1. Ist in einer zur Sicherung der Erfüllungsansprüche
aus einem Werkvertrag erteilten Bürgschaft vereinbart worden, daß
die Verpflichtungen des Bürgen mit der Abnahme, spätestens jedoch
dann erlöschen, wenn er nicht bis zu einem bestimmten Endtermin in
Anspruch genommen worden ist, so entfallen die Rechte des Gläubigers,
der die Bürgenleistung fristgemäß und zu Recht angefordert
hat, nicht schon dadurch, daß er später das Werk abnimmt.
2. Hat der Gläubiger die Leistung aus
einer Bürgschaft auf erstes Anfordern materiell zu Unrecht in Anspruch
genommen und der Hauptschuldner dem Bürgen dessen Aufwendungen erstattet,
so steht dem Hauptschuldner aus der Sicherungsabrede mit dem Gläubiger
ein eigener Rückforderungsanspruch zu.
3. Die Sicherungsabrede über die Gewährung
einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ist im allgemeinen so auszulegen,
daß der Gläubiger gegenüber dem eigenen Rückforderungsanspruch
des Hauptschuldners nicht mit streitigen Forderungen aufrechnen darf, die
durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht gedeckt sind.
4. Das Aufrechnungsverbot aus der Sicherungsabrede
zwischen Gläubiger und Hauptschuldner greift nicht durch, soweit dem
Gläubiger dadurch ein Nachteil entstanden ist, daß der Hauptschuldner
eine weitere vertraglich geschuldete Sicherheit nicht erbracht hat.
BGHZ 139, 325
NJW 1999, 55 ff
Anm. Pfeiffer LM H. 2/1999 § 765 BGB
Nr. 130/131
S. auch die Anm. zu BGH NJW 2001, 282 ff sowie zu
BGH NJW 2003, 352. Zur Verjährung s.
BGH v. 8.7.2008 - XI ZR 230/07.
Bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern
verspricht der Bürge dem Hauptschuldner, auf dessen bloßes Anfordern
zu zahlen, d.h. der Bürge muß bezahlen, wenn der Hauptschuldner
den Eintritt des Sicherungsfalles behauptet.
Nur in sehr engem Maße hat der Bürge
den sog. Mißbrauchseinwand: Er kann die Zahlung verweigern,
wenn offensichtlich ist, daß der Gläubiger seine formale Rechtsstellung
mißbraucht (vgl. hierzu BGH
NJW 1997, 255).
Wenn der Sicherungsfall tatsächlich nicht
eingetreten ist, bestand also tatsächlich keine Verpflichtung aus
der Bürgschaft, da auch die Bürgschaft auf erstes Anfordern akzessorisch
ist. Es kommt daher häufig zur Rückforderungsprozessen. Ein solcher
kann sich zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger abspielen, da
der Bürge bei Nichtbestehen der Hauptschuld (und damit nicht bestehender
Bürgschaft) sine causa gezahlt hat: Die Verpflichtung, auf
erstes Anfordern zunächst zu zahlen, stellt keinen Rechtsgrund für
das endgültige Behaltendürfen des gezahlten Betrages dar (anders
ist dies bei einer - nichtakzessorischen - Bankgarantie auf erstes Anfordern,
vgl. dazu jüngst BGH ZIP 1999, 18 ff).
Der "Bürge" ist aber nicht auf diese Rückforderung vom Gläubiger
beschränkt, weil er auch bei Nichtbestehen der Hauptforderung einen
Erstattungsanspruch gegen den Hauptschuldner aus §§ 675, 670
BGB hat (er war ja beauftragt, auf erstes Anfordern unabhängig vom
Bestehen der Hauptforderung zu bezahlen). Auch im vorliegenden Fall hatte
sich die bürgende Bank auf diese Weise bei dem Hauptschuldner befriedigt.
Damit kommt es zu Rückforderungsprozessen
meist zwischen dem Hauptschuldner und dem Gläubiger.
In diesem Verfahren liegt - in Auslegung des Bürgschaftsvertrags
abweichend von allgemeinen Grundsätzen - die Beweislast für das
Bestehen der Hauptforderung beim beklagten Gläubiger (vgl. BGH
NJW 1996, 2869; 1997, 1435). Fraglich ist die Anspruchsgrundlage für
einen solchen Rückforderungsprozeß. Ein Bereicherungsanspruch
ist fraglich, weil die Zahlung des Bürgen primär eine Leistung
des Bürgen an den Gläubiger ist, und daher eine Leistungskondiktion
des Schuldners nicht in Betracht kommt. Es entfällt wegen des Vorrangs
dieser Leistungsbeziehung auch eine Kondiktion "in sonstiger Weise".
Die vorliegende Entscheidung stellt klar, daß
sich ein Zahlungsanspruch des Hauptschuldners aus der zwischen ihm und
dem Gläubiger bestehenden Sicherungsabrede über die Beibringung
der Bürgschaft ergibt (aus dieser kann sich übrigens auch die
Verpflichtung ergeben, den Bürgen nicht in Anspruch zu nehmen, vgl. BGH NJW 1996,
2869 ff). Weiter wird klargestellt, daß der Gläubiger gegen
diesen Rückzahlungsanspruch nicht mit anderen, ungesicherten Forderungen
aufrechnen kann. Auch das ergibt sich in (ergänzender) Auslegung der
Sicherungsabrede. Wäre dem nicht so, könnte der Gläubiger
nämlich einseitig den Sicherungszweck der Bürgschaft erweitern,
indem er sich beim Bürgen das Geld holt und gegenüber dem Schuldner
aufrechnet.
Zum Sachverhalt:
Durch Vertrag vom 15. 6. 1993 beauftragte die Bekl. die Kl. mit der Lieferung und Montage eines Lagerverwaltungssystems zum Preis von 1,75 Mio. DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Kl. hatte verschiedene Bürgschaften zu stellen, darunter am 1.10.1993 eine Fertigstellungsbürgschaft in Höhe von 30% der Auftragssumme, die zeitlich begrenzt bis zum Übergabetermin, spätestens bis zum 5.3.1994, gelten sollte. Die Bekl. erhielt fristgerecht eine Bürgschaft der S-AG (fortan: S-Bank) in Höhe von 619 620,72 DM "für die Ausführung der dem Auftragnehmer übertragenen Lieferungen/ Leistungen". Weiter heißt es in der Urkunde:
3. Die Verpflichtungen der Bank aus dieser Bürgschaft erlöschen mit der Abnahme der vereinbarten Lieferung/Leistung oder mit der Rückgabe dieser Bürgschaftsurkunde, spätestens jedoch - insoweit abweichend von § 777 BGB-, wenn die Bank nicht bis zum 5.3.1994 aus dieser Bürgschaft in Anspruch genommen worden ist.
Darüber hinaus bestätigte die S-Bank der Bekl., sie werde auf erstes schriftliches Anfordern zahlen, sofern die Bekl. ihr mitteile, daß die Kl. ihren vertraglichen Pflichten nicht nachgekommen sei; der in der Bürgschaftsurkunde enthaltene Haftungsausschluß betreffend Ansprüche auf fristgerechte Erfüllung der Mängelgewährleistung sei gegenstandslos. Der in der Bürgschaft angegebene Endtermin wurde auf Bitten der Bekl. mehrfach verschoben, zuletzt bis zum 21.12.1994. Am 12.9.1994 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Bereinigung aufgetretener Meinungsverschiedenheiten. Auch in der Folgezeit beanstandete die Bekl. verschiedene von der Kl. erbrachte Leistungen. Als ihrer Bitte, den Endtermin der Bürgschaft erneut zu verschieben, nicht entsprochen wurde, forderte sie bei der S-Bank die Bürgschaftssumme am 21.12.1994 an und erhielt sie ausbezahlt. Im Januar 1995 wurde der als Voraussetzung einer Abnahme vereinbarte Test der Anlage durchgeführt. In dem darüber aufgenommenen Protokoll heißt es: "Die Anlage ist somit betriebsbereit, bis auf die in der Anlage 1 vom 23.1.1995 aufgeführten Mängel und den damit verbundenen Funktionsbeeinträchtigungen." Der Anwalt der Bekl. bestätigte mit Schreiben vom 7.2.1995, daß die Anlage abgenommen sei. Die S-Bank belastete die Kl. mit dem Bürgschaftsbetrag. Diese nimmt die Bekl. auf Rückzahlung der erhaltenen Leistung in Anspruch und verlangt zusätzlich restlichen Werklohn von 139 676,24 DM. Die Parteien streiten darüber, ob die Kl. die gerügten Mängel ordnungsgemäß beseitigt hat und etwa insoweit noch bestehende Ansprüche von der Bürgschaft gedeckt sind. Die Bekl. hat die Leistung der Kl. in zahlreichen Punkten beanstandet und vorsorglich mit Gegenforderungen aufgerechnet sowie ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Das LG hat durch Teilurteil dem auf Rückzahlung der Bürgschaftssumme gerichteten Anspruch stattgegeben, das OLG die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Die Revision der Bekl. führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Aus den Gründen:
1. Das BerGer. ist der Auffassung, die Bekl. müsse
der Kl. den aus der Bürgschaft erhaltenen Betrag erstatten, und hat
dies wie folgt begründet:
Vereinbart und geleistet worden sei eine Vertragserfüllungsbürgschaft.
Diese sichere nicht nur Rechtzeitigkeit und Vollständigkeit der Werkleistung,
sondern auch etwaige Mängelrechte des Auftraggebers. Die Verpflichtungen
aus der Bürgschaft seien jedoch mit der Abnahme des Werks am 23.1.1995
erloschen; das ergebe sich eindeutig aus dem Wortlaut der Bürgschaftsurkunde.
Wegen des durch die Abnahme bedingten Wegfalls des Sicherungszwecks sei
die Bekl. verpflichtet, die Bürgschaftssumme zu erstatten. Dieser
Anspruch sei nicht durch die Aufrechnung der Bekl. erloschen. Aus dem Zweck
der Bürgschaft, lediglich die Ausführung des Werks bis zur Abnahme
zu gewährleisten, folge, daß eine Aufrechnung stillschweigend
ausgeschlossen sei. Der Bekl. stehe auch kein Zurückbehaltungsrecht
zu, weil sie verpflichtet gewesen sei, die Erfüllungsbürgschaft
zurückzugeben, bevor ihr die Kl. eine Gewährleistungsbürgschaft
zur Ablösung des Sicherungseinbehalts habe aushändigen müssen.
II. Diese Erwägungen halten in wesentlichen
Punkten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das BerGer. hat die von der S-Bank am 30.9.1993
erteilte Erklärung zutreffend als Erfüllungsbürgschaft gewertet.
Die Bank hat dort die Haftung für die Ausführung der dem Auftragnehmer
übertragenen Lieferungen/Leistungen übernommen. Eine derartige
Bezeichnung der Leistungspflicht deutet in aller Regel auf eine Erfüllungsbürgschaft
hin (BGH, NJW 1988, 907 = LM § 16 [B] VOB/B 1973 Nr. 7; Schmitz, in:
Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb. II, § 91 Rdnr. 152). Die Auslegung
des BerGer. stimmt zudem im Ergebnis überein mit der mündlichen
Einigung der Parteien vor Abschluß des Vertrags, wie sie in dem Besuchsbericht
des Angestellten der Kl. L vom 18. 5. 1993 niedergelegt ist. Danach hat
die Kl. sich damit einverstanden erklärt, eine "Vertragserfüllungsgarantie"
in Höhe von 30% des Lieferumfangs zu stellen. Die in Nr. 27 des Vertrags
vom 15.6.1993 eingegangene Verpflichtung, bis zum 1.10.1993 eine Fertigstellungsbürgschaft
in Höhe von 30% der Auftragssumme, zeitlich begrenzt bis zum Übergabetermin,
beizubringen, bezog sich damit auf eine Vertragserfüllungsbürgschaft
und wurde durch die Erklärung der S-Bank vom 30.9.1993 realisiert.
2. Hat die Bekl. zu Unrecht die Bürgin in
Anspruch genommen, steht der Kl., die ihrerseits von der Bank belastet
worden ist, ein eigener Rückforderungsanspruch zu. Aus Inhalt und
Zweck der Sicherungsabrede folgt die Verpflichtung des Gläubigers,
die Sicherung zurückzugewähren, sobald feststeht, daß der
Sicherungsfall nicht mehr eintreten kann (vgl. BGHZ 124, 371 [375 ff] =
NJW 1994, 861 = LM H. 6/1994 § 9 [Cg] AGBG Nr. 18; BGHZ 124, 380 [384
ff.] = NJW 1994, 864 = LM H. 6/1994 § 9 [Gg] AGBG Nr. 19; BGH, NJW
1998, 671 = LM H. 5/1998 § 138 [Bb] BGB Nr. 86 = ZIP 1998, 235 [237],
z. Veröff. bestimmt in BGHZ 137, 212). Hat die Bekl. die ihr als Sicherheit
geleistete Bürgschaft zu Unrecht verwertet, hat sie folglich der Kl.,
die ihrerseits die Bürgin befriedigt hat, die erhaltene Zahlung zu
erstatten.
3. Die Auffassung des BerGer., das Klagebegehren
sei insoweit schon deshalb begründet, weil von der Bürgschaft
gedeckte Forderungen der Bekl. infolge der Abnahme der Sache erloschen
seien, beruht jedoch auf einem rechtlich unzutreffenden Verständnis
der in Nr. 3 der Bürgschaft zur Vertragsbeendigung enthaltenen Klausel.
a) Die Vertragserfüllungsbürgschaft
ist als Zeitbürgschaft (§ 777 BGB) erteilt worden; denn die S-Bank
hat die Verpflichtung daraus zeitlich begrenzt übernommen. Die Haftung
der Bank unterscheidet sich von der gesetzlich vorgesehenen Form der Zeitbürgschaft
nur dadurch, daß die Bürgin schon dann frei wird, wenn der Gläubiger
sie nicht bis zu dem festgelegten Endtermin in Anspruch genommen hat. Deshalb
erwähnt die Bürgschaftsurkunde in diesem Zusammenhang ausdrücklich
die Vorschrift des § 777 BGB. Die Haftung aus einer derartigen Zeitbürgschaft
beschränkt sich auf solche Forderungen, die spätestens bis zum
Ende der Bürgschaftszeit fällig geworden sind. Hat der Gläubiger
dem Bürgen fristgerecht angezeigt, er nehme ihn in Anspruch, so hat
er sich damit diese Rechte aus der Bürgschaft gesichert (BGHZ 91,
349 = NJW 1984, 2461 = LM § 777 BGB Nr. 6; BGH, NJW 1989, 1856 = LM
§ 777 BGB Nr. 10 = ZIP 1989, 627). Die Bekl. hat die Bürgin innerhalb
der letztmals bis zum 21.12.1994 verlängerten Frist zur Leistung aufgefordert.
b) Im Rahmen der so zu bestimmenden Leistungspflicht
haben die Parteien des Bürgschaftsvertrags der Abnahme nicht die Funktion
zugewiesen, das Erlöschen aller bis dahin schon fällig gewordenen
Ansprüche zu bewirken. Vielmehr hat die Abnahme insoweit lediglich
die Bedeutung eines im Verhältnis zu dem datumsmäßig bestimmten
Tag alternativen Endtermins. Dies geht schon aus dem Wortlaut von Nr. 3
der Bürgschaftsurkunde hervor. Diese Bestimmung befaßt sich
allein mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt die Verpflichtungen aus der
Bürgschaft enden, und nennt dafür drei Ereignisse: die Abnahme,
die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde, den Ablauf des vorgesehenen
Endtermins. Sobald eine dieser drei Voraussetzungen erfüllt war, sollte
die Haftungsperiode, die die Zeitbürgschaft abzudecken hatte, beendet
sein. Die Gläubigerin konnte die Bürgin nur wegen solcher Ansprüche
haftbar machen, die bei Eintritt einer dieser Voraussetzungen schon fällig
waren, und mußte der Bürgin bis dahin die Inanspruchnahme angezeigt
haben. Eine solche Regelung entspricht dem Sinn und Zweck der von der Bürgin
übernommenen Verpflichtung. Für die mit der Abnahme beginnende
Garantielaufzeit war in Nr. 27 des Vertrags der Parteien eine Gewährleistungsbürgschaft
vorgesehen, die die während dieses Zeitraums fällig werdenden
Gewährleistungsrechte sichern sollte. Aus diesem Grunde begrenzten
die Parteien die Fertigstellungsbürgschaft "bis zum Übergabetermin",
also der Abnahme des von der Kl. zu erstellenden Werks.
Weder die Bürgschaftsurkunde noch die schriftlichen
Vereinbarungen der Parteien oder ihr Prozeßvortrag liefern einen
Hinweis dafür, daß der Abnahme eine über die oben beschriebene
Bedeutung hinausgehende Wirkung nach dem Willen der Parteien zukommen sollte.
Hätte es den gemeinsamen Vorstellungen der Bekl. und der Bürgin
entsprochen, die Haftung der S-Bank allein infolge der Abnahme entfallen
zu lassen, obwohl der Gläubiger zu diesem Zeitpunkt die Bürgin
fristgerecht in Anspruch genommen hatte und fällige Mängelbeseitigungsansprüche
besaß, so hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich zu regeln;
denn eine solche Rechtsfolge widerspricht dem typischen Inhalt einer als
Zeitbürgschaft gegebenen Erfüllungsbürgschaft. Diese bezweckt
gerade bei fristgerechter Inanspruchnahme eine umfassende und bleibende
Sicherung des Gläubigers für während ihrer Geltung fällig
gewordene vertragliche Ansprüche (vgl. BGH, WM 1977, 290; NJW 1989,
1856 = LM § 777 BGB Nr. 10). Ohne eine entsprechende Klarstellung
war für die Bekl. eine Wirkung der Abnahme, wie sie das BerGer. der
Bürgschaft entnehmen will - wodurch die Interessen des Bürgschaftsgläubigers
erheblich beeinträchtigt würden -, aus dem von der Bürgin
entworfenen Vertragstext nicht zu ersehen.
Die Auslegung des BerGer., die die vorstehend
aufgezeigten Gesichtspunkte nicht beachtet hat, ist daher für den
Senat nicht bindend. Da es insoweit keiner weiteren tatsächlichen
Feststellungen bedarf, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen. Nichts
deutet darauf hin, daß die Erfüllungsbürgschaft nach dem
Willen der Parteien wesentlich von dem im Geschäftsverkehr allgemein
üblichen Sinn und Zweck einer solchen Verpflichtung abweichen sollte.
Entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung enthält
auch die von den Parteien am 12.9.1994 getroffene Vereinbarung keine entsprechende
Regelung. Sie diente lediglich dazu, die bis dahin aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten
auszuräumen. Dagegen wurden, soweit es um die hier behaupteten Ansprüche
geht, die Rechte der Bekl. aus der Bürgschaft nicht eingeschränkt.
Diese ist in dem Sinne auszulegen, daß der Bekl. die Ansprüche
erhalten blieben, die bei Inanspruchnahme der Bürgin am 21.12.1994
gegenüber der Kl. bereits fällig waren, soweit diese Rechte später
nicht kraft Gesetzes oder einer nachträglich getroffenen Vereinbarung
entfallen sind.
c) Nach dem Vorbringen der Bekl., zu dem das BerGer.
keine entgegenstehenden Feststellungen getroffen hat und das demnach der
revisionsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen ist, standen ihr im
maßgeblichen Zeitpunkt fällige Mängelbeseitigungsansprüche
(§ 633 II 1 BGB) gegen die Kl. zu. Diese sind durch die Abnahme nicht
entfallen; sie beschränken sich nunmehr lediglich auf das abgenommene
Werk. Die höchstrichterliche Rechtsprechung bezeichnet sie als modifizierte
Erfüllungsansprüche, die infolgedessen auch dazu berechtigen,
die Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 BGB zu erheben
(BGHZ 61, 42 [45] = NJW 1973, 1792 = LM Allg. Geschäftsbedingungen
Nr. 47a; BGHZ 96, 111 [116, 118] = NJW 1986 711 - LM § 633 BGB Nr.
57). Das Mängelbeseitigungsrecht besteht also nach der Abnahme fort.
Damit entzieht das Gesetz dem Auftraggeber mit der Abnahme nicht den Schutz,
den er aufgrund einer Erfüllungsbürgschaft bereits für die
vorher fällig gewordenen Nachbesserungsansprüche erworben hat.
d) Die Bekl. hat somit die Bürgschaft zu
Recht in Anspruch genommen, soweit ihr schon damals fällige Ansprüche
auf Mängelbeseitigung (Nachbesserung) zustanden. Maßgeblich
sind insoweit die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung;
denn die Haftung des Erfüllungsbürgen erstreckt sich auch auf
Zahlung des dafür benötigten Vorschusses (BGH, NJW 1984, 2456
= LM § 633 BGB Nr. 50; BGH, NJW 1992, 1881 = LM H. 8/1992 § 765
BGB Nr. 80 = ZIP 1992, 466 [467]). Diese Ansprüche bedürfen nach
Grund und Höhe noch der tatrichterlichen Feststellung.
4. Der Anspruch, über den das LG durch Teilurteil
erkannt hat, ist selbst dann nicht im Sinne der Klage entscheidungsreif,
wenn die Bekl. am 21.12.1994 keine fälligen Erfüllungsansprüche
besaß, die Bürgschaft also objektiv zu Unrecht in Anspruch genommen
hat. In diesem Falle kommt die erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen,
die in den Vertragsbeziehungen der Parteien begründet sind, in Betracht.
Entgegen der Meinung des BerGer. ist eine solche Aufrechnung nach dem bisherigen
Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossen.
a) Allerdings ist einer Partei die Aufrechnung
über die gesetzlich oder vertraglich ausdrücklich geregelten
Fälle hinaus versagt, wenn dies nach dem besonderen Inhalt des zwischen
den Parteien begründeten Schuldverhältnisses als stillschweigend
vereinbart angesehen werden muß (§ 157 BGB) oder die Natur der
Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung
im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen
lassen (BGHZ 95, 109 [113] = NJW 1985, 2820 = LM § 398 BGB Nr. 54;
BGHZ 113, 90 [93] = NJW 1991, 839 = LM § 1629 BGB Nr. 16; BGH, NJW
1993, 2041 = LM H. 7/1993 § 242 [Cd] BGB Nr. 330 = ZIP 1993, 602 [604]).
Der Senat hat es demgemäß einem Sicherungsnehmer, welcher eine
ihm zur Sicherung übereignete Sache verwertet hatte, versagt, gegenüber
dem Anspruch auf Auskehrung des Mehrerlöses mit anderen, ungesicherten
Forderungen aufzurechnen, weil er auf diese Weise die ursprüngliche
Sicherungsabrede in ihrer Wirkung durch einseitige Erklärung erweitern
würde (BGH, NJW 1994, 2885 [2886] = LM H. 1/1995 § 139 BGB Nr.
82). Entsprechende Erwägungen gewinnen erst recht Bedeutung bei einer
Bürgschaft auf erstes Anfordern wegen der besonderen Funktion dieses
Rechtsinstituts, das Einwendungen gegen die Hauptforderung im Erstprozeß
grundsätzlich ausschließt und sich deshalb für Bürgen
und Hauptschuldner als besonders risikoreich erweist. Könnte der Gläubiger,
der sich aus der Sicherung zu Unrecht befriedigt hat, dem deshalb begründeten
Rückforderungsanspruch des Hauptschuldners aus der Sicherungsabrede
solche Forderungen entgegenhalten, die nicht durch die Bürgschaft
auf erstes Anfordern gedeckt sind, stände ihm dieses Sicherungsmittel
im wirtschaftlichen Ergebnis zur Befriedigung aller Ansprüche gegen
den Hauptschuldner zur Verfügung. Die materiell unberechtigte Anforderung
der Bürgschaft auf erstes Anfordern könnte für ihn dann
dem Hauptschuldner gegenüber in aller Regel keine nachteiligen Rechtsfolgen
auslösen, sofern er gegen diesen nur irgendwelche Forderungen besitzt.
Eine solche zusätzliche Verbesserung der ohnehin starken Rechtsposition
des Gläubigers, welcher als Sicherheit eine Bürgschaft auf erstes
Anfordern erhalten hat, würde einen angemessenen Interessenausgleich
verfehlen. Sie kann demzufolge nach Treu und Glauben nicht gewollt sein.
Die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger über
die Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ist danach grundsätzlich
in dem Sinne auszulegen, daß der Gläubiger gegenüber dem
eigenen Rückforderungsanspruch des Hauptschuldners nicht mit Forderungen
aufrechnen darf, die von der Bürgschaft nicht gedeckt sind, es sei
denn, sie seien unstreitig oder rechtskräftig festgestellt (vgl. auch
OLG Düsseldorf, WM 1996, 1856).
b) Im Einzelfall können jedoch Umstände
vorliegen, die die Berufung auf den Ausschluß der Aufrechnung als
unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) erscheinen lassen.
Hatte der Hauptschuldner dem Gläubiger, der zu Unrecht die Leistung
aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern abgerufen hat, für
andere, davon nicht gedeckte Ansprüche Sicherheit zu leisten und hat
er diese Verpflichtung nicht erfüllt, so kann es treuwidrig sein,
sich gegenüber der Aufrechnung mit solchen vertragswidrig nicht gesicherten
Ansprüchen auf das Aufrechnungsverbot zu berufen. In einem solchen
Falle steht der unberechtigten Inanspruchnahme der Bürgschaft auf
erstes Anfordern durch den Gläubiger eine die Sicherheitengewährung
betreffende Vertragsverletzung des Hauptschuldners gegenüber. Das
Aufrechnungsverbot greift allerdings nur dann nicht durch, wenn der Gläubiger
die fehlende Sicherheit nicht auf andere Weise, etwa durch Einbehaltung
eines Teils der dem Hauptschuldner zustehenden Forderung, ausgeglichen
hat. Die Aufrechnungsbefugnis beschränkt sich also auf den Betrag,
in dessen Höhe der Gläubiger durch das Fehlen der vereinbarten
Sicherheit benachteiligt ist. Hier hat die Kl., weil die Parteien im Zusammenhang
mit der Verwertung der Erfüllungsbürgschaft in Streit gerieten,
die vertraglich vereinbarte Gewährleistungsbürgschaft in Höhe
von 10% der Auftragssumme nicht mehr zur Verfügung gestellt. Inzwischen
ist die Garantiezeit, für die diese Bürgschaft gelten sollte,
abgelaufen. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand kommt eine zusätzliche
Aufrechnungsbefugnis der Bekl. in Betracht, weil sie lediglich einen Betrag
einbehalten hat, der weniger als 10% der Auftragssumme ausmacht.
III. 1. Demzufolge ist das angefochtene Urteil
aufzuheben (§ 564 1 ZPO). Zugleich steht fest, daß das LG zu
Unrecht ein Teilurteil erlassen hat, weil über diesen Anspruch nicht
ohne Berücksichtigung der Aufrechnung sowie die Beantwortung der Fragen
entschieden werden kann, die für den noch erstinstanzlich anhängigen
Werklohnanspruch ebenfalls von Bedeutung sind. Da das BerGer. aus diesem
Grunde bei richtiger Sachbehandlung das Teilurteil hätte aufheben
und die Sache an das LG zurückverweisen müssen, ist dies vom
Senat nachzuholen (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 379 = LM H. 6/1994 § 565
Abs. 3 ZPO Nr. 18 = WM 1994, 865 [867] m. w. Nachw.).
2. Für die weitere Sachbehandlung wird darauf
hingewiesen, daß nunmehr zunächst festzustellen ist, in welchem
Umfang der Bekl. Ansprüche zustehen, die durch die Erfüllungsbürgschaft
gedeckt sind. Erreichen sie nicht die Höhe der geleisteten Bürgschaftssumme,
ist zu prüfen, in welchem Umfang die Bekl. mit Ansprüchen aufrechnen
darf, die durch die Gewährleistungsbürgschaft hätten gesichert
werden sollen. Erst danach kann sich erneut die Frage stellen, ob ein Teilurteil
rechtlich möglich und auch zweckmäßig erscheint.