Rückabwicklung eines
Kaufvertrags über ein im Fernabsatz erworbenes Radarwarngerät:
Verbraucherschützender Widerruf eines nach § 134 BGB nichtigen Vertrages,
Abwicklung nach §§ 357 I, 346 BGB, keine Anwendung von § 817 BGB (Grundsatz
der Doppelwirkung)
BGH, Urteil vom 25.
November 2009 - VIII ZR 318/08
Fundstelle:
NJW 2010, 610
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Dem Verbraucher steht, sofern
nicht Treu und Glauben (§ 242 BGB) etwas anderes gebieten, ein
Widerrufsrecht nach § 312d BGB auch dann zu, wenn der Fernabsatzvertrag
nichtig ist.
b) Das Widerrufsrecht besteht auch bei einem wegen beiderseitiger
Sittenwidrigkeit nichtigen Fernabsatzvertrag, der den Kauf eines
Radarwarngeräts zum Gegenstand hat (Fortführung des
Senatsurteils vom 23. Februar 2005 - VIII ZR
129/04, NJW 2005, 1490).
Zentrale Probleme:
Eine dogmatisch hochinteressante, wichtige Entscheidung:
Es geht um die in BGH
NJW-RR 2004, 1058 noch offen gelassene Frage, ob
auch ein nichtiger Vertrag Gegenstand eines verbraucherschützenden
Widerrufsrechts sein kann mit der Folge, daß die Rückabwicklung dann
nicht nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff BGB), sondern nach §§ 357, 346 ff
BGB erfolgt (was für den Verbraucher in vielfacher Hinsicht günstiger ist).
Im vorliegenden Fall wäre nämlich nach Bereicherungsrecht eine Rückforderung
nach § 817 S. 2 BGB wg. Sittenwidrigkeit ausgeschlossen gewesen (s. dazu
BGH NJW 2005, 1490). Die Entscheidung ist
dogmatisch überzeugend, indem sie entscheidend auf den Zweck des
Widerrufsrecht sowie auf den seit langem anerkannten Grundsatz der
Doppelwirkung im Recht abstellt. Innerhalb der Überlegungen im Rahmen von §
242 BGB (Tz. 20) mag man freilich daran denken, in einem Fall wie dem
vorliegenden § 817 S. 2 BGB analog anzuwenden. Der in
BGH NJW 2005, 1490 zu recht betonte
generalpräventive Zweck des Kondiktionsausschlusses wird nämlich hier
konterkariert. Zur Treuwidrigkeit der Ausübung eines Widerrufsrechts s. auch
BGH v. 16.3.2016 - VIII ZR
146/15.
S. dazu auch die
Pressemeldung des BGH sowie den
Telefonkommentar in Ausgabe
2/2010 der NJW Audio-CD
©sl 2010
Tatbestand:
1 Nach einem am 1. Mai 2007 erfolgten Werbeanruf durch einen
Mitarbeiter der Beklagten bestellte die Klägerin bei dieser am darauf
folgenden Tag per Fax einen Pkw-Innenspiegel mit einer unter anderem für
Deutschland codierten Radarwarnfunktion zum Preis von 1.129,31 € zuzüglich
Versandkosten. Der von der Klägerin ausgefüllte Bestellschein enthält unter
anderem den vorformulierten Hinweis:
"Ich wurde darüber belehrt, dass die Geräte verboten sind und die Gerichte
den Kauf von Radarwarngeräten zudem als sittenwidrig betrachten."
2 Die Lieferung des Geräts erfolgte per Nachnahme am 9. Mai 2007. Die
Klägerin sandte am 19. Mai 2007 das Gerät an die Beklagte zurück und bat um
Erstattung des Kaufpreises. Die Beklagte verweigerte die Annahme des Gerätes
und die Rückzahlung des Kaufpreises.
3 Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur
Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich 8,70 € Rücksendungskosten, insgesamt
1.138,01 € nebst Zinsen. Darüber hinaus hat sie beantragt, die Beklagte zur
Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 155,30 € nebst
Zinsen zu verurteilen und festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 19.
Mai 2007 mit der Rücknahme des Gerätes in Annahmeverzug befindet.
4 Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin
hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat
die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.138,01 € nebst Zinsen zu zahlen,
und hat dem Feststellungsantrag entsprochen; im Übrigen hat das Landgericht
die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung
der Berufung der Klägerin weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren von Interesse,
ausgeführt:
7 Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des
Kaufpreises in Höhe von 1.129,01 € aus § 812 BGB und auf Zahlung weiterer
8,70 € gemäß § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB.
8 Zu Recht habe das Amtsgericht angenommen, dass der zwischen den Parteien
geschlossene Kaufvertrag gemäß § 138 BGB nichtig sei. Verträge über den Kauf
von Radarwarngeräten seien stets als sittenwidrig zu beurteilen, wenn - wie
vorliegend - der Vertragszweck erkennbar auf eine Verwendung des
Radarwarngerätes im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung
gerichtet sei. § 817 Satz 2 BGB stehe einer Rückforderung des Kaufpreises
entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht entgegen. Zwar lägen die
Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB dem Grunde nach vor, da der Klägerin
die Radarwarnfunktion des Spiegels bekannt gewesen sei und die Beklagte in
ihrem Bestellformular auf die Sittenwidrigkeit entsprechender Verträge
hingewiesen habe. Der Beklagten sei es jedoch gemäß § 242 BGB verwehrt, sich
auf § 817 Satz 2 BGB zu berufen. Die Berufung auf die Nichtigkeit eines
Vertrages könne in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine unzulässige
Rechtsausübung darstellen. Der Verbraucherschutz rechtfertige einen solchen
Ausnahmefall. Die Sittenwidrigkeit des Vertragszwecks könne gesetzliche
Regelungen mit verbraucherschützender Intention nicht ausschließen. Der von
den Parteien geschlossene Kaufvertrag unterfiele den verbraucherschützenden
Regelungen zum Fernabsatzvertrag gemäß § 312b ff. BGB, wenn er nicht wegen
der Sittenwidrigkeit des Vertragszwecks nichtig wäre. Die Nichtanwendung der
§§ 312b ff. BGB würde eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers
bedeuten, wenn diesem im Rahmen der Geltendmachung seines gesetzlichen
Widerrufs- und Rückgaberechts gemäß § 312d BGB die Sittenwidrigkeit des
zugrunde liegenden Vertrages entgegengehalten werden könnte. Ein Verbraucher
müsse auch dann, wenn er in der Situation des Fernabsatzes einen
sittenwidrigen Vertrag schließe, die Möglichkeit haben, sich von dem Vertrag
zu lösen. Diesen Schutz nicht zu gewähren, würde bedeuten, den redlichen
Verkäufer schlechter zu stellen als den unredlichen, der aufgrund der
Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht zur Rücknahme der veräußerten Ware
verpflichtet wäre. Dieser Wertungswiderspruch könne nur dadurch aufgelöst
werden, dass der Verbraucher, welcher an einem sittenwidrigen
Vertragsschluss beteiligt sei, sich über § 242 BGB auf verbraucherschützende
gesetzliche Regelungen berufen könne.
II.
9 Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand, so
dass die Revision zurückzuweisen ist. Die Klägerin hat Anspruch auf
Rückerstattung des für das Radarwarngerät gezahlten Kaufpreises und auf
Rücknahme des Gerätes durch die Beklagte. Dieser Anspruch ergibt sich
allerdings nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, aus § 812 BGB.
Vielmehr steht der Klägerin ein gesetzlicher Rückabwicklungsanspruch
aufgrund der Regelungen über das Widerrufs- und Rückgaberecht bei
Fernabsatzverträgen zu (§ 346 Abs. 1 i.V.m. §§ 433, 312b, 312d, 355 ff.
BGB). Dem steht die Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen
Kaufvertrags nicht entgegen.
10 1. Bei dem zwischen den Parteien aufgrund schriftlicher Bestellung
seitens der Klägerin und Zusendung des Geräts durch die Beklagte zustande
gekommenen Kaufvertrag über das Radarwarngerät handelt es sich um einen
Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn der
Vertrag hat die Lieferung einer Ware zum Gegenstand und wurde nach den
rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts zwischen einem
Unternehmer (Beklagte) und einem Verbraucher (Klägerin) unter
ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312b Abs. 2
BGB) geschlossen. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
11 2. Die Klägerin hat Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages gemäß § 346
Abs. 1 BGB. Bei einem Fernabsatzvertrag steht dem Verbraucher ein
Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu (§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB), auf das die
Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt (§§ 346 ff. BGB) entsprechende
Anwendung finden (§ 357 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klägerin hat das
Widerrufsrecht fristgerecht ausgeübt, indem sie das am 9. Mai 2007
gelieferte Radarwarngerät am 19. Mai 2007 an die Beklagte zurücksandte (§
355 Abs. 1 Satz 2 BGB), und ist deshalb an ihre auf den Abschluss des
Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz
1 BGB). Sie hat damit Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346
Abs. 1 BGB) zuzüglich der Kosten für die Rücksendung des Geräts (§ 357 Abs.
2 Satz 2 BGB).
12 3. Eine direkte Anwendung der Regelung über das gesetzliche
Widerrufsrecht der Klägerin aus § 312d Abs. 1 BGB ist nicht, wie das
Berufungsgericht gemeint hat, deshalb ausgeschlossen, weil der
Fernabsatzvertrag wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig ist.
Auch bei einem nichtigen Fernabsatzvertrag besteht grundsätzlich das
Widerrufsrecht des Verbrauchers. Ein Ausnahmefall, in dem dies nicht gelten
würde, liegt hier nicht vor.
13 a) Der Kaufvertrag über den Erwerb eines Radarwarngeräts ist, wie das
Berufungsgericht nicht verkannt hat, nach der Rechtsprechung des Senats
sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Kauf nach dem
für beide Seiten erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des
Radarwarngeräts im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung
gerichtet ist (Urteil
vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490, unter II 1 b;
zustimmend Emmerich, JuS 2005, 746 f.; Möller, EWiR 2005, 529; Singer, LMK
2005, II, 80 f.; Hardung, SVR 2005, 339 f.; Diehl, ZfS 2005, 442; Albrecht,
DAR 2006, 481, 485; Hufnagel, NJW 2008, 621, 624; Palandt/Ellenberger, BGB,
68. Aufl., § 138 Rdnr. 42; Staudinger/S. Lorenz, BGB (2007), § 817 Rdnr. 21;
Martinek in: jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 817 Rdnr. 28). Diese Voraussetzungen
für die Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags sind
nach den rechtsfehlerfreien Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts
erfüllt. Von der Nichtigkeit des Vertrags gehen auch die Parteien im
Revisionsverfahren aus.
14 b) Das Recht der Klägerin, sich von dem Fernabsatzvertrag durch
Widerruf ihrer Willenserklärung zu lösen, wird von der Nichtigkeit des
Vertrags nicht berührt.
15 aa) Ob das Widerrufsrecht des Verbrauchers - jedenfalls grundsätzlich
-auch bei einem unwirksamen Vertrag besteht, ist allerdings umstritten.
Es wird die Auffassung vertreten, dass dies aus Gründen des
Verbraucherschutzes zu bejahen sei, um dem Verbraucher die gegenüber einer
kondiktionsrechtlichen Rückabwicklung günstigeren Rechtsfolgen der §§ 355,
346 ff. BGB zu erhalten (MünchKommBGB/Wendehorst, 5. Aufl., § 312d Rdnr.
13; MünchKommBGB/ Masuch, 5. Aufl., § 355 Rdnr. 28; Erman/Saenger, BGB, 12.
Aufl., § 355 Rdnr. 20; v. Westphalen/Emmerich/v.Rottenburg,
Verbraucherkreditgesetz, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 13; HK-BGB/Schulze, 6. Aufl., §
355 Rdnr. 5; Wildemann in: jurisPK-BGB, aaO, § 355 Rdnr. 7). Dagegen wird
eingewandt, das Widerrufsrecht nach § 312d BGB setze einen wirksamen
Fernabsatzvertrag voraus, da nur von einem wirksam geschlossenen Vertrag
zurückgetreten werden könne und es den dogmatischen Strukturen des
Vertragsrechts widerspreche, wenn auch nichtige Verträge nach den
Rücktrittsvorschriften rückabgewickelt werden könnten (Staudinger/Thüsing,
BGB (2005), § 312d Rdnr. 10; ebenso Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rdnr.
17; Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 6. Aufl., § 495 BGB Rdnr. 53, zum
Widerrufsrecht beim Verbraucherdarlehensvertrag).
16 bb) Der Senat hat die Frage, ob ein Widerrufsrecht unabhängig davon
besteht, ob die Willenserklärung bzw. der Vertrag ansonsten wirksam ist, in
seinem Urteil vom 17. März
2004 offen gelassen (VIII ZR 265/03, WM 2004, 2451,
unter II 2 b und c). Er bejaht sie in Übereinstimmung mit der in der
Kommentarliteratur überwiegend vertretenen Auffassung.
17 Der Sinn des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag besteht darin, dem
Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach
auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu
geben, das neben und unabhängig von den allgemeinen Rechten besteht, die
jedem zustehen, der einen Vertrag schließt. Dies kommt etwa im
Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im
Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19) zum Ausdruck, wonach das Widerrufsrecht
nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Rechte des Verbrauchers
berührt. Dementsprechend hat der Verbraucher etwa ein Wahlrecht, ob er
einen Fernabsatzvertrag nach §§ 312d, 355 BGB mit der Rechtsfolge einer
Rückabwicklung nach §§ 346 ff. BGB widerruft oder ob er den Vertrag -
gegebenenfalls - wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung gemäß §§ 119 ff.,
142 BGB anficht und sich damit für eine bereicherungsrechtliche
Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB entscheidet (ebenso v. Westphalen/Emmerich/
v.Rottenburg, aaO; Bülow/Artz, aaO). Es besteht unter dem Gesichtspunkt
des bei einem Fernabsatzvertrag gebotenen Verbraucherschutzes kein Grund,
den Verbraucher schlechter zu stellen, wenn der Fernabsatzvertrag nicht
anfechtbar, sondern nach §§ 134, 138 BGB nichtig ist. Auch in einem solchen
Fall rechtfertigt es der Schutzzweck des Widerrufsrechts, dem Verbraucher
die Möglichkeit zu erhalten, sich von dem geschlossenen Vertrag auf einfache
Weise durch Ausübung des Widerrufsrechts zu lösen, ohne mit dem Unternehmer
in eine rechtliche Auseinandersetzung über die Nichtigkeit des Vertrages
eintreten zu müssen. Auch bei einer etwaigen Nichtigkeit des Vertrages
hat der Verbraucher deshalb grundsätzlich die Wahl, seine auf den Abschluss
des Fernabsatzvertrags gerichtete Willenserklärung zu widerrufen oder sich
auf die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags zu berufen.
18 Die dagegen vorgebrachten dogmatischen Einwände greifen nicht durch. Das
begriffslogische Argument, nur ein wirksamer Vertrag könne widerrufen werden
(Staudinger/Thüsing, aaO), berücksichtigt nicht, dass in der
Zivilrechtsdogmatik seit langem anerkannt ist, dass auch nichtige
Rechtsgeschäfte angefochten werden können (sog. Doppelwirkungen im
Recht; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., Einl. zu §§ 104 ff. Rdnr. 80
m.w.N.; Bülow/Artz, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Juni 1955 - V ZR
53/54, JZ 1955, 500). Für den Widerruf eines nichtigen Vertrages gilt unter
dogmatischem Gesichtspunkt nichts Anderes als für dessen Anfechtung.
19 cc) Es ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, ob und unter
welchen Voraussetzungen der Grundsatz, dass der Verbraucher auch einen
nichtigen Fernabsatzvertrag widerrufen kann, einzuschränken ist. Denn ein
Ausnahmefall, in dem die mit dem Widerrufsrecht verbundene Privilegierung
des Verbrauchers nicht gerechtfertigt wäre, liegt hier nicht vor.
20 Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung, dass der Verbraucher
sich bei einer Nichtigkeit des Fernabsatzvertrags schon dann nicht auf sein
Widerrufsrecht berufen könne, wenn er den die Vertragsnichtigkeit nach §§
134, 138 BGB begründenden Umstand jedenfalls teilweise selbst zu vertreten
habe (so MünchKommBGB/Masuch, aaO). Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen
unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) kann nur unter dem Gesichtspunkt
besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers in Betracht kommen, etwa bei
arglistigem Handeln des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer (v.
Westphalen/Emmerich/v.Rottenburg, aaO, Rdnr. 14). Arglistiges Handeln der
Klägerin gegenüber der Beklagten liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr fällt
bei dem nichtigen Kaufvertrag über das Radarwarngerät, wie unter 3 a
ausgeführt, beiden Parteien - auch der Beklagten - ein Verstoß gegen die
guten Sitten zur Last (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2005, aaO, unter II
2). Unter diesen Umständen gebietet es der Gesichtspunkt von Treu und
Glauben jedenfalls nicht, der Klägerin das Widerrufsrecht zu Gunsten der
Beklagten vorzuenthalten. |