Haftung für Rat und Auskunft: Auskunftsvertrag (Gutachtenvertrag) mit Schutzwirkung für Dritte 


BGH, Urteil v. 13.11.1997  - X ZR 144-94  (Frankfurt a. M.)



Fundstelle:

NJW 1998, 1059
Vgl. dazu auch BGHZ 127, 378 = NJW 1995, 392 ff ; s. auch BGH NJW 2002, 3625



Amtl. Leitsätze:

1.  Zur Frage, wieweit neben dem auf das Gutachten vertrauenden Kreditgeber auch der mit diesem zusammenarbeitende, den Kredit absichernde Bürge in die Schutzwirkungen eines zwischen Grundeigentümer und Sachverständigem abgeschlossenen Vertrags über ein Wertgutachten einbezogen ist.
2. Stillschweigende Abbedingung von § 334 BGB bei ungeprüfter Übernahme von Daten des Auftraggebers (S.L.)


Zum Sachverhalt:

Die Kl. begehrt von der Bekl. als Erbin des verstorbenen Dipl.­Ing. E (im folgenden: früherer Bekl.) aus eigenem und aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen eines von diesem erstatteten fehlerhaften Gutachtens. Der frühere Bekl. war öffentlich bestellter und vereidigter Bausachverständiger. Er hatte für die Eheleute G ein Wertgutachten über deren Mehrfamilienhausgrundstück in F. erstattet und in seinem Gutachten vom 30. 1. 1994 den Gebäudewert auf 1,1 Mio. DM, den Ertragswert auf 1,5 Mio. DM, den mittleren Beleihungswert auf 1,4 Mio. DM. und den Verkehrswert auf 1,5 Mio. DM geschätzt. Den Gutachtenauftrag hatte der frühere Bekl. von einer Maklerfirma über deren Geschäftsführer - beides Streithelfer der Kl. - namens der Eheleute G erhalten. Mit Schreiben vom 20. 2. 1984 bestätigte der frühere Bekl. der Maklerfirma, ihm sei bekannt, daß das Wertgutachten für die Kl. verwendet werden solle. Auf Anfrage der Kl. vom 6. 4. 1984 antwortete der frühere Bekl. mit Schreiben vom 9. 4. 1984, daß er in Ergänzung "seines Wertgutachtens" die Verkäuflichkeit des Objekts "derzeit für gut" einschätze. Die Kl. gewährte den Eheleuten G hierauf Darlehen im Betrag von 1 Mio. DM gegen eine erstrangige Hypothek von 600 000 DM sowie eine zweitrangige Hypothek von 400 000 DM. In Höhe der zweitrangigen Hypothek übernahm die Stadtsparkasse N. zusätzlich eine selbstschuldnerische Bürgschaft gegenüber der Kl. Der Kredit wurde notleidend. In dem nach Kündigung des Kredits seitens der Kl. durchgeführten  Zwangsversteigerungsverfahren schätzte der Sachverständige S den Verkehrswert des Grundstücks auf 790 000 DM. Das Grundstück wurde am 3. 12. 1986 für 653 000 DM versteigert; der Erlös belief sich nach Abzug der Kosten auf 647 937,63 DM. Die Stadtsparkasse N. zahlte auf die Bürgschaft 436 830,94 DM. Die Kl. hat den früheren Bekl. wegen schuldhaft fehlerhafter Wertschätzung in Anspruch genommen, und zwar aus eigenem Recht in Höhe von 97 693,37 DM (richtig: 97 692,37 DM), wegen des ihr durch Gewährung nicht ausreichend dinglich gesicherter Darlehen entstandenen Schadens und aus abgetretenem Recht der Stadtsparkasse N. in Höhe eines Teilbetrags von 152 306,63 DM (richtig: 152 307,63 DM).
Das LG hat der Klage unter Abweisung im übrigen in Höhe von 97 692,37 DM stattgegeben. Auf die unselbständige Anschlußberufung des früheren Bekl. hat das OLG die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgte die Kl. ihr ursprüngliches Klageziel weiter. Die Bekl. ist der Revision entgegengetreten; sie beantragte weiter, ihr als Erbin die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlaß vorzubehalten. Die Revision hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat einen Anspruch der Kl. gegen den ursprünglichen Bekl. aus eigenem Recht mit der Begründung verneint, daß diesem ein Verschulden nicht zur Last falle. Der frühere Bekl. habe den Wert des Hausgrundstücks nur deshalb zu günstig geschätzt, weil er falsche Angaben der Eheleute G über den Mietertrag zugrunde gelegt habe.
Eine Verifizierung dieser Angaben habe nicht erfolgen, der frühere Bekl. insoweit keinen Verdacht schöpfen müssen. Im übrigen stünden der Kl., die keinen eigenen Vertrag mit dem früheren Bekl. geschlossen habe, gegen diesen keine weitergehenden Ansprüche zu als den Eheleuten G. Diese aber würden treuwidrig handeln, wenn sie den früheren Bekl., der auf ihre fehlerhaften Angaben vertraut habe, in Anspruch nähmen. Auch ein Anspruch der Kl. aus abgetretenem Recht der Sparkasse N. bestehe nicht. Diese sei in den Schutzbereich des Vertrags nicht einbezogen. Im übrigen scheiterte auch ein Anspruch aus § 826 BGB an fehlendem Verschulden des früheren Bekl.
II. Die Abweisung der Klage durch das BerGer. hält einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Entgegen der Auffassung des BerGer. kann eine Haftung der Bekl. gegenüber der Kl. auf Grund eigener Ansprüche der Kl. nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht verneint werden.
a) Das BerGer. hat eine unmittelbare vertragliche Haftung des früheren Bekl. aus positiver Vertragsverletzung eines mit der Kl. stillschweigend abgeschlossenen Auskunftsvertrags allerdings im Ergebnis zu Recht verneint. Ein möglicherweise durch das Schreiben des früheren Bekl. vom 9. 4. 1984 stillschweigend zustande gekommener Auskunftsvertrag wurde nicht ursächlich für den Abschluß des Kreditvertrags. Die Kl. hatte bereits mit Schreiben vom 4. 4. 1984 den Eheleuten G eine bindende Kreditzusage erteilt und erst nachträglich mit Schreiben vom 6. 4. 1984 den früheren Bekl. zur Verkäuflichkeit befragt. Die Antwort des früheren Bekl. vom 9. 4. 1984 hatte auf die Kreditzusage keinen Einfluß mehr.
b) Das BerGer. hat die Kl. in den Schutzbereich des zwischen dem früheren Bekl. und den Eheleuten G geschlossenen Gutachtenvertrags einbezogen. Wie das BerGer. festgestellt hat, wußte der frühere Bekl. von der Verwendung seines Gutachtens bei der Kl. Die Einbeziehung nimmt die Revision als ihr günstig hin. Rechtsfehler dieser revisionsrechtlich bindenden Vertragsauslegung sind nicht ersichtlich.
In die Schutzwirkung eines Vertrags über die Erstattung eines Gutachtens durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen zum Wert eines Grundstücks sind alle diejenigen einbezogen, denen das Gutachten nach seinem erkennbaren Zweck für Entscheidungen über Vermögensdispositionen vorgelegt werden soll. Dazu gehörte im vorliegenden Fall die Kl. als potentielle Kreditgeberin der vorgesehenen Kreditmaßnahme (Umschuldung). Entsprechend dem Zweck des Gutachtens, dem Dritten gegenüber Vertrauen zu erwecken und Beweiskraft zu besitzen, steht eine Gegenläufigkeit der Interessen des Auftraggebers und des Dritten dessen Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags nicht entgegen. Das ist in der Rechtsprechung des BGH insbesondere für den Fall eines Immobilienkaufs anerkannt (BGHZ 127, 378 [380] = NJW 1995, 392 = LM H. 3-1995 § 328 BGB Nr. 91), gilt in gleicher Weise aber auch für den hier vorliegenden Fall einer Grundstücksbeleihung.
c) Zugunsten der Revision ist mangels abweichender tatsächlicher Feststellungen zu unterstellen, daß der dem früheren Bekl. mitgeteilte Ertragswert falsch war und der mitgeteilte den ortsüblichen Mietzins um 25% überstieg. Damit war das Gutachten mangelhaft. Wer ein Gutachten zu erstellen hat, muß den vertraglich vereinbarten Anforderungen genügen. Sorgfaltsmaßstab auch für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens ist grundsätzlich das, was im Verkehr erforderlich ist (§ 276 I 2 BGB). Der Sachverständige muß dabei seine Sorgfalt jedenfalls auf die Verkehrskreise ausrichten, in denen er mit einer Verwendung des Gutachtens rechnen muß. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, daß die Beleihbarkeit vom Kreditgeber allein aufgrund des Gutachtens zu beurteilen sein mußte, ohne daß es weiterer eigener Ermittlungen seitens des Kreditgebers bedurfte. Wie der Sachwalter und der Vertreter oder Verhandlungsgehilfe der künftigen Vertragspartei nimmt auch der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige ein besonderes Vertrauen dessen in Anspruch, dem das von ihm gefertigte Gutachten erkennbar vorgelegt werden soll; das gilt im besonderen Maße, wenn er Tatsachen, die - wie hier die Mieterträge - für das Ergebnis der Wertermittlung wesentlich sind, nicht selbst erhebt oder überprüft, dies in seinem Gutachten aber verschweigt (vgl. BGH, NJW 1992, 2080 [2083 f.] = LM H. 9-1992 § 301 ZPO Nr. 46 [zu II 3]; vgl. auch zur Haftung für fehlerhafte  Aussagen in Prospekten BGHZ 77, 172 [176] = NJW 1980, 1840 = LM § 161 HGB Nr. 65 L; BGH, NJW 1984, 865 [866] = LM § 161 HGB Nr. 83 [ zu II 2]; BGHZ 111, 314 [320] = NJW 1990, 2461 = LM § 276 [Fa] BGB Nr. 111 [zu II 2 c]). Das besondere Vertrauen, das dem Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen im Geschäftsverkehr beigemessen wird, setzt voraus, daß der Sachverständige das Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen erstellt hat und dafür Dritten gegenüber einsteht (BGHZ 127, 378 [380 ff.] = NJW 1995, 392 = LM H. 3-1995 § 328 BGB Nr. 91 [zu 2 a] m. w. Nachw.).
Die Höhe des dem früheren Bekl. für das Wertgutachten gezahlten Honorars von lediglich 1000 DM vermag nicht zu einer Herabsetzung der von ihm einzuhaltenden Sorgfalt zu führen. Die Höhe des Honorars ist aus dem Wertgutachten für Dritte nicht ersichtlich und erlaubt schon deshalb keine Rückschlüsse auf die angewendete Sorgfalt. Es bedarf deshalb keiner abschließenden Entscheidung, ob ein geringes Honorar überhaupt eine Herabsetzung der vom Sachverständigen aufzubringenden Sorgfalt gestatten könnte.
d) aa) Im Ansatzpunkt zutreffend geht das BerGer. dabei davon aus, daß ein Sachverständigengutachten nicht auf Mutmaßungen und Unterstellungen aufbauen darf, sondern sich auf Tatsachen stützen muß. Sind dem Sachverständigen die für die Beurteilung maßgeblichen Umstände nicht bekannt, muß er die einschlägigen tatsächlichen Informationen beim Auftraggeber abrufen (BGH, NJW 1984, 355 [356] = LM § 328 BGB Nr. 75 [zu II]). Damit ist es jedoch entgegen der Ansicht des BerGer. dem Sachverständigen nicht gestattet, solche ihm vom Auftraggeber mitgeteilten Angaben ungeprüft in sein Gutachten zu übernehmen.
bb) Grundsätzlich und in erster Linie ist zwar der Auftraggeber verpflichtet, das zur Erstellung des Gutachtens erforderliche Material zur Verfügung zu stellen. Der Sachverständige, der in seinem Gutachten Tatsachen feststellt, ist aber dafür verantwortlich, daß er die Feststellungen gewissenhaft getroffen hat. Von einem ihm lediglich unter Angabe einer Aufstellung mitgeteilten Mietertrag durfte der frühere Bekl. nur dann ohne weiteres ausgehen, wenn er sich davon überzeugt hatte, daß die Angaben zutreffend waren. Seine Prüfungspflicht erstreckt sich zum einen auf die Frage, ob das Material zur Herstellung des Gutachtens tauglich ist. Zum anderen muß sich der Sachverständige darüber klar sein, ob das zur Verfügung gestellte Material als von ihm geprüft und glaubwürdig in das Gutachten eingebracht werden kann oder nicht; insoweit ist eine eigene Beurteilung durch den Sachverständigen erforderlich, wenn sich diese - wie hier - nicht aus der Beschaffenheit der Unterlagen ergibt (vgl. Bayerlein-Roeßner, Praxis­Hdb. SachverständigenR, 2. Aufl., § 9 Rdnrn. 3, 4, 6, 7; Wellmann, Der Sachverständige in der Praxis, 5. Aufl., Rdnr. 125 [S. 10 f.]). Würde man die Überprüfungspflicht auf die Fälle beschränken, in denen der Sachverständige Anlaß zu Mißtrauen hat, würden nicht geprüfte Angaben Dritter, die der Sachverständige als wahr vermutet oder für plausibel hält, durch das Testat entgegen der tatsächlichen Lage als im einzelnen überprüft und für richtig befunden ausgewiesen. Solches läuft dem Sinn und Zweck des Wertgutachtens eines öffentlich bestellten Sachverständigen grob zuwider.
cc) Verwendet der Sachverständige im Gutachten Tatsachenmaterial, das er nicht oder nur teilweise selbst ermittelt oder nicht oder nur teilweise überprüft hat, muß er dies mit Angabe der Quelle im Gutachten jedenfalls dann eindeutig vermerken, wenn er - wie im vorliegenden Fall - weiß oder wissen muß, daß das Gutachten auch als Entscheidungshilfe für andere als den Auftraggeber dienen soll. Fehlt eine solche Angabe, entsteht beim Leser der Irrtum, der Sachverständige habe den Befund selbst erhoben. Der frühere Bekl. hat die ihm mitgeteilten Mieterträge seinem Gutachten ohne jeden Vorbehalt zugrunde gelegt. Damit hat er bei jedem, der das Gutachten auswertete, den Eindruck hervorgerufen, daß es auf von ihm selbst geprüften Zahlen beruhe (vgl. BGH, NJW 1986, 180 [181] = LM § 676 BGB Nr. 31 [zu II 2 b aa]; NJW 1992, 2080 [2083 f.] = LM H. 9-1992 § 301 ZPO Nr. 46 [zu II 3]; Bayerlein-Roeßner, § 9 Rdnrn. 3, 6, 7) und daß er die Gewähr für den von ihm zugrunde gelegten Mietertrag übernehme. Dies begründet seine Haftung.
e) Das Urteil kann nicht mit anderer Begründung bestehenbleiben (§ 563 ZPO), weil eine Haftung des früheren Bekl. unter dem Gesichtspunkt des völlig überwiegenden Mitverschuldens (§ 254 BGB) der Eheleute G bzw. ihres Maklers oder der Kl. ausscheiden würde. Dem BerGer. ist zwar im Ansatzpunkt dahin zuzustimmen, daß der Kl. gegen den früheren Bekl. grundsätzlich nicht mehr Rechte zustehen konnten, als dessen Auftraggebern gegen ihn zustehen würden. Aus diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung abgeleitet, daß sich der durch den Schutzpflichtigen schuldhaft geschädigte Dritte ein Mitverschulden des Vertragspartners seines Schädigers auch dann nach § 254 BGB entgegenhalten lassen muß, wenn dieser nicht der gesetzliche Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des Schädigers i. S. des § 278 BGB ist. Diese Begrenzung der Rechte des Geschädigten wird aus dem Rechtsgedanken des § 334 BGB und dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entnommen (BGHZ 127, 378 [384 f.] = NJW 1995, 392 = LM H. 3-1995 § 328 BGB Nr. 91 [ zu 4 b] m. w. Nachw.).
Das BerGer. läßt jedoch außer Betracht, daß insoweit abweichende vertragliche Regelungen stillschweigend möglich sind, wie der BGH in einer nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung (BGHZ 127, 378 [384 f.] = NJW 1995, 392 = LM H. 3-1995 § 328 BGB Nr. 91) klargestellt hat. Daran ist trotz Kritik in der Literatur (vgl. Canaris, JZ 1995, 441 [444]) festzuhalten. Im Geschäftsverkehr darf der Kreditgeber von einem redlichen Kreditnehmer ausgehen, der nicht arglistig auf die Urteilsbildung des Sachverständigen einwirkt. Ein solcher Kreditnehmer kann redlicherweise nichts dagegen haben, daß auch dem Kreditgeber Ansprüche gegen den Sachverständigen wegen der Unrichtigkeit des Gutachtens zustehen. Das kann nicht anders sein, wenn der Kreditnehmer - vom Kreditgeber unerkannt - unredlich ist und seinerseits die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens herbeiführt. In einem solchen Fall ist die Vortäuschung redlichen Verhaltens auf seiten des Kreditnehmers Voraussetzung für den Kredit. Der Kreditgeber darf das Verhalten des Kreditnehmers auch in diesen Fällen dahin verstehen, dieser sei mit der Berechtigung des Kreditgebers aus dem Vertrag des Kreditnehmers mit dem Sachverständigen über die Gutachtenerstellung einverstanden. Das aber beinhaltet in der Regel auch das Einverständnis mit einer vom Kreditgeber üblicherweise stillschweigend gewünschten Abbedingung des § 334 BGB. Diese besondere Interessenlage ist auch dem Gutachter ohne weiteres  erkennbar, wenn er weiß oder damit rechnen muß, daß das Gutachten als Entscheidungshilfe für Dritte, insbesondere für eine Kreditvergabe dienen soll. Darauf muß er sich redlicherweise auch einlassen. Mangels entsprechender Anhaltspunkte ist daher davon auszugehen, daß der Abschluß des Gutachtenvertrags in solchen Fällen zugleich eine konkludente Abbedingung des § 334 BGB beinhaltet. Wertgutachten öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger würden für den Geschäftsverkehr weitgehend bedeutungslos, wenn der Kreditgeber sich regelmäßig die ihm unbekannten und in dem Gutachten erfahrungsgemäß selten wiedergegebenen besonderen Ansprüche zwischen Kreditnehmer und Sachverständigem entgegenhalten lassen müßte.
Die Rechtsstellung des Sachverständigen wird hierdurch nicht unzumutbar beeinträchtigt, denn er kann durch entsprechend deutliche Darstellung in seinem Gutachten klarstellen, daß das Gutachten nur für den internen Gebrauch der Auftraggeber dient oder daß es in einzelnen, näher bezeichneten Punkten auf nicht überprüften Angaben der Auftraggeber beruht, für die der Sachverständige keine Gewähr übernimmt (vgl. Canaris, JZ 1995, 441 [46]). Fehlen jedoch solche Angaben - wie vorliegend - im Gutachten, ist dies zugleich für den Kreditgeber aus dessen objektivierter Sicht Bestätigung und Hinweis, daß in dieser Hinsicht keine Einwendungen aus dem Vertrag zwischen dem Sachverständigen und dessen Auftraggeber bestehen und damit der Sachverständige wie der Auftraggeber mit dem Wunsch des Kreditgebers auf Abbedingung des Grundsatzes einverstanden sind, wonach dem Kreditgeber aus dem Gutachtenvertrag keine weitergehenden Rechte als dem Auftraggeber zustehen sollen.
Das BerGer. hat nicht beachtet, daß auch insoweit eine Auslegung der Vereinbarung zwischen dem früheren Bekl. und seinen Auftraggebern geboten ist. Die Auslegung eines Vertrags ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa indem unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften wesentliches Auslegungsmaterial außer acht gelassen wurde (vgl. Senat, NJW 1992, 1967 [1968] [zu II 3 a] = LM H. 9-1992 § 286 [E] ZPO Nr. 25 m. w. Nachw.). Der Senat kann vorliegend aber die Vereinbarung des früheren Bekl. mit seinen Auftraggebern selbst auslegen, weil das BerGer. die Vertragserklärung des Bekl. und seiner Auftraggeber unter diesem Gesichtspunkt nicht ausgelegt hat und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß weitere Umstände bei der Auslegung Berücksichtigung finden müßten (vgl. BGH, NJW 1994, 2947 [2948] = LM H. 2-1995 § 362 BGB Nr. 21 m. w. Nachw.). Umstände, die ein Abweichen von dem geschilderten regelmäßigen Verständnis der Vertragsparteien aufgrund der Interessenlage erforderten, sind hier nicht ersichtlich. Es bedarf daher auch keiner Erörterung, wie sich die Rechtslage darstellen würde, wenn im Einzelfall von einem Abbedingen der Regelung in § 334 BGB nicht  ausgegangen werden könnte, und ob in diesem Fall unter Zugrundelegung von in der Literatur vertretenen Auffassungen (vgl. Medicus, JZ 1995, 308 [309]; Canaris, JZ 1995, 441) gleichwohl eine Haftung des Sachverständigen gegenüber dem Kreditgeber zu bejahen wäre.
2. Das BerGer. hat die von der Stadtsparkasse N. an die Kl. abgetretenen Ansprüche als nicht vom Schutzzweck des Gutachtenauftrags umfaßt angesehen, weil die Stadtsparkasse N. nicht in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen sei. Auch das greift die Revision im Ergebnis mit Erfolg an.
a) Entgegen der Auffassung des BerGer. kommt es nicht entscheidend darauf an, ob dem früheren Bekl. die Einschaltung der Stadtsparkasse N. als Bürgin in die Darlehensgewährung bekannt war. Die Frage, wer in den Schutz eines Vertrags einbezogen wird, beurteilt sich nicht allein nach den Kenntnissen der Vertragsparteien über die Personen, die möglicherweise mit der vertragsgemäßen Leistung in Betracht kommen können. Auch wenn die Ausgestaltung des Drittschutzes durch die Vertragsparteien grundsätzlich deren Gestaltungsfreiheit unterliegt (vgl. BGH,  NJW 1984, 355 = LM § 328 BGB Nr. 75; NJW-RR 1986, 484 = LM § 328 BGB Nr. 78 = MDR 1985, 1001), kann aus der Unkenntnis der Person, die in den Schutzbereich des Vertrags fallen kann, nicht deren Nichteinbeziehung in den Schutzbereich abgeleitet werden. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen die vertraglich geschuldete Leistung Bedeutung für eine Darlehensgewährung haben soll (vgl. BGH, NJW 1987, 1758 [1759] = LM § 675 BGB Nr. 120 = BGHR BGB § 328 - Drittschutz 2; NJW-RR 1993, 944 = BGHR BGB § 328 - Drittschutz 10); die Rechtsprechung des BGH hat es hier genügen lassen, wenn erkennbar war, daß die Ausarbeitung für einen Käufer oder einen Kreditgeber bestimmt war. Daran ist festzuhalten. Das bedeutet  allerdings nicht, daß der Kreis der unter die Schutzpflicht fallenden Personen uferlos ausgeweitet werden dürfte; es ist vielmehr erforderlich, daß die Schutzpflicht auf eine überschaubare, klar abgrenzbare Personengruppe beschränkt wird (BGH, NJW 1987, 1758 [1760] = LM § 675 BGB Nr. 120). Kommen mehrere Darlehensgeber in Betracht, besteht kein rechtliches Hindernis, sie alle in den Schutzbereich einzubeziehen (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 944). Gleiches gilt grundsätzlich, wenn es sich um komplexere Darlehens­ oder Finanzierungsvorgänge handelt, bei denen etwa wie hier im Rahmen einer einheitlichen Finanzierungsmaßnahme ein Teil des Darlehens nur gegen weitere Sicherheiten gewährt wird. Allerdings muß auch hier der Kreis der geschützten Dritten überschaubar bleiben. Dies ist bei Einbeziehung des bürgenden Kreditinstituts, auf dessen Bürgschaft hier ein weiterer (höherer) Darlehensbetrag gewährt wird, indessen noch der Fall; eine Vervielfältigung des Risikos des Verpflichteten tritt hierdurch nicht ein. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, wie die Frage der Schutzwirkung etwa im Fall eines Dritten zu beurteilen wäre, der das Darlehen refinanziert oder versichert.
b) Dem BerGer. kann auch nicht darin beigetreten werden, daß das fehlerhafte Gutachten für die Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung seitens der Stadtsparkasse N. nicht ursächlich geworden wäre. Jedenfalls im geschäftlichen Verkehr muß sich ein Kreditinstitut, das sich gegenüber einem Realkreditgeber verbürgt, der ein dinglich gesichertes Darlehen gewährt, darauf verlassen können und dürfen, der Realkreditgeber habe die Werthaltigkeit des Beleihungsobjekts ordnungsgemäß anhand entsprechender Unterlagen geprüft. Eine eigene Prüfungspflicht dieser Unterlagen obliegt dem bürgenden Kreditinstitut in diesem Umfang jedenfalls im Verhältnis zu dem das Wertgutachten erstellenden Sachverständigen nicht. Damit ist es im Ergebnis auch ohne Belang, ob die Stadtsparkasse N. vom Inhalt des Wertgutachtens Kenntnis hatte.
Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 564 ZPO). Eine eigene Entscheidung des Senats kommt nicht in Betracht (§ 565 III ZPO). Bei der gebotenen erneuten Verhandlung wird das BerGer. abzuklären haben, ob die vom früheren Bekl. seinem Gutachten zugrunde gelegten Mieterträge der Wirklichkeit entsprochen haben. Das BerGer. wird erforderlichenfalls auch über die Einrede der beschränkten Erbenhaftung zu entscheiden haben.



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