Tierhalterhaftung und
Gefälligkeit
BGH, Urteil v. 09.06.1992 - VI ZR 49/91 (Düsseldorf)
Fundstellen:
NJW 1992, 2474
s. auch BGH v. 3.5.2005 - VI ZR 238/04
sowie
BGH v. 20.12.2005 - VI ZR 225/04
Amtl. Leitsätze:
1. Der Halter eines Reitpferdes kann
dem Reiter, der sich beim Sturz vom Pferd verletzt, auch dann nach §
833 zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er dem Verletzten das Pferd
aus Gefälligkeit überlassen hat.
2. In einem solchen Fall kann es die
Interessenlage gebieten, dem Verletzten gegenüber dem Vorwurf des
Mitverschuldens nach § 254 BGB den Entlastungsbeweis entsprechend
§ 834 BGB aufzuerlegen.
Zum Sachverhalt:
Die Parteien trafen sich am 24. 10. 1983
in der Reitanlage M, wo beide seit längerem ihr Reitpferd untergestellt
hatten. Sie waren aufgrund ihrer gemeinsamen Zugehörigkeit zum Reitstall
sportkameradschaftlich verbunden, wenn nicht gar befreundet. Die Kl. -
eine erfahrene Reiterin - konnte an diesem Tage ihr Pony wegen einer Verletzung
nicht reiten. Die Bekl. stellte ihr deshalb ihr eigenes Pferd zur Verfügung,
damit sie es in der folgenden Reitstunde unter der Leitung eines Reitlehrers
reiten konnte. Da das Pferd lustlos ging, forderte der Reitlehrer die Kl.
auf, die Gerte einzusetzen. Nach einem Gerteneinsatz buckelte das Pferd
und warf die Kl. ab. Dabei zog sie sich nicht unerhebliche Verletzungen
zu. Die Kl. verlangt von der Bekl. den Ersatz ihrer materiellen Schäden
in Höhe von 98340,28 DM abzüglich bereits erhaltenen Krankengeldes,
die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 30000 DM sowie die Feststellung,
daß die Bekl. ihr zum Ersatz allen weiteren nach dem 31. 8. 1988
entstehenden materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet sei, soweit
die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige
Dritte übergegangen seien.
Die Klage blieb in den Vorinstanzen ohne
Erfolg. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung
der Sache an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer, dessen Urteil in OLGZ
1991, 84 veröffentlicht ist, verneint die Ansprüche der Kl. auf
vertraglicher Grundlage, weil beide Parteien bei Übergabe und Übernahme
ohne Rechtsbindungswillen gehandelt hätten.
Beide hätten sich gegenseitig einen
Gefallen erweisen wollen; die Bekl. habe zum Reiten keine Lust gehabt,
die Kl. habe ihr eigenes Pferd nicht reiten können. Ansprüche
aus § 833 BGB hält das BerGer. nicht für gerechtfertigt,
weil der Reitunfall nicht mehr vom Schutzzweck der Tierhalterhaftung erfaßt
werden. Das Gesetz gehe davon aus, daß sich der Geschädigte
außerhalb der Gefahrensphäre befinde, während sich die
Kl. freiwillig in die von dem Pferd ausgehende Gefahr hineinbegeben habe.
Das BerGer. erkennt allerdings an, daß die Tierhalterhaftung des
§ 833 BGB nach der ständigen Rechtsprechung des BGH auch dem
Reiter zugute komme. Doch habe der BGH bisher nicht die Frage entschieden,
ob die Gefährdungshaftung auch bei Übergabe eines Pferdes aus
reiner Gefälligkeit eingreife. Übertrage man die in § 8a
StVG enthaltene Regelung auf die Tierhalterhaftung, ergäbe sich folgende
Lösung: Der Pferdehalter hafte in der Regel bei entgeltlicher Überlassung,
bei unentgeltlicher nur dann, wenn er ein besonderes Interesse daran habe,
daß sein Pferd geritten werde. Im Streitfall liege der Reitunfall
nicht mehr im Schutzbereich des § 833 BGB, weil die Übergabe
des Pferdes nicht entgeltlich geschehen sei und die Bekl. kein besonderes
Interesse am Reiten ihres Pferdes gehabt habe. Vielmehr habe es sich um
einen vereinzelten Gefälligkeitsritt und damit um einen Vorgang sportkameradschaftlicher
Art gehandelt.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher
Prüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, daß das
BerGer. die Tierhalterhaftung der Bekl. aus § 833 BGB verneint hat.
Die Kl. ist durch das Reitpferd, dessen Halterin die Bekl. war, an Körper
und Gesundheit beschädigt worden. Damit sind, wovon auch das BerGer.
ausgeht, die Haftungsvoraussetzungen des § 833 BGB gegeben. Nach Lage
der Dinge ist auch davon auszugehen, daß sich in dem Reitunfall die
spezifische Tiergefahr verwirklicht hat. Daran ändert nichts die Tatsache,
daß die Kl., um der Lustlosigkeit des Pferdes entgegenzuwirken, die
Reitgerte eingesetzt und das Pferd darauf mit Buckeln und Abwerfen reagiert
hat. Denn auch die Reaktion des Tieres auf menschliche Steuerung und die
daraus resultierende Gefährdung hat ihren Grund in der Unberechenbarkeit
tierischen Verhaltens, für die der Halter den Geschädigten nach
§ 833 BGB schadlos halten soll (vgl. BGHZ 67, 129 (132) = NJW 1976,
2130 = LM § 833 BGB Nr. 9; Senat, NJW 1992, 907 = LM H. 7/1992 §
833 BGB Nr. 20 = VersR 1992, 371). Hat der Reiter durch vorwerfbare Fehler
dazu beigetragen, daß ihn das Pferd abwirft, kann das allenfalls
als Mitverschulden über § 254 BGB berücksichtigt werden
(Senat, NJW 1986, 2883 = LM § 839 (A) BGB Nr. 48 = VersR 1986, 1206
(1207) - dazu unten III).
1. Im übrigen vermag sich der Senat
der Auffassung des BerGer., der Reitunfall falle nicht mehr unter den Schutzzweck
des § 833 BGB, nicht anzuschließen. Es entspricht der ständigen
Rechtsprechung des Senats, daß die Gefährdungshaftung des Tierhalters
aus § 833 BGB grundsätzlich auch dem Reiter auf dem Pferd
zugute kommt (Senat, NJW 1974, 234 = LM § 833 BGB Nr. 7 = VersR 1974,
356; Senat, NJW 1977, 2158 = LM § 833 BGB Nr. 10 = VersR 1977, 864
(865); Senat, NJW 1982, 763 = LM § 833 BGB Nr. 11 = VersR 1982, 366
(367); Senat, VersR 1982, 348; Senat, VersR 1984, 286 (287); Senat, NJW
1986, 2883 = LM § 839 (A) BGB Nr. 48 = VersR 1986, 1206 (1207); Senat,
NJW-RR 1988, 655 = LM § 833 BGB Nr. 19 = VersR 1988, 609). Eine Haftungsfreistellung
des Tierhalters gegenüber dem Reiter hat der Senat unter dem Gesichtspunkt
des Handelns auf eigene Gefahr nur anerkannt, wenn der Reiter im Einzelfall
Risiken übernommen hat, die über die gewöhnlich mit einem
Ritt verbundene Gefahr hinausgehen (z. B. Zureiten, Dressurreiten, Springen).
An dieser Auffassung hält der Senat nach Überprüfung fest.
Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung
abzuweichen.
2. Die damit grundsätzlich gegebene
Gefährdungshaftung des Tierhalters entfällt im Streitfall nicht
deshalb, weil die Überlassung des Pferdes an die Kl. auf Gefälligkeit
beruhte.
a) Keinesfalls läßt sich eine
generelle Haftungsfreistellung, wie es das BerGer. tut und was die Revision
mit Recht beanstandet, mit einer Übertragung der für Insassen
von Kraftfahrzeugen in § 8a StVG getroffenen Regelung begründen.
Zu vergleichen ist der Reiter, der die Herrschaft über das Pferd übernommen
hat und der insoweit an der Aktualisierung der Tiergefahr besonders teilnimmt,
ohnehin eher mit dem Fahrer eines Kraftfahrzeuges, für den nicht §
8a StVG gilt, sondern demgegenüber nach § 8 StVG ganz allgemein
die Gefährdungshaftung des Halters ausgeschlossen ist. Aber auch §
8 StVG kann nicht entsprechend auf den Reiter angewandt werden, denn er
stellt ebenso wie § 8a StVG eine Ausnahmevorschrift dar, die eng auszulegen
ist (Senat, VersR 1956, 640; NJW 1992, 900 = LM H. 8/1992 § 242 (Cd)
BGB Nr. 319 = VersR 1992, 437) und deren Regelungsgehalt auch nicht auf
vergleichbare Sachverhalte anderer Gefährdungshaftungen übertragen
werden kann. Die Gefährdungshaftungen enthalten für die einzelnen
Haftungsbereiche im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Materie
und ihrer Entstehungsgeschichte je eigenständige und in sich abgeschlossene
Regelungen, die nur aus ihrem jeweiligen Zusammenhang heraus verstanden
und angewendet werden können und demgemäß einer entsprechenden
Anwendung auf andere Gefährdungshaftungen nicht zugänglich sind.
Der Regelung in §§ 8 und 8a
StVG liegt auch kein allgemeiner, übertragungsfähiger Rechtsgedanke
zugrunde. Diese Ausschlußbestimmungen sind vielmehr das Ergebnis
einer eher von zufälligen Entscheidungen geprägten Gesetzesgeschichte,
die aus den Vorläufern der heutigen Vorschriften erkennbar ist: Während
der "Entwurf eines Gesetzes über die Haftpflicht für den bei
dem Betriebe von Kraftfahrzeugen entstehenden Schaden" von 1906 noch darauf
abstellte, daß im Falle der Personenbeförderung der Verletzte
"die Gefahr freiwillig übernommen" habe, waren für die Haftungsausschlüsse
nach dem "Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen"
von 1909 im wesentlichen wirtschaftliche Überlegungen maßgebend
(Verhandlungen des Reichstages, 11. Legislaturperiode, StenBer. 1905/1906,
4. Anlageband Nr. 264 S. 3245 (3247); 12. Legislaturperiode, StenBer. Bd.
248 Nr. 988 S. 5593 (5596); vgl. auch Hohloch, VersR 1979, 199 (206 f)).
Erst das Änderungsgesetz vom 7. 11. 1939 (RGBl I, 2223) erstreckte
im Hinblick auf die wachsende Bedeutung des Kraftfahrzeugverkehrs die Gefährdungshaftung
des Halters auf die Insassen von Kraftfahrzeugen im Falle entgeltlicher
Beförderung (Amtl. Begründung, DJ 1939, 1771 (1772)). Schon diese
besondere Entstehungsgeschichte steht einer Übertragung des §
8a StVG auf die Tierhalterhaftung, der ein gesetzlich festgeschriebener
Haftungsausschluß fremd ist, von vornherein entgegen (zur Ablehnung
einer analogen Anwendung dieser Vorschrift auf die Gefährdungshaftung
nach dem LuftVG vgl. OLG Karlsruhe, VersR 1969, 287). Abgesehen davon ist
eine Ausrichtung an der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Tierüberlassung
in Anlehnung an § 8a StVG auch deshalb verfehlt, weil diese Regelung
nur für die Beförderung von Kraftfahrzeuginsassen, nicht aber
für den dem Reiter eher vergleichbaren Fahrer eines Kraftfahrzeuges
gilt.
b) Auch sonst kommt eine Haftungsfreistellung
des Tierhalters aus dem Gesichtspunkt der Gefälligkeit nicht in Betracht.
Gefälligkeiten, denen das Fehlen eines Rechtsbindungswillens eigen
ist, haben zunächst zur Folge, daß vertragliche Ansprüche
zwischen den Beteiligten ausgeschlossen sind (vgl. BGHZ 21, 102 (106 f.)
= NJW 1956, 1313 = LM § 662 BGB Nr. 3 (L); LM § 241 BGB Nr. 3
(L); LM § 276 (Fa) BGB Nr. 6). Deliktische Ansprüche, die im
Zusammenhang mit Gefälligkeitserweisen stehen, bleiben dagegen nach
der ständigen Rechtsprechung des BGH unberührt (BGHZ 30,
40 (46) = NJW 1959, 1221 = LM § 67 VVG Nr. 13; BGHZ 43, 72 (76) =
NJW 1965, 907 = LM § 87a BBG Nr. 11; BGHZ 76, 32 (34 f.) = NJW 1980,
587 = LM Luft VG Nr. 18; Senat, NJW 1966, 41 = LM § 823 (Ha) BGB Nr.
14a = VersR 1966, 41; Senat, LM § 11 AVB f. Kraftf. Vers. Nr. 8 =
VersR 1978, 625; Senat, VersR 1980, 384). Das hat seinen Grund darin, daß
nicht ohne weiteres angenommen werden kann, daß jemand, dem eine
Gefälligkeit erwiesen wird, auf Schadensersatzansprüche wegen
schuldhafter Herbeiführung von Körperverletzungen, insbesondere
bei der Verletzung von Schutzpflichten im Straßenverkehr verzichtet.
Die Annahme einer stillschweigend vereinbarten Haftungsbeschränkung
im Wege ergänzender Vertragsauslegung stellt eine künstliche
Rechtskonstruktion dar, denn sie geht von einem Haftungsverzicht aus, an
den bei Abschluß der Vereinbarung niemand gedacht hat und der infolgedessen
auf einer Willensfiktion beruht (vgl. BGHZ 34, 355 (361) = NJW 1961,
655 = LM § 254 (Ba) BGB Nr. 11; BGHZ 41, 79 (81) = NJW 1964, 860 =
LM § 1542 RVO Nr. 45 A; BGHZ 43, 72 (76) = NJW 1965, 907 = LM §
87a BBG Nr. 11; Senat, NJW 1966, 41 = LM § 823 (Ha) BGB Nr. 14a =
VersR 1966, 41). Eine solche Haftungsbeschränkung hat der Senat
stets beim Hinzutreten besonderer Umstände gelten lassen (BGHZ 30,
40 (46) = NJW 1959, 1221 = LM § 67 VVG Nr. 13; BGHZ 76, 32 (35) =
NJW 1980, 587 = LM LuftVG Nr. 18; Senat, LM § 11 AVB f. Kraftf. Vers.
Nr. 18 und Senat, VersR 1980, 384).
Diese für die Haftung aus unerlaubter
Handlung entwickelten Grundsätze gelten auch für die Gefährdungshaftung
nach § 833 BGB. Auch insoweit kann weder das kameradschaftliche Verhältnis
zwischen den Beteiligten noch die Tatsache, daß beide sich gegenseitig
einen Gefallen erweisen wollten, die Annahme eines stillschweigend vereinbarten
Ausschlusses der Gefährdungshaftung rechtfertigen. Das gilt insbesondere
dann, wenn, wie hier, hinter dem Tierhalter eine Versicherung steht, denn
ein Haftungsverzicht, der lediglich den Versicherer entlastet, entspricht
in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten und ihrem wohlverstandenen
Interesse (vgl. BGHZ 39, 156 (158) = NJW 1963, 1099; 1964, 33 = LM §
254 (Da) BGB Nr. 14; BGHZ 63, 51 (59) = NJW 1974, 2124 = LM PflVG Nr. 6;
BGH, NJW 1966, 41 = LM § 823 (Ha) BGB Nr. 14a = VersR 1966, 41; BGH,
VersR 1980, 384; BGH, NJW 1986, 2883 = LM § 839 (A) BGB Nr. 48 = VersR
1986, 1206 (1207)).
c) Auch der Gesichtspunkt von Treu und
Glauben ( § 242 BGB) ist nicht geeignet, eine generelle Haftungsfreistellung
des Tierhalters, der einem anderen gefälligkeitshalber sein Pferd
überläßt, zu begründen. Die Unentgeltlichkeit der
Überlassung und der mit einer Gefälligkeit verbundene Altruismus
lassen für sich allein die Geltendmachung von Ansprüchen aus
§ 833 BGB nicht als treuwidrig oder gar als rechtsmißbräuchlich
erscheinen. Dazu bedarf es vielmehr des Hinzutretens besonderer Umstände,
die im Einzelfall dem Schadensersatzbegehren des Geschädigten ein
treuwidriges Gepräge geben (vgl. Senat, LM § 11 AVB f. Kraftf.
Vers. Nr. 8 = VersR 1978, 625; Senat, NJW 1980, 1681 = LM § 11 AVB
f. Kraftf. Vers. Nr. 11 = VersR 1980, 426 (427); Senat, VersR 1980, 384).
Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die Gewährung der Gefälligkeit
im besonderen Interesse des Geschädigten lag und dieser sich deshalb
einem ausdrücklichen Ansinnen eines Haftungsverzichtes, wäre
es an ihn gestellt worden, billigerweise nicht hätte verschließen
können (vgl. BGHZ 9, 273 (278) = NJW 1953, 937 = LM § 157 (D)
BGB Nr. 2; Senat, NJW 1980, 1681 = LM § 11 AVB f. Kraftf. Vers. Nr.
11 = VersR 1980, 426 (427)). Im Streitfall sind derartige Umstände
nicht festgestellt und auch nicht erkennbar. Dann aber muß es dabei
bleiben, daß mit einer Gefälligkeit nicht automatisch eine Haftungsbegrenzung
oder ein Ausschluß der Gefährdungshaftung verbunden ist.
d) Ein Ausschluß der Tierhalterhaftung
ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 599
BGB. Das BerGer. stellt ausdrücklich fest, daß die Parteien
bei der Übergabe und Übernahme des Pferdes ohne den Willen zu
einer rechtlichen Bindung handelten und demgemäß keinen Leihvertrag
gem. § 598 BGB abschlossen. In Betracht kommt daher allenfalls eine
entsprechende Anwendung der für die vertragliche Leihe vorgesehenen
Haftungsbeschränkung.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß
die gesetzliche Beschränkung der Vertragshaftung auf Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit auch auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung durchschlägt
mit der Folge, daß wegen derselben Handlung nach Deliktsrecht keine
strengere Haftung stattfindet (RGZ 66, 363; 88, 317; BGHZ 46, 140 (145)
= NJW 1967, 42 = LM § 430 HGB Nr. 2; BGHZ 46, 313 (316) = NJW 1967,
558 = LM § 708 BGB Nr. 1; BGHZ 55, 392 (396) = NJW 1971, 1131 = LM
§ 638 BGB Nr. 17; BGHZ 93, 23 (29) = NJW 1985, 794 = LM § 521
BGB Nr. 1). Damit entfällt nicht nur eine Haftung für leichte
Fahrlässigkeit, sondern auch die Gefährdungshaftung nach §
833 BGB (Senat, NJW 1980, 1681 = LM § 11 AVB f. Kraftf. Vers. Nr.
11 = VersR 1980, 426 (427)). Diese Ausstrahlung gilt jedoch nur für
Fälle echter Anspruchskonkurrenz, also in Fällen, in denen vertragliche
und deliktische Ansprüche nebeneinander bestehen. Ob die Haftungsbeschränkung
auch bei der außervertraglichen Gefälligkeitsleihe zum Zuge
kommt, hat der Senat in der vorgenannten Entscheidung vom 14. 7. 1977 offengelassen.
Diese Frage wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet (für eine
analoge Anwendung des § 599 BGB treten zum Beispiel ein: Enneccerus-Lehmann,
SchuldR, 15. Aufl., § 27, 6; Hoffmann, AcP 167, 394 (396, 406) m.
w. Nachw. in Fußn. 70; Medicus, Bürgerliches Recht, 14. Aufl.,
§ 16 I 2a Rdnr. 369; Schwerdtner, NJW 1971, 1673 (1675); Staudinger-Reuter,
BGB, 12. Aufl., Vorb. §§ 598 ff. Rdnr. 9; verneinend dagegen:
Erman-Schopp, BGB, 8. Aufl., Vorb. § 598 Rdnr. 2; Larenz, Lehrb. d.
SchuldR II BT (1. Halbb.), 13. Aufl., S. 294; Kollhosser, in: MünchKomm,
2. Aufl., § 599 Rdnr. 6; Gelhaar, in: RGRK, 12. Aufl., Rdnr. 7 vor
§ 598 und § 599 Rdnr. 1).
Der Senat schließt sich der eine
analoge Anwendung ablehnenden Meinung an. Bei den Regelungen über
die vertragliche Leihe handelt es sich um ein vom Gesetzgeber besonders
ausgeformtes Vertragsverhältnis, das einen beiderseitigen Verpflichtungswillen
der Beteiligten voraussetzt, welcher für jeden Vertragsschließenden
Rechte und Pflichten begründet und ausformt. Im Rahmen dieser Vertragsgestaltung
stellt die Einschränkung des vertraglichen Haftungsmaßstabes
ein Äquivalent für die Unentgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung
dar. Die Haftungsbeschränkung kann nicht isoliert auf das Deliktsverhältnis
übertragen werden, dem dieser Äquivalenzgedanke fremd ist. In
Fällen, in denen es an einem Vertragsverhältnis gem. § 598
ff. BGB fehlt, muß es danach bei der Haftungsverteilung bleiben,
wie sie das Deliktsrecht einschließlich der Tierhalterhaftung nach
§ 833 BGB vorsieht.
III. Das angefochtene Urteil ist daher
aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit
das BerGer. über die Höhe der geltend gemachten Schäden
entscheiden kann. Dabei wird das BerGer. auch über ein eventuelles
Mitverschulden der Kl. im Rahmen des § 254 BGB zu befinden haben.
Ein zum Schaden führender Verursachungsbeitrag der Kl. könnte
darin liegen, daß sie sich auf ein fremdes Pferd, dessen Eigenschaften
sie möglicherweise nicht genau kannte, gesetzt, und daß sie
gegen das Tier, um dessen Lustlosigkeit zu überwinden, die Reitgerte
eingesetzt hat. Dabei können über § 254 BGB freilich nur
vorwerfbare Fehler beim Reiten berücksichtigt werden (Senat, NJW 1986,
2883 = LM § 839 (A) BGB Nr. 48 = VersR 1986, 1207). Die Mitverschuldensprüfung
muß sich insoweit an dem Haftungsmaßstab des § 834 BGB
orientieren. Danach muß derjenige, der die Obhut über ein Tier
übernommen hat, die Vermutung gegen sich gelten lassen, daß
ihn ein Verschulden trifft und dieses Verschulden für den Schaden
ursächlich geworden ist. Tierhüter im Sinne dieser Vorschrift
kann auch der Reiter sein (Senat, NJW 1987, 949 = LM § 833 BGB Nr.
18 = VersR 1987, 198 (200)). Im Streitfall hat allerdings die Kl. die Aufsicht
über das Pferd der Bekl. nicht durch Vertrag übernommen, wie
es § 834 BGB voraussetzt, sondern im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses.
Indes gebietet es die hinsichtlich der Einfluß- und Aufklärungsmöglichkeit
der Kl. vergleichbare Interessenlage hier, zum Zweck der Begrenzung der
Tierhalterhaftung der Bekl. die Beweislastregeln des § 834 BGB gegenüber
dem Vorwurf des Mitverschuldens entsprechend anzuwenden. Es obliegt infolgedessen
der Kl., die Verschuldens- und Verursachungsvermutung zu widerlegen.
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