"Ohne Schuß kein ius":
Keine Zustellung der Klage ohne Kostenvorschuß, Fristwahrung durch "Demnächst-Zustellung"
(§ 270 III ZPO bzw. § 167 ZPO i.d.F. des
Zustellungsreformgesetzes vom
25.6.2001)
Eine vier Tage nach Ablauf der
Verjährungsfrist zugestellte Klage ist im Sinne des § 270 III ZPO mit
verjährungsunterbrechender Wirkung demnächst zugestellt, wenn der
Kostenvorschuß für die mehrere Monate zuvor eingereichte Klage zwei Wochen
vor Ablauf der Verjährungsfrist bei Gericht eingezahlt worden war.
Zentrales Problem:
Maßgeblich für die Frage, ob eine
Zustellung i.S.v. § 270 III ZPO bzw. § 167 ZPO i.d.F. des Zustellungsreformgesetzes
"demnächst" und damit fristwahrend erfolgt ist, ist nicht der Zeitraum
zwischen Einreichung und Zustellung, sondern derjenige zwischen dem
Zeitpunkt des Fristablaufs und der Zustellung: Fristen dürfen ausgeschöpft
werden!
Beachte, daß nach der Schuldrechtsreform die Klageerhebung nach § 204 I
Nr. 1 BGB lediglich Hemmung und nicht mehr Unterbrechung (jetzt:
"Neubeginn") der Verjährung bewirkt.S.
dazu auch BGH v. 22.9.2009 - XI ZR
230/08
Zum Sachverhalt:
Der Bekl. betreibt ein Ingenieurbüro. Am 25. 4. 1984 trafen die
Parteien eine Vereinbarung über ihre Zusammenarbeit. Diese endete durch
Kündigung des Bekl. zum 31. 12. 1985. Mit am 16. 4. 1987 eingereichter und
am 4. 1. 1988 zugestellter Klage hat der Kl. auf Grund der vorgenannten
Vereinbarung Zahlung von Provisionen für vermittelte Abschlüsse in der
Zeit von Januar bis Juni 1985 in Höhe von 32599,10 DM einschließlich
ausgerechneter Zinsen begehrt; im Wege der Stufenklage hat er Auskunft
über Erst- und Folgeaufträge des Bekl. mit von ihm vermittelten
Auftraggebern in der Zeit vom 1. 7. 1985 bis 30. 6. 1986 und Bezahlung der
sich nach Erteilung der Auskunft ergebenden Vergütung verlangt. Der Bekl.
ist dem entgegengetreten. Er hat vorgetragen, durch Zahlungen in Höhe von
57624,33 DM im Jahre 1985 seien alle Ansprüche des Kl. ausgeglichen;
anläßlich der Zahlung eines darin enthaltenen Betrages von 32604 DM am 15.
10. 1985 seien die Parteien übereingekommen, daß damit alle restlichen
Ansprüche des Kl. abgegolten seien. Die begehrte Auskunft könne er nicht
mehr erteilen, da ihm die Angebotsordner, die allein Aufschluß über eine
Kontaktaufnahme des Kl. zu Drittfirmen hätten geben können, entwendet
worden seien. Der Bekl. hat ferner die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat nach einer Beweisaufnahme durch Teilurteil der Zahlungsklage in
Höhe von 25170,40 DM nebst Zinsen stattgegeben und den Bekl. zur Auskunft
hinsichtlich einzelner Kunden verurteilt. Auf die Berufung des Bekl. hat
das BerGer. die Klage, auch soweit das LG über sie noch nicht entschieden
hatte, abgewiesen. Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung und
Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat ausgeführt:
Die Ansprüche des Kl. seien verjährt. Entgegen der Annahme des LG sei der
Kl. nicht als Handelsvertreter für den Bekl. tätig gewesen, da er nicht i.
S. von § 84 I 1 HGB "ständig" damit betraut gewesen sei, für diesen
Geschäfte abzuschließen oder zu vermitteln. Demgemäß verjährten die
Klageansprüche nicht in vier Jahren (§ 88 HGB). Vielmehr seien sie (mit
Ausnahme der Ansprüche für die Zeit von Januar bis Juni 1986 - was bei der
Entscheidung übersehen worden sei -) nach Ablauf der zweijährigen
Verjährungsfrist des § 196 I Nr. 1 bzw. 7 BGB verjährt. Die Verjährung sei
nicht rechtzeitig nach § 209 BGB unterbrochen worden. Die fristwahrende
Wirkung des § 270 III ZPO greife vorliegend nicht ein, da die Klageschrift
bereits am 16. 4. 1987 eingegangen sei und wegen des Zeitablaufs von etwa
acht Monaten bis zur Zustellung am 4. 1. 1988 diese nicht mehr als
"demnächst" bewirkt angesehen werden könne.
II. Die dagegen gerichtete Revision hatte Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung der Revision konnte zwar das BerGer. -
ungeachtet der hier nicht zu entscheidenden Frage, ob der Erlaß des
Teilurteils durch das LG tatsächlich ein Verfahrensfehler war, wie das
BerGer. gemeint hat - von seinem Standpunkt aus die vom LG noch nicht
entschiedenen Klageansprüche an sich ziehen (BGHZ 30, 213 (215) = NJW
1959, 1824 = LM § 537 ZPO Nr. 9; BGH, NJW 1959, 1827 (1828) = LM § 537 ZPO
Nr. 8 = GRUR 1959, 552 (553) - Bundfitsche; BGH, NJW 1985, 2405 (2407) =
LM § 138 (Ca) BGB Nr. 15; BGH, NJW-RR 1992, 1021 = LM H. 1/1993 § 254 ZPO
Nr. 15 = GRUR 1992, 562).
2. Indessen hält seine Annahme, die geltend gemachten Zahlungsansprüche
und die mit der Auskunftsklage vorbereiteten Zahlungsansprüche seien
verjährt, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Für die Beurteilung
dieser Frage kann dahinstehen, ob die Vereinbarung der Parteien vom 25. 4.
1984, die die Grundlage der Klageansprüche bildet, als
Handelsvertretervertrag oder als Maklervertrag anzusehen ist. Verjährt
wären die Klageansprüche in keinem Fall. Denn Ansprüche des Kl. wären auch
dann nicht verjährt, wenn sie der zweijährigen Frist des § 196 I Nr. 1
oder Nr. 7 BGB i. V. mit § 201 BGB unterfielen und bereits im Jahre 1985
entstanden sein sollten. Daß durch die Zustellung der Klage am 4. 1. 1988
die Verjährungsfrist für im Jahre 1986 entstandene Ansprüche unterbrochen
worden ist, hat das BerGer. zutreffend gesehen. Die Zustellung der Klage
am 4. 1. 1988 bewirkte aber auch eine Unterbrechung der Verjährung
hinsichtlich der im Jahre 1985 entstandenen Ansprüche. Nach § 209 I BGB
wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Berechtigte vor Ablauf der
Frist durch Zustellung eines Schriftsatzes (§ 253 I ZPO) Klage erhebt (Anm.:
Seit dem 1.1.2002 bewirkt die Klageerhebung nach § 204 I Nr. 1 BGB
lediglich eine Hemmung der Verjährung). Nach § 270 III ZPO (Anm.:
Ab dem 1.7.2002: § 167 ZPO) tritt diese Wirkung aber auch dann
ein, wenn die Klageschrift, wie hier, zwar erst nach Ablauf der
Verjährungsfrist zugestellt wird, aber schon vor Ablauf dieser Frist bei
Gericht eingereicht wird und die Zustellung "demnächst" erfolgt.
Hiernach genügt es, daß die Klage am letzten Tag des Laufs der
Verjährungsfrist eingereicht wird. Es kommt infolgedessen nicht, wie das
BerGer. gemeint hat, darauf an, daß im vorliegenden Fall zwischen
Einreichung der Klage im April 1987 und der Zustellung am 4. 1. 1988 etwa
acht Monate lagen, sondern allein darauf, ob die Klage, gemessen vom Tag
des Ablaufs der Verjährungsfrist, "demnächst" zugestellt wird (BGH,
NJW 1972, 208 (209) = LM § 261b ZPO Nr. 16; BGH, LM Art. 34 GrundG Nr. 135
= VersR 1983, 831 (832); BGH, NJW 1986, 1347 (1348); BGH, BGHR ZPO § 270
III - demnächst 3). Das BerGer. hätte demnach bei der Beurteilung der
Frage, ob die Klage "demnächst" zugestellt worden war, nur zugrunde legen
dürfen, daß zwischen dem Ablauf der Verjährungsfrist und der Zustellung
lediglich vier Tage lagen. Nachdem im Zeitpunkt des Ablaufs der
Verjährungsfrist die Klage eingereicht und der Prozeßkostenvorschuß, wenn
auch in vollem Umfang erst etwa acht Monate nach der Aufforderung, gezahlt
war und die Verzögerung nur vier Tage betrug, ist die Verjährung nach §
270 III ZPO unterbrochen worden, da eine solche Verzögerung unerheblich
ist (BGH, NJW 1971, 891 (892) = LM § 693 ZPO Nr. 4; BGH, NJW 1986, 1347
(1348)).