Haftung für Rat und Auskunft:
Auskunftsvertrag (Gutachtenvertrag) mit Schutzwirkung für Dritte
BGH, Urteil v. 13.11.1997 - X ZR 144-94
(Frankfurt a. M.)
Fundstelle:
NJW 1998, 1059
Vgl. dazu auch BGHZ
127, 378 = NJW 1995, 392 ff ; s. auch BGH NJW
2002, 3625
Amtl. Leitsätze:
1. Zur Frage, wieweit neben dem auf das
Gutachten vertrauenden Kreditgeber auch der mit diesem zusammenarbeitende,
den Kredit absichernde Bürge in die Schutzwirkungen eines zwischen
Grundeigentümer und Sachverständigem abgeschlossenen Vertrags
über ein Wertgutachten einbezogen ist.
2. Stillschweigende Abbedingung von §
334 BGB bei ungeprüfter Übernahme von Daten des Auftraggebers
(S.L.)
Zum Sachverhalt:
Die Kl. begehrt von der Bekl. als Erbin des verstorbenen
Dipl.Ing. E (im folgenden: früherer Bekl.) aus eigenem und aus
abgetretenem Recht Schadensersatz wegen eines von diesem erstatteten fehlerhaften
Gutachtens. Der frühere Bekl. war öffentlich bestellter und vereidigter
Bausachverständiger. Er hatte für die Eheleute G ein Wertgutachten
über deren Mehrfamilienhausgrundstück in F. erstattet und in
seinem Gutachten vom 30. 1. 1994 den Gebäudewert auf 1,1 Mio. DM,
den Ertragswert auf 1,5 Mio. DM, den mittleren Beleihungswert auf 1,4 Mio.
DM. und den Verkehrswert auf 1,5 Mio. DM geschätzt. Den Gutachtenauftrag
hatte der frühere Bekl. von einer Maklerfirma über deren Geschäftsführer
- beides Streithelfer der Kl. - namens der Eheleute G erhalten. Mit Schreiben
vom 20. 2. 1984 bestätigte der frühere Bekl. der Maklerfirma,
ihm sei bekannt, daß das Wertgutachten für die Kl. verwendet
werden solle. Auf Anfrage der Kl. vom 6. 4. 1984 antwortete der frühere
Bekl. mit Schreiben vom 9. 4. 1984, daß er in Ergänzung "seines
Wertgutachtens" die Verkäuflichkeit des Objekts "derzeit für
gut" einschätze. Die Kl. gewährte den Eheleuten G hierauf Darlehen
im Betrag von 1 Mio. DM gegen eine erstrangige Hypothek von 600 000 DM
sowie eine zweitrangige Hypothek von 400 000 DM. In Höhe der zweitrangigen
Hypothek übernahm die Stadtsparkasse N. zusätzlich eine selbstschuldnerische
Bürgschaft gegenüber der Kl. Der Kredit wurde notleidend. In
dem nach Kündigung des Kredits seitens der Kl. durchgeführten
Zwangsversteigerungsverfahren schätzte der Sachverständige S
den Verkehrswert des Grundstücks auf 790 000 DM. Das Grundstück
wurde am 3. 12. 1986 für 653 000 DM versteigert; der Erlös belief
sich nach Abzug der Kosten auf 647 937,63 DM. Die Stadtsparkasse N. zahlte
auf die Bürgschaft 436 830,94 DM. Die Kl. hat den früheren Bekl.
wegen schuldhaft fehlerhafter Wertschätzung in Anspruch genommen,
und zwar aus eigenem Recht in Höhe von 97 693,37 DM (richtig: 97 692,37
DM), wegen des ihr durch Gewährung nicht ausreichend dinglich gesicherter
Darlehen entstandenen Schadens und aus abgetretenem Recht der Stadtsparkasse
N. in Höhe eines Teilbetrags von 152 306,63 DM (richtig: 152 307,63
DM).
Das LG hat der Klage unter Abweisung im übrigen
in Höhe von 97 692,37 DM stattgegeben. Auf die unselbständige
Anschlußberufung des früheren Bekl. hat das OLG die Klage insgesamt
abgewiesen. Mit der Revision verfolgte die Kl. ihr ursprüngliches
Klageziel weiter. Die Bekl. ist der Revision entgegengetreten; sie beantragte
weiter, ihr als Erbin die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlaß
vorzubehalten. Die Revision hatte Erfolg und führte zur Aufhebung
des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
BerGer.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat einen Anspruch der Kl. gegen
den ursprünglichen Bekl. aus eigenem Recht mit der Begründung
verneint, daß diesem ein Verschulden nicht zur Last falle. Der frühere
Bekl. habe den Wert des Hausgrundstücks nur deshalb zu günstig
geschätzt, weil er falsche Angaben der Eheleute G über den Mietertrag
zugrunde gelegt habe.
Eine Verifizierung dieser Angaben habe nicht erfolgen,
der frühere Bekl. insoweit keinen Verdacht schöpfen müssen.
Im übrigen stünden der Kl., die keinen eigenen Vertrag mit dem
früheren Bekl. geschlossen habe, gegen diesen keine weitergehenden
Ansprüche zu als den Eheleuten G. Diese aber würden treuwidrig
handeln, wenn sie den früheren Bekl., der auf ihre fehlerhaften Angaben
vertraut habe, in Anspruch nähmen. Auch ein Anspruch der Kl. aus abgetretenem
Recht der Sparkasse N. bestehe nicht. Diese sei in den Schutzbereich des
Vertrags nicht einbezogen. Im übrigen scheiterte auch ein Anspruch
aus § 826 BGB an fehlendem Verschulden des früheren Bekl.
II. Die Abweisung der Klage durch das BerGer.
hält einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten
nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung des BerGer. kann eine
Haftung der Bekl. gegenüber der Kl. auf Grund eigener Ansprüche
der Kl. nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht verneint werden.
a) Das BerGer. hat eine unmittelbare vertragliche
Haftung des früheren Bekl. aus positiver Vertragsverletzung eines
mit der Kl. stillschweigend abgeschlossenen Auskunftsvertrags allerdings
im Ergebnis zu Recht verneint. Ein möglicherweise durch das Schreiben
des früheren Bekl. vom 9. 4. 1984 stillschweigend zustande gekommener
Auskunftsvertrag wurde nicht ursächlich für den Abschluß
des Kreditvertrags. Die Kl. hatte bereits mit Schreiben vom 4. 4. 1984
den Eheleuten G eine bindende Kreditzusage erteilt und erst nachträglich
mit Schreiben vom 6. 4. 1984 den früheren Bekl. zur Verkäuflichkeit
befragt. Die Antwort des früheren Bekl. vom 9. 4. 1984 hatte auf die
Kreditzusage keinen Einfluß mehr.
b) Das BerGer. hat die Kl. in den Schutzbereich
des zwischen dem früheren Bekl. und den Eheleuten G geschlossenen
Gutachtenvertrags einbezogen. Wie das BerGer. festgestellt hat, wußte
der frühere Bekl. von der Verwendung seines Gutachtens bei der Kl.
Die Einbeziehung nimmt die Revision als ihr günstig hin. Rechtsfehler
dieser revisionsrechtlich bindenden Vertragsauslegung sind nicht ersichtlich.
In die Schutzwirkung eines Vertrags über
die Erstattung eines Gutachtens durch einen öffentlich bestellten
Sachverständigen zum Wert eines Grundstücks sind alle diejenigen
einbezogen, denen das Gutachten nach seinem erkennbaren Zweck für
Entscheidungen über Vermögensdispositionen vorgelegt werden soll.
Dazu gehörte im vorliegenden Fall die Kl. als potentielle Kreditgeberin
der vorgesehenen Kreditmaßnahme (Umschuldung). Entsprechend dem Zweck
des Gutachtens, dem Dritten gegenüber Vertrauen zu erwecken und Beweiskraft
zu besitzen, steht eine Gegenläufigkeit der Interessen des Auftraggebers
und des Dritten dessen Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags nicht
entgegen. Das ist in der Rechtsprechung des BGH insbesondere für den
Fall eines Immobilienkaufs anerkannt (BGHZ 127,
378 [380] = NJW 1995, 392 = LM H. 3-1995 § 328 BGB Nr. 91), gilt
in gleicher Weise aber auch für den hier vorliegenden Fall einer Grundstücksbeleihung.
c) Zugunsten der Revision ist mangels abweichender
tatsächlicher Feststellungen zu unterstellen, daß der dem früheren
Bekl. mitgeteilte Ertragswert falsch war und der mitgeteilte den ortsüblichen
Mietzins um 25% überstieg. Damit war das Gutachten mangelhaft. Wer
ein Gutachten zu erstellen hat, muß den vertraglich vereinbarten
Anforderungen genügen. Sorgfaltsmaßstab auch für die Erstellung
eines Sachverständigengutachtens ist grundsätzlich das, was im
Verkehr erforderlich ist (§ 276 I 2 BGB). Der Sachverständige
muß dabei seine Sorgfalt jedenfalls auf die Verkehrskreise ausrichten,
in denen er mit einer Verwendung des Gutachtens rechnen muß. Dies
bedeutet im vorliegenden Fall, daß die Beleihbarkeit vom Kreditgeber
allein aufgrund des Gutachtens zu beurteilen sein mußte, ohne daß
es weiterer eigener Ermittlungen seitens des Kreditgebers bedurfte. Wie
der Sachwalter und der Vertreter oder Verhandlungsgehilfe der künftigen
Vertragspartei nimmt auch der öffentlich bestellte und vereidigte
Sachverständige ein besonderes Vertrauen dessen in Anspruch, dem das
von ihm gefertigte Gutachten erkennbar vorgelegt werden soll; das gilt
im besonderen Maße, wenn er Tatsachen, die - wie hier die Mieterträge
- für das Ergebnis der Wertermittlung wesentlich sind, nicht selbst
erhebt oder überprüft, dies in seinem Gutachten aber verschweigt
(vgl. BGH, NJW 1992, 2080 [2083 f.] = LM H. 9-1992 § 301 ZPO Nr. 46
[zu II 3]; vgl. auch zur Haftung für fehlerhafte Aussagen in
Prospekten BGHZ 77, 172 [176] = NJW 1980, 1840 = LM § 161 HGB Nr.
65 L; BGH, NJW 1984, 865 [866] = LM § 161 HGB Nr. 83 [ zu II 2]; BGHZ
111, 314 [320] = NJW 1990, 2461 = LM § 276 [Fa] BGB Nr. 111 [zu II
2 c]). Das besondere Vertrauen, das dem Gutachten eines öffentlich
bestellten Sachverständigen im Geschäftsverkehr beigemessen wird,
setzt voraus, daß der Sachverständige das Gutachten nach bestem
Wissen und Gewissen erstellt hat und dafür Dritten gegenüber
einsteht (BGHZ 127, 378 [380 ff.] = NJW 1995, 392 = LM H. 3-1995 §
328 BGB Nr. 91 [zu 2 a] m. w. Nachw.).
Die Höhe des dem früheren Bekl. für
das Wertgutachten gezahlten Honorars von lediglich 1000 DM vermag nicht
zu einer Herabsetzung der von ihm einzuhaltenden Sorgfalt zu führen.
Die Höhe des Honorars ist aus dem Wertgutachten für Dritte nicht
ersichtlich und erlaubt schon deshalb keine Rückschlüsse auf
die angewendete Sorgfalt. Es bedarf deshalb keiner abschließenden
Entscheidung, ob ein geringes Honorar überhaupt eine Herabsetzung
der vom Sachverständigen aufzubringenden Sorgfalt gestatten könnte.
d) aa) Im Ansatzpunkt zutreffend geht das BerGer.
dabei davon aus, daß ein Sachverständigengutachten nicht auf
Mutmaßungen und Unterstellungen aufbauen darf, sondern sich auf Tatsachen
stützen muß. Sind dem Sachverständigen die für die
Beurteilung maßgeblichen Umstände nicht bekannt, muß er
die einschlägigen tatsächlichen Informationen beim Auftraggeber
abrufen (BGH, NJW 1984, 355 [356] = LM § 328 BGB Nr. 75 [zu II]).
Damit ist es jedoch entgegen der Ansicht des BerGer. dem Sachverständigen
nicht gestattet, solche ihm vom Auftraggeber mitgeteilten Angaben ungeprüft
in sein Gutachten zu übernehmen.
bb) Grundsätzlich und in erster Linie ist
zwar der Auftraggeber verpflichtet, das zur Erstellung des Gutachtens erforderliche
Material zur Verfügung zu stellen. Der Sachverständige, der in
seinem Gutachten Tatsachen feststellt, ist aber dafür verantwortlich,
daß er die Feststellungen gewissenhaft getroffen hat. Von einem ihm
lediglich unter Angabe einer Aufstellung mitgeteilten Mietertrag durfte
der frühere Bekl. nur dann ohne weiteres ausgehen, wenn er sich davon
überzeugt hatte, daß die Angaben zutreffend waren. Seine Prüfungspflicht
erstreckt sich zum einen auf die Frage, ob das Material zur Herstellung
des Gutachtens tauglich ist. Zum anderen muß sich der Sachverständige
darüber klar sein, ob das zur Verfügung gestellte Material als
von ihm geprüft und glaubwürdig in das Gutachten eingebracht
werden kann oder nicht; insoweit ist eine eigene Beurteilung durch den
Sachverständigen erforderlich, wenn sich diese - wie hier - nicht
aus der Beschaffenheit der Unterlagen ergibt (vgl. Bayerlein-Roeßner,
PraxisHdb. SachverständigenR, 2. Aufl., § 9 Rdnrn. 3, 4,
6, 7; Wellmann, Der Sachverständige in der Praxis, 5. Aufl., Rdnr.
125 [S. 10 f.]). Würde man die Überprüfungspflicht auf die
Fälle beschränken, in denen der Sachverständige Anlaß
zu Mißtrauen hat, würden nicht geprüfte Angaben Dritter,
die der Sachverständige als wahr vermutet oder für plausibel
hält, durch das Testat entgegen der tatsächlichen Lage als im
einzelnen überprüft und für richtig befunden ausgewiesen.
Solches läuft dem Sinn und Zweck des Wertgutachtens eines öffentlich
bestellten Sachverständigen grob zuwider.
cc) Verwendet der Sachverständige im Gutachten
Tatsachenmaterial, das er nicht oder nur teilweise selbst ermittelt oder
nicht oder nur teilweise überprüft hat, muß er dies mit
Angabe der Quelle im Gutachten jedenfalls dann eindeutig vermerken, wenn
er - wie im vorliegenden Fall - weiß oder wissen muß, daß
das Gutachten auch als Entscheidungshilfe für andere als den Auftraggeber
dienen soll. Fehlt eine solche Angabe, entsteht beim Leser der Irrtum,
der Sachverständige habe den Befund selbst erhoben. Der frühere
Bekl. hat die ihm mitgeteilten Mieterträge seinem Gutachten ohne jeden
Vorbehalt zugrunde gelegt. Damit hat er bei jedem, der das Gutachten auswertete,
den Eindruck hervorgerufen, daß es auf von ihm selbst geprüften
Zahlen beruhe (vgl. BGH, NJW 1986, 180 [181] = LM § 676 BGB Nr. 31
[zu II 2 b aa]; NJW 1992, 2080 [2083 f.] = LM H. 9-1992 § 301 ZPO
Nr. 46 [zu II 3]; Bayerlein-Roeßner, § 9 Rdnrn. 3, 6, 7) und
daß er die Gewähr für den von ihm zugrunde gelegten Mietertrag
übernehme. Dies begründet seine Haftung.
e) Das Urteil kann nicht mit anderer Begründung
bestehenbleiben (§ 563 ZPO), weil eine Haftung des früheren Bekl.
unter dem Gesichtspunkt des völlig überwiegenden Mitverschuldens
(§ 254 BGB) der Eheleute G bzw. ihres Maklers oder der Kl. ausscheiden
würde. Dem BerGer. ist zwar im Ansatzpunkt dahin zuzustimmen, daß
der Kl. gegen den früheren Bekl. grundsätzlich nicht mehr Rechte
zustehen konnten, als dessen Auftraggebern gegen ihn zustehen würden.
Aus diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung abgeleitet, daß sich
der durch den Schutzpflichtigen schuldhaft geschädigte Dritte ein
Mitverschulden des Vertragspartners seines Schädigers auch dann nach
§ 254 BGB entgegenhalten lassen muß, wenn dieser nicht der gesetzliche
Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des Schädigers i. S. des §
278 BGB ist. Diese Begrenzung der Rechte des Geschädigten wird aus
dem Rechtsgedanken des § 334 BGB und dem Grundsatz von Treu und Glauben
(§ 242 BGB) entnommen (BGHZ 127, 378 [384
f.] = NJW 1995, 392 = LM H. 3-1995 § 328 BGB Nr. 91 [ zu 4 b] m. w.
Nachw.).
Das BerGer. läßt jedoch außer
Betracht, daß insoweit abweichende vertragliche Regelungen stillschweigend
möglich sind, wie der BGH in einer nach Erlaß des Berufungsurteils
ergangenen Entscheidung (BGHZ 127, 378 [384 f.] = NJW 1995, 392 = LM H.
3-1995 § 328 BGB Nr. 91) klargestellt hat. Daran ist trotz Kritik
in der Literatur (vgl. Canaris, JZ 1995, 441 [444]) festzuhalten. Im Geschäftsverkehr
darf der Kreditgeber von einem redlichen Kreditnehmer ausgehen, der nicht
arglistig auf die Urteilsbildung des Sachverständigen einwirkt. Ein
solcher Kreditnehmer kann redlicherweise nichts dagegen haben, daß
auch dem Kreditgeber Ansprüche gegen den Sachverständigen wegen
der Unrichtigkeit des Gutachtens zustehen. Das kann nicht anders sein,
wenn der Kreditnehmer - vom Kreditgeber unerkannt - unredlich ist und seinerseits
die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens herbeiführt. In einem solchen
Fall ist die Vortäuschung redlichen Verhaltens auf seiten des Kreditnehmers
Voraussetzung für den Kredit. Der Kreditgeber darf das Verhalten des
Kreditnehmers auch in diesen Fällen dahin verstehen, dieser sei mit
der Berechtigung des Kreditgebers aus dem Vertrag des Kreditnehmers mit
dem Sachverständigen über die Gutachtenerstellung einverstanden.
Das aber beinhaltet in der Regel auch das Einverständnis mit einer
vom Kreditgeber üblicherweise stillschweigend gewünschten Abbedingung
des § 334 BGB. Diese besondere Interessenlage ist auch dem Gutachter
ohne weiteres erkennbar, wenn er weiß oder damit rechnen muß,
daß das Gutachten als Entscheidungshilfe für Dritte, insbesondere
für eine Kreditvergabe dienen soll. Darauf muß er sich redlicherweise
auch einlassen. Mangels entsprechender Anhaltspunkte ist daher davon auszugehen,
daß der Abschluß des Gutachtenvertrags in solchen Fällen
zugleich eine konkludente Abbedingung des § 334 BGB beinhaltet. Wertgutachten
öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger würden
für den Geschäftsverkehr weitgehend bedeutungslos, wenn der Kreditgeber
sich regelmäßig die ihm unbekannten und in dem Gutachten erfahrungsgemäß
selten wiedergegebenen besonderen Ansprüche zwischen Kreditnehmer
und Sachverständigem entgegenhalten lassen müßte.
Die Rechtsstellung des Sachverständigen wird
hierdurch nicht unzumutbar beeinträchtigt, denn er kann durch entsprechend
deutliche Darstellung in seinem Gutachten klarstellen, daß das Gutachten
nur für den internen Gebrauch der Auftraggeber dient oder daß
es in einzelnen, näher bezeichneten Punkten auf nicht überprüften
Angaben der Auftraggeber beruht, für die der Sachverständige
keine Gewähr übernimmt (vgl. Canaris, JZ 1995, 441 [46]). Fehlen
jedoch solche Angaben - wie vorliegend - im Gutachten, ist dies zugleich
für den Kreditgeber aus dessen objektivierter Sicht Bestätigung
und Hinweis, daß in dieser Hinsicht keine Einwendungen aus dem Vertrag
zwischen dem Sachverständigen und dessen Auftraggeber bestehen und
damit der Sachverständige wie der Auftraggeber mit dem Wunsch des
Kreditgebers auf Abbedingung des Grundsatzes einverstanden sind, wonach
dem Kreditgeber aus dem Gutachtenvertrag keine weitergehenden Rechte als
dem Auftraggeber zustehen sollen.
Das BerGer. hat nicht beachtet, daß auch
insoweit eine Auslegung der Vereinbarung zwischen dem früheren Bekl.
und seinen Auftraggebern geboten ist. Die Auslegung eines Vertrags ist
grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und nur darauf zu überprüfen,
ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln,
Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat oder ob die
Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa indem unter Verstoß
gegen Verfahrensvorschriften wesentliches Auslegungsmaterial außer
acht gelassen wurde (vgl. Senat, NJW 1992, 1967 [1968] [zu II 3 a] = LM
H. 9-1992 § 286 [E] ZPO Nr. 25 m. w. Nachw.). Der Senat kann vorliegend
aber die Vereinbarung des früheren Bekl. mit seinen Auftraggebern
selbst auslegen, weil das BerGer. die Vertragserklärung des Bekl.
und seiner Auftraggeber unter diesem Gesichtspunkt nicht ausgelegt hat
und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß weitere Umstände
bei der Auslegung Berücksichtigung finden müßten (vgl.
BGH, NJW 1994, 2947 [2948] = LM H. 2-1995 § 362 BGB Nr. 21 m. w. Nachw.).
Umstände, die ein Abweichen von dem geschilderten regelmäßigen
Verständnis der Vertragsparteien aufgrund der Interessenlage erforderten,
sind hier nicht ersichtlich. Es bedarf daher auch keiner Erörterung,
wie sich die Rechtslage darstellen würde, wenn im Einzelfall von einem
Abbedingen der Regelung in § 334 BGB nicht ausgegangen werden
könnte, und ob in diesem Fall unter Zugrundelegung von in der Literatur
vertretenen Auffassungen (vgl. Medicus, JZ 1995, 308 [309]; Canaris, JZ
1995, 441) gleichwohl eine Haftung des Sachverständigen gegenüber
dem Kreditgeber zu bejahen wäre.
2. Das BerGer. hat die von der Stadtsparkasse
N. an die Kl. abgetretenen Ansprüche als nicht vom Schutzzweck des
Gutachtenauftrags umfaßt angesehen, weil die Stadtsparkasse N. nicht
in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen sei. Auch das greift die Revision
im Ergebnis mit Erfolg an.
a) Entgegen der Auffassung des BerGer. kommt es
nicht entscheidend darauf an, ob dem früheren Bekl. die Einschaltung
der Stadtsparkasse N. als Bürgin in die Darlehensgewährung bekannt
war. Die Frage, wer in den Schutz eines Vertrags einbezogen wird, beurteilt
sich nicht allein nach den Kenntnissen der Vertragsparteien über die
Personen, die möglicherweise mit der vertragsgemäßen Leistung
in Betracht kommen können. Auch wenn die Ausgestaltung des Drittschutzes
durch die Vertragsparteien grundsätzlich deren Gestaltungsfreiheit
unterliegt (vgl. BGH, NJW 1984, 355 = LM § 328 BGB Nr. 75; NJW-RR
1986, 484 = LM § 328 BGB Nr. 78 = MDR 1985, 1001), kann aus der Unkenntnis
der Person, die in den Schutzbereich des Vertrags fallen kann, nicht deren
Nichteinbeziehung in den Schutzbereich abgeleitet werden. Dies gilt insbesondere
in Fällen, in denen die vertraglich geschuldete Leistung Bedeutung
für eine Darlehensgewährung haben soll (vgl. BGH, NJW 1987, 1758
[1759] = LM § 675 BGB Nr. 120 = BGHR BGB § 328 - Drittschutz
2; NJW-RR 1993, 944 = BGHR BGB § 328 - Drittschutz 10); die Rechtsprechung
des BGH hat es hier genügen lassen, wenn erkennbar war, daß
die Ausarbeitung für einen Käufer oder einen Kreditgeber bestimmt
war. Daran ist festzuhalten. Das bedeutet allerdings nicht, daß
der Kreis der unter die Schutzpflicht fallenden Personen uferlos ausgeweitet
werden dürfte; es ist vielmehr erforderlich, daß die Schutzpflicht
auf eine überschaubare, klar abgrenzbare Personengruppe beschränkt
wird (BGH, NJW 1987, 1758 [1760] = LM § 675 BGB Nr. 120). Kommen mehrere
Darlehensgeber in Betracht, besteht kein rechtliches Hindernis, sie alle
in den Schutzbereich einzubeziehen (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 944). Gleiches
gilt grundsätzlich, wenn es sich um komplexere Darlehens oder
Finanzierungsvorgänge handelt, bei denen etwa wie hier im Rahmen einer
einheitlichen Finanzierungsmaßnahme ein Teil des Darlehens nur gegen
weitere Sicherheiten gewährt wird. Allerdings muß auch hier
der Kreis der geschützten Dritten überschaubar bleiben. Dies
ist bei Einbeziehung des bürgenden Kreditinstituts, auf dessen Bürgschaft
hier ein weiterer (höherer) Darlehensbetrag gewährt wird, indessen
noch der Fall; eine Vervielfältigung des Risikos des Verpflichteten
tritt hierdurch nicht ein. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, wie
die Frage der Schutzwirkung etwa im Fall eines Dritten zu beurteilen wäre,
der das Darlehen refinanziert oder versichert.
b) Dem BerGer. kann auch nicht darin beigetreten
werden, daß das fehlerhafte Gutachten für die Eingehung der
Bürgschaftsverpflichtung seitens der Stadtsparkasse N. nicht ursächlich
geworden wäre. Jedenfalls im geschäftlichen Verkehr muß
sich ein Kreditinstitut, das sich gegenüber einem Realkreditgeber
verbürgt, der ein dinglich gesichertes Darlehen gewährt, darauf
verlassen können und dürfen, der Realkreditgeber habe die Werthaltigkeit
des Beleihungsobjekts ordnungsgemäß anhand entsprechender Unterlagen
geprüft. Eine eigene Prüfungspflicht dieser Unterlagen obliegt
dem bürgenden Kreditinstitut in diesem Umfang jedenfalls im Verhältnis
zu dem das Wertgutachten erstellenden Sachverständigen nicht. Damit
ist es im Ergebnis auch ohne Belang, ob die Stadtsparkasse N. vom Inhalt
des Wertgutachtens Kenntnis hatte.
Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben
(§ 564 ZPO). Eine eigene Entscheidung des Senats kommt nicht in Betracht
(§ 565 III ZPO). Bei der gebotenen erneuten Verhandlung wird das BerGer.
abzuklären haben, ob die vom früheren Bekl. seinem Gutachten
zugrunde gelegten Mieterträge der Wirklichkeit entsprochen haben.
Das BerGer. wird erforderlichenfalls auch über die Einrede der beschränkten
Erbenhaftung zu entscheiden haben.
<- Zurück mit dem "Back"-Button Ihres
Browsers
|