Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 326 I BGB: Kein Schadensersatz nach der Surrogationstheorie bei § 326 I BGB, wenn der Gl. noch nicht geleistet hat. 

BGH, Beschluß v. 06.10.1994  

Amtl. Leitsatz:

Der Grundstücksverkäufer kann im Rahmen des § 326 BGB den vereinbarten Kaufpreis nicht deswegen als Schadensersatz beanspruchen, weil er die Erfüllung seiner Verpflichtung zur Auflassung des Grundstücks dem Käufer anbietet (Abweichung von dem Senatsurteil BGHZ 20, 338 (343) = NJW 1956, 1233 = LM § 326 (Ea) BGB Nr. 2)



Fundstellen

NJW 1994, 3351
LM H. 3/1995 § 326 (Ea) BGB Nr. 15
MDR 1995, 28
DB 1995, 724
WM 1994, 2287
ZIP 1994, 1781

bestätigt durch BGH NJW 1999, 3115 



Zentralproblem:

Es geht um den Inhalt des Schadensersatzanspruches im Falle des Verzugs mit einer synallagmatischen Leistungspflicht nach § 326 I BGB. Diese Vorschrift gibt dem Gläubiger ein Wahlrecht zwischen Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung, während die Hauptleistungspflichten mit Ablauf der Nachfrist erlöschen.

Während die Rspr. bisher der Ansicht war, der Gläubiger (der seinerseits noch nicht geleistet hat) könne Schadensersatz auch in der Form beanspruchen, daß er seine Leistung erbringe und Schadensersatz in voller Höhe (also etwa Gegenleistung und entgangener Gewinn) geltend mache,

ist der BGH nun zu Recht der Ansicht, daß dies mit dem von § 326 I S. 2 letzter Hs. BGB angeordneten Ausschluß des Erfüllungsanspruchs inkompatibel ist. Der Gläubiger kann also Schadensersatz nur in der Höhe der Differenz des Wertes der Gegenleistung und des Wertes der eigenen Leistung verlangen (Differenztheorie). Merke: Hat der Gläubiger bereits seinerseits geleistet, so kann er i.d.R. nur nach der Surrogationstheorie vorgehen, d.h. Schadensersatz in Höhe der gesamten ausgebliebenen Gegenleistung (und Folgeschäden) verlangen. Er kann nicht die eigene Leistung zurückverlangen und Schadensersatz nach der Differenztheorie fordern, weil dies eine unzulässige Kombination von Rücktritt und Schadensersatz darstellen würde. Will er die eigene Leistung zurückfordern, so muß wer - unter Verzicht auf Schadensersatz - Rücktritt wählen. Achtung: Diese (neue) Rspr. des BGH präjudiziert nicht die Antwort auf dieselbe Frage im Rahmen von § 325 I BGB! Der Verweis bei Medicus SchuldR AT Rn. 517 ist daher etwas mißverständlich. 


Zum Sachverhalt:

Der Kl. verlangt Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Parteien streiten im wesentlichen darum, in welcher Weise die Schadensabwicklung erfolgen und in welcher Höhe der Kl. seinen Schaden berechnen darf. Der BGH hat die Sprungrevision des Kl. gegen das Teilurteil des LG nicht angenommen.

Aus den Gründen:

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Endergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg.
1. Der Kl. hat den Bekl. mit dem noch nicht beschiedenen Klageantrag zu 1 die Auflassung der ihnen verkauften Grundstücke angeboten. Dieses wörtliche Angebot genügte jedoch nicht, weil die Bekl. nicht erklärt hatten, daß sie die Leistung nicht annehmen würden (§ 295 BGB). Sie haben sich zwar auf den - vom Tatrichter verworfenen - Standpunkt gestellt, der Kl. sei gem. § 326 BGB vom Kaufvertrag zurückgetreten; diese Ansicht haben sie aber nur der Auffassung des Kl. entgegengehalten, er könne bei Übereignung der Grundstücke Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises verlangen. Der Kl. hätte daher Annahmeverzug der Bekl. nur durch ein tatsächliches Angebot herbeiführen können (§ 294 BGB), das den vom Senat in BGHZ 116, 244 (250) = NJW 1992, 566 = LM H. 7/1992 § 273 BGB Nr. 49 dargelegten Erfordernissen hätte entsprechen müssen. Die Abgabe eines solchen Angebots hat der Kl. nicht behauptet.
Bei Zug um Zug zu erbringenden Leistungen, wovon der Klageantrag zu 1 ausgeht, kommt der Gläubiger nach § 298 BGB auch dann in Annahmeverzug, wenn er zwar die ihm angebotene Leistung anzunehmen bereit ist, die verlangte Gegenleistung aber nicht anbietet. Voraussetzung ist also, daß der Schuldner seine Leistung ordnungsgemäß angeboten hatte. Solange er das nicht getan hat, kann die Verweigerung der Gegenleistung keinen Annahmeverzug des Gläubigers begründen.
2. Der Senat billigt zudem die Meinung des LG, die Bekl. seien zur Zahlung des Grundstückskaufpreises auch nicht mehr verpflichtet. Denn im Rahmen des § 326 BGB kann der Gläubiger Schadensersatz nicht in der Weise geltend machen, daß er Zug um Zug gegen Erfüllung seiner vertraglichen Leistungspflicht die ihm geschuldete Gegenleistung verlangt (Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 326 Rdnrn. 72 ff.). Hat der Gläubiger, wie hier, dem Schuldner zur Bewirkung der Leistung fruchtlos eine Frist mit der Erklärung gesetzt, er lehne nach Fristablauf die Annahme der Leistung ab, so erlischt gem. § 326 I BGB der Anspruch auf Erfüllung und dann auch der dem Schuldner seinerseits zustehende Erfüllungsanspruch. Damit verwandelt sich das vertragliche Austauschverhältnis in ein einseitiges Abrechnungsverhältnis (BGHZ 87, 156 (158, 159) = NJW 1983, 1605 = LM § 157 (C) BGB Nr. 26). Der Kl. konnte deshalb das untergegangene Austauschverhältnis nicht dadurch wiederherstellen, daß er seine Vertragsleistung den Bekl. anbot. Der Senat hält daher an der in BGHZ 20, 338 (343) = NJW 1956, 1233 = LM § 326 (Ea) BGB Nr. 2 vertretenen gegenteiligen Ansicht nicht fest. Die dort herangezogene eingeschränkte Differenztheorie  kommt nur im Falle des § 325 BGB in Betracht.



<- Zurück