Anfechtung wegen Drohung: Problem
der Widerrechtlichkeit der Drohung mit einer Strafanzeige (Zweck-Mittel-Relation);
Abgrenzung des konstitutiven vom deklaratorischen Schuldanerkenntnis
BAG, Urt. vom 22. 10. 1998 - 8 AZR 457/97 (Baden-Württemberg)
Fundstelle:
NJW 1999, 2059 ff
s. auch die Anm. zu BGH
NJW
2000, 2501 sowie zu
BGH v. 30.03.2006 - III ZR 187/05
Zentrale Probleme:
-
Im Zentrum des lehrbuchartig entschiedenen
Falles steht eine "klassische" Situation der Drohungsanfechtung bei Drohung
mit einer Strafanzeige zur Erlangung von Schadensersatz. Da weder das Mittel
(Strafanzeige) noch der Zweck (hier: Erlangung eines Schuldanerkenntnisses)
für sich genommen rechtswidrig sind, kommt es für die Frage der
Rechtswidrigkeit auf die Mittel-Zweck-Relation an. Entscheidend ist dabei,
ob der Drohende ein berechtigtes Interesse an der Erreichung des verfolgten
Zwecks und die Drohung nach Treu und Glauben noch als ein angemessenes
Mittel angesehen werden kann. Das BAG bestätigt hier die st. Rspr.
des BGH und die ganz h.M., wonach dies bei einer Drohung mit Strafanzeige
dann nicht der Fall ist, wenn zwischen der anzuzeigenden Straftat und dem
wiedergutzumachenden Schaden ein innerer Zusammenhang besteht, weil sich
der Schaden gerade aus der Straftat ergab. Anders wäre dies
etwa zu sehen, wenn der Drohende eine zufällig bekannt gewordene Straftat
ausnutzt, um anderweitige zivilrechtliche Ansprüche gegen durchzusetzen.
-
Ähnliche Grundsätze gelten
bei der bekannten Problematik der Drohung gegenüber von Angehörigen
des Täters, um diese zum Schadensersatz zu veranlassen. Hier ist nach
(höchst problematischer) Rechtsprechung die Drohung dann nicht rechtswidrig,
wenn der Drohende davon ausgehen darf, daß der Bedrohte von der Straftat
"irgendwie" profitiert hat oder mit dem Täter "unter einer Decke steckt".
Nach der Rspr. soll es sogar genügen, daß der Drohende nur von
diesen Tatsachen ausgeht (vgl. BGHZ 25, 217 ff; BGH JZ 1963, 318), weil
die Drohung eines subjektiven Tatbestandes in Form eines Bewußtseins
der Rechtswidirigkeit bedürfe. Die Drohung soll danach nicht widerrechtlich
sein, wenn der Drohende von einem Sachverhalt ausgeht, der die Widerrechtlichkeit
der Drohung entfallen lassen würde. Die h.M. lehnt dies zu Recht ab,
weil sie den Schutz der Entschließungsfreiheit des Bedrohten in den
Vordergrund stellt.
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Speziell aus dem Arbeitsrecht ist noch
das auch in der vorliegenden Entscheidung erwähnte Problem der Anfechtbarkeit
eines Aufhebungsvertrages bekannt, der unter Drohung mit einer (fristlosen)
Kündigung zustandegekommen ist. Hier wird die Rechtswidrigkeit dann
verneint, wenn ein verständiger Arbeitgeber in der konkreten Situation
eine Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Darauf,
ob die Kündigung tatsächlich in einem Kündigungsschutzprozeß
Bestand gehabt hätte, kommt es nicht an (vgl. etwa BAG NJW 1997,676).
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Die Entscheidung ist weiter lehrreich
hinsichtlich der Unterscheidung des konstitutiven vom deklaratorischen
Schuldanerkenntnis. Beides ist Rechtsgeschäft (also auch Gegenstand
einer Anfechtung nach § 123 BGB). Während aber beim konstitutiven
Schuldanerkenntnis eine neue, abstrakte und damit auch kondizierbare Verbindlichkeit
entsteht (= der Schuldner kann sein Schuldanerkenntnis nach § 812
I 1 Alt. 1 BGB [Leistungskondiktion] zurückfordern, wenn er es rechtsgrundlos
abgegeben hat, weil die zu bestätigende Forderung nicht bestand),
ist das deklaratorische Schuldanerkenntnis i.d.R. (d.h. im Wege der Auslegung)
als ein Verzicht auf alle zur Zeit seiner Abgabe bekannten oder für
möglich erachteten Einwendungen gegen die anfängliche Forderung
anzusehen. Dies ist nicht kondizierbar. Während also das abstrakte
Schuldverhältnis "lediglich" die Beweislast umdreht (nicht der Gl.
muß beweisen, daß die ursprüngliche Forderung bestand,
sondern der die Kondiktion geltendmachende Schuldner das Nichtbestehen),
ist das deklaratorische Schuldanerkenntnis ein endgültiger Einwendungsverzicht.
Bei der Auslegungsfrage ist - wie auch das BAG hier betont - u.a. von Bedeutung,
ob das Anerkenntnis auf die anerkannte Schuld Bezug nimmt (dann deklaratorisch)
oder nicht (dann konstitutiv). Dies ist allerdings nur ein Element der Auslegung,
die das BAG hier vorbildlich vornimmt.
Amtl. Leitsatz:
Dient die Drohung des Arbeitgebers mit einer
Strafanzeige wegen schädigender Handlungen des Arbeitnehmers dazu,
den Arbeitnehmer zur Wiedergutmachung des Schadens zu veranlassen, so handelt
der Arbeitgeber in der Regel nicht widerrechtlich, wenn er den geforderten
Schadensersatz aufgrund der Angaben des Arbeitnehmers für berechtigt
halten durfte (Fortführung von BAG, AP Nr. 1 zu § 781 BGB).
Zum Sachverhalt:
Die Bekl. verlangt von der Kl. Schadensersatz.
Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob die Kl. ein entsprechendes
Schuldanerkenntnis wirksam wegen widerrechtlicher Drohung angefochten hat.
Die Bekl. ist ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels mit zahlreichen
Filialen. Die 1952 geborene Kl. war bei ihr von September 1987 bis zum
18. 12. 1995 als Verkäuferin und Kassiererin in der Filiale K. beschäftigt.
Nach einer Kassendienstanweisung, die Inhalt des Arbeitsvertrags der Kl.
war, durften Einkäufe von Angehörigen nicht abgerechnet werden.
Am 18. 12. 1995, gegen 10.10 Uhr, beobachtete die stellvertretende Marktleiterin
B, wie die Kl. ihren Ehemann an der Kasse abfertigte. Anschließend
verständigte sie ihren Vorgesetzten, den Bezirksverkaufsleiter S und
teilte ihm mit, die Kl. habe ihrem Ehemann zwei Päckchen Zigaretten
zu je 4,85 DM und eine Packung Kaffee zu 5,99 DM nicht berechnet. Die Kl.
habe bereits in der Vergangenheit des öfteren ihren Ehemann abkassiert,
und es sei schon damals der Verdacht aufgekommen, sie habe nur einen Teil
der Waren berechnet. Um 11 Uhr führte der Bezirksverkaufsleiter in
der Filiale mit der Kl. ein Gespräch, zu dem die Parteien unterschiedlich
vorgetragen haben. Jedenfalls stellte Herr S die Kl. schließlich
vor die Alternative, entweder in einen Aufhebungsvertrag einzuwilligen
und ein Schuldanerkenntnis abzugeben, oder die Zuziehung der Polizei hinzunehmen.
Die Kl. erklärte hierauf, sie wolle keine Polizei, sondern zunächst
eine Rücksprache mit ihrem Ehemann. Nachdem dieser hinzugezogen worden
war, erklärte er, er werde seine Frau jetzt mitnehmen. Herr S erwiderte,
dies könne er tun, die Sache müsse dann halt auf einem anderen
Weg geklärt werden. Daraufhin bat die Kl., man solle keine Polizei
holen, und gab ihrem Mann zu verstehen, sie wolle bleiben. Kurz darauf
wies Herr S den Ehemann der Kl. mit der Begründung aus dem Hause,
er habe sich lautstark und ungehörig benommen. Die Kl. unterzeichnete
dann das folgende Schuldanerkenntnis:
"Folgenden Sachverhalt gestehe ich ein: In der
Zeit vom: 1. 7. 1993 bis 18. 12. 1995 habe ich in der Filiale: K., wo ich
als: Kassiererin beschäftigt war, die Firma P um einen Betrag in Höhe
von 5750 DM geschädigt, indem ich meinem Mann, meiner Schwester, Ware
an der Kasse nicht getippt habe (1 x pro Woche 50 DM). Hiermit erkenne
ich freiwillig an, daß ich der Firma P einen Betrag von 5750 DM (i.
W: fünftausendsiebenhundertundfünfzig) schulde + 7,25% Zins.
Ich verpflichte mich, der Firma P über diesen Schadensbetrag zusätzlich
ein notarielles Schuldanerkenntnis zu erteilen. Sollte eine genaue Überprüfung
ergeben, daß der Schadensbetrag höher ist, als der von mir anerkannte,
verpflichte ich mich, über den darüber hinausgehenden Betrag
ein zusätzliches Schuldanerkenntnis abzugeben. Aufgrund des vorliegenden
Tatbestands muß ich mit fristloser Entlassung rechnen. Rückerstattung
des Betrags wird wie folgt vereinbart: Der Betrag wird in 11 Raten à
480 und einer Rate à 470 DM zurückgezahlt. Zuzüglich werden
die Zinsen in Höhe von 7,25% = 416,88 DM mit der ersten Rate bezahlt.
Falls diese Vereinbarung nicht eingehalten wird, habe ich mit gerichtlichen
Maßnahmen zu rechnen."
Während Herr S etwa eineinhalb Stunden lang
vergeblich versuchte, einen sofortigen Notartermin zwecks notarieller Beglaubigung
des Schuldanerkenntnisses zu erhalten, wartete die Kl. Anschließend
unterzeichneten die Parteien einen Aufhebungsvertrag, mit dem das Arbeitsverhältnis
"im beiderseitigen Einvernehmen mit Wirkung vom 18.12.1995 gelöst"
wurde. Durch Anwaltsschreiben vom 22.12.1995 erklärte die Kl. die
Anfechtung des Schuldanerkenntnisses und des Aufhebungsvertrags wegen Drohung.
Sie erhob am 22.1.1996 Klage auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses,
nahm diese Klage aber später zurück. Mit der allein noch rechtshängigen
Widerklage hat die Bekl. vorgetragen, Frau B habe beobachtet, daß
die Kl. die Zigaretten und den Kaffee nicht berechnet habe. Diese Handlungen
habe die Kl. in dem Gespräch mit Herrn S eingeräumt. Sie habe
die Frage, ob es Unachtsamkeit gewesen sei, nach längerem Zögern
verneint. Auf die Frage, seit wann sie dies schon gemacht habe, habe sie
zunächst erwidert, sie könne sich daran nicht erinnern. Auf den
Vorhalt, das sei nicht glaubhaft, habe sie einen Zeitraum von zweieinhalb
Jahren genannt. Herr S habe dann gefragt, wie sie es und wie oft sie es
gemacht habe. Die Kl. habe entgegnet, sie habe bei ihrem Ehemann oder ihrer
Schwester wöchentlich einmal den Einkauf nicht in vollem Umfang berechnet;
es habe sich mal um größere, mal um kleinere Beträge gehandelt,
jeweils um mehr oder weniger als 50 DM. Obwohl Herr S von einem längeren
Zeitraum und von höheren Schadensbeträgen ausgegangen sei, habe
er es dabei bewenden lassen. Er habe den Gesamtschaden unter Berücksichtigung
von sechs Wochen Jahresurlaub wie folgt berechnet: 2,5 Jahre x 46 Wochen/Jahr
50 DM/Woche = 5750 DM. Daraufhin hab er der Kl. die beiden Möglichkeiten
genannt, nämlich die Polizei zu rufen, um die Schadenswiedergutmachung
zu sichern, oder sich gütlich zu einigen. Die Bekl. hat geltend gemacht,
die Kl. habe ruhig überlegen können und genau gewußt, was
sie unterschreibe, sie sei nicht unzulässig unter Druck gesetzt worden.
Das Gespräch mit der Kl. sei ruhig und sachlich gewesen. Die Anfechtung
des Schuldanerkenntnisses greife nicht durch. Die Kl. hält demgegenüber
die Anfechtung des Schuldanerkenntnisses für begründet, weil
sie von Herrn S sofort massiv unter Druck gesetzt worden sei und man ihr
mit einer Anzeige wegen betrügerischer Manipulation gedroht habe,
wenn sie die Erklärung nicht unterschreibe. Sie habe sich nichts zuschulden
kommen lassen, das Geschehen vom 18. 12. 1995 sei ein einmaliger Vorfall
gewesen. Sie habe auch keine Möglichkeit gehabt, ruhig zu überlegen
und die Konsequenzen der Erklärung zu bedenken. Ihr sei nicht klar
gewesen, was sie unterschreibe. Ein Aufklärungsgespräch habe
nicht stattgefunden. Die Höhe der geltend gemachten Forderung sei
nicht gerechtfertigt, die pauschalierte Schadensberechnung der Bekl. nicht
zulässig. Das Anerkenntnis könne nicht zum Verlust jeglicher
Einwendungen gegen die Schadenshöhe führen. Dazu hätte es
genauerer Schadensermittlungen bedurft. Im Verhandlungstermin vor dem LAG
am 10. 4. 1997 hat die Kl. erklärt: Sie bestreite, am 18. 12. 1995
die genannten Beträge ihrem Ehemann nicht berechnet und die Marktleitung
nicht unterrichtet zu haben, daß sie bei ihm kassiere. Sie bestreite,
in der anschließenden Unterredung eingeräumt zu haben, sie habe
zweieinhalb Jahre lang wöchentlich 50 DM beim Abkassieren ihres Ehemanns
oder von Verwandten nicht eingetippt. Sie sei gehindert worden, mit ihrem
Mann das Haus zu verlassen, indem man ihr gesagt habe, sie müsse dableiben
und unterschreiben oder es werde die Polizei geholt. ArbG und LAG haben
der Widerklage stattgegeben. Die vom LAG zugelassene Revision der Kl. hatte
keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Der Bekl. steht gegenüber der Kl. ein Anspruch
auf Schadensersatz entsprechend dem abgegebenen Anerkenntnis zu.
I. Grundlage des Anspruchs ist eine positive Forderungsverletzung.
1. Die Kl. war als Kassiererin arbeitsvertraglich
verpflichtet, die von den Kunden vorgelegten Waren vollständig abzurechnen.
Sie durfte den Kunden nicht Waren ohne Abrechnung und Bezahlung überlassen.
Ein vorsätzlicher Verstoß gegen diese Vertragspflicht begründet
Schadensersatzansprüche der Bekl. Das gilt auch bei Einkäufen
von Angehörigen, die die Kl. gar nicht hätte abrechnen dürfen.
Der Schaden entspricht dem der Bekl. entgangenen Kaufpreis für die
Waren. Es kommt nicht darauf an, ob ein Kaufvertrag zustande gekommen ist
oder nicht und ob der Kunde die Waren überhaupt regulär gekauft
hätte.
2. Die Bekl. hat unter Hinweis auf das Schuldanerkenntnis
vom 18. 12. 1995 schlüssig vorgetragen, die Kl. habe ihren Arbeitsvertrag
über zweieinhalb Jahre hinweg vorsätzlich verletzt, indem sie
wöchentlich Ware für 50 DM bei Einkäufen ihres Ehemanns
und ihrer Schwester nicht berechnete. Auch die Verursachung des geltend
gemachten Schadens in Höhe von 5750 DM ist schlüssig dargelegt.
Gesamtzeitraum und wöchentliche Einzelbeträge ergeben den Gesamtschadensbetrag.
3. Das LAG hat die Einlassungen der Kl. hierzu
nicht gewürdigt. Ob die Kl. den Beklagtenvortrag überhaupt (wirksam)
bestritten hat, erscheint schon zweifelhaft. Ihr Vortrag betrifft fast
ausschließlich das Zustandekommen des Schuldanerkenntnisses, kaum
dessen Inhalt. Nach der pauschalen Behauptung in erster Instanz, sie habe
sich nichts zuschulden kommen lassen, hat die Kl. im Berufungsverfahren
immerhin ausgeführt, der Vorfall vom 18. 12. 1995 sei einmalig gewesen,
zu keinem Zeitpunkt habe sie sich zuvor Unregelmäßigkeiten zuschulden
kommen lassen. Der Vortrag der Kl. ist zwar insgesamt nicht widerspruchsfrei.
Doch scheint die Absicht des Bestreitens hinreichend deutlich (§ 138
III ZPO). Soweit die Kl. jegliche Pflichtverletzung vor dem 18.12.1995
leugnet, kann auch kein subantiiertes Bestreiten verlangt werden. Dagegen
hätte sie Einwendungen gegen die Schadenshöhe konkret geltend
machen müssen (Beginn der schädigenden Handlung, Häufigkeit,
etwaige Unterbrechungen des Zeitraums, Einzelbeträge). Insoweit fehlen
substantiierte Einwendungen ganz. Die Kl. trägt nur vor, die Forderungshöhe
entspreche nicht den Tatsachen, sei "völlig illusorisch" und nicht
gerechtfertigt. Dabei bleibt unklar, inwiefern sie die Schadenshöhe
angreifen will und um welche konkreten Einwendungen es geht, deren Verlust
sie bekämpft.
4. Die Kl ist aufgrund des Schuldanerkenntnisses
vom 18.12.1995 mit der von ihr erhobenen Einwendung ausgeschlossen.
a) Das LAG ist, indem es ohne weiteres die Frage
der Anfechtung erörtert hat, von einer rechtsgeschäftlichen
Erklärung ausgegangen. Diese Wertung trifft zu. Die Kl. hat nicht
lediglich eine Wissenserklärung ohne rechtliche Bindung (vgl. hierzu
nur Staudinger/Marburger, BGB, 13. Bearb., § 781 Rdnr. 27) abgegeben.
Das LAG hat darüber hinaus eine Auslegung unterlassen, um welche Art
"Schuldanerkenntnis" es sich handelt (während das ArbG offenbar von
einem abstrakten Schuldanerkenntnis ausgegangen ist). Für die Rechtsfolge
der Erklärung kann das von entscheidender Bedeutung sein. Der Senat
kann diese Auslegung selbst vornehmen. Es kommt nicht darauf an, ob eine
typische oder eine nichttypische Willenserklärung vorliegt; denn der
Wortlaut des Schuldanerkenntnisses und die maßgeblichen Umstände
für die Auslegung stehen unabhängig von streitigen Einzelheiten
fest. Die Auslegung kann ohne die Erschließung weiteren Tatsachenmaterials
vorgenommen werden (vgl. nur RAGE 67, 279 = NZA 1991, 685 = AP Nr. 21 zu
§ 550 ZPO).
b) Die Parteien haben einen schuldbestätigenden
Vertrag abgeschlossen (sog. deklaratorisches, kausales oder bestätigendes
Schuldanerkenntnis). Ein sogenanntes konstitutives (abstraktes, selbständiges)
Schuldanerkenntnis i. S. von § 781 BGB liegt demgegenüber nicht
vor. Die Kl. wollte ersichtlich keinesfalls eine Schuld unabhängig
von dem Schuldgrund als bestehend anerkennen. Vielmehr ging es um die
Bestätigung der Schadensersatzforderung. Dafür spricht
zunächst die Darstellung der tatsächlichen Grundlagen der Forderung.
Die Parteien verfolgten den Zweck, Schädigungshandlungen und Schaden
festzulegen, um hierzu Klarheit zu schaffen. Das Ziel konnte nur sein,
Zweifel über die Dauer der Schädigung und die wöchentliche
Schadenshöhe auszuräumen und die Gesamtforderung insofern verbindlich
festzulegen. An diesem Erklärungsinhalt konnte für die Kl.
kein Zweifel bestehen. Auch die Bekl. hat das so gesehen.
c) Die Auslegung des Schuldanerkenntnisses ergibt
somit, daß die Parteien sich gerade verbindlich geeinigt haben, soweit
die Kl. jetzt Einwendungen erhebt. Das kausale Schuldanerkenntnis schließt
alle Einwendungen aus, die der Kl. in diesem Zeitpunkt bekannt waren oder
mit denen sie rechnete (vgl. nur BGH, NJW 1995, 961 m.w. Nachw.). Die
Kl. wußte, daß in der gegebenen Situation die Häufigkeit
ihres Vorgehens und die jeweiligen Einzelbeträge klärungsbedürftig
waren und geklärt werden sollten. Gerade darauf erstreckt sich das
Schuldanerkenntnis (vgl. nur Staudinger/Marburger, § 781 Rdnrn. 11ff.).
d) Die Kl. hat das Schuldanerkenntnis nicht wirksam
angefochten. Der allein in Betracht kommende Anfechtungsgrund der widerrechtlichen
Drohung gem. § 123 I BGB liegt nicht vor.
aa) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung
widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung
anfechten (§ 123 I BGB). Drohung ist die vom Gegner ernst genommene
Ankündigung eines künftigen Übels, das nach Bekundung des
Drohenden und der Ansicht des Gegners vom Drohenden herbeigeführt
werden kann und soll, wenn der Bedrohte die angesonnene Willenserklärung
nicht abgibt (BGH, NJW-RR 1996, 1281 [zu 2] m. w. Nachw.; Jauernig,
BGB, 8. Aufl., § 123 Rdnr. 12). Die Kl. ist zur Abgabe des Schuldanerkenntnisses
durch eine Drohung des Bezirksverkaufsleiters S bestimmt worden. Dieser
hat unstreitig die Zuziehung der Polizei und zumindest konkludent eine
Strafanzeige angekündigt, sollte die Kl. das Schuldanerkenntnis nicht
abgeben. Ohne diese Ankündigung hätte die Kl. das Schuldanerkenntnis
nicht unterzeichnet.
bb) Die Drohung ist nach allgemeiner Auffassung
widerrechtlich, wenn das Mittel, d.h. das angedrohte Verhalten, oder der
Zweck, d.h. die abgenötigte Willenserklärung, oder jedenfalls
die Verknüpfung von beidem widerrechtlich ist (vgl. Palandt/Heinrichs,
BGB, 57. Aufl., § 123 Rdnrn. 19ff.; Jauernig, § 123 Rdnrn. 13ff.;
Kramer, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 123 Rdnrn. 35ff.; Erman/Brox,
BGB, 9. Aufl., § 123 Rdnrn. 60ff.; Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl.,
§ 123 Rdnrn. 44ff., alle m.w. Nachw.).
cc) Im Streitfall war die angedrohte Hinzuziehung
der Polizei zur Aufklärung ebenso wie die angedrohte Erstattung einer
Strafanzeige erlaubt, also nicht rechtswidrig. Die Bekl. hatte - legt man
ihren Vortrag zugrunde - genügend Anhaltspunkte, um die Kl. wegen
des Verdachts längerfristiger Manipulationen anzeigen zu dürfen.
Das folgt eindeutig aus den Einlassungen der Kl. in dem Gespräch mit
dem Bezirksverkaufsleiter am 18.12.1995. Die Rechtsordnung sieht die angedrohten
Mittel in entsprechenden Fällen ohne weiteres vor. Auf der Grundlage
des Klägervorbringens ergibt sich nichts anderes: Dafür sprechen
nicht nur die unstreitigen Mitteilungen der stellvertretenden Marktleiterin
gegenüber dem Bezirksverkaufsleiter vom 18. 12. 1995. Auch die Einlassungen
der Kl. zum Inhalt ihres Gesprächs mit Herrn S zeigen auf, daß
ein hinreichender Verdacht bestand, die Kl. habe längerfristig (und
nicht nur einmalig) strafbare Handlungen begangen. Die Hinzuziehung der
Polizei ist hierbei das adäquate Mittel. Die Bekl. hat keineswegs
"ins Blaue hinein" gedroht. Die Kl. hat sich auch später nicht dahin
eingelassen, sie habe an dem betreffenden Tag darauf bestanden, es habe
sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt, und sie sei gleichwohl zur
Abgabe des weitergehenden Anerkenntnisses genötigt worden.
dd) Der angestrebte Zweck, nämlich die Abgabe
des Schuldanerkenntnisses, war ebenfalls rechtmäßig. Ein
Schuldanerkenntnis ist jedenfalls dann nicht verboten oder sittenwidrig,
wenn der Erklärungsempfänger von dem Bestehen der Schuld ausgehen
darf. Die Bekl. durfte hier nach den Gesamtumständen annehmen,
die Kl. habe sich entspr. ihrem Anerkenntnis verhalten und die Forderung
von 5750 DM sei berechtigt. Es bestand nicht lediglich ein gewisser Anfangsverdacht.
Der Klägervortrag ist angesichts der genauen Schilderung des Geschehensablaufs
seitens der Bekl. nicht hinreichend subsantiiert. Die Kl. hätte zu
dem Gesprächsverlauf im einzelnen Stellung nehmen müssen. Ihre
Wertung, ein Aufklärungsgespräch habe nicht stattgefunden, ist
ohne nähere Darlegungen nicht nachvollziehbar. Auch fehlt es an einem
Beweisangebot. Entgegen der Annahme der Revision ist die Schadenshöhe
nicht willkürlich festgesetzt worden. Diese beruhte vielmehr auf dem
Gesprächsinhalt vom 18. 12. 1995, zu dem die Kl. nicht substantiiert
vorgetragen hat. Die einvernehmlich festgelegte Schadenshöhe ist nach
den gegebenen Umständen nicht zu beanstanden. Weder ergeben sich Bedenken
gegen die wöchentliche Schadenshöhe von 50 DM, noch gegen die
Pauschalierung bei dem langen Schädigungszeitraum. Unerheblich
ist, daß die Bekl. keinen Rechtsanspruch auf Abgabe eines Schuldanerkenntnisses
hatte. Für die Rechtmäßigkeit des angestrebten Erfolgs
ist das Bestehen eines hierauf gerichteten Rechtsanspruchs nicht Voraussetzung
(BGH,
NJW 1997, 1980 [zu II 2b] m.w. Nachw.).
ee) Die Verknüpfung von Mittel und Zweck
(sog. Zweck-Mittel-Relation) war nicht unangemessen, macht das Verhalten
der Bekl. daher nicht widerrechtlich. Die Drohung mit einer Strafanzeige
diente nur dazu, die Kl. zur Wiedergutmachung des Schadens der Bekl. zu
veranlassen. Die Bekl. nutzte nicht etwa eine zufällig bekannt
gewordene Straftat der Kl. aus, um anderweitige zivilrechtliche Ansprüche
gegen sie durchzusetzen. Vielmehr bestand zwischen der anzuzeigenden Straftat
und dem wiedergutzumachenden Schaden ein innerer Zusammenhang, weil sich
der Schaden gerade aus der Straftat ergab. Die Bekl. konnte den eingeräumten
Schadensersatzbetrag für zutreffend halten. In diesen Fällen
wird der Einsatz des Drohmittels Strafanzeige zum Zwecke des zivilrechtlichen
Schadensausgleichs überwiegend für angemessen erachtet (BAG,
APNr. 1 zu § 781 BGB [zu 3 b]; BGHZ 25, 217 [220 f.j = NJW 1957, 1796;
BGH, WM 1964, 1296 [1297]; BGH, WM 1973, 574 [zu II 3]; Kramer, in: MünchKomm,
§ 123 Rdnr. 36; Larenz/ Wolf, AT des Bürgerlichen Rechts, 8.
Aufl., § 37 III 2 c [Rdnrn. 34-36]; Palandt/Heinrichs, § 123
Rdnrn. 21 f.; Erman/Brox, § 123 Rdnr. 66). Dem ist zuzustimmen.
Dem Drohenden kann das berechtigte Interesse am Schadensausgleich nicht
abgesprochen werden. Geht es nur um den Schadensausgleich aus der Straftat
und wird der Schuldner nicht übervorteilt, so verstößt
die Drohung mit der Strafanzeige nicht gegen Treu und Glauben. Dabei
liegt eine Übervorteilung nicht schon darin, daß die hinzugezogene
Polizei kaum in der Lage gewesen wäre, den wirklichen Schaden festzustellen.
Die grundsätzlichen Bedenken des LAG hiergegen greifen nicht durch.
Das Strafverfahren wird nicht funktionswidrig eingesetzt. Vielmehr dienen
polizeiliche und staatsanwaltschatliche Ermittlungen durchaus auch dem
Ausgleichsinteresse des durch die Straftat Verletzten (vgl. Löwe/Rosenberg,
StPO, 23. Aufl., 1, Einl. Kap. 7 Rdnrn. 1 ff.; Kleinknecht/ Meyer-Goßner,
StPO, 43. Aufl., Einl. Rdnr. 8). So können etwa Strafakten im Zivilprozeß
beigezogen werden (§§ 273,432 ZPO), es kommt eine Aussetzung
des Zivilprozesses bis zur Erledigung des Strafverfahrens (§ 149 ZPO)
oder ein Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff. StPO) in Betracht.
Aus der Sicht des Verletzten kann sich eine strafgerichtliche Verfolgung
durch zivilrechtliche Ersatzleistung durchaus erübrigen. Letztere
wird ihm oftmals wichtiger sein als die Bestrafung des Täters. Daß
eine Strafverfolgung unabhängig von der Anzeige des Drohenden stattfinden
kann, macht dessen Verhalten in der Regel nicht unangemessen; denn praktisch
hängt die Strafverfolgung doch von seiner Strafanzeige ab. Ein Verstoß
gegen Treu und Glauben mit der Rechtswidrigkeitsfolge kommt dagegen in
Betracht, wenn der Drohende ohnehin mit einem Tätigwerden der Strafverfolgungsorgane
rechnete. Dafür besteht im Streitfalle aber kein Anhaltspunkt.
Entgegen der Auffassung des LAG geht es auch nicht um die Übertragung
der Grundsätze zur Anfechtung eines Aufhebungsvertrags wegen der Drohung
mit einer fristlosen Kündigung (vgl. nur BAG, NJW 1970, 775 = AP Nr.
16 zu § 123 BGB; zuletzt BAG, NZA 1996, 1030 = NJW 1997,676 =AP Nr.
42 zu § 123 BGB [zu B 1 2 b]) auf Fälle der vorliegenden Art.
Vielmehr ist bei beiden Fallgruppen zu bestimmen, was als angemessenes,
sozial adäquates Verhalten gewertet werden kann.
e) Das Schuldanerkenntnis ist schließlich
nicht wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB)
nichtig. Ein Schuldanerkenntnis kann nach den Gesamtumständen bei
Vertragsabschluß, insbesondere nach Inhalt, Beweggrund und Zweck
des Rechtsgeschäfts, sittenwidrig sein. Teilweise wird angenommen,
die Drohung mit einer Strafanzeige dürfe den Täter nicht zu einer
überstürzten Entscheidung zwingen. Es dürfe ihm vor allem
dann nicht jede Überlegungsfrist genommen werden, wenn die Höhe
des wiedergutzumachenden Schadens erst durch einen Vergleich fixiert werden
solle (Kramer, in: MünchKomm, § 123 Rdnr. 36; Flume, AT des
Bürgerlichen Rechts, II, 4. Aufl., § 28, 2 c; vgl. demgegenüber
BAGE 74, 281 = NZA 1994, 209 = NJW 1994, 1021 = AP Nr. 37 zu § 123
BGB [zu 114 - 6]). Bei einer Verpflichtung, die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
weit übersteigt, kommt Sittenwidrigkeit in Betracht, wenn zusätzliche,
dem Gläubiger zurechenbare Umstände zu einem unerträglichen
Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen. Solche Belastungen können
sich insbesondere daraus ergeben, daß der Gläubiger die Geschäftsunerfahrenheit
oder eine seelische Zwangslage des Schuldners ausnutzt oder ihn auf andere
Weise in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt
(BGH, NJW 1997, 1980 [zu II 3] m.w. Nachw.). Die Kl. hat zwar behauptet,
"massiv unter Druck gesetzt worden" zu sein. Ihr konkreter Tatsachenvortrag
rechtfertigt aber nicht die Annahme, sie habe keine angemessene Überlegungsfrist
gehabt, es habe ein unerträgliches Ungleichgewicht der Parteien bei
Vertragsabschluß bestanden oder die Bekl. habe die Entscheidungsfreiheit
der Kl. unzulässig beeinträchtigt. Die Bekl. ist insbesondere
dem Verlangen der Kl. nach Hinzuziehung des Ehemanns zwecks einer Rücksprache
nachgekommen.
II. Ob die Schadensersatzforderung auch nach den
§§ 823, 826 BGB berechtigt ist, bedarf keiner Prüfung mehr.
III. Die Zinsforderung in Höhe von 7,25%
ergibt sich ebenfalls aus dem Schuldanerkenntnis. Einwendungen hierzu hat
die Kl. nicht erhoben. Die Ratenzahlungsabrede (gemeint waren offenbar
Monatsraten) ist wegen Zeitablaufs hinfällig, nachdem die Kl. freiwillig
nicht gezahlt hat.
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