Anwendbarkeit des VerbrKrG auf Schuldbeitritt zu Existenzgründungskredit 

BGH, Urteil v. 28.01.1997  - XI ZR 251/95  

Amtlicher Leitsatz

Das Verbraucherkreditgesetz ist auf den Schuldbeitritt zu einem Existenzgründungskredit, nicht aber auf die Bestellung eines diesen Kredit sichernden Grundpfandrechts durch den Beitretenden oder einen Dritten entsprechend anwendbar.  


Fundstellen:

NJW 1997, 1442
WM 1997, 663
ZIP 1997, 643
DB 1997, 824
BB 1997, 807
MDR 1997, 438
JABl 1997, 737

Vgl. auch BGHZ 133, 71


Zentrale Probleme:

s. Anm. zu BGH NJW 2000, 3496



Zum Sachverhalt:

Die Kl. zu 2 wendet sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde; außerdem begehrt sie die Feststellung, daß der Bekl. gegen sie keine Ansprüche aus einer Schuldmitverpflichtung zustehen, die sie für einen Darlehensrückzahlungsanspruch des Kl. zu 1 übernommen hat, und daß die Grundschuldbestellung unwirksam ist. Der Kl. zu 1 schloß mit der Bekl. am 17. 11. 1991 einen Ratenkreditvertrag über 225282 DM. Mit dem Kredit wollte er einen Sattelzug für ein zu gründendes Fuhrunternehmen kaufen. Die Kl. zu 2 übernahm im Kreditvertrag die gesamtschuldnerische Haftung. Als Sicherheit für den Kredit übereignete der Kl. zu 1 den gekauften Sattelzug und trat einen Anspruch auf Mehrwertsteuerrückvergütung an die Bekl. ab; die Kl. zu 2 bestellte am 19. 11. 1991 an ihrem Grundstück eine Grundschuld in Höhe von 40000 DM und unterwarf sich der Zwangsvollstreckung daraus. Da der Kredit trotz mehrfacher Mahnung ab Mitte 1992 nicht mehr bedient wurde, kündigte ihn die Bekl. am 14. 7. 1993, verwertete den Sattelzug und zog den Mehrwertsteuerrückvergütungsanspruch ein. Der Kredit war danach noch in Höhe von 173374,08 DM offen. Zur Einleitung der Zwangsvollstreckung hat die Bekl. die vollstreckbare Grundschuldbestellungsurkunde zustellen lassen. Die Kl. zu 2 hält ihren Schuldbeitritt im Kreditvertrag wegen Verstoßes gegen das Verbraucherkreditgesetz sowie wegen Sittenwidrigkeit - infolgedessen auch die Grundschuldbestellung - für unwirksam. Das BerGer. hat dem Begehren des Kl. zu 1, die Unwirksamkeit der Grundschuldbestellung festzustellen, und seiner Vollstreckungsabwehrklage stattgegeben, weil die vom Kl. zu 1 als Nichteigentümer des Grundstücks im Zusammenhang mit der Grundschuldbestellung abgegebenen Erklärungen "ins Leere" gegangen seien; im übrigen hat das BerGer. das klageabweisende Urteil des LG bestätigt. Die dagegen gerichtete Revision des Kl. zu 1 hat der erkennende Senat nicht angenommen. Die Kl. zu 2 ver- folgte mit der Revision ihr Klagebegehren weiter und hatte damit zum überwiegenden Teil Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Das BerGer. hält den Schuldbeitritt der Kl. zu 2 zu der sich aus einem Existenzgründungsdarlehen ergebenden Rückzahlungsverpflichtung des Kl. zu 1 für wirksam: Auf den Kreditvertrag sei das Verbraucherkreditgesetz nicht anwendbar (§ 3 I Nr. 2 VerbrKrG). Da dieser Vertrag - auch bezüglich des Schuldbeitritts - "nach einheitlichen rechtlichen Kriterien" zu beurteilen sei, könne die Kl. zu 2 sich nicht auf Formmängel (§ 6 VerbrKrG) berufen. Ihre auf Feststellung der Nichtigkeit der Grundschuldbestellung gerichtete Klage sei unzulässig, weil sie die Löschung der Grundschuld durch Leistungsklage begehren könne. Da sie gegen die Vollstreckbarkeit des notariellen Titels keine Einwendungen erheben könne, sei ihre Vollstreckungsabwehrklage unbegründet.
2. Diese Begründung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des BerGer. ist der Kreditvertrag im Hinblick auf die Mitverpflichtung der Kl. zu 2 wegen Formmangels unwirksam (§§ 4 I 2 Nr. 1, 6 I VerbrKrG i.d.F. vom 17. 12. 1990). Das BerGer. geht irrig davon aus, daß im vorliegenden Fall das Verbraucherkreditgesetz nicht auf den Schuldbeitritt anwendbar sei, weil die Beurteilung nach "einheitlichen rechtlichen Kriterien", also eine Gesamtbetrachtung, ergebe, daß es sich auch im Verhältnis zur Kl. zu 2 um ein Existenzgründungsdarlehen i.S. von § 3 I Nr. 2 VerbrKrG handele. Für den Schuldbeitritt zu einem gewerblichen Kredit hat der BGH bereits entschieden, daß im Wege der Einzelbetrachtung auf das Verhältnis des Kreditgebers zu dem jeweiligen Mitverpflichteten abzustellen ist, die - entsprechende - Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes auf die Mitverpflichtung also nicht ausgeschlossen ist, wenn der Kreditnehmer, dem die Kreditmittel zur Verfügung gestellt werden, diese zu gewerblichen Zwecken einsetzt. Entscheidend ist, ob in der Person des Mitverpflichteten die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes erfüllt sind (vgl. BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = LM H. 10/1996 § 1 VerbrKrG Nr. 5 = WM 1996, 1258; NJW 1996, 2865 = LM H. 1/1997 § 1 VerbrKrG Nr. 6 = WM 1996, 1781; Senat, NJW 1997, 654 = LM H. 4/1997 § 1 VerbrKrG Nr. 7 = ZIP 1997, 158 - z. Veröff. in BGHZ vorgesehen). Für den Fall eines Existenzgründungsdarlehens kann schon im Interesse einer Vermeidung von Wertungswidersprüchen nichts anderes gelten. Auch hier ist darauf abzustellen, ob der Mitverpflichtete als Verbraucher im Sinne des Verbraucherkreditgesetzes anzusehen ist. Da in der Person der Kl. zu 2 die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes vorliegen, ist für die Beurteilung der Wirksamkeit ihrer Schuldmitverpflichtung von § 4 I 2 VerbrKrG in der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung auszugehen. Nach dieser Vorschrift müssen im Kreditvertrag Angaben zur Höhe des Nettokredits, zum Zinssatz und zu den sonstigen, im einzelnen zu bezeichnenden Kosten enthalten sein. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Höhe des Nettokredits ist nicht genannt; außerdem ist das sich erst aus einem Tilgungsplan vom 16. 12. 1991 ergebende Aufgeld von insgesamt 2199,32 DM nicht aufgeführt. Der Vertrag ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 6 I VerbrKrG a.F. unwirksam. Er ist auch nicht im Hinblick auf die Mitverpflichtung der Kl. zu 2 nach § 6 II VerbrKrG a.F. gültig geworden, weil der Kredit nicht an die Kl. zu 2, sondern dem Kl. zu 1 durch auftragsgemäße Überweisung an den Verkäufer des Sattelzugs zur Verfügung gestellt worden ist, also nur er Empfänger des Darlehens i.S. von § 6 II VerbrKrG a.F. ist (vgl. dazu Senat, NJW 1997, 654 = LM H. 4/1997 § 1 VerbrKrG Nr. 7). Der Antrag der Kl. zu 2 festzustellen, daß die Bekl. aus dem Schuldbeitritt keine Ansprüche gegen sie hat, erweist sich somit als begründet.
3. Das BerGer. hat die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Grundschuldbestellung durch die Kl. zu 2 als unzulässig angesehen, weil sie in der Lage sei, durch Leistungsklage die Löschung der Grundschuld zu verlangen. Dieser Auffassung liegt eine Verkennung des Klagebegehrens zugrunde. Die Kl. zu 2 macht nicht einen Rückgewähranspruch mit dem Ziel der Löschung geltend, sondern will die Unwirksamkeit ihrer rechtsgeschäftlichen Erklärungen bei der Grundschuldbestellung festgestellt haben. Eine Klage mit diesem Ziel ist nicht unzulässig; sie hat aber in der Sache keinen Erfolg, so daß das Berufungsurteil insoweit im Ergebnis zutreffend ist. Die Kl. zu 2 hat die Grundschuld zur Sicherung des an den Kl. zu 1 gewährten Kredits bestellt. Gründe dafür, daß dieses Geschäft, bei dem sie als Dritte ein Grundpfandrecht als Sicherungsmittel zur Verfügung stellt, unwirksam ist, sind nicht ersichtlich. Es handelt sich dabei insbesondere nicht um einen Kreditvertrag i.S. von § 1 II VerbrKrG oder ein einem solchen Vertrag gleichstehendes Geschäft; die grundpfandrechtliche Absicherung durch Dritte und die damit verbundene Zweckabrede werden von Zweck des Verbraucherkreditgesetzes nicht erfaßt. Die Gesichtspunkte, die zur Anwendbarkeit des Haustürgeschäftewiderrufsgesetzes auch auf derartige Geschäfte führen, spielen hier keine Rolle.
4. Das BerGer. hat zutreffend angenommen, daß die Kl. zu 2 gegen die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde keine Einwendungen erheben kann und deshalb ihre Vollstreckungsabwehrklage unbegründet ist. Nach der konkludenten Zweckerklärung sichert die Grundschuld das an den Kl. zu 1 ausgezahlte Darlehen. Daß der Bekl. gegen den Kl. zu 1 ein Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von 173374,08 DM zusteht, ist durch Abweisung seiner negativen Feststellungsklage zwischen diesen Parteien rechtskräftig festgestellt. Die Kl. zu 2 hat sich zur Begründung ihrer Vollstreckungsabwehrklage nur auf dieselben, im Berufungsurteil zutreffend abgehandelten Argumente berufen, auf die der Kl. zu 1 seine negative Feststellungsklage gestützt hat; die Ausführungen, die ihre eigene - schon in Analogie zu § 6 I VerbrKrG unwirksame - schuldrechtliche Verpflichtung betreffen, sind im vorliegenden Zusammenhang ohne entscheidende Bedeutung.  



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