Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB) eines Kaufvertrags über ein Radarwarngerät,
Kondiktionsausschluß nach § 817 S. 2 BGB
BGH, Urteil
vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 129/04
Fundstelle:
NJW 2005, 1490
S. auch BGH v. 25.11. 2009 - VIII ZR 318/08
sowie BGH v. 28.10.2011 - V ZR
212/10
Leitsatz:
Ein Kaufvertrag über den Erwerb eines
Radarwarngeräts ist sittenwidrig, wenn der Kauf nach dem für beide Parteien
erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des Radarwarngeräts im
Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet ist. Ein
Anspruch auf Rückabwicklung eines solchen Vertrages steht dem Käufer nicht
zu.
Tatbestand:
Die Klägerin erwarb von der Beklagten am 5. Dezember 2002 ein Radarwarngerät
mit einer Basis-Codierung für Deutschland zu einem Preis von 1.059,08 €. Sie
verlangt die Rückabwicklung des Kaufvertrages mit der Begründung, das Gerät
funktioniere nicht; es habe an verschiedenen polizeilichen Radarmeßstellen
im Bundesgebiet kein Warnsignal abgegeben. Das Amtsgericht hat die Beklagte
zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des
Radarwarngeräts verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das
Landgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klägerin habe zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Rückzahlung des
Kaufpreises aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn der zwischen den Parteien
geschlossene Vertrag sei sittenwidrig und daher gemäß § 138 Abs. 1 BGB
nichtig. Der Kauf eines Radarwarngeräts, das unter Verstoß gegen § 23 Abs. 1
b StVO dazu eingesetzt werden solle, sich bußgeldbewehrten
Geschwindigkeitskontrollen dadurch wirksam zu entziehen, daß deren Standorte
rechtzeitig vorher angezeigt werden, verstoße gegen die guten Sitten. Das
Radarwarngerät habe nach dem von der Klägerin vorgesehenen Einsatz einzig
dem Zweck gedient, vor Einrichtungen der Geschwindigkeitsüberwachung zu
warnen und damit ein ordnungswidriges Verhalten zu fördern. Einem solchen
Rechtsgeschäft, das den Interessen der Gemeinschaft an der Einhaltung der
zur Sicherheit der Verkehrsteilnehmer angeordneten
Geschwindigkeitsbeschränkungen zuwiderlaufe, sei die rechtliche Anerkennung
zu versagen.
Der Rückforderung des Kaufpreises nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB stehe jedoch
§ 817 Satz 2 BGB entgegen. Beide Parteien hätten durch den Abschluß des
Vertrages gegen die guten Sitten verstoßen. Auch wenn die Beklagte gewußt
habe, daß die Kaufverträge über die von ihr angebotenen Radarwarngeräte
wegen Sittenwidrigkeit unwirksam seien und sie in Kenntnis dessen unter
Berufung auf § 817 Satz 2 BGB wirtschaftlichen Vorteil aus den Verträgen
ziehe, führe dies nicht zu einem Ausschluß der Vorschrift. Die Klägerin sei
als Verwenderin des Gerätes von dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit des
Geschäfts in gleicher Weise betroffen. Zwar schließe die Vorschrift die
Rückforderung grundsätzlich nur bei einem vorsätzlichen Sittenverstoß aus.
Indes stehe es vorsätzlichem Verhalten gleich, wenn sich der Leistende der
Einsicht in die Sittenwidrigkeit leichtfertig verschließe. Die Klägerin habe
den mit dem Erwerb des Geräts verfolgten Zweck und damit die die
Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gekannt. Darauf, ob sie selbst daraus
den Schluß auf die Sittenwidrigkeit gezogen habe, komme es nicht an.
II.Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung
stand, so daß die Revision der Klägerin zurückzuweisen ist.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß der zwischen den
Parteien geschlossene Kaufvertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, weil
er gegen die guten Sitten verstößt. Verträge über den Kauf von
Radarwarngeräten werden in der Rechtsprechung und im Schrifttum nahezu
einhellig als sittenwidrig angesehen (LG Bonn, NJW 1998, 2681; LG München I,
NJW-RR 1997, 307; LG Stuttgart, NJW-RR 2004, 57; AG Neukölln, NJW 1995,
2173; Möller, NZV 2000, 115, 117; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 138
Rdnr. 42; Schneider, MDR 2000, 189, 191; Staudinger/Sack, BGB (2003), § 138
Rdnr. 495; a.A. LG München I, NJW 1999, 2600). Dies ist jedenfalls dann
zutreffend, wenn der Kauf - wie im vorliegenden Fall - nach dem für beide
Parteien erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des Radarwarngeräts
im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet ist.
a) Sittenwidrig können nach der Rechtsprechung auch Geschäfte sein, durch
die Dritte gefährdet oder geschädigt werden oder die in krassem Widerspruch
zum Gemeinwohl stehen (Senatsurteil vom 6. Dezember 1989 - VIII ZR 310/88,
NJW 1990, 567 unter B I 1 a bb, insoweit in BGHZ 109, 314 nicht abgedruckt).
Voraussetzung dafür ist, daß alle an dem Geschäft Beteiligten sittenwidrig
handeln, also die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, kennen
oder sich zumindest ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen (Senat,
aaO; Senatsurteil vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310 unter I
1 a). Die Sittenwidrigkeit kann sich auch aus den Begleitumständen des
Geschäfts, insbesondere den zugrundeliegenden Motiven und den verfolgten
Zwecken ergeben (vgl. - zur Förderung einer Straftat - BGH, Urteil vom
15. März 1990 - III ZR 248/88, WM 1990, 799 unter 1; Urteil vom 1. Oktober
1970 - II ZR 21/70, DB 1971, 39; Urteil vom 15. Mai 1990 - VI ZR 162/89, WM
1990, 1324 unter II 1 b).
b) Der vorliegende Kaufvertrag verstößt nach diesen Grundsätzen gegen die
guten Sitten, weil er, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei
festgestellt hat, auf die Begehung eines ordnungswidrigen Verhaltens im
Straßenverkehr gerichtet ist, das im Interesse der Verkehrssicherheit in
Deutschland verboten ist. Einem solchen Rechtsgeschäft, das - für beide
Seiten erkennbar - dem Gemeinwohlinteresse an der Sicherheit im
Straßenverkehr zuwiderläuft, ist die rechtliche Anerkennung zu versagen.
aa) Nach der am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Vorschrift des § 23 Abs.
1 b StVO ist es dem Führer eines Kraftfahrzeugs untersagt, ein technisches
Gerät zu betreiben oder betriebsbereit mitzuführen, das dafür bestimmt ist,
Verkehrüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören (Satz 1); nach Satz 2
der Vorschrift gilt dies insbesondere für Geräte zur Anzeige oder Störung
von Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte). Der
vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß gegen diese Bestimmung ist gemäß § 49
Abs. 1 Nr. 22 StVO ordnungswidrig im Sinne des § 24 StVG und kann mit einer
Geldbuße und der Anordnung eines Fahrverbots geahndet werden (§§ 24 Abs. 2,
25 StVG).
Dieses Verbot zur Verwendung technischer Einrichtungen in Kraftfahrzeugen,
die dazu bestimmt sind, die Verkehrsüberwachung zu beeinträchtigen, dient
der Erhöhung der Verkehrssicherheit (BR-Drucks. 751/01, S. 5). Die
Neuregelung soll zur Sicherung einer erfolgreichen Bekämpfung von
Geschwindigkeitsverstößen und anderen Verkehrszuwiderhandlungen beitragen
und verhindern, daß sich Kraftfahrer durch technische Vorkehrungen im
Kraftfahrzeug Maßnahmen der Verkehrsüberwachung entziehen können (aaO). Dem
liegt die Überlegung zugrunde, daß die Verwendung eines Radarwarngeräts
geeignet ist, die präventive Wirkung drohender Geschwindigkeitskontrollen zu
unterlaufen und dadurch risikolose Geschwindigkeitsübertretungen mit
erhöhten Gefahren für Leib und Leben Dritter zu fördern.
bb) Der Kauf eines Radarwarngeräts, das - wie im vorliegenden Fall -aufgrund
seiner Codierung zum Einsatz im deutschen Straßenverkehr bestimmt ist, dient
der Begehung eines nach § 23 Abs. 1 b StVO ordnungswidrigen Verhaltens,
durch das Geschwindigkeitskontrollen unterlaufen und
Geschwindigkeitsübertretungen mit den damit verbundenen Gefahren für Leib
und Leben Dritter begünstigt werden. Ein solches Rechtsgeschäft, das
letztlich darauf gerichtet ist, die Sicherheit im Straßenverkehr zu
beeinträchtigen, verstößt gegen die guten Sitten und ist deshalb von der
Rechtsordnung nicht zu billigen (§ 138 Abs. 1 BGB). Zwar untersagt § 23 Abs.
1 b StVO nicht schon den Erwerb eines Radarwarngeräts, sondern erst dessen
Betrieb oder betriebsbereites Mitführen im Kraftfahrzeug. Jedoch ist der
Erwerb des Geräts eine unmittelbare Vorbereitungshandlung für dessen
Betrieb, wenn das Gerät - wie im vorliegenden Fall - für den Betrieb im
deutschen Straßenverkehr erworben wird. Deshalb ist bereits ein solcher
Erwerb rechtlich zu mißbilligen.
Eine andere Bewertung folgt nicht aus dem Umstand, daß Kraftfahrzeugführer
gelegentlich auch im Rundfunk vor "Radarfallen" und "Blitzern" gewarnt
werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob gegen diese Praxis rechtliche
Bedenken bestehen (kritisch hierzu Albrecht, aaO, 250). Durch die
Bekanntgabe des Standorts einzelner Geschwindigkeitskontrollen im Rundfunk
läuft die Verbotsnorm des § 23 Abs. 1 b StVO nicht ins Leere. Denn dadurch
wird dem Fahrzeugführer - anders als durch ein mitgeführtes Radarwarngerät -
jedenfalls nicht das Gefühl vermittelt, er könne jederzeit und überall eine
Radarkontrolle rechtzeitig erkennen und deshalb insoweit risikolos die
Geschwindigkeit überschreiten (LG Bonn, aaO; Möller, aaO, 117; vgl. auch
Albrecht, aaO).
2. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, daß die Klägerin den
zur Erfüllung des nichtigen Vertrags geleisteten Kaufpreis nicht gemäß § 812
Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zurückverlangen kann. Der
Rückforderungsanspruch ist nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil - wie
dargelegt - beiden Parteien ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last
fällt (vgl. auch LG Bonn, aaO, 2682; LG München I, NJW-RR 1997, 307;
Möller, aaO; Schneider, aaO; anders LG Stuttgart, aaO; LG München I, NJW
1999, 2600, 2601).
a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die
subjektiven Anforderungen an die Erfüllung dieses Ausnahmetatbestandes nicht
verkannt. Zwar schließt § 817 Satz 2 BGB die Rückforderung grundsätzlich
nur bei einem bewußten Sittenverstoß aus; jedoch steht es vorsätzlichem
Handeln gleich, wenn der Leistende sich der Einsicht in die Sittenwidrigkeit
seines Handelns leichtfertig verschließt (Senatsurteil vom 9. Oktober
1991, aaO, unter II 1). Daß diese Voraussetzung bei der Klägerin vorlag, hat
das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt; dies wird von der
Revision auch nicht angegriffen.
b) Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, der
Rückforderungsausschluß nach § 817 Satz 2 BGB sei im vorliegenden Fall mit
Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht vereinbar. Der Ausschluß des
Rückforderungsanspruchs der Klägerin ist - auch unter Berücksichtigung des
Umstandes, daß die Beklagte infolge der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB aus
dem sittenwidrigen Vertrieb von Radarwarngeräten wirtschaftliche Vorteile
zieht - nicht unbillig. Denn die Klägerin handelte ebenfalls sittenwidrig
und steht dem verbotenen Verhalten noch näher als die Beklagte, weil sie das
Radarwarngerät zu dem Zweck erwarb, es entgegen dem Verbot des § 23 Abs. 1 b
StVO zu verwenden. Beide Parteien verdienen daher im Hinblick auf das
sittenwidrige Geschäft nicht den Schutz der Rechtsordnung. Es hat
deshalb dabei zu bleiben, daß die in § 817 Satz 2 BGB geregelte
Rechtsschutzverweigerung grundsätzlich die Vertragspartei trifft, die aus
dem sittenwidrigen Geschäft Ansprüche herleitet.
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