Tierhalterhaftung nach §
833 BGB, Begriff des Nutztiers, "gemischte Nutzung" von Tieren, Beweislast,
Mitverschulden und Handeln auf eigene Gefahr bei Gefährdungshaftung
BGH, Urteil vom 3. Mai 2005
- VI ZR 238/04
Fundstelle:
NJW-RR 2005, 1183
s. auch BGH
NJW 1992, 2474;
BGH v.
20.12.2005 - VI ZR 225/04 sowie
BGH v. 21.12.2010 - VI ZR 312/09 und
BGH v. 25.3.2014 - VI ZR 372/13. Zum "Handeln auf eigene
Gefahr" s. auch
BGH v. 2.10.2012 - VI
ZR 311/11 sowie BGH
v. 30.4.2013 - VI ZR 13/12.
Amtl. Leitsatz:
Zur Halterhaftung für
Hunde auf einem Reiterhof.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz seiner materiellen und
immateriellen Schäden in Anspruch, die er durch Hundebisse auf dem Reiterhof
der Beklagten zu 3 erlitten hat. Dieser wird von den Beklagten als
Familienbetrieb bewirtschaftet.
Der Beklagte zu 1 ist der Ehemann der Beklagten zu 3, der Beklagte zu 2 ist
deren Sohn. Auf dem Hof werden zwei von der Beklagten zu 3 gekaufte
Rottweiler sowie ein Staffordshire-Terrier, der dem Beklagten zu 2 gehört,
gehalten. Das Grundstück ist eingezäunt. Neben dem Tor zur Straße befindet
sich ein Warnschild, das einen Rottweiler zeigt und die Aufschrift trägt:
"Vorsicht, bissiger Hund". Die zweiflüglige Hauseingangstür ist mit einer
Außenklinke versehen. Neben der Tür befindet sich ein kleineres Warnschild
mit der Aufschrift "Warnung vor dem Hund". In unmittelbarer Nähe des
Wohnhauses sind zwei Zwinger, in denen die Hunde tagsüber während des
Publikumsverkehrs untergebracht werden. Sonst werden sie im Wohnhaus
gehalten.
Am Nachmittag des 30. September 2001 wollte der Kläger - wie dem Beklagten
zu 1 bekannt war - seine damalige Verlobte von dem Reiterhof abholen, den er
schon von mehreren Besuchen kannte. Der Beklagte zu 1 hielt sich mit den
Hunden im Haus auf. Als der Kläger die Haustür öffnete, brachten ihn die
Hunde zu Fall und fügten ihm zahlreiche Bißwunden zu. Der herbeieilende
Beklagte zu 1 konnte die Tiere wegzerren.
Das Amtsgericht hat der Klage auf Ersatz der durch diesen Unfall
entstandenen Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils des
Klägers von 75% stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Die
Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Auf die Anschlußberufung der
Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein
Klagebegehren im wesentlichen weiter, räumt allerdings - wie schon im
zweiten Rechtszug - einen Mitverschuldensanteil von 25% ein.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht ist der
Auffassung, daß die Beklagten zu 2 und 3 als Tierhalter gemäß § 833 Satz 1
BGB grundsätzlich haften. Mangels einer vertraglichen Abrede hafte der
Beklagte zu 1 nicht als Tieraufseher, sondern, da er auch nicht Halter der
Tiere sei, allenfalls aus eigenem Verschulden nach § 823 BGB. Die drei Hunde
seien für den Betrieb der Beklagten zu 3 Nutztiere im Sinne des § 833 Satz 2
BGB. Es sei offensichtlich und werde durch die von den Beklagten
geschilderte Art der Hundehaltung bestätigt, daß Hunde von solcher Größe auf
einem zu Erwerbszwecken geführten Reiterhof gehalten würden, um den Schutz
des Objektes und insbesondere der wertvollen Reittiere sicherzustellen. Daß
die Hunde entgegen dem ersten Anschein nicht zur Bewachung des
landwirtschaftlichen Anwesens und der Pferde eingesetzt würden, habe der
Kläger nicht darzulegen vermocht.
Die Beklagten zu 2 und 3 hätten die bei der Beaufsichtigung der Tiere im
Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet. Sie hätten das Notwendige und
Erforderliche getan, um die Verursachung eines Schadens durch ihre Hunde
auszuschließen, indem sie die Tiere bei Publikumsverkehr regelmäßig im
Zwinger hielten. Die Hunde hätten ohne das Zutun Dritter das Haus nicht
verlassen können. Der Kläger habe nicht bewiesen, daß die Beklagte zu 3 ihn
aufgefordert habe, das Wohnhaus zu betreten und daß er mehrfach geklingelt
bzw. geklopft habe. Der Beklagte zu 1 habe darauf vertrauen dürfen, daß
aufgrund der Warnschilder am Haus und der vorhandenen Zwinger kein
Unbefugter das Grundstück und insbesondere das Haus betreten würde und daß
auch niemand, der - wie der Kläger - mit den tatsächlichen Gegebenheiten
vertraut sei, das Haus betreten würde, wenn er die Zwinger leer vorfinden
würde.
Selbst bei Annahme eines Sorgfaltsverstoßes auf Seiten der Beklagten trete
eine etwaige Haftung der drei Beklagten in Anbetracht des erheblichen
Mitverschuldens des Klägers zurück. Das Verhalten des Klägers stelle unter
den gegebenen Umständen eine schuldhafte Selbstgefährdung dar.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Der aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Auffassung der
Revision, daß alle Beklagten Tierhalter im Sinne des § 833 BGB sind, tritt
die Revisionserwiderung nicht entgegen.
2. Durchgreifende Bedenken bestehen jedoch, soweit das Berufungsgericht den
Beklagten die Entlastungsmöglichkeit des § 833 Satz 2 BGB zugute kommen
läßt. Nach dieser Vorschrift tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der
Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der
Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist,
und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder der Schaden auch bei
Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Die Revision beanstandet
mit Erfolg, daß die Auffassung des Berufungsgerichts, die Hunde seien
Nutztiere im Sinne des § 833 Satz 2 BGB, nicht frei von Rechtsfehlern ist.
a) Daß die Hunde Haustiere sind, wird von den Parteien nicht in Zweifel
gezogen. Ob bei einem Haustier eine derart umfangreiche wirtschaftliche
Nutzung vorliegt, die es zum Nutztier im Sinne des § 833 Satz 2 BGB werden
läßt, ist zwar grundsätzlich vom Tatrichter nach den Umständen des
jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen (vgl. Senatsurteile vom 24. November
1954 - VI ZR 255/53 - VersR 1955, 116; vom 23. Juni 1959 - VI ZR 83/58 -
VersR 1959, 853 f.; vom 16. März 1965 - VI ZR 276/63 - VersR 1965, 572 ff.;
vom 25. Mai 1965 - VI ZR 15/64 - VersR 1965, 719 ff. und vom 26. November
1985 - VI ZR 9/85 - VersR 1986, 345 ff.; Kreft in: BGB-RGRK, 12. Aufl., 833
Rdn. 79, 80). Doch beruht die Auffassung des Berufungsgerichts, die Hunde
dienten hauptsächlich der Bewachung des Reiterhofes, auf einer fehlerhaft
festgestellten Tatsachengrundlage.
b) Auch wenn das Berufungsgericht den entsprechenden Vortrag der Beklagten
für nachvollziehbar und plausibel hält, ist es nicht offensichtlich, daß
Hunde dieser Größe auf einem zu Erwerbszwecken geführten Reiterhof gehalten
werden, um dessen Schutz sicherzustellen. Im vorliegenden Fall ergibt
sich die Nutztiereigenschaft nicht bereits aus der Natur der Tiere wie etwa
bei Kühen und Hühnern. Es handelt sich bei Hunden in ähnlicher Weise wie bei
Pferden, um "potentiell doppelfunktionale" Tiere. Bei solchen kommt es
darauf an, welchem Zweck die Tiere objektiv dienstbar gemacht werden und
konkludent gewidmet sind (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1954 - VI
ZR 255/53 - VersR 1955, 116 und vom 19. Juni 1962 - VI ZR 227/61 - VersR
1962, 807, 808; Wagner in MünchKomm, BGB 4. Aufl., § 833 Rdn. 37 f.). Hat
das Tier verschiedene Funktionen, von denen einige dem Erwerbsstreben,
andere aber der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind, ist für die Beurteilung
auf die allgemeine Widmung des Tiers, vor allem seine hauptsächliche
Zweckbestimmung abzustellen (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1982 - VI ZR
209/80 - VersR 1982, 670, 671; vom 12. Januar 1982 - VI ZR 188/80 - VersR
1982, 366, 367 und vom 26. November 1985 - VI ZR 9/85 - VersR 1986, 345,
346; Wagner in: MünchKomm, aaO, Rdn. 38; Belling/Eberl-Borges in Staudinger,
2002, § 833 Rdn. 140; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl. § 833 Rdn. 15).
c) Da der Kläger bestreitet, daß es sich bei den Hunden der Beklagten um
Nutztiere im Rahmen der Bewirtschaftung des Reiterhofes handle, obliegt nach
allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen (BGHZ 113, 222, 224 f.; BGH,
Urteil vom 13. November 1998 - V ZR 386/97 - NJW 1999, 352, 353;
Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. vor § 284 Rdn. 17 a; Rosenberg, Die
Beweislast, 1965, S. 98, 101) den Beklagten die Behauptungs- und
Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Nutztiereigenschaft ergibt.
Demgegenüber hat das Berufungsgericht ersichtlich den Kläger für
darlegungspflichtig gehalten und dies auf den Beweis des ersten Anscheins
für die Nutztierhaltung gestützt. Beides ist fehlerhaft.
aa) Mangels einer Typizität des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts kommt
den Beklagten der Beweis nach dem ersten Anschein nicht zugute. Ein solcher
kommt nur dann in Frage, wenn im Einzelfall ein typischer Geschehensablauf
vorliegt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder Folge
hinweist und so sehr das Gepräge des Gewöhnlichen und Üblichen trägt, daß
die besonderen individuellen Umstände in ihrer Bedeutung zurücktreten (vgl.
Senatsurteile vom 26. September 1961 - VI ZR 92/61 - NJW 1962, 31; vom 19.
März 1996 - VI ZR 380/94 - VersR 1996, 772 und vom 5. März 2002 - VI ZR
398/00 - VersR 2002, 613 ff.; BGHZ 100, 31, 34 f.). Nach der gebotenen
Gesamtbetrachtung liegt kein typischer Lebenssachverhalt vor, der auf die
Nutztierwidmung schließen ließe. Der erkennende Senat vermag insbesondere
den vom Berufungsgericht aufgestellten allgemeinen Erfahrungssatz nicht zu
bestätigen, daß typischerweise nach der allgemeinen Lebenserfahrung die
Anschaffung und Haltung von drei Hunden der hier beschriebenen Art von
Bewohnern eines Reiterhofs erfolgt, um die Sicherheit der Pferde
sicherzustellen.
bb) Für die Haltung der Hunde vorwiegend zum Schutz der Pferde sprechen auch
nicht die übrigen vom Berufungsgericht festgestellten tatsächlichen Umstände
der Hundehaltung. Soweit das Berufungsgericht in seine Beurteilung
einbezogen hat, daß die Hunde in besonderen Situationen nachts zu
Bewachungszwecken auf die vorhandenen Ställe aufgeteilt würden, rügt die
Revision mit Recht, daß dieser Umstand keinerlei Grundlage im Vortrag der
Parteien findet, § 286 ZPO. Daß die Tiere am Unfalltag um 16.30 Uhr im
Wohnhaus gehalten wurden, läßt auf die Nutztiereigenschaft im Hinblick auf
den Reiterhof und insbesondere für die Bewachung der wertvollen Pferde nicht
schließen, denn die Bewachung des Wohnhauses dient lediglich der
Befriedigung eines allgemeinen, jedermann zukommenden Sicherungsbedürfnisses
(vgl. OLG Köln, VersR 1999, 1293, 1294; Palandt/Sprau, aaO, Rdn. 17;
Belling/Eberl-Borges, aaO, Rdn. 137). Auch das im allgemeinen übliche
Wegsperren der Hunde tagsüber in den Zwingern besagt für die Widmung der
Hunde zu Nutztieren nichts. Schließlich ist auch der Umstand, daß die Hunde
von den Beklagten auf Kontrollgänge über die Koppeln mitgenommen werden,
kein Hinweis auf die vorwiegende Nutzung der Tiere zu Erwerbszwecken. Der
Gang über die Koppel in Begleitung der Hunde kann der Freizeitgestaltung
zuzurechnen oder betrieblich bedingt sein. Da bei Tieren mit verschiedenen
Funktionen - wie im Streitfall -auf deren hauptsächliche Zweckbestimmung
abzustellen ist (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1970 - VI ZR 121/69 -
VersR 1971, 320; vom 16. März 1982 - VI ZR 209/80 - VersR 1982, 670, 671 und
vom 26. November 1985 - VI ZR 9/85 - VersR 1986, 345, 346; Wagner in:
MünchKomm, aaO, Rdn. 38) wären außerdem zusätzlich Anlaß und Häufigkeit der
jeweiligen Verwendung aufzuklären.
Nachdem die Beklagten bisher ihrer Darlegungslast und Beweislast nicht
genügt haben, war der Kläger nicht gehalten darzulegen, aufgrund welcher
Tatsachen anzunehmen ist, daß die Hunde nicht zur Bewachung des Reiterhofes
eingesetzt werden.
3. Sollte sich die Nutztiereigenschaft der Hunde nicht bestätigen,
besteht keine Entlastungsmöglichkeit der Beklagten nach § 833 Satz 2 BGB, so
daß es insoweit auf die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt nicht
ankommt. Diese kann allerdings Bedeutung bei der Abwägung der beiderseitigen
Verursachungsbeiträge erlangen. Dem Berufungsgericht kann nach den
bisherigen Feststellungen nicht darin gefolgt werden, daß etwaige Ansprüche
jedenfalls wegen überwiegenden Mitverschuldens des Klägers gemäß § 254 BGB
ausgeschlossen wären. Allerdings gehört die Abwägung der
Verantwortlichkeiten nach § 254 BGB in den dem Revisionsgericht nur begrenzt
zugänglichen Bereich der tatrichterlichen Würdigung. Eine Nachprüfung ist
dem Revisionsgericht aber dahin möglich, ob der Tatrichter alle in Betracht
kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen
Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Senatsurteil vom 8.
Januar 2002 - VI ZR 364/00 - VersR 2002, 330, 331 m.w.N.).
Das Berufungsgericht legt der Abwägung fälschlicherweise zugrunde, daß die
Beklagten ihrer Sorgfaltspflicht genügt hätten. Dies beruht auf einem
unzutreffenden Verständnis des unter den Umständen des Streitfalles
anzuwendenden Maßstabes an die erforderliche Sorgfaltspflicht. Es
verkennt zudem, daß der Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in
eng begrenzten Ausnahmefällen zu einer gänzlichen Haftungsfreistellung des
Schädigers führt, wenn sich der Geschädigte bewußt in eine Situation begeben
hat, in der ihm die Eigengefährdung droht (wie etwa bei der Teilnahme an
Boxkämpfen oder anderen besonders gefährlichen Sportarten; vgl.
Senatsurteile BGHZ 154, 316, 323 und vom 21. Februar 1995 - VI ZR 19/94 -
VersR 1995, 583, 585 m.w.N).
a) Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß das Maß der von dem
Tierhalter zu beobachtenden Sorgfalt von der Gattung und den besonderen
Eigenschaften des Tieres, die er kennt oder kennen muß, sowie den sonstigen
Umständen abhängt (vgl. Senatsurteile vom 19. Juni 1962 - VI ZR 227/61 -
VersR 1962, 807, 808; vom 16. März 1965 - VI ZR 276/63 - VersR 1965, 572,
573 und vom 25. Mai 1965 - VI ZR 15/64 - VersR 1965, 719 ff.). Ist ein Hund
bekanntermaßen aggressiv und bissig, sind die Sorgfaltsanforderungen bei
seiner Beaufsichtigung in erheblichem Maße erhöht (vgl. OLG Karlsruhe VersR
2001, 724). Je gefährlicher der Hund ist, desto größere Bedeutung erlangt
seine sichere Verwahrung (vgl. Belling/Eberl-Borges, aaO, Rdn. 168). Deshalb
kann die Tierhalterhaftung auch dann eingreifen, wenn sich jemand einem Tier
unbefugt nähert, das sich in einem umfriedeten Bezirk befindet (vgl. Wussow/Terbille
Unfallhaftpflichtrecht 15. Aufl. Kap. 11 Rdn. 59). Handelt es sich - wie im
vorliegenden Fall - um bissige und gefährliche Hunde, ist es notwendig,
durch entsprechende Maßnahmen zu verhindern, daß die Tiere ins Freie
gelangen und Menschen ohne hinreichende Einwirkungsmöglichkeiten - wie
geschehen - erheblich verletzen.
Im vorliegenden Fall war es deshalb nicht ausreichend, daß die Tiere im Haus
gehalten wurden und Warnschilder auf die Hundehaltung hinwiesen. Wie der
Streitfall zeigt, genügte das durch die Außenklinke mögliche Öffnen der
Haustür, damit die Hunde ins Freie gelangten und ungehindert einen Menschen
anfallen konnten (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 25. Mai 1965 - VI ZR
15/64 - VersR 1965, aaO; OLG Düsseldorf VersR 1981, 1035 mit
Nichtannahmebeschluß des Senats vom 26. Mai 1981 - VI ZR 193/80 -). Es
wäre Sache der Beklagten gewesen, den Kläger vor einem Angriff zu bewahren.
Ihnen war die Gefährlichkeit der Hunde bekannt, weswegen sie diese bei
Publikumsverkehr grundsätzlich wegsperrten. Daß sie dies unterließen, obwohl
sie mit dem Kommen des Klägers rechneten, stellt einen erheblichen
Sorgfaltsverstoß der Beklagten dar. Da der Beklagte zu 1 wußte, daß der
Kläger seine damalige Verlobte abholen würde, durfte er nicht schon wegen
dessen Kenntnis von den konkreten Umständen der Hundehaltung darauf
vertrauen, daß dieser außerhalb des Wohnhauses warten würde. Vielmehr war
damit zu rechnen, daß der Kläger, wenn er seine Verlobte nicht unmittelbar
auf dem Gelände treffen würde, versuchen könnte, in das Wohnhaus
einzutreten. Unter solchen Umständen entsprach es nicht mehr der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt, die Tiere ohne zusätzliche Sicherung im Erdgeschoß
des Hauses frei herumlaufen zu lassen.
b) In rechtlicher Hinsicht verkennt das Berufungsgericht die
Voraussetzungen für eine Haftungsbefreiung der Beklagten wegen des Handelns
des Klägers auf eigene Gefahr. Der Aspekt des Handels auf eigene Gefahr
greift bei der Tierhalterhaftung nur ausnahmsweise ein, wenn sich der
Verletzte bewußt Risiken aussetzt, die über die normale Tiergefahr
hinausgehen (vgl. Senatsurteil vom 24. November 1954 - VI ZR 255/53 -
VersR 1955, 116). Das Bewußtsein der Gefährdung ist stets Voraussetzung, um
ein Handeln auf eigene Gefahr anzunehmen.
Im Streitfall fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß sich der Kläger mit
dem Öffnen der Tür bewußt der Gefahr aussetzte, gebissen zu werden. Auch
wenn ihm die Haltung der Hunde aufgrund seiner vorangegangenen Besuche auf
dem Reiterhof bekannt war, mußte er nicht damit rechnen, daß die Beklagten
die Tiere im Haus frei laufen lassen würden, obwohl sich seine ehemalige
Verlobte auf dem Grundstück aufhielt und die Beklagten wußten, daß er kommen
würde. Auch der Umstand, daß der Zwinger vor dem Haus leer war, zwang ihm
nicht einen solchen Schluß auf. Die Hunde konnten entweder im zweiten
Zwinger sein oder sich mit den Beklagten zu 1 und/oder 2 außerhalb des
Grundstücks aufhalten.
c) Schließlich hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt,
daß alle verbleibenden Unklarheiten des Sachverhalts zu Lasten der für das
Mitverschulden des Klägers beweispflichtigen Beklagten gehen. Die
Unaufklärbarkeit der Behauptung, die Beklagte zu 3 habe den Kläger
aufgefordert, das Wohnhaus zu betreten, kann - entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts - nicht zu Lasten des Klägers gehen. Weiterhin beanstandet
die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht ohne erneute Beweisaufnahme
in Abweichung von den Feststellungen des Amtsgerichts nicht annehmen durfte,
der Kläger habe nicht an der Haustür geklopft. An die Feststellung des
Amtsgerichts, daß der Kläger jedenfalls geklopft habe, war das
Berufungsgericht vielmehr gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, wenn es
nicht wegen ernsthafter Zweifel eigene Feststellungen treffen wollte (vgl.
Gummer/Heßler in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 529 Rdn. 7, 8, 11; Musielak/Ball,
ZPO, 4. Aufl. § 529 Rdn. 13, 14).
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