NJW 1995, 454
LM H. 4/1995 § 988 BGB Nr. 6
WM 1995, 159
JZ 1995, 572
Mit dem Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe
der Nutzungen ist beim rechtsgrundlosen Besitzerwerb der Anspruch des Besitzers
auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe der gezogenen Nutzungen
nach den Grundsätzen der Saldotheorie zu verrechnen.
Vgl. Anmerkung zu BGH
NJW 1999, 1181 f, zu BGH NJW
2000, 3562.
Mit notariellem Vertrag vom 4. 5. 1990 kauften
die Bekl. ein dem früheren Kl. zu 1 - der am 1. 12. 1993 verstorben
und von seiner Ehefrau und den Kindern, die das Verfahren aufgenommen haben,
beerbt worden ist - gehörendes Grundstück für den beurkundeten
Betrag von 200000 DM. Die Bekl. zahlten 65000 DM in bar am 4. 5. 1990 und
135000 DM mit Banküberweisung vom 25. 6. 1990. Vom 1. 8. 1990 bis
30. 4. 1991 vermieteten sie das Grundstück für 1800 DM monatlich.
Im Juli 1990 verlangten die Kl. einen Restkaufpreis von 65000 DM, der als
zusätzliche Zahlung vor Abschluß des notariellen Vertrages vereinbart
worden sei. Auf Vollstreckungsabwehrklage der Bekl. wurde die Zwangsvollstreckung
aus dem notariellen Kaufvertrag für unzulässig erklärt,
weil der beurkundete Kaufpreis zu niedrig angegeben und der Vertrag daher
als Scheingeschäft nichtig sei. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangen
die Kl. die Rückabwicklung des Kaufvertrages.
Das LG hat nach Beweiserhebung die Bekl., wie
von den Kl. beantragt, zur Herausgabe des Grundstücks Zug um Zug gegen
Zahlung von 200000 DM sowie zur Zahlung von 16200 DM nebst 4 % Zinsen ab
Rechtshängigkeit verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Bekl. und die Anschlußberufung der früheren
Kl., mit der sie die Löschung der für die Bekl. eingetragenen
Auflassungsvormerkung verlangt haben, hat das OLG die Klage der Ehefrau
des früheren Kl. zu 1 abgewiesen und ihre Anschlußberufung zurückgewiesen,
weil sie nicht Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei; im übrigen
hat es die Berufung der Bekl. zurückgewiesen und der Anschlußberufung
des früheren Kl. zu 1 stattgegeben. Mit der Revision wenden sich die
Bekl. gegen die Verurteilung zur Herausgabe der Mieteinnahmen in Höhe
von 16200 DM und streben an, auch die Löschung der Auflassungsvormerkung
nur Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises bewilligen zu müssen.
Ferner meinen sie, es könne nicht richtig sein, daß sie die
gezogenen Nutzungen herausgeben müßten, während die Kl.
den Kaufpreis nur zinslos zurückzuzahlen brauchten. Die Revision hatte
teilweise Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat ausgeführt, die Bekl. seien
verpflichtet, das Grundstück an die Eigentümer herauszugeben.
Der beurkundete Kaufvertrag sei als Scheingeschäft
nichtig und das wirklich Gewollte nicht in der erforderlichen Form erklärt
worden. Art und Umfang der nach dem landgerichtlichen Urteil zu leistenden
Zug-um-Zug-Zahlung sei nicht angegriffen worden. Die Bekl. hätten
die eingenommenen Mieten als Nutzungen des Grundstücks in der verlangten
Höhe herauszugeben. Ferner seien sie verpflichtet, die Löschung
der zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung zu
bewilligen, weil der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch auf Übereignung
des Grundbesitzes wegen der Nichtigkeit des Kaufvertrages nicht entstanden
sei.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher
Prüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Das BerGer. geht von der Formnichtigkeit des
notariellen Vertrages aus, weil die beurkundungspflichtige Nebenabrede
über den zusätzlichen Kaufpreis nicht beurkundet worden ist (§§
313 S. 1, 125 S. 1 BGB). Die Bekl. seien deshalb zur Herausgabe verpflichtet
(§ 985 BGB). Das ist rechtsfehlerfrei und wird auch von der Revision
nicht angegriffen.
2. Die Revision bekämpft aber die Auffassung
des BerGer., die Bekl. seien verpflichtet, die Löschung der Auflassungsvormerkung
zu bewilligen, ohne dies - wie bei der Herausgabeverpflichtung - von der
Rückzahlung des Kaufpreises abhängig zu machen. Dieser Angriff
der Revision führt nicht zum Erfolg. Vielmehr ist der vom BerGer.
vertretenen Auffassung i. E. zu folgen.
a) Gegenüber dem von den Kl. ohne Beschränkung
geltend gemachten Löschungsanspruch (§ 984 BGB) haben sich die
Bekl. nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB berufen,
sondern nur die Zurückweisung der Anschlußberufung beantragt.
In dem Vorbringen der Bekl. über den Zweck der Zahlungen war entgegen
der Meinung der Revision nicht die konkludente Erhebung einer Einrede zu
sehen, so daß auch der Antrag der Kl. nur mit dieser Einschränkung
hätte verstanden werden müssen. Für die Möglichkeit
einer solchen Auslegung der Anträge durch das BerGer. fehlt im Hinblick
auf ihren eindeutigen Inhalt und das Vorbringen der Bekl., das sich auf
die Frage der Nichtigkeit des Kaufvertrages beschränkte, jeder Anhaltspunkt.
b) Die von der Revision in diesem Zusammenhang
erhobene Rüge aus den §§ 139, 278 II BGB ist unbegründet.
Auch wenn es zutreffen sollte, daß die Bekl. bei entsprechendem richterlichen
Hinweis ein Zurückbehaltungsrecht auch gegenüber dem Löschungsanspruch
geltend gemacht hätten, war es dem BerGer. mit Rücksicht auf
die seiner Aufklärungspflicht durch den Verhandlungsgrundsatz gezogenen
Grenzen verwehrt, von sich aus die Bekl. zu veranlassen, insoweit die Einrede
des Zurückbehaltungsrechts zu erheben (BGH, NJW 1969, 691 (693) =
LM Art. 17 WG Nr. 7).
c) Gegenüber dem dinglichen Löschungsanspruch
analog § 894 BGB wären auch bereicherungsrechtliche Gegenansprüche,
soweit sie solchen Ansprüchen überhaupt entgegengehalten werden
können (vgl. dazu Canaris, JZ 1992, 1114 (1115f.)), nur zu berücksichtigen,
wenn sie einredeweise geltend gemacht worden wären; das ist nicht
geschehen.
3. Die Revision hat jedoch Erfolg, soweit das
BerGer. dem Antrag der Kl. auf Zahlung von 16200 DM nebst Prozeßzinsen
stattgegeben hat. Die Bekl. sind zwar als rechtsgrundlose Besitzer den
Kl. nach Bereicherungsrecht zur Herausgabe der eingenommenen Mieten als
Nutzungen des Grundstücks verpflichtet (§§ 988, 818 I BGB),
sie müssen sich aber im Rahmen des Bereicherungsrechts nach den Grundsätzen
der Saldotheorie den Anspruch der Bekl. auf Rückzahlung des Kaufpreises
in Höhe von 16200 DM anrechnen lassen. Im Falle der Nichtigkeit eines
Vertrages wird durch Vergleich der durch den Bereicherungsvorgang hervorgerufenen
Vor- und Nachteile ermittelt, für welchen Beteiligten sich ein Überschuß
ergibt. Dieser Beteiligte ist dann Gläubiger eines einheitlichen,
von vornherein durch Abzug der ihm zugeflossenen Vorteile beschränkten
Bereicherungsanspruchs (vgl. etwa Palandt/Thomas, BGB, 53. Aufl., §
818 Rdnr. 48 m.w. Nachw.). Er darf sich nicht damit begnügen, das
von ihm aufgrund des nichtigen Vertrages Geleistete zurückzuverlangen,
sondern muß bei der Darlegung seines Bereicherungsanspruchs sogleich
das mit berücksichtigen, was etwa der Bekl. hingegeben hat, um den
Vertrag zu erfüllen (BGH, NJW 1963, 1870 = LM § 818 Abs. 3 BGB
Nr. 11 m.w. Nachw.). Dies gilt sinngemäß auch dann, wenn die
Leistungen ungleichartig sind. Dann hat der Bereicherungskl. die ungleichartige
Gegenleistung schon im Klageantrag derart zu berücksichtigen,
daß er ihre Rückgewähr Zug um Zug anbietet (BGH, NJW 1963,
1870 = LM § 818 Abs. 3 BGB Nr. 11).
An der Verrechnung der von den Bekl. herauszugebenden
Nutzungen (16200 DM) mit dem von den Kl. zurückzuzahlenden Kaufpreis
(200000 DM) ändert sich auch nichts dadurch, daß das BerGer.
diesen Rückzahlungsanspruch im Rahmen des Zurückbehaltungsrechts
gegenüber dem Klageanspruch auf Herausgabe des Grundstücks bereits
in voller Höhe berücksichtigt hat. Der Kl. hatte insoweit zu
seinen Ungunsten die Saldotheorie nicht beachtet und den Herausgabeanspruch
schon im Klageantrag mit dem Vorbehalt versehen, daß er nur Zug um
Zug gegen Rückzahlung des vollen Kaufpreises von 200000 DM (anstelle
eines bereits im Wege der Saldierung um 16200 DM gekürzten Betrages)
durchgesetzt werden könnte. Schon deshalb hätte das BerGer. auch
bei Anwendung der Saldotheorie nicht über den Klageantrag hinausgehen
und den (in der Revisionsinstanz insoweit zudem nicht angegriffenen) Zug-um-Zug-Vorbehalt
von sich aus um 16200 DM kürzen dürfen (§ 308 I ZPO). Daß
die Kl. deswegen bei der Vollstreckung des Anspruchs auf Herausgabe des
Grundstücks den vollen Betrag von 200000 DM anstelle eines um 16200
DM gekürzten aufwenden müssen (§ 726 I ZPO), haben sie sich
wegen der Fassung ihres Klageantrages selbst zuzuschreiben. Am Rande sei
jedoch darauf hingewiesen, daß ihnen, wenn sie aus vollstreckungsrechtlichen
Gründen an die Bekl. 16200 DM mehr zahlen als geschuldet, aus ungerechtfertigter
Bereicherung (§ 812 I 1 BGB) ein Anspruch auf Rückzahlung dieses
Betrags zusteht.
4. Gegenüber dem Anspruch der Kl. auf Herausgabe
der von den Bekl. gezogenen Nutzungen in Höhe von 16200 DM kommt eine
Saldierung mit einem etwaigen Gegenanspruch der Bekl. auf Herausgabe von
Kapitalnutzungen (vgl. Büttner, BB 1970, 233; Canaris, in: Festschr.
f. Lorenz, 1991, S. 19 (44ff.)) hier nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen
eines solchen Anspruchs nicht dargetan sind. Nach § 818 I BGB sind
nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen herauszugeben. Die Bekl. haben
zu der Frage, ob und in welchem Umfang die Kl. aus dem empfangenen Kapital
Nutzungen gezogen haben, nichts vorgetragen. Auch aus dem Vortrag der Kl.
ergibt sich hierzu nichts. Schon deshalb können die für erfahrungstypische
Fälle einer Kapitalnutzung anerkannten Beweiserleichterungen nicht
eingreifen. Damit entfällt die Möglichkeit, im Wege der Saldierung
den Bereicherungsanspruch durch Abzug der den Kl. durch Kapitalnutzung
etwa zugeflossenen Vorteile von vornherein zu beschränken.