Gefährdungshaftung nach
§ 833 (Tierhalterhaftung); Handeln auf eigene Gefahr
BGH, Urteil vom 17. März
2009 - VI ZR 166/08
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
1. Ein Ausschluss der
Tierhalterhaftung wegen Handelns auf eigene Gefahr kommt regelmäßig nicht in
Betracht, wenn sich der Geschädigte der Tiergefahr ausgesetzt hat, um
aufgrund vertraglicher Absprache mit dem Tierhalter Verrichtungen an dem
Tier vorzunehmen.
2. Deshalb haftet der Tierhalter, soweit die tatbestandlichen
Haftungsvoraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB vorliegen, einem Tierarzt, der
bei der Behandlung eines Tieres durch dessen Verhalten verletzt wird (hier:
Pferdetritt beim rektalen Fiebermessen).
3. Ein für die Verletzung mitursächliches Fehlverhalten des Tierarztes kann
anspruchsmindernd nach § 254 BGB berücksichtigt werden.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu BGH v. 20.
Dezember 2005 - VI ZR 225/04 sowie
BGH v. 30.4.2013 - VI ZR 13/12
und BGH v. 25.3.2014 -
VI ZR 372/13.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Der Kläger, ein Tierarzt, verlangt von der Beklagten als Halterin eines
Pferdes Ersatz materiellen und immateriellen Schadens, weil er bei der
Behandlung des Pferdes verletzt wurde.
2 Die Beklagte hatte ihr Pferd, einen 700 kg wiegenden zehnjährigen Araber,
auf dem Hof des Zeugen B. abgestellt. Am 23. Oktober 2006 versuchte der
Kläger mit der linken Hand eine rektale Fiebermessung. Dabei wurde er von
dem Pferd gegen den rechten Daumen getreten und erlitt dadurch einen
Trümmerbruch. Die Klage richtet sich vor allem auf den Ersatz des
behaupteten Verdienstausfallschadens.
3 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da das Schadensereignis bereits
nicht vom Schutzbereich des § 833 BGB umfasst sei. Die Berufung des Klägers
hatte keinen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Das Berufungsgericht führt aus: Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen
Anspruch aus § 833 BGB. Zwar habe sich in dem plötzlichen Tritt des Pferdes
gegen den Daumen des Klägers eine typische Tiergefahr verwirklicht. Daraus
folge aber nicht automatisch eine Bejahung des geltend gemachten Anspruchs.
Im vorliegenden Fall träfen die Tierhalterhaftung (Gefährdungshaftung) und
die berufsspezifischen Risiken eines Tierarztes aufeinander, so dass sich
die Frage nach einem Interessenausgleich stelle. Dabei gehe es letztlich um
eine "gerechte Zuweisung des Zufallsschadens". Von den unterschiedlichen
Ansätzen, die gegebenenfalls zu einer Einschränkung der Haftung des
Tierhalters führen könnten, sei die vom Landgericht für den Streitfall
vertretene Einschränkung der Tierhalterhaftung aufgrund von
Normzwecküberlegungen abzulehnen. Den Schutzbereich der Norm des § 833 BGB
schon dann zu verneinen, wenn ein Anspruchsteller an einer im Zusammenhang
mit dem Tier übernommenen Verpflichtung Geld verdiene, würde zu einer nicht
vertretbaren Aufweichung der Gefährdungshaftung aus § 833 BGB führen, zumal
der Tritt eines Pferdes - wie hier - geradezu die typische Verwirklichung
der spezifischen Tiergefahr sei. Auch der Ansicht, im Rahmen der vom
Verletzten übernommenen "eigenen Herrschaft" über das Tier komme es darauf
an, ob der Tierhalter noch die Möglichkeit eigener Einflussnahme hatte, sei
nicht zu folgen. Das Abgrenzungskriterium der Möglichkeit eigener
Einflussnahme als Maßstab für eine Haftungsbeschränkung im Rahmen des § 833
BGB sei insgesamt untauglich, weil es in Fällen der vorliegenden Art
regelmäßig gänzlich irrelevant sei, ob der Tierhalter bzw. wer auch immer an
seiner Stelle zugegen war. Abzulehnen sei auch die Ansicht, wonach eine in
Fällen der vorliegenden Art als notwendig angesehene Haftungsbeschränkung im
Rahmen der Beweislast derart zu erfolgen habe, dass der Tierarzt darlegen
und beweisen müsse, was sich in seinem Herrschaftsbereich zugetragen habe.
Bei der Frage eines eventuellen Sorgfaltsverstoßes des Tierarztes im Rahmen
der von ihm durchgeführten Behandlung handele es sich der Sache nach um
einen Mitverschuldenseinwand (§ 254 BGB), für den derjenige darlegungs- und
beweisbelastet sei, der sich auf ein Mitverschulden berufe, also gerade
nicht der Tierarzt, sondern sein Anspruchsgegner. Schließlich könne auch die
Berücksichtigung des Behandlungsvertrages im Rahmen der Tierhalterhaftung im
vorliegenden Fall nicht zu einer Haftungsbeschränkung führen. Zwar sei es
rechtlich grundsätzlich möglich, dass eine vertragliche Haftungsbeschränkung
auch auf außervertragliche Ansprüche durchschlagen könne. Jedoch werde man
nicht davon ausgehen können, dass jedem entgeltlichen Vertrag über eine
Tätigkeit an einem Tier von vornherein ein vertraglicher Haftungsausschluss
zugunsten des Tierhalters innewohne. Die Annahme eines solchen generellen,
gleichsam vertragsimmanenten Haftungsausschlusses sei auch nicht nach Treu
und Glauben gemäß § 242 BGB wegen eines wirtschaftlichen Gefälles zwischen
Tierarzt und Tierhalter geboten. Für eine ausdrücklich vereinbarte oder
zumindest im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung begründbare vertragliche
Haftungsbeschränkung sei im konkreten Fall nichts ersichtlich.
5 Indes sei eine Haftung der Beklagten aus § 833 BGB hier ausgeschlossen,
weil der Kläger auf eigene Gefahr gehandelt habe. Bei der Tierhalterhaftung
komme eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem
Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr in eng begrenzten
Ausnahmefällen in Betracht, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der
Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer
besonderen Gefahr aussetze. So liege es, wenn - wie hier - die mit der Nähe
zu einem Pferd verbundene übliche Gefahr durch die Tätigkeit des
Geschädigten gesteigert oder gar erst provoziert werde. Der Kläger habe als
dem Pferd zumindest relativ fremde Person ein Fieberthermometer in dessen
After einführen wollen. Dazu habe er von der Kruppe her, also im kritischen
Bereich der Hinterläufe zunächst den Schweif erreichen müssen, um den After
für die Einführung des Thermometers zugänglich zu machen. Es sei nicht
ungewöhnlich, dass Pferde darauf abwehrend und dabei auch noch schreckhaft
reagieren könnten, weil die natürliche Scheu ein derartiges auch
instinkthaftes Verhalten begünstige. Deshalb sei das Prozedere des Klägers
besonders geeignet gewesen, die mit dem Umgang mit Pferden verbundene
gewöhnliche Gefahr herauszufordern. Dass diese sich dann in einem spontanen
Tritt nach hinten äußern mochte, habe auf der Hand gelegen und dem Kläger
als ambulant auf dem Lande tätigen, also vielfach mit der Tierhaltung
konfrontierten Tierarzt nicht verborgen geblieben sein können. Wenn er sich
unter solchen Umständen zur Behandlung des Pferdes entschlossen habe, habe
er damit auch das mit der Ausübung seines Berufes typische Risiko
übernommen. Dann aber müsse er für die daraus resultierenden Folgen selbst
einstehen, zumal er der von ihm selbst aktualisierten Tiergefahr durch
entsprechende tatsächliche wie finanzielle Vorsorge, etwa durch Ab-schluss
einer entsprechenden Versicherung, hätte begegnen können.
II.
6 Die dagegen gerichtete Revision hat Erfolg.
7 1. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht den aufgrund der tatsächlichen
Gegebenheiten an sich zu bejahenden Anspruch des Klägers aus § 833 BGB unter
dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr. Bei der
Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine vollständige
Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns
auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen, wobei
ohnehin der Umstand, dass sich der Geschädigte der Gefahr selbst ausgesetzt
hat, regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und
Verschuldensanteile nach § 254 BGB Berücksichtigung finden kann und
lediglich Ausnahmefälle denkbar sind, bei denen die Tierhalterhaftung
bereits im Anwendungsbereich ausgeschlossen ist, weil deren Geltendmachung
gegen Treu und Glauben verstieße (Senatsurteil
vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - VersR 2006, 416, 418 m.w.N.).
8 Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Ein Ausschluss der
Tierhalterhaftung unter Berufung auf die Rechtsfigur des Handelns auf eigene
Gefahr kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn sich der Geschädigte der
Tiergefahr ausgesetzt hat, um aufgrund vertraglicher Absprache mit dem
Tierhalter Verrichtungen an dem Tier vorzunehmen, wie es beim Tierarzt der
Fall ist.
9 a) Von einem Handeln auf eigene Gefahr im Rechtssinne kann nur dann die
Rede sein, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung
begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete
Gefahrenlage begründen, ohne dass dafür ein triftiger - rechtlicher,
beruflicher oder sittlicher - Grund vorliegt (Senatsurteil BGHZ 34, 355,
358; BGB-RGRK/ Steffen, 12. Aufl., § 833 Rn. 64). Denn die Grundlage
eines Haftungsausschlusses wegen Handelns auf eigene Gefahr ist der
Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebende Verbot
widersprüchlichen Handelns (Senatsurteile BGHZ 34, 355, 363; vom
20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04 - aaO, S. 417).
Von einem widersprüchlichen Verhalten kann indes erkennbar nicht die Rede
sein, wenn die vom Tierhalter veranlasste ärztliche Behandlung eines Tieres
in Frage steht. Hier liegt ein triftiger Grund dafür vor, dass der Tierarzt
sich der Tiergefahr aussetzt.
10 b) Letztlich dient die Rechtsfigur des Handelns auf eigene Gefahr bei
der Gefährdungshaftung dazu, diese Haftung in solchen Fällen auszuschließen,
in denen sie nach dem Normzweck als unangemessen erscheint, weil der Schaden
nicht der Gefahr des Tieres (oder Kraftfahrzeugs u. dergl.), sondern dem
Handeln des Geschädigten selbst zuzurechnen ist (vgl. BGB-RGRK/Steffen,
aaO; Terbille, VersR 1994, 1151, 1154).
11 Dem entsprechend ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein
grundsätzlicher Ausschluss der Tierhalterhaftung gegenüber Personen, die
sich der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne
die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, zu Recht abgelehnt
worden (vgl. RG, JW 1904, 57 - Tierarzt beim Kupieren eines Pferdeschweifs;
JW 1912, 797 - Tierarzt beim Aufstechen einer Eiterbeule bei einem Pferd; JW
1911, 89 f. - Hufschmied; Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 -
VersR 1968, 797 ff. - Hufschmied) und wird auch in der Literatur verneint (BGB-RGRK/Steffen,
12. Aufl., § 833 Rn. 68; Erman/Schiemann, BGB, 12. Aufl., § 833 Rn. 6;
Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 122; MünchKomm-BGB/Stein, 3.
Aufl., § 833 Rn. 25 ff.; MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 833 Rn. 18, 29;
Stoll, Das Handeln auf eigene Gefahr, 1961, S. 358 f.; Terbille, aaO, S.
1152; vgl. auch Staudinger/Eberl-Borges, Neubearbeitung 2008, § 833 Rn. 189
ff.). Unsachgemäßes Verhalten solcher Personen bei der Berufsausübung,
welches für einen Schaden mitursächlich geworden ist, kann - sofern kein
vertraglicher Haftungsausschluss vorliegt - nur unter dem Gesichtspunkt des
Mitverschuldens (§ 254 BGB) berücksichtigt werden.
12 c) Das Berufungsgericht erkennt selbst, dass ein Ausschluss der Haftung
nach § 833 BGB unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur
ausnahmsweise in Betracht kommt, meint aber wohl, dass derjenige, der sich
einem Tier aus beruflichen Gründen nähert, insoweit keinen
Schadensersatzanspruch hat, als er im Rahmen seiner beruflich geschuldeten
Verrichtungen besonders risikoreiche Handlungen vornimmt, wobei im
Streitfall nicht einmal festgestellt ist, dass das Fiebermessen auf andere
Weise hätte bewerkstelligt werden können, als es der Kläger getan hat.
13 Dem kann schlechterdings nicht gefolgt werden. Das Handeln desjenigen,
der sich einem Tier aus beruflichen Gründen im Interesse des Tierhalters und
mit dessen erklärter oder anzunehmender Billigung helfend nähert, kann nicht
rechtlich in ungefährliche Handlungen auf Gefahr des Tierhalters und in
gefährliche Handlungen auf Gefahr des Handelnden aufgeteilt werden. Der
Tierarzt, der ein Pferd im Auftrag des Tierhalters medizinisch versorgt,
handelt in der Regel in keiner Phase der Behandlung auf eigene Gefahr.
Vielmehr setzt er sich der Tiergefahr mit triftigem Grund aus, ja muss sich
ihr aussetzen, wenn er seinen ärztlichen Auftrag und den Vertrag mit dem
Tierhalter erfüllen will. Von einem widersprüchlichen Handeln bei der
Inanspruchnahme des Tierhalters aus § 833 BGB kann bei dieser Sachlage nicht
einmal ansatzweise die Rede sein. Dies gilt insbesondere, wenn - wovon
hier revisionsrechtlich auszugehen ist - die gefährlichen Handlungen
erforderlich sind, um die Behandlung fachgerecht durchzuführen, gilt aber in
der Regel auch, wenn der Tierarzt bei dem Behandlungsgeschehen unvorsichtig
oder gar fehlerhaft vorgeht.
14 Die Ausführungen des Landgerichts, wer bei Handlungen zu Schaden komme,
mit denen er Geld verdiene, könne nicht Schadensersatz aus § 833 BGB
verlangen, sind ebenso unrichtig wie die Ausführungen des Berufungsgerichts,
wonach ein Anspruch aus der Gefährdungshaftung des § 833 BGB ausscheide,
wenn jemand das typische Risiko seines Berufs übernehme. Beide Standpunkte
sind letztlich von Normzwecküberlegungen geprägt, denen nicht zugestimmt
werden kann. Der erkennende Senat ist einer solchen Sichtweise bereits
früher entgegen getreten. Er hat entschieden (Senatsurteil vom 28. Mai 1968
- VI ZR 35/67 - aaO, S. 798), es sei grundsätzlich davon auszugehen, dass
ein Hufschmied durch Abschluss des Werkvertrages allein noch nicht die
Gefahr einer Verletzung durch das Tier übernehme. Denn es entspreche weder
der Interessenlage noch den Erfordernissen von Treu und Glauben, dass der
Hufschmied, der sich der mit dem Hufbeschlag notwendig verbundenen
Tiergefahr aussetzen müsse, um seinen Lebensunterhalt zu erwerben, auch die
durch die Tiergefahr hervorgerufenen Schadensfolgen auf sich nehme, die das
Gesetz dem Tierhalter als dem Urheber der Gefahr anlaste. Zum Wesen des
Beschlagvertrages gehöre es, dass der Hufschmied sich einer erhöhten
Tiergefahr aussetze, nicht dagegen, dass er den Tierhalter, von dessen Tier
die Gefahr ausgehe, von seiner gesetzlichen Haftung für die Schadensfolgen
entbinde, die aus der Tiergefahr erwachsen könnten.
15 Diese Überlegungen, an denen festzuhalten ist, treffen in vollem Umfang
auch auf den Behandlungsvertrag zwischen Tierhalter und Tierarzt zu. Die von
den Vorinstanzen vertretene einschränkende Anwendung des § 833 BGB
entspricht in Fällen der vorliegenden Art nicht der Intention des Gesetzes
und ist auch nicht interessengerecht. Sie ist im Übrigen keinesfalls
notwendig, um in Fällen, in denen derjenige, der vertragsgemäß Verrichtungen
an dem Tier vorzunehmen hat, besonders risikoreiche bzw. fehlerhafte
Handlungen vornimmt, zu gerechten Ergebnissen zu kommen. Abzulehnen ist hier
nur ein grundsätzlicher Ausschluss der Tierhalterhaftung. Das fehlerhafte
Handeln des Geschädigten kann hingegen ohne weiteres im Rahmen einer
Abwägung der verschiedenen Verursachungsbeiträge nach § 254 BGB
berücksichtigt werden. Bei einem groben Eigenverschulden des Geschädigten
kann danach die Haftung des Tierhalters auch ganz ausgeschlossen sein
(so in dem dem Senatsurteil vom 28. Mai 1968 - VI ZR 35/67 -, aaO, zugrunde
liegenden Fall).
16 d) Das Berufungsurteil beruht auf der rechtsfehlerhaften Sichtweise. Das
Berufungsgericht bejaht einen völligen Haftungsausschluss aus
grundsätzlichen Erwägungen. Es prüft deshalb - aus seiner rechtlichen Sicht
konsequent - nicht, ob dem Kläger ein Mitverursachungsbeitrag
anspruchsmindernd zuzurechnen ist oder ob er bei der Durchführung einer für
die Behandlung des Pferdes notwendigen und aus fachlicher Sicht nicht zu
beanstandenden Maßnahme verletzt wurde. Diese Prüfung wird nachzuholen sein.
17 2. Die vom Berufungsgericht im Ergebnis gebilligte Klageabweisung stellt
sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Ohne Rechtsfehler verneint
das Berufungsgericht einen Haftungsausschluss aus anderen Gründen. Dagegen
bringt die Revisionserwiderung auch nichts vor.
18 a) Dass der Vertrag zwischen Tierhalter und Tierarzt nicht von vornherein
einen vertraglichen Haftungsausschluss beinhaltet, ergibt sich schon aus den
vorstehenden Ausführungen. Für einen konkret im vorliegenden Einzelfall
vereinbarten Haftungsverzicht (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI
ZR 234/75 - VersR 1977, 864, 866) ist nach den Ausführungen des
Berufungsgerichts nichts ersichtlich.
19 b) Nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts,
den Schutzzweckerwägungen des Landgerichts zu einer Einschränkung der
Tierhalterhaftung bei dem beruflichen Umgang mit Tieren sei nicht zu folgen.
Auch dies ergibt sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen. Damit ist
nicht gesagt, dass bei ganz besonders gelagerten Fallgestaltungen die
Tierhalterhaftung nicht aus grundsätzlichen Erwägungen ausgeschlossen sein
kann (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO, S. 865).
Unter welchen Umständen dies der Fall ist (vgl. etwa OLG Nürnberg, VersR
1999, 240, 241 - Aufnahme eines Tieres in eine Tierklinik), muss hier nicht
entschieden werden.
20 c) Mit Recht stellt das Berufungsgericht für einen möglichen
Haftungs-ausschluss nicht darauf ab, wer in dem Zeitpunkt, als der Kläger
das Pferd behandelte, am Behandlungsort anwesend war. Ob Fälle denkbar sind,
bei denen sich ein Haftungsausschluss daraus ergibt, dass eine andere Person
als der Tierhalter temporär die Herrschaft über das Tier ausübt, kann
dahinstehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75 - aaO,
S. 865 - Reiter; ferner: RGZ 58, 410, 412 ff. und OLG Celle, VersR 1990, 794
f. - eigenverantwortliche Ausbildung eines Pferdes durch einen Trainer; OLG
Nürnberg, aaO). Keinesfalls ist die Haftung aus diesem Grund ausgeschlossen,
wenn ein Tierarzt das Tier auf dem Hof des Tierhalters oder auf dem Hof
eines Dritten, bei dem der Tierhalter das Tier untergestellt hat,
vorübergehend tierärztlich behandelt. Zutreffend führt das Berufungsgericht
aus, dass die Verwirklichung der Tiergefahr, für die der Tierhalter haftet,
in derartigen Situationen im Regelfall nicht davon abhängt, wer sich außer
dem Tierarzt noch in der Nähe des Tieres befindet.
21 d) Schließlich ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts zutreffend,
dass im Streitfall ein Ausschluss der Tierhalterhaftung nicht unter dem
Gesichtspunkt einer Umkehr der Beweislast bejaht werden kann. Der Ansicht,
dass der Tierhalter nicht hafte, wenn der Tierarzt nicht beweist, dass er
alle zumutbare Sorgfalt hat walten lassen (so OLG Zweibrücken, VersR 1997,
457; ähnlich OLG Nürnberg, aaO, S. 241 f.; dahin gehend auch die Rspr. des
Reichsgerichts, etwa RGZ 61, 54, 56; weitere Nachweise bei BGB-RGRK/Steffen,
aaO, Rn. 69), ist nicht zu folgen (MünchKomm-BGB/Stein, aaO, Rn. 25;
BGB-RGRK/Steffen, aaO, Rn. 69). Die vertragliche Beziehung zwischen
Tierhalter und Tierarzt bietet für eine solche Beweislastverteilung, etwa
nach dem Gedanken der im Bereich der vertraglichen Haftung geltenden
gesetzlichen Beweislastregel des § 282 BGB a.F. und des § 280 Abs. 1 Satz 2
BGB n.F., keine Grundlage. Sofern der Tierhalter grundsätzlich nach § 833
BGB haftet, geht es nicht um die vertraglichen Pflichten des Tierarztes,
sondern darum, ob und inwieweit dessen tatsächliches Verhalten Anlass gibt,
die Haftung des Tierhalters zu mindern.
22 Ob das Verhalten desjenigen, der sich der Tiergefahr vertragsgemäß
aussetzt, ohne Tierhüter zu sein (§ 834 BGB), bei der Schadensverursachung
mitgewirkt hat, ist ausschließlich nach § 254 BGB zu beurteilen. Für ein die
Haftung minderndes Mitverschulden des Geschädigten ist aber regelmäßig der
Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (Senatsurteil BGHZ 175, 153, 158),
im Anwendungsbereich des § 833 BGB also der Tierhalter (vgl. Senatsurteil
vom 3. Mai 2005 - VI ZR 238/04 - VersR 2005, 1254, 1256). Dass dieser zu den
Handlungen des Geschädigten beim Umgang mit dem Tier möglicherweise mangels
Kenntnis nicht ausreichend vortragen kann, rechtfertigt keine Umkehr der
Beweislast. Der Geschädigte hat insoweit im Rahmen seiner sekundären
Darlegungslast konkret zu seinem Handeln vorzutragen, der Schädiger hat
sodann zu beweisen, inwieweit der Vortrag des Geschädigten unrichtig ist
(vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 100, 190, 195 f.; 163, 209, 214, jeweils
m.w.N.).
23 Da dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen ist, inwiefern die Parteien zu
einem etwaigen Mitverschulden des Klägers vorgetragen haben, ist für das
vorliegende Revisionsverfahren ohnehin zu unterstellen, dass der Kläger
ordnungsgemäß gehandelt hat. Für das weitere Verfahren wird das
Berufungsgericht aber davon ausgehen können, dass die Beklagte einen
haftungsmindernden Mitverursachungsbeitrag des Klägers zu beweisen hat.
III.
24 Mithin ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr
etwaigem Vortrag der Parteien zu einem Mitverursachungsbeitrag des Klägers
und, soweit danach eine Haftung der Beklagten verbleibt, dem Vortrag zur
Schadenshöhe nachzugehen haben. |