Hemmung/Unterbrechung der Verjährung bei vereinbarter Nachbesserung im Kaufvertrag

BGH, Urt. v. 2. 6. 1999 - VIII ZR 322/98 (Oldenburg)


Amtl. Leitsatz:

Zur Frage, wann die Verjährung der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche durch Nachbesserungsarbeiten, die der Verkäufer auf Verlangen des Käufers an der als mangelhaft beanstandeten Sache vornimmt, entsprechend § 639 II BGB gehemmt und wann sie nach § 208 BG unterbrochen wird.



Fundstelle:

BGH NJW 1999, 2961



Zentrale Probleme:

Das (noch) geltende Kaufrecht sieht im Bereich der Sachmängelgewährleistung kein Nachbesserungsrecht bzw. keine Nachbesserungspflicht des Verkäufers vor. In der Praxis wird freilich ein Nachbesserungsrecht häufig (auch nachträglich konkludent, vgl. etwa BGH NJW 1996, 2647) vereinbart. Der Gesetzgeber hat darauf nur in § 476a BGB sowie in § 11 Nr. 10b AGBG (vgl. hierzu BGH NJW 1996, 2504) reagiert.
Da das Werkvertragsrecht als primären Rechtsbehelf im Falle der Mangelhaftigkeit der Werkleistung vorsieht, wendet die Rechtsprechung die Nachbesserungsregelungen des Werkvertragsrechts im Falle der Vereinbarung eines Nachbesserungsrechts beim Kauf analog an. Dies gilt insbesondere für die Frage der Verjährungshemmung (§ 639 II BGB, vgl. etwa BGH NJW 1996, 1962: auch im Falle freiw. Nachbesserung) sowie für die Kostenerstattung bei  Ersatzvornahme (§ 633 III BGB), vgl. BGH NJW 1992, 3297. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob durch einen Nachbesserungsversuch über § 639 II BGB hinaus nicht nur eine Hemmung, sondern eine Unterbrechung der Verjährung nach § 208 BGB eintreten kann. Dies setzt voraus, daß in dem Nachbesserungsversuch ein Anerkenntnis des Gewährleistungsanspruchs liegen kann.



Zum Sachverhalt:

Der Kl. erwarb von der Bekl. einen Holzhäcksler. Der Preis betrug nach seinen Angaben 150 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Maschine wurde am 19. 2. 1996 geliefert. Ein Teil des Preises in Höhe von 138 000 DM wurde über einen Leasingvertrag des Kl. mit der F-Kredit- und Leasingbank AG (künftig: Leasinggeberin) finanziert. Der Kl. verlangt die Wandelung des Vertrags über den Erwerb des Häckslers und hat dazu behauptet: Alsbald nach Lieferung seien mehrere Mängel aufgetreten, die zu einer Reihe von letztlich erfolglos gebliebenen Nachbesserungsversuchen durch die Bekl. und die von dieser eingeschaltete Herstellerin des Häckslers, die Firma K, geführt hätten. Nach einer ersten Besprechung am 8. 3. 1996 habe die Bekl. zunächst Nachbesserungsversuche vom 13. bis 25. 3. 1996 und erneut ab dem 25. 3. 1996 für einige Tage unternommen; am 17. 4. 1996 sei die "Inmontage" der Maschine erfolgt. Wegen erneut aufgetretener Mängel habe am 12. 8. 1996 eine Besprechung stattgefunden; am 19. 8. 1996 habe er weitere Mängel gerügt. Nach Probeläufen in der Zeit vom 18. bis 20. 9. 1996 habe am 9. 10. 1996 wiederum eine Besprechung stattgefunden, als deren Folge die Herstellerfirma K das Gerät für weitere Nachbesserungen abgeholt habe; diese hätten sich auf den Zeitraum bis 31. 10. 1996 erstreckt. Anschließend sei eine neue Gewährleistungsfrist von sechs Monaten ab dem 31. 10. 1996 vereinbart worden. Nach einer - wiederholten - Kontrolle des Geräts durch die zwischenzeitlich eingeschaltete zuständige Berufsgenossenschaft im November 1996 habe die Firma K im Januar 1997 einen erneuten Nachbesserungsversuch unternommen, der aber wiederum ohne Erfolg geblieben sei. Daraufhin habe er, der Kl., das Gerät weggestellt und nicht mehr benutzt. Mit einem am 3. 6. 1997 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz, welcher der Bekl. am 27.6.1997 zugestellt wurde, hat der Kl. Klage erhoben. Er begehrt, die Bekl. zu verurteilen, an die Leasinggeberin 138 000 DM Zug um Zug gegen Rückgabe des Häckslers zu zahlen sowie festzustellen, daß die Bekl. sich mit der Rücknahme des Häckslers im Annahmeverzug befinde.

Das LG hat die Rechtsbeziehungen der Parteien nach Kaufrecht beurteilt und die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Gewährleistungsansprüche des Kl. seien verjährt. Hiergegen hat der Kl. Berufung eingelegt und ergänzend vorgetragen, er habe den Häcksler nicht aufgrund eines Kauf-, sondern eines Werklieferungsvertrages über eine nicht vertretbare Sache erworben, so daß nicht Kauf- sondern Werkvertragsrecht anzuwenden sei. Überdies habe ihm die Bekl. arglistig verschwiegen, daß der Holzhäcksler oder ein Muster der Serie nicht auf Einhaltung der gesetzlichen Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften überprüft worden sei. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat das neue Vorbringen des Kl. im Berufungsrechtszug nach § 528 II ZPO nicht zugelassen. Es ist daher weiterhin davon ausgegangen, daß der Häcksler aufgrund eines Kaufvertrages geliefert wurde. Die Gewährleistungsansprüche des Kl. hat es, dem landgerichtlichen Urteil folgend, gern. § 477 1 BGB als verjährt angesehen.
II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Die Ansicht der Vorinstanz, da die neuen Behauptungen des Kl. zum Gegenstand des Vertrages verspätet seien, seimit dem LG davon auszugehen, daß die Rechtsbeziehungen zwischen der Bekl. und dem Kl. bzw. der Leasinggeberin kauf-und nicht werkvertraglicher Natur seien, wird von der Revision nicht angegriffen; sie läßt rechtliche Fehler auch nicht er-kennen. Beide Vorinstanzen haben ihrer Entscheidung ferner stillschweigend zugrunde gelegt, daß der Kl., entsprechend seiner Behauptung und wie bei Finanzierungsleasingverträgen auch allgemein üblich, aufgrund des Leasingvertrages zur Geltendmachung der kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche gegen die Bekl. im eigenen Namen ermächtigt ist; auch dies wird von der Revision mit Recht nicht beanstandet.
2. Jedoch beruht die Annahme des BerGer., die Gewährleistungsansprüche seien gem. § 477 I BGB verjährt, auf einer unvollständigen Würdigung des vom Kl. behaupteten und unter Beweis gestellten Sachverhalts. Beide Vorinstanzen haben die vom Kl. dargelegten wiederholten Nachbesserungsversuche durch die Bekl. und die Herstellerin, die Firma K, lediglich mit Blick auf eine etwaige Hemmung der Verjährungsfrist entsprechend § 639 II BGB gewürdigt (vgl. insoweit z. B. Senat, NJW 1984, 1525 = LM § 477 BGB Nr. 40= WM 1984, 479 (unter 2 a], und Senat, NJW 1997, 727 = LM H. 3/1997 § 276 [H] BGB Nr. 19 = WM 1997, 828 [unter II 3]). Dabei wurde, worauf die Revision zutreffend hinweist, übersehen, daß dieser Sachverhalt - dessen Richtigkeit im Revisionsrechtszug zu unterstellen ist - auch Anlaß zu der Prüfung gab, ob hierin ein Anerkenntnis der Gewährleistungsansprüche seitens der Bekl. zu sehen ist, wodurch der Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich der gerügten Mängel nicht nur gehemmt, sondern gem. § 208 BGB auch unterbrochen sein könnte (vgl. Senat, NJW 1988, 254 = LM § 477 BGB Nr. 44 = WM 1987, 1200 [unter II 2 u. 3]). Dabei ist zu beachten, daß die Verjährung eines Anspruchs sowohl nacheinander mehrmals gehemmt oder unterbrochen als auch gleichzeitig gehemmt und unterbrochen werden kann (BGH, NJW 1990, 826 = LM § 205 BGB Nr. 4 [unter 2 a]). Die Annahme eines Anerkenntnisses der Gewährleistungsansprüche der Bekl. wäre nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, daß - wozu allerdings nähere Feststellungen fehlen - Käuferin des Häckslers möglicherweise nicht der Kl., sondern die Leasinggeberin war (vgl. vgl. Senat, NJW 1988, 254 = LM § 477 BGB Nr. 44 = WM 1987, 1200 [unter 112 b]). Auch der Umstand, daß die Nachbesserungsarbeiten teilweise nicht von der Bekl. selbst, sondern von der Herstellerin des Häckslers, der Firma K, durchgeführt wurden, steht der Annahme eines Anerkenntnisses der Bekl. nicht entgegen, denn die Firma K wurde dabei - wie unter den Parteien nicht streitig ist - im Auftrage der Bekl. für diese tätig. Ob in der Vornahme von nicht nur unwesentlichen Nachbesserungsarbeiten ein Anerkenntnis der Gewährleistungspflicht des Verkäufers liegt, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei, ob der Verkäufer aus der Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewußtsein handelt, zur Nachbesserung verpflichtet zu sein. Erheblich sind hierbei vor allem der Umfang, die Dauer und die Kosten der Mängelbeseitigungsarbeiten.
Hiervon ausgehend, kann nach dem im Revisionsrechtszug zugrunde zu legenden Sachverhalt die Annahme eines Anerkenntnisses der Bekl. nicht ausgeschlossen werden. Die Bekl. und die Firma K haben mindestens vier Nachbesserungsversuche unternommen, die sich zum Teil über einen längeren Zeitraum erstreckten. Auch daß die Bekl. als Verkäuferin alsbald nach den Mängelrügen des Kl. die Firma K als Herstellerin des Häckslers einschaltete, welche dann, neben der Bekl. oder für diese, an den Besprechungsterminen teilnahm und weitere Nachbesserungsarbeiten durchführte, kann aus der Sicht des Kl. als Ausdruck eines Bewußtseins der Bekl. gewertet werden, zur Nachbesserung verpflichtet zu sein. Hierfür spricht weiter, daß die zuständige Gartenbau-Berufsgenossenschaft die Betriebssicherheit des Häckslers nach dessen Ablieferung wiederholt überprüft und in Schreiben an den Kl. vom 18. 9. und 12. 12. 1996 zahlreiche Mängel gerügt hatte. Die bevorstehende Prüfung durch die Berufsgenossenschaft und deren Beanstandungen sollen auch Gegenstand der Besprechungen der Parteien vom 12. 8. und 9. 10. 1996 gewesen sein. Daraufhin soll sich die Herstellerin, die Firma K, als Vertreterin der Bekl. mit Vertretern der Berufsgenossenschaft in Verbindung gesetzt und sich in mehreren Mitteilungen per Telefax an den Kl. vom 30. 10., 6. und 8. 11. 1996 bereit erklärt haben, die von der Berufsgenossenschaft vorgebrachten Beanstandungen abzustellen. Der letzte Nachbesserungsversuch der Firma K im Januar 1997 soll erfolgt sein, nachdem der Kl. seinen Anwalt eingeschaltet und dieser die Bekl. mit Schreiben vom 9. 1. 1997 nachdrücklich mit Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert hatte. All dies sind Indizien, die dahin gewertet werden können, daß die behaupteten wiederholten Nachbesserungsversuche Ausdruck des Bewußtseins der Bekl. waren, für die Mängel, die den betreffenden Mangelerscheinungen zugrunde lagen (vgl. BGHZ 110, 99 [102] = NJW 1990, 1472 = LM § 639 BGB Nr. 31), Gewähr leisten zu müssen. Trifft dies auch für den letzten Nachbesserungsversuch zu, der nach der Behauptung des Kl. Ende Januar 1997 erfolgt ist, dann wäre als Folge eines zu dieser Zeit wiederholten Anerkenntnisses sowie der damit verbundenen erneuten Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist der Wandelungsanspruch des Kl. bei Klageerhebung im Juni 1997 noch nicht verjährt gewesen.
3. Die Würdigung der vom Kl. vorgetragenen Nachbesserungsversuche der Bekl. und deren Begleitumstände unter dem Gesichtspunkt eines Anerkenntnisses der Gewährleistungsansprüche seitens der Bekl. ist in erster Linie Aufgabe des Tatrichters. Eine eigene Würdigung durch den Senat erscheint auch deswegen nicht sachgerecht, weil dieser Gesichtspunkt im Verlauf des Rechtsstreits ersichtlich noch keine Rolle gespielt hat und den Parteien Gelegenheit gegeben werden muß, hierzu Stellung zu nehmen und gegebenenfalls in tatsächlicher Hinsicht noch ergänzend vorzutragen.
III. Der Rechtsstreit ist daher unter Aufhebung des Berufungsurteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Diese wird, wenn sie nunmehr die Gewährleistungsansprüche als nicht verjährt ansieht, Feststellungen zu deren weiteren Voraussetzungen zu treffen haben. Sollte das BerGer. dagegen erneut eine rechtzeitige Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung verneinen, besteht Gelegenheit, sich mit dem Vorbringen des Kl. zur Vereinbarung einer erneuten Verjährungsfrist und mit den Ausführungen der Revision zum Inhalt dieser - angeblichen - Abrede zu befassen.



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