der Bürgschaftserklärung ausgelegt
hat.
a) Die Bekl. hat sich in der Urkunde verpflichtet,
jeden Betrag bis zu der vereinbarten Gesamthöhe auf erstes Anfordern
zu zahlen. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern wird in erster Linie
im bankgeschäftlichen Verkehr verwendet. Eine solche Verpflichtung
hat regelmäßig zur Folge, daß der Bürge sofort zahlen
muß und alle Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Art
grundsätzlich auf den Rückforderungsprozeß verlagert werden
(st. Rspr.: vgl. Senat, NJW 1994, 380 [381] = LM H. 4-1994 § 765 BGB
Nr. 88; BGH, NJW 1997, 255 = LM H. 2-1997 § 765 BGB Nr. 111 = ZIP
1996, 2062 [2063]; BGH, NJW 1997, 1435 = LM H. 6-1997 § 765 BGB Nr.
115 = ZIP 1997, 582 [583]).
b) Der Gläubiger darf eine Bürgschaft
mit diesem Wortlaut allerdings nur dann in dem beschriebenen Sinne verstehen,
wenn er davon ausgehen kann, dem Bürgen sei der Inhalt einer solchen
Abrede bekannt, er wisse, worauf er sich mit dieser Erklärung einlasse,
daß er sich nämlich auf diese Weise nahezu aller Einwendungen
begebe, die dem Bürgen von Gesetzes wegen zustehen (BGH, NJW 1992,
1446 [1447] = LM H. 8-1992 § 765 BGB Nr. 81). Personen, die über
keine Erfahrungen im Bankgeschäft verfügen und auch nicht aufgrund
ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit mit diesem Rechtsinstitut
vertraut sind, kennen die Wirkungen einer Bürgschaft auf erstes Anfordern
gewöhnlich nicht. Hat der Gläubiger den Bürgschaftstext
gewählt und durfte er nicht voraussetzen, sein Vertragspartner werde
den Begriff der Bürgschaft auf erstes Anfordern im banküblichen
Sinne verstehen, ist der Vertrag demzufolge als einfache Bürgschaft
auszulegen (BGH, NJW 1992, 1446 [1447] = LM H. 8-1992 § 765 BGB Nr.
81). Hier hat jedoch die Bürgin die Verpflichtung auf einem von ihr
gewählten Formular (vgl. unten 3 a) übernommen.
c) Das BerGer. hat weiter nicht beachtet, daß
gerade im Baugewerbe häufig vereinbart wird, Sicherheit durch eine
Bürgschaft auf erstes Anfordern zu leisten (vgl. BGH, NJW 1997, 2598
[2599]; Ingenstau-Korbion, VOB, 13. Aufl., B § 17 Rdnrn. 45 bis 50
m. w. Nachw.). Die bisherige Rechtsprechung des Senats zur Bürgschaft
auf erstes Anfordern betrifft überwiegend Erklärungen, die aufgrund
einer bauvertraglichen Verpflichtung des Hauptschuldners, eine entsprechende
Sicherheit beizubringen, abgegeben wurden (vgl. seit 1985 Senat, NJW 1985,
1694 = LM § 765 BGB Nr. 39 = ZIP 1985, 470; BGHZ 95, 375 = NJW 1986,
310 = LM § 638 BGB Nr. 56; BGH, NJW-RR 1987, 683 = LM § 765 BGB
Nr. 48 = ZIP 1987, 566; BGH, NJW 1987, 2075 = LM § 401 BGB Nr. 11
= ZIP 1987, 624; BGH, NJW 1988, 2610 = LM § 765 BGB Nr. 58; BGH, NJW
1989, 1606 = LM § 282 ZPO Nr. 65; BGH, NJW 1992, 1881 = LM H. 8-1992
§ 765 BGB Nr. 80 = ZIP 1992, 466; BGH, NJW 1994, 380 = LM H. 4-1994
§ 765 BGB Nr. 88; BGH, ZIP 1996, 172; BGH, NJW 1997, 255 = LM H. 2-1997
§ 765 BGB Nr. 111 = ZIP 1996, 2062). Die Kl. hat auch hier eine solche
Haftung verlangt; denn der in der Auftragsbestätigung verwendete Begriff
der "einredefreien" Bürgschaft meint nichts anderes.
Die Bekl. ist eine Verpflichtung mit dem für
Bürgschaften auf erstes Anfordern typischen Wortlaut eingegangen und
hat sich dazu eines ihr zur Verfügung stehenden Formulars bedient.
Dessen Kopfzeile zeigt, daß es für Vertragserfüllungs-
und Gewährleistungsbürgschaften vorgesehen ist. Solche Bürgschaften
werden vornehmlich im Bauvertragsrecht hingegeben. Demgemäß
hat die Bekl. nicht einmal behauptet, ihr sei die Bedeutung einer Bürgschaft
auf erstes Anfordern unbekannt gewesen oder sie habe aufgrund bestimmter
Tatsachen im Streitfall angenommen, nur eine Verpflichtung mit dem gesetzlichen
Inhalt einzugehen.
d) Die Auslegung des BerGer., die dies alles nicht
berücksichtigt hat, ist daher rechtsfehlerhaft. Da eine weitere Tatsachenaufklärung
nicht in Betracht kommt, kann der Senat den Vertrag selbst auslegen. Aus
den dargelegten Gründen folgt, daß die Bekl. hier eine Bürgschaft
auf erstes Anfordern übernommen hat.
3. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist
wirksam erteilt worden.
a) Die Erklärung der Bekl. ist nicht nach
den Vorschriften des AGB-Gesetzes zu beurteilen; denn dieses Gesetz erfaßt
nur vorformulierte Vertragsbedingungen, die von der anderen Partei bei
Vertragsschluß gestellt wurden (§ 1 I 1 AGBG). Die Verwendung
der Klausel muß dem Verantwortungsbereich des Gegners zuzurechnen,
die Einbeziehung also auf dessen Veranlassung erfolgt sein (Ulmer-Brandner-Hensen,
AGBG, 8. Aufl. § 1 Rdnrn. 26 f.). Das ist im Streitfall nicht geschehen;
die Bekl. hat die Behauptung der Kl., das Formular sei von der Bekl. gestellt
worden, nicht bestritten. Die Darstellung der Revisionserwiderung, die
Bekl. habe die Behauptung der Kl. mit Nichtwissen bestritten, findet in
dem von ihr herangezogenen Verhandlungsprotokoll vom 13. 2. 1997 keine
Stütze. Die Bekl. kann sich daher nicht auf die Vorschriften des AGB-Gesetzes
berufen. Dieses schützt den Klauselverwender nicht vor den von ihm
selbst eingeführten Formularbestimmungen (BGHZ 99, 160 [161] = NJW
1987, 837 = LM § 9 [A] AGBG Nr. 2).
b) Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist es grundsätzlich
jedermann gestattet, eine Bürgschaft auf erstes Anfordern im Einzelfall
zu erteilen (Senat, NJW 1997, 1435 = LM H. 6-1997 § 765 BGB Nr. 115
= ZIP 1997, 582 [583]). Dem Senatsurteil vom 5. 7. 1990 (BGH, NJW-RR 1990,
1265 = LM § 765 BGB Nr. 71 = ZIP 1990, 1186) lag ein Fall zugrunde,
in dem ein Nichtkaufmann eine entsprechende Verpflichtung formularmäßig
erklärt hatte. Die im Leitsatz jenes Urteils enthaltene Aussage, wonach
Bürgschaften mit der Verpflichtung auf erstes Anfordern den Kreditinstituten
vorbehalten seien, geht zu weit. Sie ist, wie der Senat bereits wiederholt
entschieden hat (Senat, NJW 1992, 1446 [1447] = LM H. 8-1992 § 765
BGB Nr. 81; Senat, NJW 1997, 1435 = LM H. 6-1997 § 765 BGB Nr. 115
= ZIP 197, 582), auf Verträge, deren Bestimmungen nicht dem AGB-Gesetz
unterliegen, nicht anzuwenden. Dort ist der Schutz von Personen,
die mit dem Inhalt und den Rechtsfolgen einer Bürgschaft auf erstes
Anfordern nicht hinreichend vertraut sind, durch eine interessengerechte
Auslegung der Willenserklärungen sowie dadurch zu verwirklichen, daß
den geschäftskundigen Teil besondere Hinweis- und Aufklärungspflichten
treffen, wenn derjenige, der eine solche Verpflichtung übernehmen
soll, nach Treu und Glauben eine Belehrung erwarten darf, durch die ihm
der Unterschied zur gesetzlichen Bürgschaft sowie die daraus folgenden
Risiken deutlich vor Augen geführt werden. Bei Verletzung der Hinweispflicht
kommt nur ein gewöhnlicher Bürgschaftsvertrag zustande. Dasselbe
ist in der Regel anzunehmen, wenn beiden Vertragsparteien die notwendige
Rechtskenntnis gefehlt hat.
c) Im Streitfall bedurfte die Bekl. eines solchen
Schutzes jedoch nicht. Beide Parteien sind Kaufleute und geschäftlich
ständig im Bauwesen tätig. Die mit der Bürgin eng verbundene
Hauptschuldnerin hatte einen ihr erteilten Auftrag an die Kl. als Subunternehmerin
weitergegeben. Da im Baugewerbe häufig Sicherheitsleistungen durch
Bürgschaft auf erstes Anfordern vereinbart werden und die Kl. keine
Veranlassung hatte anzunehmen, der Bekl. sei dieses Rechtsinstitut nicht
hinreichend vertraut, war sie insoweit zu keiner Aufklärung verpflichtet.
Die Kl. hat daher nicht gegen ihr obliegende Nebenpflichten verstoßen.
d) Der Bürgschaftsvertrag ist auch inhaltlich
nicht zu beanstanden. Allerdings betrifft die Regelung des § 17 VOB-B
nur die Sicherstellung des Auftraggebers. Daraus ist jedoch nicht zu entnehmen,
daß eine Sicherheitsleistung zugunsten des Auftragnehmern ausgeschlossen
werden sollte (Ingenstau-Korbion, B § 17 Rdnr. 8; Heiermann-Riedel-Rusam,
VOB, 8. Aufl., B § 17 Rdnr. 1). Vielmehr hat der Gesetzgeber das grundsätzliche
Sicherungsbedürfnis des Unternehmers durch die Einführung des
§ 648 a BGB in besonderem Maße anerkannt. Diese Bestimmung sieht
vor, daß der Unternehmer für seinen Vergütungsanspruch
Sicherheit verlangen darf und diese auch durch eine Garantie oder ein sonstiges
Zahlungsversprechen geleistet werden kann. Ob die von den Parteien getroffene
Vereinbarung der in dieser Vorschrift enthaltenen Regelung entspricht,
kann dahingestellt bleiben, weil die Bestimmung erst seit dem 1. 5. 1993
in Kraft ist. Der Gesetzgeber hat, wie sich aus den Gesetzesmaterialien
ergibt (BT-Dr 12-1836, S. 11; BT-Dr 12-4526, S. 12), die Anwendung der
Neuregelung auf vor diesem Zeitpunkt geschlossene Verträge nicht vorgesehen
(Soergel, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 648 a Rdnr. 46; Hütter,
BauR 1993, 670).
4. Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme
der Bekl. aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern sind gegeben.
a) Das BerGer. hat die Verpflichtung der Bekl.
in dem Sinne ausgelegt, daß sie nur die Werklohnforderung der Kl.
deckt. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der
Revision auch hingenommen. Die Bekl. hat geltend gemacht, die Klagesumme
betreffe nur in Höhe von 64 119,96 DM die Vergütung; im übrigen
gründe sie sich auf einen angeblichen Schadensersatzanspruch. Dieser
Einwand ist schon im Erstprozeß zu beachten, weil er sich dagegen
richtet, daß die geltend gemachte Forderung zu den Ansprüchen
gehört, die durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern gesichert
sind (Senat, NJW 1996, 717 = LM H. 5-1996 § 765 BGB Nr. 103 = ZIP
1996, 172). Jedoch ergibt der Inhalt der Widerklage des Hauptprozesses
und der ihr zugrundeliegenden Schlußrechnung vom 12. 12. 1994, daß
die Kl. dort ausschließlich den Werklohn für ihre Leistungen
verlangt. Diese Urkunde befindet sich zwar nur in den Akten des Hauptprozesses,
darf aber gleichwohl auch im hier anhängigen Rechtsstreit verwertet
werden. Im Urkundenprozeß kann der Urkundenbeweis nur durch Vorlegung
der Urkunde angetreten werden (§ 595 III ZPO). Daher ist ein Beweis
durch den Antrag, Akten bei öffentlichen Behörden zu erheben,
nicht zulässig (Senat, NJW 1994, 3295 [3296] = LM H. 12-1994 §
675 BGB Nr. 205 insoweit nicht in BGHZ 126, 217 abgedr.). Dagegen
kann der Beweis durch Urkunden, die dem Gericht - nicht notwendig demselben
Spruchkörper - schon zur Verfügung stehen, geführt werden,
weil dies mit dem Beschleunigungsgrundsatz des Urkundenprozesses vereinbar
ist (RGZ 8, 42 [45]; OLG Karlsruhe, Justiz 1968, 260; Stein-Jonas-Schlosser,
ZPO, 21. Aufl., § 595 Rdnr. 3; Teske, JZ 1995, 473). Beide Rechtsstreitigkeiten
wurden vor dem LG Dresden ausgetragen. Die Akten des Bauprozesses waren
in den Tatsacheninstanzen jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
b) Die Kl. braucht ihre Werklohnforderung nicht
schlüssig darzulegen. Für die Inanspruchnahme des Bürgen
genügt es, daß der Gläubiger die Bürgenleistung vertragsgemäß
angefordert hat und behauptet, seine Forderung sei fällig (Senat,
NJW 1994, 380 [381] = LM H. 4-1994 § 765 BGB Nr. 88; BGH NJW 1997,
255 = LM H. 2-1997 § 765 BGB Nr. 111 = ZIP 1996, 2062). Die Bürgschaftsurkunde
verlangt nicht mehr als die Aufforderung zur Zahlung. Das ist unstreitig
mit Schriftsatz vom 26. 9. 1995 geschehen. Darin lag zugleich die Behauptung,
daß die Forderung fällig geworden ist.
c) Der Bürge kann sich im Erstprozeß
auf die materielle Unbegründetheit der Anforderung nur dann berufen,
wenn klar auf der Hand liegt, daß der Gläubiger eine formale
Rechtsstellung mißbraucht (Senat, NJW 1994, 380 [381] = LM H. 4-1994
§ 765 BGB Nr. 88; BGH, NJW 1997, 255 = LM H. 2-1997 § 765 BGB
Nr. 111 = ZIP 1996, 2062 [2064]). Das trifft hier schon nach dem Vorbringen
der Bekl. nicht zu. Im Hauptprozeß ist über die Behauptung der
Parteien Beweis erhoben worden und bisher noch kein Urteil ergangen. Der
Richter des Bürgschaftsprozesses hat das Ergebnis der Beweisaufnahme
im Hauptprozeß nicht daraufhin zu würdigen, ob es geeignet ist,
einen Erfolg der Hauptsacheklage des Gläubigers auszuschließen.
III. Da eine weitere Tatsachenaufklärung
nicht in Betracht kommt, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden
(§ 565 III Nr. 1 ZPO) und das erstinstanzliche Urteil, einschließlich
des Ausspruchs über den Vorbehalt der Rechte, wiederherzustellen.
Hinsichtlich eines eventuellen Nachverfahrens wird auf das Senatsurteil
vom 28. 10. 1993 (Senat, NJW 1994, 380 [382] = LM H. 4-1994 § 765
BGB Nr. 88) hingewiesen.