Garantie auf erstes Anforderung: Kein Rückforderungsanspruch des Bürgen gegen den Gläubiger bei Nichtbestehen der gesicherten Forderung (Abgrenzung zur Bürgschaft auf erstes Anfordern

BGH, Urteil v. 10.11.1998


Amtl. Leitsatz:

Bei der Bankgarantie auf erstes Anfordern kann die Bank den materiellen Garantiefall betreffende Einwendungen, die sie dem Zahlungsanspruch des Begünstigten nicht entgegenhalten durfte, auch nicht zur Grundlage eines Herausgabeverlangens nach Bereicherungsrecht machen.



Fundstellen:

ZIP 1999, 18 f
NJW 1999, 570 f
BGHZ 140, 49



Zentralprobleme des Falles:

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Vertragsauslegung und der sich daraus ergebenden bereicherungsrechtlichen Folgen von Interesse. Während bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern der in Anspruch genommene Bürge zunächst auf Anfordern an den Gläubiger zahlen muß, bei Nichtbestehen der Hauptforderung das Bezahlte aber vom Gläubiger als rechtsgrundlos geleistet nach § 812 I Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) zurückfordern kann (vgl. dazu im einzelnen die Vorbemerkung zu BGH NJW 1999, 55 ff), ist dies bei einer Garantie auf erstes Anfordern nicht der Fall. Der BGH folgert aus der Akzessorietät der Bürgschaft, daß die Verpflichtung des Bürgen, auf erstes Anfordern zunächst einmal zu zahlen, als solche keine causa für das Behaltendürfen der Leistung darstellt. Eine solche liegt nur vor, wenn die Bürgschaft als solche besteht, was das Bestehen der Hauptschuld voraussetzt. Bei einer Garantie (nichtakzessorisches Sicherungsmittel) ergebe aber die Auslegung der Vereinbarung, daß sich der in Anspruch genommene Garant allein an den Hauptschuldner halten solle.
S. auch die Anm. zu BGH NJW 2001, 282 ff.



Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von 430 000 DM, die die beklagte Sparkasse aus einer von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gestellten Bankgarantie auf erstes Anfordern erhalten hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die frühere Klägerin E. GmbH (Klägerin), deren Vermögen inzwischen durch Verschmelzung auf die jetzige Klägerin übergegangen ist, stellte zur Sicherung ihrer Zahlungspflichten aus einem Kau&ertrag über Computer-Sets der Streithelferin der Beklagten eine Zahlungsgarantie der Sparkasse N. Darin verpflichtete die Sparkasse N. sich unwiderruflich, der Streithelferin der Beklagten gegen schriftliche Zahlungsaufforderung sowie Bestätigung der vertragsgemäßen Lieferung und des Nichterhalts des Kaufpreises "auf erste Anforderung hin, ungeachtet der Gültigkeit und der Rechtswirkungen des eingangs erwähnten Vertrages unter Verzicht auf jegliche Einwendungen und Einreden aus demselben, jeden Betrag bis zur Höhe von maximal 430000 DM ... zu zahlen". Die Streithelferin der Beklagten trat die Zahlungsgarantie an die Beklagte ab und machte die Ansprüche aus der Garantie unter Abgabe der vorgesehenen Erklärungen gegenüber der Sparkasse N. geltend. Diese zahlte gegen den Widerspruch der Klägerin 430000 DM an die Beklagte aus und trat mit Vertrag vom 5. Juni 1996 "ihre sämtlichen Ansprüche aus der Zahlungsgarantie" gegen die Beklagte an die Klägerin ab. Die Klägerin verlangt von der Beklagten sowohl aus eigenem Recht nach § 826 BGB als auch aus abgetretenem Recht der Sparkasse N. nach § 812 BGB die Zahlung von 430000 DM nebst Zinsen. Sie behauptet, die bei der Streithelferin der Beklagten bestellten Computerteile seien teilweise noch nicht geliefert und, soweit geliefert, bereits bezahlt gewesen. Nach ihrer Ansicht muß die Beklagte als Neugläubigern sich das entgegenhalten lassen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZIP 1998, 148, dazu EWiR 1998, 259 (Weiter) und in ZBB 1998, 237 m. Bespr. Heermann, ZBB 1998, 239, veröffentlicht ist, hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung.

I. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach bejaht. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Ansprüche der Klägerin aus eigenem Recht seien nicht gegeben, und zwar weder solche aus Vertrag oder ungerechtfertigter Bereicherung noch solche aus §826 BGB. Darin, daß die Beklagte sich von der Streithelferin nur den abstrakten Anspruch aus dem Garantieversprechen und nicht auch den Kaufpreisanspruch habe abtreten lassen, sei kein sittlich zu mißbilligendes Verhalten zu sehen.
Der Klägerin stehe jedoch dem Grunde nach aus abgetretenem Recht der Sparkasse N. ein Bereicherungsanspruch zu, soweit die durch die Garantie gesicherte Hauptforderung nicht entstanden oder nicht fällig gewesen sei. Als Schuldnerin des Garantieanspruchs der Streithelferin sei die Sparkasse N. berechtigt gewesen, "diesen bei der Beklagten als deren Zedentin zu kondizieren". Eine Garantiebank könne nämlich nach Erfüllung der Garantieforderung ihre Leistung von dem Begünstigten zurückverlangen, soweit der sog. materielle Garantiefall nicht vorgelegen habe, weil ein Garantievertrag keinen Rechtsgrund für das dauernde Behaltendürfen in sich trage. Insoweit könne für die Bankgarantie auf erstes Anfordern nichts anderes gelten als für die Bürgschaft auf erstes Anfordern.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Zutreffend ist allerdings die Verneinung von Ansprüchen der Klägerin aus eigenem Recht. Dem Berufungsgericht ist insbesondere darin zuzustimmen, daß die isolierte Zession des Anspruchs aus einem Garantieversprechen grundsätzlich nicht den Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens gegenüber dem Zessionar begründet.

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch einen Bereicherungsanspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht der Sparkasse N. dem Grunde nach bejaht. Ein solcher Bereicherungsanspruch ist im vorliegenden Fall nicht entstanden, so daß die Frage offen bleiben kann, ob er sich gegebenenfalls gegen die Streithelferin der Beklagten als Garantiebegünstigte oder gegen die Beklagte als deren Zessionarin richten würde und ob die Anspruchsabtretung vom 5. Juni 1996 geeignet war, einen solchen Anspruch von der Sparkasse N. auf die Klägerin übergehen zu lassen.

a) Bei einer Bankgarantie ist für das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und dem Begünstigten der zwischen ihnen bestehende Garantievertrag maßgeblich. Das der Stellung der Bankgarantie zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen dem Garantieauftraggeber und dem Begünstigten (sog. Välutaverhältnis) hat für die Rechtsbeziehungen des Begünstigten zur Bank daher nur dann Bedeutung, wenn sich dies aus dem Inhalt des Garantievertrages ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 16.12. 1960 — III ZR 137/59, WM 1961, 204, 207 und BGH, Beschl. v. 23.2. 1984 — III ZR 220/82, WM 1984, 633) oder wenn eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie offensichtlich oder liquide beweisbar ist (vgl. BGHZ 90, 287, 292 = ZIP 1984, 685; Senatsurt. v. 17. 1. 1989 — XI ZR 65/88, ZIP 1989, 437 = WM 1989, 433, 434 m.w.N., dazu EWiR 1989, 467 (Fischer)). Bei Bankgarantien auf erstes Anfordern wird sich nur in Ausnahmefällen aus dem Garantievertrag ableiten lassen, daß im Falle des Votliegens der formellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Garantie (sog. formeller Garantiefall) der Anspruch des Begünstigten gegen die Bank zusätzlich noch davon abhängig sein soll, daß ihm auch im Valutaverhältnis zum Garantieauftraggeber ein Anspruch zusteht (sog. materieller Garantiefall). Der Zweck der Bankgarantie auf erstes Anfordern, dem Begünstigten eine schnelle und unkomplizierte, nicht durch langwierige Auseinandersetzungen verzögerte Befriedigung seiner Ansprüche zu gewährleisten, schließt eine solche Auslegung des Garantievertrags in der Regel aus.

b) Diese Grundsätze gelten sowohl im Fall der Inanspruchnahme aus der Garantie für die Frage, ob die Bank zur Zahlung verpffichtet ist, als auch nach geleisteter Zahlung für die Frage, ob rechtsgrundlos geleistet wurde und ein Rückzahlungsanspruch begründet ist. Die allgemeine Regel, daß im jeweiligen Leistungsverhältnis ein Rechtsgrund, der die Leistung rechtfertigt, zugleich auch das Recht des Empfängers zum Behaltendürfen des Leistungsgegenstands begründet, gilt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch für die Bankgarantie auf erstes Anfordern. Die Durchbrechung dieser Regel bei der Bankbürgschaft auf erstes Anfordern, bei der die Bank zwar ohne Rücksicht auf die Frage des Bestehens der verbürgten Hauptforderung an den Gläubiger zu leisten hat, anschließend jedoch im Falle des Nichtbestehens der Hauptforderung ihre Leistung nach Bereicherungsgrundsätzen zurückverlangen kann (BGHZ 74, 244; BGH, Urt. v. 23.1. 1997 — IX ZR 297/95, ZIP 1997, 582 = WM 1997, 656, 658 m.w.N., dazu EWiR 1997, 541 (v. Stebut)), lässt sich auf die Bankgarantie auf erstes Anfordern nicht übertragen. Sie beruht auf dem Doppelcharakter der von der Rechtsprechung zugelassenen Bürgschaft auf erstes Anfordern, bei der die für die Bürgschaft wesensbestirnmende Abhängigkeit der Bürgschaftsforderung von der verbürgten Hauptforderung systemwidrig für das Stadium der Geltendmachung beseitigt und anschließend für ein etwaiges Herausgabeverlangen des Bürgen wiederhergestellt wird.
Für die Bankgarantie auf erstes Anfordern verbleibt es somit dabei, daß die Bank den materiellen Garantiefall betreffende Einwendungen, die sie dem Zahlungsanspruch des Begünstigten nicht entgegenhalten durfte, auch nicht zur Grundlage eines Herausgabeverlangens nach Bereicherungsrecht machen kann (Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl., Rz. 1141 ff und ders., ZIP 1998, 493, 495; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., BankGesch (7) Rz. L/15; Heymann/Horn, Handelsgesetzbuch, Anh. § 372 Rz. 60; Nielsen, Bankgarantien bei Außenhandelsgeschäften, 5. 140; MünchKomm-Habersack, BGB, 3. Aufl., vor §765 Rz. 17, 25; Weiter, EWiR 1998, 259, 260; ebenso im Ergebnis BGH, Urt. v. 25. 9. 1996 — VIII ZR 76/95, ZIP 1997, 275 = WM 1997, 13, 17, dazu EWiR 1997, 209 (Geimer); zumindest teilw. a. M. Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., Anh. §365 Rz. 299; Horn, in: Festschrift Brandner, 1996, 5. 623, 632). Das entspricht dem Sinn und Zweck der Bankgarantie auf erstes Anfordern; dieser geht dahin, rechtliche oder tatsächliche Streitfragen aus dem Valutaverhältnis, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, aus dem Verhältnis der Bank zum Garantiebegünstigten herauszuhalten und nach vollzogener Zahlung in einen eventuellen Rückforderungsprozeß zwischen Garantieauftraggeber und Begünstigtem zu verlagern (BGHZ 90, 287, 294 = ZIP 1984, 685; BGHZ 94, 167, 170 = ZIP 1985, 279, dazu EWiR 1985, 365 (Köndgen)).

c) Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Zahlungsgarantie der Sparkasse N. um eine Bankgarantie auf erstes Anfordern, deren Inanspruchnahme nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur an die Abgabe bestimmter Erklärungen der Streithelfern der Beklagten geknüpft und im Übrigen von dem Vertragsverhältnis zwischen der Streithelferin und der Klägerin unabhängig ist. Da die Inanspruchnahme der Garantie den formellen Voraussetzungen entsprach und für einen offensichtlichen oder liquide beweisbaren Rechtsmissbrauch nichts vorgetragen ist, war die Sparkasse N. zu der von ihr geleisteten Zahlung verpflichtet. Ihr stand deshalb kein Rückzahlungsanspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung zu, den sie an die Klägerin hätte abtreten können.



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