Erstreckung der Bürgschaft auf weitere Forderungen durch AGB als überraschend i.S.v. § 3 AGBG 

BGH, Urteil v. 07.03.1996 - IX ZR 43/95  

Amtliche Leitsätze:

1. Auch bei einer Höchstbetragsbürgschaft ist eine formularmäßige Erstreckung der Bürgenhaftung über diejenigen Forderungen hinaus, die Anlaß zur Verbürgung gaben, auf zukünftige Ansprüche des Gläubigers unwirksam.
2. Bei einer Höchstbetragsbürgschaft verstößt eine formularmäßige Erstreckung der Bürgenhaftung über diejenigen Forderungen hinaus, die Anlaß zur Verbürgung gaben, auf alle gegenwärtig bestehenden Ansprüche aus der Geschäftsverbindung des Gläubigers mit dem Hauptschuldner regelmäßig nicht gegen § 9 AGBG. Sie kann aber überraschend i.S. von § 3 AGBG sein.  



Fundstellen:

NJW 1996, 1470
LM H. 8/1996 § 767 BGB Nr. 31/32
MDR 1996, 809
BB 1996, 868
DB 1996, 1081
WM 1996, 766
ZIP 1996, 702
FamRZ 1996, 789



Zentrale Probleme:

Vgl. Anm. zu BGHZ 130, 19 sowie zu BGH NJW 1998, 3708 ff. 



Zum Sachverhalt:

Der Ehemann der Bekl. war Gesellschafter der B-m.b.H. (nachfolgend: GmbH oder Hauptschuldnerin). Diese stand in Geschäftsbeziehungen zur kl. Sparkasse. Am 4. 6. 1986 übernahm die damals 48- oder 49jährige Bekl. - zusammen mit ihrem Ehemann - gegenüber der Kl. eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrage von 500000 DM "zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen" der Kl. gegen die Hauptschuldnerin aus ihrer Geschäftsbeziehung. Am 30. 6. 1986 unterzeichnete die Bekl. eine weitere gleichartige Bürgschaftsurkunde bis zum Betrage von 150000 DM. In der Folgezeit wurde ein gegen die GmbH eingeleitetes Konkursverfahren mangels Masse eingestellt. Die Kl. kündigte die Kredite im Jahre 1991. Sie nimmt die Bekl. als Bürgin wegen eines verbliebenen Schuldsaldos von 215505,49 DM aus einem Kredit in Anspruch, der im Dezember 1986 gewährt wurde. Außerdem verlangt sie von der Bekl. die Freistellung von einer Avalverpflichtung, welche die Kl. im Dezember 1981 für die GmbH gegenüber der Bundesrepublik Deutschland eingegangen war; die Kl. stand damit für die Erfüllung eines Bauauftrags ein und wurde im Jahre 1991 von der Werkbestellerin auf Zahlung von 257992,16 DM in Anspruch genommen. Die auf die Bürgschaften vom Juni 1986 gestützte Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Die Revision der Bekl. hatte Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat allerdings mit Recht die von der Bekl. übernommenen Bürgschaften für wirksam gehalten.
1. Es hat insbesondere einen Verstoß der Bürgschaften gegen § 138 I BGB mit folgender Begründung verneint: Es fehle ein grobes Mißverhältnis zwischen der bei Vertragsschluß vorliegenden und zu erwartenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bekl. und der Höhe der Bürgschaftsschuld. Dies gelte sogar dann, wenn die Bekl. gemäß ihrer - bestrittenen - Behauptung schon 1984 eine weitere Bürgschaft bis zum Betrage von 250000 DM übernommen habe. Die Bekl. habe bei Abgabe der Bürgschaftserklärungen im Juni 1986 in einem festen Arbeitsverhältnis als Bürokraft mit einem Monatseinkommen von 2300 DM gestanden. Darüber hinaus sei sie unstreitig hälftige Miteigentümerin zweier Grundstücke mit einem Verkehrswert von zusammen mindestens 1,15 Mio. DM gewesen. Darauf seien zwar Grundschulden von zusammen 1,075 Mio. DM zugunsten der D-Bank eingetragen gewesen, doch habe die Bekl. nichts zur tatsächlichen Valutierung der Grundpfandrechte vorgetragen. Soweit die Bekl. sich auf weitere jetzige Verpflichtungen von mehr als 10 Mio. DM gegenüber der D-Bank berufe, sei nicht dargetan, inwieweit diese schon im Juli 1986 bestanden hätten. Darüber hinaus sei die Bekl. nicht unerfahren gewesen. Sie habe auch mittelbar ein Eigeninteresse an der Gewährung des verbürgten Darlehens gehabt, weil die GmbH die wirtschaftliche Grundlage der gemeinsamen ehelichen Lebensführung gebildet habe. Endlich habe die Kl. nicht in unzulässiger Weise auf die freie Willensentschließung der Bekl. eingewirkt. Nach ihren eigenen Angaben sei die Bekl. von einem Mitarbeiter der Hauptschuldnerin - nicht der Kl. - zur Abgabe der Bürgschaftserklärungen aufgefordert worden; für eine Kenntnis der Kl. hiervon sei nichts dargetan. Soweit deren Angestellte gegenüber der Bekl. nach deren Behauptung erklärt haben, mit der Bürgschaft werde das immer so gehandhabt, die Bekl. brauche sich hierzu keine Gedanken zu machen, könne das die nicht geschäftsunerfahrene Bekl. nicht zur Unterzeichnung der eindeutigen Bürgschaftstexte veranlaßt haben.
2. Das hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
a) Der Umstand allein, daß eine Ehefrau für ihren Ehemann eine Bürgschaft übernimmt, die sie nicht voll erfüllen kann, macht dieses Rechtsgeschäft noch nicht sittenwidrig. Der Verstoß gegen § 138 I BGB setzt vielmehr stets weitergehende Umstände voraus. Solche Umstände können einmal in der Art liegen, wie auf die Entschließung des Bürgen eingewirkt wurde; zum anderen kann ein Rechtsgeschäft sittenwidrig sein, durch das der Schuldner gegenwärtig und für die Zukunft in eine wirtschaftlich aussichtslose Lage gebracht wird, wenn der Gläubiger sich dieses Umstandes bewußt ist und zusätzliche erschwerende Umstände hinzukommen. Für die Frage, ob eine Ehegattenbürgschaft allein wegen offenkundiger, krasser Überforderung des Bürgen sittenwidrig ist, sind alle bei Vertragsschluß erkennbaren Umstände einschließlich der voraussichtlichen Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners zu berücksichtigen (Senat, NJW 1996, 1274 m.w.Nachw., für BGHZ vorgesehen).
b) Eine unzulässige Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit einer bürgenden Ehefrau ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - nicht schon allein aus dem Umstand, daß Kreditinstitute bei Geschäftskrediten an mittelständische Unternehmer üblicherweise Mitverpflichtungen von deren Ehefrau forderten. Die Revision beruft sich in anderem Zusammenhang selbst auf den Vortrag der Kl., die Kreditgewährung hier nicht von einer Mitverpflichtung der Bekl. abhängig gemacht zu haben. Die Bekl. bestreitet auch nicht, daß die GmbH im Juni 1986 noch ein "gesundes Unternehmen" war, so daß eine entsprechende Äußerung des damaligen Vorstands der Kl. nicht irreführend oder verharmlosend gewesen wäre. Dem steht nicht die Behauptung der Bekl. entgegen, die GmbH habe das Geld damals "dringend zur Bewältigung eines Liquiditätsengpasses" benötigt; denn derartige Lagen können auch bei wirtschaftlich gesunden Unternehmen vorübergehend auftreten. Das BerGer. hat ferner unanfechtbar ausgeschlossen, daß die - im Betriebe der GmbH selbst tätige - Bekl. sich von verharmlosenden Äußerungen habe beeinflussen lassen, daß sie sich also über das Risiko einer Bürgschaft nicht klar gewesen wäre. Wenn die Kl. die Bürgschaft hier erst nach der Auszahlung des Darlehens gefordert hat, so hat sie damit die Bekl. ebenfalls nicht in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt. Die Grundsätze des Senatsurteils vom 2. 11. 1995 (NJW 1996, 513 = LM H. 4/1996 § 138 (Bc) BGB Nr. 85 = ZIP 1996, 65 (66f.)) greifen nicht ein. Zum einen ist die Kl. mit der sofortigen Auszahlung der Darlehensvaluta - vor Abschluß aller formalen Voraussetzungen - nur dem dringenden Bedürfnis der GmbH nach Überwindung des Liquiditätsengpasses entgegengekommen. Zum anderen ist nicht dargetan, daß die GmbH im Sommer 1986 nicht zu einer Umschuldung in der Lage gewesen wäre, wenn die Bekl. die Bürgschaft verweigert und die Kl. daraufhin den bereits ausbezahlten Kredit wieder gekündigt hätte. Nach dem eigenen Vorbringen der Bekl. sollten die Kredite der Kl. lediglich diejenigen der D-Bank ergänzen. Darüber hinaus ist nicht einmal behauptet, daß die Kl. mit einer Kreditkündigung für den Fall gedroht hätte, daß die Bekl. keine Bürgschaft übernehmen würde. Auf die Verpflichtungen der Bekl. gegenüber der D-Bank kommt es hier nicht entscheidend an. Weitere Verbindlichkeiten des in Aussicht genommenen Bürgen braucht jeder Kreditgeber allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn er sie kennt oder sie sich ihm aufdrängen. Dafür ist im vorliegenden Fall nichts dargetan. Die Behauptung der Bekl., der Vorstand der Kl. habe Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin gegenüber der D-Bank in Höhe von 3,5 Mio. DM gekannt, reicht nicht aus. Es steht schon nicht fest, daß es allgemeine Übung von Kreditgebern ist, die an mittelständische Unternehmer ausgereichten Darlehen durch Bürgschaften von deren Ehefrauen sichern zu lassen. Im Gegenteil beruft sich die D-Bank in ihrem - von der Bekl. vorgelegten - Schreiben vom 1. 7. 1991 auf eine Bürgschaft, welche die Bekl. am 28. 1. 1988 übernommen hat, also erst nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt. Zudem war die D-Bank, im Gegensatz zur Kl., durch erstrangige Grundschulden von mehr als 1 Mio. DM an den im Miteigentum der Bekl. stehenden Grundstücken gesichert. Eine darüber hinausgehende persönliche Verpflichtung der Bekl. schon im Juni 1986 drängte sich für die Kl. nicht auf. Ferner läßt sich nicht einmal jetzt der objektiv rechtswirksame Umfang der Bürgenschuld der Bekl. gegenüber der D-Bank zuverlässig übersehen. Aus dem Schreiben der Rechtsanwälte der D-Bank vom 15. 7. 1991 ergibt sich, daß die Bürgschaft der Bekl. "betragsmäßig unbegrenzt" war. Eine solche Verpflichtung wäre allenfalls im Umfange derjenigen Darlehen wirksam, deren Gewährung Anlaß zur Bürgschaftsübernahme war (s. unten II 1a); dazu ist nichts vorgetragen. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob eine Bürgschaft der Bekl. in der von der D-Bank geltend gemachten Höhe gem. § 138 I BGB nichtig wäre. Die gegenüber der Kl. eingegangenen Bürgschaften überforderten die Bekl. nach den im Juni 1986 erkennbaren Umständen nicht in einer Weise, daß die Bekl. bei Inanspruchnahme dadurch offensichtlich in eine ausweglose wirtschaftliche Lage gebracht werden würde. Auf die von der Revision angegriffene Annahme des BerGer., von der Bekl. sei notfalls eine Vollzeitarbeit zu erwarten gewesen, kommt es insoweit nicht entscheidend an. Im Gegensatz zur D-Bank war die Kl. nicht durch Grundpfandrechte am Miteigentum der Bekl. gesichert. Sie durfte deshalb bei wirtschaftlichem Denken eine Verpflichtung der Bekl. auch in einer Höhe fordern, die notfalls einen Zugriff auf den Wert ihrer Miteigentumshälfte an den beiden Grundstücken ermöglichte. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es insoweit nicht auf die genaue Höhe der eingetragenen Belastungen einschließlich der Grundschuldzinsen an: Die Bürgschaft wurde für die Zukunft angefordert. Die künftige Entwicklung der Grundstücksbelastungen war aber nicht abzusehen. Die Grundpfandgläubigerin konnte möglicherweise abgefunden werden. Für die Kl. war allein entscheidend, daß der Bekl. ein potentiell erheblicher Vermögenswert gehörte, der in die Haftung einbezogen werden konnte. Auf der anderen Seite kommt es - entgegen der Auffassung des BerGer. und der Revision - aus Rechtsgründen nicht entscheidend auf die Bürgschaft von 250000 DM an, welche die Bekl. nach ihrer Behauptung schon am 19. 9. 1984 gegenüber der Kl. übernommen hat. Denn es ist nicht dargetan, daß dieses akzessorische (§ 767 I 1 BGB) Sicherungsmittel noch im Juni 1986 wirksam war. Die Kl. beruft sich darauf nicht. Aus Anlaß welcher Kreditgewährung die Bürgschaft übernommen wurde, ist nicht dargetan, erst recht nicht, daß der gesicherte Kredit im Juni 1986 noch offenstand. Soweit die formularmäßige Bürgschaft auch für künftige Verbindlichkeiten übernommen worden sein soll, wäre sie in diesem Umfange gem. § 9 AGBG unwirksam gewesen (s. unten II 1). Soweit sie andererseits möglicherweise noch andere ältere Verbindlichkeiten - insbesondere die von der Kl. übernommene Avalbürgschaft (s. unten II 2) - absicherte, ging eine solche Wirkung keinesfalls über diejenige der im Juni 1986 übernommenen Bürgschaften hinaus. Durch Bürgschaften über zusammen 650000 DM wird die halbtags erwerbstätige Ehefrau eines mittelständischen Unternehmers, der ein Grundvermögen im Wert von mindestens 575000 DM (ohne die eingetragenen Belastungen) gehört, nicht offenkundig hoffnungslos überfordert.
II. Es ist aber bisher nicht dargetan, daß der Kl. gegen die Hauptschuldnerin Forderungen zustehen, die durch die Bürgschaften der Bekl. gesichert werden (§ 767 I 1 BGB).
1. Die Bekl. ist ihre Verpflichtungen im Juni 1986 eingegangen. Demgegenüber stützt die Kl. ihren Zahlungsantrag ausdrücklich auf ein im Dezember 1986 gewährtes Darlehen. Dieses könnte selbständig von den Bürgschaften nur gesichert werden, wenn die darin enthaltenen formularmäßigen Erklärungen, die Verpflichtung werde auch für künftige Forderungen der Kl. übernommen, wirksam wäre. Das ist nicht der Fall.
a) Wird dem Hauptschuldner ein betragsmäßig begrenzter Kontokorrentkredit gewährt, verstößt die formularmäßige Ausdehnung der Bürgschaft über das Kreditlimit hinaus gegen § 9 II Nr. 1 und 2 AGBG (Senat, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = LM H. 11/1995 § 765 BGB Nr. 99/100/101 = WM 1995, 1397 (1401f.); vgl. auch BGH, NJW 1996, 249 = LM H. 3/1996 § 607 BGB Nr. 156 = WM 1995, 2180 (2181)). Eine Formularklausel, welche die Bürgenhaftung über die Forderungen hinaus, die den Anlaß zur Verbürgung bildeten, auf alle zukünftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung des Gläubigers mit dem Hauptschuldner ausdehnt, ist insoweit unwirksam (Senat, NJW 1996, 924 = LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 105, z. Veröff. in BGHZ bestimmt), weil sie mit dem Leitbild des § 767 I 3 BGB nicht vereinbar ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Bürgschaft - wie hier - auf einen Höchstbetrag begrenzt ist oder nicht. Denn die gesetzliche Leitentscheidung des § 767 I 3 BGB gilt für beide Fälle gleichermaßen (§ 9 II Nr. 1 AGBG). Zudem werden vertragswesentliche Rechte des Bürgen nicht nur dadurch ausgehöhlt (§ 9 II Nr. 2 AGBG), daß er für einen höheren Betrag haftet, als es dem Anlaß seiner Bürgschaftsübernahme entspricht, sondern auch dadurch, daß er für andere als die veranlaßten Verbindlichkeiten einzustehen hat: Deren Tilgungsdauer oder zusätzliche Besicherung kann ebenso abweichen wie der Zweck einschließlich des damit verbundenen Ausfallrisikos. Zudem kann sich die Bonität des Hauptschuldners in der Zeit nach Übernahme der Bürgschaft verschlechtern. Das aktuelle Sicherungsbedürfnis des Gläubigers bei Übernahme der Bürgschaft bildet deshalb grundsätzlich die Obergrenze der Bürgschaftsverbindlichkeit. Diese beschränkte Wirksamkeit der den Haftungsumfang betreffenden Formularklausel gilt bereits im Streitfall, obwohl der Senat die Bestimmung früher in weiterem Umfang als gültig angesehen hat. Der mit der Entscheidung verbundenen Rückwirkung auf einen in der Vergangenheit liegenden, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt stehen verfassungsrechtliche Gründe nicht entgegen (vgl. Senat, NJW 1996, 924 = LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 105; NJW 1996, 1467 (in diesem Heft), jew. f. BGHZ bestimmt). Das Zivilgericht entscheidet über die widerstreitenden Interessen von Privatpersonen in Einzelfällen. Dabei ist das Vertrauen der einen Partei auf Fortbestand einer ihr günstigen Rechtsprechung nicht grundsätzlich schutzwürdiger als das Vertrauen der anderen Partei darauf, ihr Interesse aufgrund der nunmehr als richtig erkannten Rechtslage in dem durch den Streitgegenstand begrenzten Umfang durchsetzen zu können. Daß die Entscheidung möglicherweise auch Auswirkungen auf weitere Rechtsbeziehungen der unterliegenden Partei zu Dritten hat, rechtfertigt es - von Fällen des § 242 BGB abgesehen - regelmäßig nicht, die Belange der sich objektiv im Recht befindlichen Einzelpartei zurücktreten zu lassen. Erst recht gilt dies, wenn um die Unwirksamkeit von Formularklauseln aufgrund des AGB-Gesetzes gestritten wird. Insoweit hat der Gesetzgeber das Risiko gezielt dem Verwender auferlegt.
b) Die Parteien tragen nicht vor, aus welchem Anlaß die Bekl. die Bürgschaft in Höhe von 150000 DM am 30. 6. 1986 übernommen hat. Zu dieser Zeit soll das am Monatsanfang verbürgte Darlehen von 500000 DM schon ausgezahlt gewesen sein. Die Unklarheit über das verbürgte Risiko gereicht der Kl. zum Nachteil. Denn der Gläubiger, der den Bürgen in Anspruch nimmt, hat im Hinblick auf § 767 I 1 BGB darzutun und zu beweisen, daß die (akzessorische) Bürgschaft sich gerade auf die geltend gemachte Hauptschuld erstreckt.
c) Andererseits behauptet die Revisionserwiderung - im Anschluß an die geänderte Senatsrechtsprechung (s.o. II 1a) -, die Bürgschaft der Bekl. vom 4. 6. 1986 über 500000 DM sei an demselben Tage unterschrieben worden, an dem die Kl. der GmbH einen Kontokorrentkredit von 500000 DM auf das Konto gewährt habe. Dies sei der Anlaß für die Bürgschaftsübernahme gewesen. Auf demselben Konto sei am 22. 12. 1986 der Kredit auf einen Höchstbetrag von 1 Mio. DM erhöht worden. Der Restbetrag aus diesem Kontokorrentkredit werde mit der Klage geltend gemacht. Trifft das zu, so stünde noch dieselbe Darlehensverbindlichkeit offen, für die sich die Bekl. - wenngleich nicht in der vollen Höhe zum Jahresende 1986 - verbürgt hat. In diesem Falle wirkt die summenmäßig begrenzte Bürgschaft wie eine für eine einheitliche Hauptschuld erteilte Höchstbetragsbürgschaft. Denn auf zukünftige Kredite erstreckt sich die Verpflichtung des Bürgen, soweit jene Forderungen schon den Anlaß für die Haftungsübernahme bildeten und zu diesem Zeitpunkt bereits - auch für den Bürgen erkennbar - nach Gegenstand und Umfang hinreichend bestimmt waren (vgl. Senat, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = LM H. 11/1995 § 765 BGB Nr. 99/100/101 = WM 1995, 1397 (1402); NJW 1996, 924 = LM H. 6/1996 § 765 BGB Nr. 105). Im vorliegenden Fall ist die Bürgschaft nicht für einen Einzelkredit gegeben worden, welcher vereinbarungsgemäß beständig zu tilgen war; eine solche Bürgschaft würde allerdings eine spätere Erhöhung nicht sichern. Statt dessen hat die Bekl. die Bürgschaft nach dem Vortrag der Kl. gerade für einen Kontokorrentkredit bis zur Höhe von 500000 DM übernommen. Dessen offenkundiger Zweck ist es, durch ständige teilweise Rückführung und erneute Inanspruchnahme immer wieder verändert zu werden. Dieses Risiko begrenzt der Bürge durch den festgesetzten Höchstbetrag. Der von der Kl. hier als offenstehend eingeklagte Restbetrag ist niedriger als die Bürgschaftssumme. Sofern die Kontobeziehung nicht zwischenzeitlich beendet worden ist - was die Bekl. darzutun hätte -, muß diese für den Restbetrag des geltend gemachten Darlehens einstehen.
2. Den Freistellungsantrag stützt die Kl. auf eine eigene Avalverpflichtung, die sie bereits im Jahre 1981 eingegangen war. Es handelte sich also im Zeitpunkt der Übernahme beider Bürgschaften durch die Bekl. (Juni 1986) um eine schon als möglich bestehende Rückgriffsforderung der Kl. gegen die Hauptschuldnerin. Daß diese Forderung noch durch die Inanspruchnahme von seiten des Auftraggebers bedingt war, steht nicht nur nach dem Inhalt der Bürgschaftsurkunde, sondern auch gem. § 765 II BGB nicht entgegen.
a) Es verstößt nicht gegen § 9 AGBG, wenn die Kl. die Bekl. auch wegen dieser Hauptschuld aus den Bürgschaften in Anspruch nimmt. Insoweit fällt hier schon ins Gewicht, daß beide Bürgschaften von Anfang an auf Höchstbeträge begrenzt waren. Die Vereinbarung eines Höchstbetrags der Haftung beschränkt das Risiko des Bürgen bereits in erheblichem Maße und läßt ihn hinsichtlich einer Eingrenzung auch der gesicherten Forderungen als weniger schutzbedürftig erscheinen (Horn, in: Festschr. f. Merz, S. 217 (218f., 227)). Ein Verstoß gegen § 767 I 3 BGB kommt der Sache nach nicht in Betracht. Zudem erstreckt sich die Haftung des Bürgen nur auf solche Hauptschulden, die er im Zeitpunkt der Abgabe seiner Bürgschaftserklärungen aufgrund von Erkundigungen erfahren konnte. Danach kann es hier offen bleiben, ob eine summenmäßig nicht begrenzte formularmäßige Bürgschaft, die alle bestehenden Hauptschulden sichern soll, trotz § 767 I 1 BGB und § 9 AGBG auch solche Verbindlichkeiten erfaßt, die nicht Anlaß zur Verbürgung waren.
b) Eine Schranke setzt aber in jedem Falle § 3 AGBG. Eine formularmäßige Bürgschaftserklärung, mit der die Haftung auf alle bestehenden (und künftigen) Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus einer bankmäßigen Geschäftsbeziehung erweitert wird, kann allgemein überraschend sein und deshalb nicht Vertragsbestandteil werden, wenn die Bürgschaft aus Anlaß der Gewährung eines bestimmten Kontokorrentkredits übernommen wird (Senat, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = LM H. 11/1995 § 765 BGB Nr. 99/100/101 = WM 1995, 1397 (1398f.); vgl. zur Grundschuld auch BGH, NJW 1996, 191 = LM H. 3/1996 HWiG Nr. 21 = WM 1995, 2133 (2134)). Eine summenmäßige Begrenzung der Bürgschaft ändert daran nichts (ebenso OLG Rostock, WM 1995, 1533 (1535)): Wer für einen Kontokorrentkredit bis zu einem bestimmten Betrage bürgen will, kann trotz Einhaltung dieses Limits überrascht werden, wenn er für einen Kredit einstehen soll, der aus anderem Anlaß gewährt wurde. Die unterschiedlichen Bedingungen des weiteren Kredits können den Bürgen zudem stärker oder anders belasten. Nach dem Vortrag der Bekl. ist sie zur Bürgschaftsübernahme aufgefordert worden, um der GmbH aus einem drängenden Liquiditätsengpaß zu helfen. Dies könnte dafür sprechen, daß sich die Bekl. bestimmte Vorstellungen vom Zweck ihrer Interzession gemacht hat. Mit einer beabsichtigten Hilfe aus einer kurzfristigen Notlage wäre es kaum zu vereinbaren, die Bekl. auch für eine seit fünf Jahren bestehende und auf zehn Jahre befristete Avalbürgschaft einstehen zu lassen, aus der eine Inanspruchnahme im Jahre 1986 noch nicht abzusehen war.
III. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden (§ 565 ZPO). Die Klage ist derzeit aufgrund einer Änderung der Senatsrechtsprechung nicht (mehr) schlüssig, die erst nach Erlaß des Berufungsurteils eingetreten ist (s. o. II). Der neue Vortrag der Kl. hierzu (o. II 1c) kann im Revisionsrechtszug nicht berücksichtigt werden. Ihr ist aber gem. § 139 ZPO Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag umfassend auf die Rechtslage, wie sie sich nunmehr richtigerweise darstellt, einzurichten. Zu diesem Zweck und für die dadurch möglicherweise nötig werdende Tatsachenfeststellung ist der Rechtsstreit an das BerGer. zurückzuverweisen. Diesem wird die Kl. auch darzulegen haben, aus welchen der beiden fraglichen Bürgschaften sie jeweils Forderungen herleitet.  


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