Wahlrecht des Käufers zwischen
Wandelung/Minderung bis zum Einverständnis des Verkäufers (ius
variandi), nachträgliche Vereinbarung eines Nachbesserungsrechts,
kein Verlust der Gewährleistung bei eigenmächtiger Nachbesserung
durch den Verkäufer
BGH, Urteil v. 19.06.1996 - VIII ZR 252/95
Fundstellen:
NJW 1996, 2647
LM H. 10/1996 § 462 BGB Nr. 8
WM 1996, 1915
LM § 462 BGB Nr. 8
BB 1996, 1688
DB 1996, 2276
Fortsetzung
des Falles: BGH NJW 1998, 677 (Unwirksamkeit der Nachbesserungsklausel
im kaufmännischen Verkehr nach § 9 AGBG, Weiterführung von
BGH NJW 1996, 2504).
Für eine ähnliche Problematik unter neuem Kaufrecht s. jetzt
BGH NJW 2009, 508.
Amtl. Leitsatz:
Wird der Mangel einer gekauften Sache durch
eine - vertraglich nicht vereinbarte - Nachbesserung bis zum Vollzug der
Wandelung zwar erfolgreich, aber ohne Zustimmung des Käufers, also
eigenmächtig beseitigt, so bleibt das Wandelungsrecht des Käufers
unberührt.
Zum Sachverhalt:
Die Parteien streiten über den Kaufpreis für
einen Baggerlader, den die Bekl. am 9. 9. 1992 bei der Kl. gekauft hat.
Der Bagger wurde am 18. 9. 1992 geliefert. Bereits am 22. 9. 1992 erklärte
die Bekl. die Wandelung des Kaufvertrages, weil es sich entgegen der vertraglichen
Vereinbarung nicht um ein Neufahrzeug, sondern um einen gebrauchten Bagger
gehandelt habe und der Hydraulikstempel verzogen gewesen sei. Zugleich
forderte sie die Kl. auf, das Fahrzeug bis spätestens 25. 9. 1992
abzuholen, andernfalls werde sie es "entsorgen" lassen. Die Kl. kam dieser
Aufforderung jedoch nicht nach, sondern wechselte am 24. 9. 1992 den defekten
Hydraulikzylinder aus. Der Bagger befindet sich nach wie vor im Besitz
der Bekl.
Das LG hat der Klage auf Zahlung des Kaufpreises
von 115710 DM in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl.
hat das OLG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat ausgeführt:
Es könne offenbleiben, ob der gelieferte
Baggerlader fabrikneu gewesen sei. Jedenfalls sei der Hydraulikstempel
des Löffelstielzylinders mangelhaft gewesen, weil er entweder bereits
bei der Anlieferung einen Defekt aufgewiesen oder beim ersten Gebrauch
einen Schaden erlitten habe; auch im letzteren Fall liege ein Fabrikationsfehler
und damit ein Mangel vor, auf den die Bekl. ihre Wandelungseinrede jetzt
noch stützen könne. Die ohne ihre Zustimmung und ohne entsprechende
vertragliche Vereinbarung vorgenommene Nachbesserung habe die Bekl. nicht
zu akzeptieren brauchen. Von ihrem Recht zur Wandelung habe sie mit dem
Schreiben vom 22. 9. 1992 Gebrauch gemacht.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen
Überprüfung in dem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Zutreffend geht das BerGer. allerdings davon
aus, der Schaden an dem Hydraulikstempel des Löffelstielzylinders
habe einen Mangel i.S. des § 459 I BGB dargestellt, der die Bekl.
gem. § 462 BGB zur Wandelung berechtigt habe. Zu Recht hat das BerGer.
weiter angenommen, es komme nicht darauf an, ob der Defekt bereits im Zeitpunkt
der Lieferung vorhanden gewesen oder nachträglich beim ersten Gebrauch
des Baggers entstanden sei; auch dann sei er nämlich auf einen Fabrikationsfehler
zurückzuführen. Dies alles zieht auch die Kl. nicht ernsthaft
in Zweifel.
2. a) Mit Erfolg beanstandet die Revision jedoch
als Verstoß gegen § 286 ZPO, daß das BerGer. ohne Berücksichtigung
des Ergebnisses der Beweisaufnahme angenommen hat, die Bekl. habe der von
der Kl. am 24. 9. 1992 - also nach der Wandelungserklärung vom 22.
9. 1992 - durchgeführten Nachbesserung nicht zugestimmt. Zwar ist
eine Zustimmung nicht ausdrücklich erklärt worden. Das BerGer.
hat aber eine Würdigung der Beweisaufnahme unterlassen, statt in Erwägung
zu ziehen, ob nicht unter Zugrundelegung der Aussage des von ihm vernommenen
Zeugen Sein schlüssiges Einverständnis der Bekl. mit der Instandsetzung
vorgelegen hat.
Der Zeuge hat bei seiner Befragung durch das BerGer.
erklärt, er habe am 24. 9. 1992 an dem bei der Bekl. abgestellten
Bagger den Löffelstielzylinder ausgetauscht; dies habe etwa eine Dreiviertelstunde
gedauert. Währenddessen sei der Inhaber der Bekl. hinzugekommen und
habe in seiner - des Zeugen - Gegenwart eine Videoaufnahme gefertigt. Diese
Bekundungen hätte das BerGer. unter Berücksichtigung aller maßgebenden
Umstände tatrichterlich werten müssen. Daran fehlt es.
Die Aussage des Zeugen S läßt keine
Anhaltspunkte für die Annahme erkennen, der Inhaber der Bekl. habe
der in seiner Gegenwart vorgenommenen Nachbesserung ausdrücklich oder
sonst erkennbar widersprochen. Wenn er sich statt dessen auf die fotographische
Dokumentation des Reparaturvorganges beschränkte, erscheint es nicht
ausgeschlossen, daß die Kl. dies als Zustimmung zur Nachbesserung
auffassen durfte. Wollte er sich die Befugnis zur Wandelung offenhalten,
so wäre möglicherweise zu erwarten gewesen, daß er dies
zumindest durch einen entsprechenden Vorbehalt zum Ausdruck gebracht hätte.
Andererseits wird vom BerGer. bei der Würdigung dieses Verhaltens
auch in Betracht zu ziehen sein, daß die Bekl. kurz zuvor, nämlich
am 22. 9. 1992, eindeutig die Wandelung des Kaufvertrages verlangt hatte.
b) Durch eine mit Wissen und Einverständnis
der Bekl. erfolgte Mängelbeseitigung wäre das Wandelungsrecht
der Bekl. erloschen.
Das BerGer. hat die Rechtsnatur der Wandelungserklärung
verkannt. Die Wandelung ist - ungeachtet des Theorienstreits im einzelnen
(vgl. H. P. Westermann, in: MünchKomm, BGB, 3. Aufl., § 462 Rdnrn.
2ff.) - kein einseitiges Gestaltungsrecht des Käufers. Vielmehr setzt
der Vollzug der Wandelung das Einverständnis des Verkäufers (§
465 BGB) oder dessen Ersetzung durch gerichtliche Entscheidung voraus (Senat,
NJW 1990, 2680 = LM § 465 BGB Nr. 8 = BGHRBGBB § 465 Wandelungsvollziehung
1; ebenso u.a. Palandt/Putzo, BGB, 55. Aufl., § 462 Rdnr. 12). Bis
dahin kann der Käufer grundsätzlich nach seinem freien Ermessen
zu einem anderen Gewährleistungsanspruch übergehen (BGHZ 29,
148 (156f.) = NJW 1959, 620 = LM § 463 BGB Nr. 4; Senat, NJW 1990,
2680 = LM § 465 BGB Nr. 8). Eine Grenze findet diese Wahlfreiheit
("ius variandi") nur in dem Gebot von Treu und Glauben. Im übrigen
bleibt es den Kaufvertragsparteien jederzeit unbenommen, die streitige
Angelegenheit einvernehmlich zu regeln und dem Verkäufer noch nachträglich
ein Nachbesserungsrecht einzuräumen.
c) Nach den Feststellungen des BerGer. ist davon
auszugehen, daß der bei der Übergabe des Baggerladers bestehende
Mangel in Gestalt des defekten Löffelstielzylinders durch den Einbau
des neuen Zylinders behoben ist. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob
bei einem Streit über die Berechtigung der Wandelung der Sachmangel,
auf den das Wandelungsverlangen gestützt wird, im Zeitpunkt des Vollzugs
der Wandelung noch vorliegen muß (offengelassen auch im Urteil des
Senats, BGHZ 90, 198 (204) = NJW 1984, 2287 = § 242 (Cd) BGB Nr. 257
m.Nachw.). Jedenfalls dann, wenn der Mangel durch eine - vertraglich nicht
vereinbarte - Nachbesserung bis zum Vollzug der Wandelung zwar erfolgreich,
aber ohne Zustimmung des Käufers, also eigenmächtig beseitigt
worden ist, bleibt das Wandelungsrecht des Käufers unberührt.
Hat hingegen eine im Einverständnis des Käufers durchgeführte
Nachbesserung zur vollständigen Behebung des Mangels geführt,
so ist damit der Wandelung der Boden entzogen.
Für die Entscheidung des vorliegenden Falles
kommt es deshalb nach den bisherigen Feststellungen des BerGer. darauf
an, ob das Verhalten des Geschäftsführers der Bekl. bei der von
der Kl. vorgenommenen Nachbesserung als stillschweigende Zustimmung zu
werten ist. Mit dem Austausch des defekten Hydraulikstempels hatte die
Kl. den einzigen vom BerGer. festgestellten Mangel beseitigt. Für
das Revisionsverfahren ist daher davon auszugehen, daß nach der Nachbesserung
vom 24. 9. 1992 ein weiterer, i.S. des § 459 I BGB relevanter Fehler
nicht mehr vorhanden war.
3. Der Einwand der Bekl., mit der Erklärung
des Zeugen S vom 18. 9. 1992, daß die Bekl. wegen des Fehlers einen
völlig neuen Bagger bekommen solle, sei die Wandelung bereits vereinbart
und vollzogen, greift schon deshalb nicht durch, weil die Parteien auch
durch eine derartige Vereinbarung nicht gehindert waren, sich später
auf eine Nachbesserung zu einigen (vgl. o. zu II, 2b).
III. Auf die Revision der Kl. war daher das Berufungsurteil
aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an
das BerGer. zurückzuverweisen (§ 565 I ZPO), damit unter Würdigung
der erhobenen Beweise die noch fehlenden Feststellungen getroffen werden
können. Soweit erforderlich, wird das BerGer. auch die bisher von
ihm offengelassene Frage zu prüfen haben, ob das Fahrzeug fabrikneu
war oder nicht.
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