| Tierhalterhaftung (Gefährdungshaftung) nach § 833 S. 1 BGB auch bei unbefugter 
	Benutzung eines Reitpferds; Ausschluss der Haftung bei Handeln auf eigene 
	Gefahr 
 BGH, Urteil vom 30. April 2013 - VI 
	ZR 13/12 - OLG Hamm 
 Fundstelle:
 NJW 2013, 2661
 
 Amtl. Leitsatz: a) Für die Erfüllung der tatbestandlichen 
	Voraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB ist es grundsätzlich unerheblich, ob 
	derjenige, der von einem Pferd stürzt, mit oder ohne Einverständnis des 
	Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft reiten wollte.b) Dieser Umstand kann jedoch im Rahmen eines etwaigen - vom Schädiger zu 
	beweisenden - Mitverschuldens im Sinne des § 254 BGB Berücksichtigung 
	finden.s
 
 Zentrale Probleme: Der Senat stellt (in Ergänzung zu BGH NJW 1992, 2474) klar, dass die Gefährdungshaftung 
	des Tierhalters nach § 833 S. 1 BGB nicht voraussetzt, dass das Tier dem 
	Geschädigten überlassen wurde. Er legt weiter die engen Grenzen dar, in 
	welchen eine Tierhalterhaftung ausnahmsweise wegen Handelns auf eigene 
	Gefahr ausgeschlossen sein kann. S. dazu insbesondere die Anm. zu den 
	verwiesenen Entscheidungen. Zum Handeln auf eigene Gefahr s. BGH v. 3.5.2005 - VI 
	ZR 238/04 sowie
    BGH v. 2.10.2012 - VI 
	ZR 311/11 und BGH v. 
	25.3.2014 - VI ZR 372/13. 
	
	©sl 2013 
 
	Tatbestand:
 1 Die Klägerin nimmt die Beklagten aus 
	einem Reitunfall in Anspruch.
 
 2 Der Beklagte zu 3 ist einer der Geschäftsführer der Beklagten zu 1, die 
	Beklagte zu 2 dessen Tochter. Die Beklagte zu 2, die ca. 500 km entfernt in 
	Berlin lebt, ist als Eigentümerin des Pferdes eingetragen, die tatsächliche 
	Gewalt über das Pferd übt jedoch der Beklagte zu 3 aus, der vor Ort lebt.
 
 3 Die Klägerin begab sich am 8. September 2006 in die Reithalle der 
	Beklagten zu 1 und versuchte, auf das Pferd "Peppermint" zu steigen. Dabei 
	kam sie zu Fall und erlitt eine Oberkieferfraktur sowie eine 
	Schädelplatzwunde. Sie nimmt die Beklagten auf Schmerzensgeld (mindestens 
	20.000 €), Zahlung und Feststellung in Anspruch.
 
 4 Die Parteien haben in den Vorinstanzen neben der Frage, wer auf Seiten der 
	Beklagten als Halter des Pferdes anzusehen sei, im Wesentlichen darum 
	gestritten, ob der Beklagte zu 3 sich mit einem Ritt der Klägerin auf dem 
	Pferd zuvor einverstanden erklärt habe und ob ihr ein Mitverschulden an dem 
	Unfall anzulasten sei, weil sie - unstreitig - keine Reitkappe trug, eine 
	Aufstiegshilfe ablehnte, beim Aufsteigen eine Gerte in der Hand hielt und 
	die Zügel nicht aufgenommen hatte. Das Landgericht hat die ursprünglich nur 
	gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage zunächst durch Versäumnisurteil 
	abgewiesen. Gegen das Versäumnisurteil hat die Klägerin (rechtzeitig) 
	Einspruch eingelegt und die Klage auf die Beklagten zu 2 und 3 erweitert. 
	Daraufhin hat das Landgericht sein Versäumnisurteil aufrechterhalten und die 
	Klage auch im Übrigen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der 
	Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden 
	Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
 
 Entscheidungsgründe:
 
 I.
 5 Das Berufungsgericht hat die Klage als nicht begründet erachtet, weil die 
	Klägerin den Beweis nicht geführt habe, dass ihr das Pferd durch den 
	Beklagten zu 3 zum Reiten überlassen worden sei. Deshalb könne offenbleiben, 
	wer auf Seiten der Beklagten als Halter des Pferdes anzusehen sei und ob der 
	Klägerin ein Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB an dem Unfall 
	anzulasten sei.
 
 II.
 
 6 Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht 
	stand. Eine Tierhalterhaftung aus § 833 Satz 1 BGB kann entgegen der 
	Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung verneint werden, 
	die Klägerin habe nicht bewiesen, dass ihr das Pferd vom Beklagten zu 3 zum 
	Reiten überlassen worden sei.
 
 7 1. Das Berufungsgericht geht zwar entsprechend dem Senatsurteil vom 
	9. 
	Juni 1992 - VI ZR 49/91 (VersR 1992, 1145) zutreffend davon aus, 
	dass der Halter eines Reitpferdes dem Reiter, der sich beim Sturz vom Pferd 
	verletzt, auch dann nach § 833 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein 
	kann, wenn er dem Verletzten das Pferd aus Gefälligkeit überlassen hat.
	Zu Unrecht sieht das Berufungsgericht jedoch in dem "Überlassen" des 
	Pferdes ein von der Klägerin zu beweisendes Tatbestandsmerkmal des § 833 
	Satz 1 BGB.
 
 8 a) Die Klägerin ist durch das Reitpferd "Peppermint" an Körper und 
	Gesundheit beschädigt worden. Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden 
	Sachvortrag der Klägerin ist auch davon auszugehen, dass sich in dem 
	Reitunfall eine spezifische Tiergefahr (als ungeschriebene Voraussetzung des 
	§ 833 BGB) verwirklicht hat, die sich in einem der tierischen Natur 
	entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten äußerte (vgl. 
	Senatsurteil vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80, VersR 1982, 366 Rn. 13). 
	Damit sind die Haftungsvoraussetzungen des § 833 BGB gegeben.
 
 9 b) Ob die Klägerin das Pferd mit oder ohne Einverständnis 
	desjenigen, der die tatsächliche Sachherrschaft über es ausübte, reiten 
	wollte, ist - wie die Revision mit Recht geltend macht - für die Erfüllung 
	der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB grundsätzlich 
	unerheblich und kann nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats 
	regelmäßig nur im Rahmen eines etwaigen - vom Schädiger zu beweisenden - 
	Mitverschuldens im Sinne des § 254 BGB Berücksichtigung finden 
	(vgl. etwa Senatsurteil vom 
	17. März 2009 - VI ZR 166/08, VersR 2009, 693 Rn. 7).
	Die Tierhalterhaftung kann auch dann eingreifen, wenn sich jemand 
	einem Tier unbefugt nähert (vgl. 
	Senatsurteil vom 3. Mai 2005 - VI 
	ZR 238/04, VersR 2005, 1254, 1255 mwN).
 
 10 2. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats 
	eine Haftung des Tierhalters trotz Erfüllung der tatbestandlichen 
	Voraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB ausnahmsweise entfallen.
 
 11 Bei der Tierhalterhaftung hat der erkennende Senat eine 
	vollständige Haftungsfreistellung auch des Tierhalters unter dem 
	Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten 
	Ausnahmefällen erwogen, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der 
	Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer 
	besonderen Gefahr aussetzt, die über die normalerweise mit dem Reiten oder 
	der Nähe zu einem Pferd verbundenen Gefahren hinausgeht (vgl.
	Senatsurteil vom 20. 
	Dezember 2005 - VI ZR 225/04, VersR 2006, 416 Rn. 12). 
	Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Tier erkennbar böser Natur ist oder 
	erst zugeritten werden muss oder wenn der Ritt als solcher spezifischen 
	Gefahren unterliegt, wie beispielsweise beim Springen oder bei der Fuchsjagd 
	(vgl. Senatsurteile vom 24. November 1954 - VI ZR 255/53, VersR 1955, 116; 
	vom 14. Juli 1977 - VI ZR 234/75, VersR 1977, 864, 865 und vom 19. November 
	1991 - VI ZR 69/91, VersR 1992, 371, 372) oder der Geschädigte sich dem 
	Halter im vorwiegend eigenen Interesse an seinem reiterlichen Ruf mit der 
	Bitte um Überlassung eines weigerlichen und erregten Pferdes geradezu 
	aufgedrängt hat (vgl. Senatsurteil vom 13. November 1973 - VI ZR 152/72, 
	VersR 1974, 356 f.). Das Bewusstsein der besonderen Gefährdung ist 
	dabei stets Voraussetzung, um ein Handeln des Geschädigten auf eigene Gefahr 
	annehmen zu können; ob unter diesem Blickpunkt die Haftung des Tierhalters 
	von vornherein entfällt, kann nur nach einer umfassenden Interessenabwägung 
	unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden
	(vgl. Senatsurteile vom 19. November 1991 - VI ZR 69/91, aaO und 
	vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04, aaO Rn. 16). Eine solche 
	Fallgestaltung liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch 
	nicht vor.
 
 12 3. Nach alledem konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Die 
	Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht die Gelegenheit, die 
	erforderlichen Feststellungen nachzuholen.
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