Voraussetzungen der
Tierhalterhaftung nach § 833 BGB; Verwirklichung der "typischen Tiergefahr"
und Handeln auf eigene Gefahr
BGH, Urteil vom 20.
Dezember 2005 - VI ZR 225/04
Fundstelle:
NJW-RR 2006, 813
Amtl. Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen
des Ausschlusses der Tierhalterhaftung wegen Handelns des Geschädigten auf
eigene Gefahr.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der lehrreichen Entscheidung steht neben
der "typischen Tiergefahr" als Voraussetzung der Tierhalterhaftung (s. dazu
auch BGH NJW 2004, 513;
BGH v. 3.5.2005 - VI ZR 238/04
und
BGH NJW 1992, 2474) die
Frage des Haftungsausschlusses wegen Selbstgefährdung. Der Senat resümiert
dabei auch die Frage des Haftungsausschlusses bei der Teilnahme an
Sportveranstaltungen, s. dazu auch BGH v.
7.2.2006 - VI ZR 20/05 und BGH NJW
2003, 2018. S. weiter BGH v. 17.3.2009 -
VI ZR 166/08 sowie
BGH v. 30.4.2013 - VI ZR 13/12.
©sl 2006
Tatbestand:
Der Kläger begehrt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung
materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem
Pferdekutschenunfall. Dieser ereignete sich bei einem Geländefahrturnier des
Reit-und Fahrvereins R. e.V., bei dem der Kläger als ehrenamtlicher
Schiedsrichter (Bockrichter) auf dem Fahrzeug des Beklagten mitfuhr, der
seine Pferde Romeo und Lavinia, für die er haftpflichtversichert ist, selbst
lenkte. Beim Durchfahren eines Geländehindernisses wurde die Kutsche
instabil und kippte auf die linke Seite. Dabei wurde der Kläger vom Bock
geschleudert und verletzte sich schwer.
Nachdem der Kläger in erster Instanz behauptet hatte, der Beklagte habe den
Unfall durch einen Fahrfehler verschuldet, hat er im Berufungsverfahren
diesen Vorwurf nicht mehr aufrechterhalten. Die Vorinstanzen haben die Klage
abgewiesen. Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt
der Kläger seine Ansprüche weiter. Durch rechtskräftiges Urteil vom 28. März
2003 hat das Sozialgericht U. eine Pflicht der Berufsgenossenschaft des
Reit- und Fahrvereins zur Übernahme der Krankheitskosten mangels einer
Arbeitnehmereigenschaft des Klägers in dem Verein verneint.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht lehnt einen
Anspruch des Klägers aus § 833 BGB ab, auch wenn sich bei dem Unfall unter
Zugrundelegung des Vortrags beider Parteien die von den Pferden des
Beklagten ausgehende Tiergefahr verwirklicht habe. Zur Begründung führt es
aus, es sei ein Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt der bewussten
Risikoübernahme gegeben. Zwar liege zwischen den Parteien ein vertraglicher
Haftungsausschluss nicht vor. Dafür fehle zum einen eine klare Absprache.
Der Kläger habe zudem ohne eigene Einwirkungsmöglichkeit auf die Pferde und
nicht im eigenen Interesse oder in Ausübung seines Berufes an dem Turnier
teilgenommen. Außerdem stehe hinter dem Beklagten eine
Haftpflichtversicherung. Doch habe der Kläger auf eigene Gefahr gehandelt.
Der Fahrvorgang, der zum Schaden geführt habe, gehe über die mit der
normalen Tiergefahr verbundene Risikolage weit hinaus. Der Kläger habe auf
dem Gespann des Beklagten an einem Fahrturnier teilgenommen, das als
Wettrennen zu qualifizieren sei, weil es dabei darauf ankomme, in möglichst
kurzer Zeit die Strecke zu durchfahren. Das Hindernis, bei dessen Durchfahrt
es zum Unfall gekommen sei, habe als letzte Station vor der Zeitschranke des
Ziels mit mehreren Wendungen und auch unterschiedlicher Lauffläche (feuchtem
Gras, Wassergraben) erhöhte Anforderungen an Ross und Reiter gestellt und
zugleich ein stark erhöhtes Gefährdungspotential gehabt. Da das Turnier in
die Kategorie der "Anforderungen im Anfängerstadium" gefallen sei, habe der
Kläger mit unfertigen Pferden und unerfahrenen Lenkern rechnen müssen. Der
Fahrer müsse binnen Sekunden auf die typischen Erscheinungsformen der
Tiergefahr reagieren, die durch die Eigenwilligkeit der Tiere, durch
möglicherweise mangelnde Übung, Scheu vor dem Wasser, unzulängliche
Lenkhilfen oder mit dem anderen Zugtier unabgestimmtes Verhalten bedingt
sei. Auch hänge das Gelingen nicht nur vom Können des Kutschenlenkers ab,
dem der Kläger als Bockrichter ohne eigene Einflussmöglichkeit und
Einschätzbarkeit von dessen Fähigkeiten kurz vor dem Start zugewiesen worden
sei. Entscheidend seien auch die Erfahrung und das koordinierte Verhalten
des Beifahrers auf dem rückwärtigen Trittbrett, der für die geeignete
Schwerpunktverlagerung zu sorgen habe. Der Kläger habe sich deshalb auf ein
Rennen mit vielen Risikofaktoren eingelassen, die das von einem Pferd
ausgehende normale Gefährdungspotenzial, wie es sich auch in einem Ausritt
zu manifestieren pflege, überstiegen. Diese hohe Risikolage werde sinnfällig
dadurch belegt, dass jede zehnte bis dreizehnte Kutsche bei solchen
Turnieren umgeworfen werde.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen unter den konkreten
Umständen des Streitfalles nicht einen vollständigen Haftungsausschluss zu
Lasten des Klägers.
1. Zutreffend ist der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, dass sich
bei dem Unfall eine typische Tiergefahr verwirklicht hat, für die der
Beklagte als Halter der Pferde nach § 833 Satz 1 BGB grundsätzlich einstehen
muss.
a) Das wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger im zweiten
Rechtszug keinen Fahrfehler des Beklagten mehr geltend gemacht hat, sondern
seinen Anspruch ausschließlich auf die Tierhalterhaftung stützt. Schon nach
dem Vortrag des Beklagten hatte die Kutsche vor dem Unfall einen starken Zug
nach links gehabt, was nach seiner Darstellung auf die von ihm nicht
gewollten Laufwege der Pferde zurückzuführen gewesen sei. Dieses Verhalten
entsprang aus der tierischen Eigenwilligkeit. Demnach entsprach die Bewegung
der Pferde trotz der Steuerung durch den Beklagten nicht dessen Willen. Dass
das Berufungsgericht unter solchen Umständen die Verwirklichung einer
typischen Tiergefahr angenommen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
b) Eine typische Tiergefahr äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des
erkennenden Senats in einem der tierischen Natur entsprechenden
unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres (vgl. grundlegend
Senat BGHZ 67, 129, 132 f. sowie Urteile vom 13. Juli 1976 - VI ZR 99/75 -
VersR 1976, 1175, 1176; vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - VersR 1977, 864,
865; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - VersR 1982, 366, 367; vom 6. März
1990 - VI ZR 246/89 - VersR 1990, 796, 797; vom 19. November 1991- VI ZR
69/91 - VersR 1992, 371, 372; vom 9. Juni 1992 -
VI ZR 49/91 - VersR 1992, 1145, 1146; vom 6. Juli 1999 - VI ZR 170/98 -
VersR 1999, 1291, 1292). Diese Voraussetzung kann zwar fehlen, wenn das
Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt und nur
daraus der Schaden resultiert, weil er in einem solchen Fall allein durch
den Menschen verursacht wird (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1966 - VI
ZR 11/65 - VersR 1966, 1073, 1074; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - aaO;
vom 27. Mai 1986 - VI ZR 275/85 - NJW 1986, 2501; vom 30. September 1986 -
VI ZR 161/85 - VersR 1987, 198, 200; BGH, Urteil vom 25. September 1952 -
III ZR 334/51 - VersR 1952, 403; RGZ 50, 180 f.; 60, 103 f.; 80, 237, 239;
ebenso Geigel/Haag, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 18 Rdn. 12; a.A.
Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2003, § 833 Rdn. 10; MünchKommBGB/Wagner, 4.
Aufl., § 833 Rdn. 11 f.; Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 833 Rdn. 7;
Staudinger/Belling/Eberl-Borges, BGB, Neubearbeitung 2002, § 833 Rdn. 57;
Wussow/Terbille, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 11 Rdn. 14 f.).
Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn ein Pferd auf die - unter
Umständen fehlerhafte - menschliche Steuerung anders als beabsichtigt
reagiert. Denn diese Reaktion des Tieres und die daraus resultierende
Gefährdung haben ihren Grund in der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens
(vgl. Senatsurteile vom 9. Juni 1992 - VI ZR
49/91 - und vom 6. Juli 1999 - VI ZR 170/98 - beide aaO; Soergel/Zeuner,
aaO, § 833 Rdn. 8). Das tierische Verhalten muss auch nicht die einzige
Ursache des eingetretenen Unfalles sein. Es genügt vielmehr, wenn das
Verhalten des Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat mitursächlich
geworden ist (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2001, 19; OLG Oldenburg, VersR 2002,
1166; Geigel/Haag, aaO, Kap. 18 Rdn. 8; Soergel/Zeuner, aaO, § 833 Rdn. 4).
c) Unter den Umständen des Streitfalles hat das Berufungsgericht - entgegen
der Auffassung der Revisionserwiderung - zu Recht das Verhalten der Pferde
als unfallursächlich angesehen. Denn zu dem Sturz ist es gekommen, weil sie
die Lenkvorgaben des Beklagten nicht befolgt haben. Ob sich der Beklagte mit
seiner Fahrweise im Rahmen des ihm nach den Turnierregeln Erlaubten gehalten
hat, ist hierfür nicht entscheidend.
2. a) Soweit das Berufungsgericht einen stillschweigend vereinbarten
Haftungsausschluss verneint hat, wird dies von den Parteien nicht in Zweifel
gezogen und ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
b) Jedoch begegnet durchgreifenden Bedenken, dass das Berufungsgericht
einen vollständigen Haftungsausschluss unter dem Gesichtspunkt des Handelns
auf eigene Gefahr angenommen hat.
aa) Grundlage eines solchen Haftungsausschlusses ist der Grundsatz
von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot widersprüchlichen
Verhaltens ("venire contra factum proprium"). Hiernach ist es nicht
zulässig, dass der Geschädigte den beklagten Schädiger in Anspruch nimmt,
wenn er sich bewusst in eine Situation drohender Eigengefährdung begeben
hat. Nur bei derartiger Gefahrexponierung kann von einer bewussten
Risikoübernahme mit der Folge eines vollständigen Haftungsausschlusses für
den Schädiger ausgegangen werden (BGHZ 34, 355, 363; 39, 156, 161; 63, 140,
144; 154, 316, 322 ff.).
bb) Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige
Haftungsfreistellung auch des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des
Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen,
wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder
der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die
über die normalerweise mit dem Reiten oder der Nähe zu einem Pferd
verbundenen Gefahr hinausgeht. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein
Tier erkennbar böser Natur ist oder erst zugeritten werden muss oder wenn
der Ritt als solcher spezifischen Gefahren unterliegt, wie beispielsweise
beim Springen oder bei der Fuchsjagd (vgl. Senatsurteile vom 24. November
1954 - VI ZR 255/53 -VersR 1955, 116; vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - und
vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91 - jeweils aaO und m.w.N.). Davon geht
auch das Berufungsgericht zutreffend aus.
cc) Zwar wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass der
Gesichtspunkt des Handels auf eigene Gefahr erst im Rahmen der Abwägung nach
§ 254 BGB zu berücksichtigen sei und zu keinem vollständigen
Haftungsausschluss als Begrenzung der Tierhalterhaftung führen könne
(vgl. Bamberger/Roth/Spindler, aaO, § 833 Rdn. 21; Staudinger/Belling/Eberl-Borges,
aaO, § 833 Rdn. 192, 197 ff.; Bornhövd, JR 1978, 50, 51 f.). Nach anderer
Ansicht setzt ein Haftungsausschluss voraus, dass der Reiter die Tiergefahr
erkannt und wissentlich übernommen hat (MünchKommBGB/Wagner, aaO, § 833
Rdn. 19; für eine teleologische Reduktion Kipp, VersR 2000, 1348, 1349 f.).
dd) Demgegenüber hält der erkennende Senat auch nach nochmaliger
Überprüfung an seiner bisherigen Auffassung fest. Danach kann der Umstand,
dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt hat, regelmäßig erst
bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB
Berücksichtigung finden und übrigens auch hier im Ergebnis dazu führen, dass
der Verursachungsbeitrag des Tierhalters völlig zurücktritt. Doch sind auch
Sachverhalte denkbar, bei denen die Tierhalterhaftung bereits im
Anwendungsbereich ausgeschlossen ist, weil deren Geltendmachung gegen Treu
und Glauben verstieße (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1966 - VI ZR
11/65 - aaO und vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, 865).
(1) Mit Fragen des Haftungsausschlusses außerhalb des Bereichs der Haftung
des Tierhalters hat sich der Senat insbesondere bei Verletzungen in Ausübung
sportlicher Kampfspiele im Bereich der Verschuldenshaftung befasst.
Nach den dafür entwickelten rechtlichen Grundsätzen verstößt es gegen das
Verbot des treuwidrigen Selbstwiderspruchs, wenn der Geschädigte den
beklagten Schädiger in Anspruch nimmt, obschon er ebenso gut in die Lage
hätte kommen können, in der sich nun der Beklagte befindet, sich dann aber -
mit Recht - dagegen gewehrt haben würde, diesem trotz Einhaltens der
Spielregeln Ersatz leisten zu müssen (Senat BGHZ 63, 140, 144 ff.; 154, 316,
322 f.; zum Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens vergleiche auch Senat
BGHZ 39, 156, 162). Diese Grundsätze gelten über den Bereich sportlicher
Kampfspiele hinaus (vgl. Senat, Urteil vom 21. Februar 1995 - VI ZR 19/94 -
VersR 1995, 583, 584) allgemein für Wettkämpfe mit erheblichem
Gefahrenpotential, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der
Wettkampfregeln oder geringfügiger Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger
Schadenszufügung besteht (BGHZ 154, 316, 324; vgl. auch OLG Karlsruhe, OLGR
Karlsruhe 2005, 9, 11) und ebenso bei vergleichbarer Interessenlage für die
Gefährdungshaftung nach § 833 BGB.
(2) Auch hier handelt der Geschädigte selbstwidersprüchlich, wenn er sich
Risiken bewusst aussetzt, die über die normale Tiergefahr hinausgehen und er
bei Verwirklichung der besonderen Gefahr den Halter aus dem Gesichtspunkt
der Tierhalterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt (vgl. Senat,
Urteil vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - aaO; Urteil vom 19. November
1991 - VI ZR 69/91 - aaO; ebenso OLG Frankfurt, VersR 1976, 1138; OLG
Düsseldorf, NJW-RR 2001, 390, 391 mit Nichtannahmebeschluss des Senats vom
10. Oktober 2000 - VI ZR 88/00; Bemmann, VersR 1958, 583, 585; Schmid, JR
1976, 274, 277; Dunz, NJW 1987, 63, 67; zu § 242 BGB als Grundlage des
Handelns auf eigene Gefahr Geigel/Hübinger, aaO, Kap. 12 Rdn. 38; vgl. auch
Müller, VersR 2005, 1461, 1464; kritisch Staudin-ger/Schiemann, BGB,
Neubearbeitung 2005, § 254 Rdn. 66). Das Bewusstsein der besonderen
Gefährdung ist mithin stets Voraussetzung, um ein Handeln des Geschädigten
auf eigene Gefahr annehmen zu können. Ob unter diesem Blickpunkt die Haftung
des Tierhalters von vornherein entfällt, kann nur nach einer umfassenden
Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
entschieden werden (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 19. November 1991 - VI ZR
69/91 - aaO).
c) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht im Streitfall bei
der erforderlichen umfassenden Abwägung wesentliche Umstände nicht
berücksichtigt hat.
aa) Zwar wertet das Berufungsgericht es im Ausgangspunkt zu Recht als
erheblich, dass der Kläger bei einem Turnier mitfuhr, welches aufgrund
seines Renncharakters und der erheblichen Anforderungen an "Ross und Reiter"
durch das schwierige Hindernis am Ende der Strecke ein stark erhöhtes
Gefährdungspotential gegenüber einer sonstigen Kutschfahrt aufwies. Doch hat
es die Unterschiede des Streitfalls zu den Fällen vernachlässigt, in denen
regelmäßig in der Rechtsprechung des Senats ein Haftungsausschluss wegen der
Teilnahme an Wettkämpfen mit erheblichem Gefahrenpotential angenommen worden
ist.
bb) So war der Kläger nicht aktiv als Wettkämpfer beteiligt, sondern versah
das Amt eines Bockrichters ohne eigene Herrschaft über das Gespann. Deshalb
fehlt im Streitfall der den Haftungsausschluss rechtfertigende Gesichtspunkt
der gegenseitigen Gefährdung durch eine gegeneinander gerichtete oder
parallel ausgeübte sportliche Betätigung (vgl. auch OLG Karlsruhe, OLGR
Karlsruhe 2005, 9, 11), deretwegen beim Wettkampf im allgemeinen für jeden
Teilnehmer die Gefahr besteht, durch eigenes Verhalten sowohl Schädiger als
auch Geschädigter zu werden (Senat BGHZ 63, 140, 145). Hingegen ist die
Rolle des Klägers als ehrenamtlicher Schiedsrichter und sein Mitwirken am
Wettkampf mit der Rolle eines aktiven Wettkämpfers nicht vergleichbar, der
sich um des Kampfes und Sieges willen auch selbst gefährdet.
cc) Auch hat das Berufungsgericht außer Betracht gelassen, dass der Kläger
überwiegend im Fremdinteresse handelte. Nach den nicht angegriffenen
tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts schreibt die für den
Hindernisparcours einschlägige Leistungsprüfungsordnung der Deutschen
reiterlichen Vereinigung (LPO) das Vorhandensein von Schiedsrichtern bei
Fahrveranstaltungen vor, so dass derartige Fahrturniere ohne den Einsatz der
ehrenamtlichen Helfer nicht stattfinden könnten. Die Mitfahrt des Klägers
als Schiedsrichter auf dem Kutschbock diente deshalb vor allem dem Interesse
der Wettkampfteilnehmer, hier also auch des Beklagten. Während der
Turnierfahrer selbst an dem Wettkampf vorwiegend in eigenem Interesse,
nämlich um des Sieges willen oder aus Freude an der sportlichen Betätigung
teilnimmt, handelt der ehrenamtliche Schiedsrichter durch seinen Einsatz in
erster Linie fremdnützig und ermöglicht erst die wettkampfmäßige Austragung
des Turniers. Ein Wettkampf ohne den Einsatz des Schiedsrichters wäre nicht
möglich. Diese Interessenlage der Beteiligten spricht entscheidend gegen
einen vollständigen Haftungsaus-schluss, zumal eine Haftpflichtversicherung
besteht (vgl. hierzu Senat BGHZ 39, 156, 161; 154, 316, 322, 325).
4. Die Klage scheitert entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch
nicht an einer Haftungsbefreiung des Beklagten nach § 104 Abs. 1 SGB VII, da
kein versicherter Arbeitsunfall gemäß den §§ 8, 2 Abs. 2 SGB VII vorliegt.
Eine Haftungsprivilegierung käme dem Beklagten nur dann zugute, wenn die
Beteiligten im Zeitpunkt der Schädigung selbst Versicherte der gesetzlichen
Unfallversicherung gewesen wären (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212; vom
23. März 2004 - VI ZR 160/03 - VersR 2004, 1045 ff. und vom 24. Juni 2003 -
VI ZR 434/01 - VersR 2003, 1260, 1261; BGH, BGHZ 151, 198, 201 f. jeweils
m.w.N.). Ob dies der Fall ist, wurde im sozialgerichtlichen Verfahren, an
dem beide Parteien beteiligt waren, geprüft und abgelehnt. Der vorliegende
Rechtsstreit war im Hinblick auf dieses Verfahren nach § 108 Abs. 2 SGB VII
ausgesetzt. Das Sozialgericht hat das Vorliegen eines Versicherungsfalls und
somit die Zugehörigkeit des Klägers zum Kreis der nach § 2 Abs. 2 SGB VII
versicherten Personen (vgl. Senat BGHZ 129, 195, 198; Krasney, NZS 2004; 68,
72) allerdings nur im Verhältnis zum Reit- und Fahrverein verneint
(Sozialgericht Ulm, Urteil vom 28. März 2003 - S 8 U 2601/01 - juris).
Im Verhältnis der Parteien zueinander käme ebenfalls nur ein
Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Betracht. Hierfür wäre
Voraussetzung, dass der Kläger im Verhältnis zum Beklagten als
"Wie-Beschäftigter" tätig geworden ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23.
März 2004 - VI ZR 160/03 -aaO). Dafür fehlen im Streitfall ersichtlich die
erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen. Bei Tätigkeiten, die von ihrer
Zweckbestimmung her nicht fremdwirtschaftlich geprägt sind, sondern
gleichermaßen dem fremden wie dem eigenen Unternehmen dienen sollen, ist in
der Regel davon auszugehen, dass sie allein zur Förderung der Interessen des
Unternehmens übernommen worden sind, von dem der Beschäftigte damit
anfänglich beauftragt worden ist. Erst wenn die Tätigkeit nicht mehr als
Wahrnehmung einer Aufgabe des ursprünglichen Unternehmens bewertet werden
könnte, stellt sich die Frage nach einer Zuordnung der Tätigkeit zu dem
fremden Unternehmen (vgl. Senatsurteil vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 -
aaO, 1046 m.w.N.). Die Tätigkeit des Klägers als Schiedsrichter lässt sich
danach nicht zugleich wie eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1
SGB VII für den beklagten Wettkampfteilnehmer qualifizieren.
Ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis des Klägers zum Beklagten scheidet
schon deshalb aus, weil dieser die Aufgabe des Bockrichters in Erfüllung
seiner Pflichten als Mitglied des Reit- und Fahrvereins S. wahrgenommen hat.
Die Aufgabe des Klägers bestand darin, die Einhaltung der Turnierregeln zu
überprüfen und die Leistungen des Beklagten im Rahmen des vom Reit- und
Fahrverein R. e.V. veranstalteten Turniers zu beurteilen. Der Schwerpunkt
seiner Tätigkeit lag demnach nicht in der Unterstützung des Beklagten bei
der Teilnahme an dem Wettkampf, sondern in dessen Bewertung und Überwachung.
III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an die
Vorinstanz zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht über eine
möglicherweise gegebene Mitverantwortlichkeit des Klägers im Rahmen des §
254 BGB und die Höhe der geltend gemachten Schäden entscheiden kann.
|