Objektiver Fehlerbegriff (§ 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BGB) bei Gebrauchtwagen: Darlegungs- und Beweislast des Verbrauchers im
Rahmen der Mängelvermutung des § 477 BGB (§ 476 BGB a.F.); Reichweite der
Vermutung
BGH, Urteil vom 9. September 2020 - VIII ZR 150/18 - OLG
Köln
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Ein bei Gefahrübergang vorliegender,
dem Alter, der Laufleistung und der Qualitätsstufe entsprechender,
gewöhnlicher, die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigender Verschleiß
eines für den Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeugs begründet einen
Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 BGB nicht (Bestätigung der
Senatsurteile vom 23. November 2005 - VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434
Rn. 19; vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53
Rn. 19; vom 10.
März 2009 - VIII ZR 34/08, NJW 2009, 1588 Rn. 13). Dies gilt auch dann, wenn
sich daraus in absehbarer Zeit - insbesondere bei der durch Gebrauch
und Zeitablauf zu erwartenden weiteren Abnutzung - ein Erneuerungsbedarf
ergibt.
b) Die Vermutung des § 476 Halbs. 1 BGB - in der bis zum 31.
Dezember 2017 geltenden Fassung (jetzt § 477 Halbs. 1 BGB) - entbindet den
Käufer nicht davon darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass sich
an der Kaufsache innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein
mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung) gezeigt hat. Der Käufer ist dann
durch die genannte Vorschrift des Vortrags und des Nachweises enthoben, auf
welche Ursache der zu Tage getretene mangelhafte Zustand zurückzuführen ist,
sowie dass diese Ursache in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt
(Bestätigung der Senatsurteile vom 12. Oktober
2016 - VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36;
vom 27. Mai 2020 - VIII ZR
315/18, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, unter II 3 c bb (1)).
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung betrifft zunächst Bekanntes: Beim
Verkauf von Gebrauchtfahrzeugen stellt altersbedingter Verschleiß keinen
Sachmangel i.S. des objektiven Fehlerbegriffs dar, solange der Verschleiß
nicht sicherheitsrelevante Teile betrifft. Die Vereinbarung "TÜV" neu ist
zwar eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.v. § 434 I S. 1 BGB, bedeutet aber
keine Haltbarkeitsgarantie, d.h. das Fahrzeug muss nur bei Gefahrübergang
verkehrssicher und fahrbereit sein. Etwas interessanter ist die
Präzisierung zu § 477 BGB (hier wird noch der wortlautgleiche § 476 BGB a.F.
angewendet): Zwar erstreckt sich die Vermutung nach der aufgrund der Rspr.
des EuGH geänderten Rspr. des BGH auch auf den sog. "Grundmangel" (BGHZ
212, 224), jedoch muss der Verbraucher darlegen und beweisen, dass
innerhalb der ersten 6 Monate nach Gefahrübergang ein Phänomen aufgetreten
ist, dass z.Zt des Gefahrübergangs einen Sachmangel begründet hätte. An
einem solchen Vortrag des Klägers hatte es hier gefehlt, weil alle von ihm
geltend gemachten Defekte auch zZt des Gefahrübergangs keinen Sachmangel
dargestellt hätten.
©sl 2021
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit
dem von der Klägerin erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag über ein
gebrauchtes Kraftfahrzeug.
2 Die Beklagte ist gewerbliche
Gebrauchtwagenhändlerin; die Klägerin ist Verbraucherin. Mit schriftlichem
Vertrag vom 11. Januar 2014 kaufte die Klägerin zu privaten Zwecken von der
Beklagten einen bei Vertragsschluss über neun Jahre alten, gebrauchten
Peugeot 307 CC mit einer Laufleistung von 84.820 km zu einem Preis von 5.650
€. In dem Vertragstext findet sich unter der Rubrik "Sonstige
Vereinbarungen" die Aussage "TÜV/AU neu". Die Hauptuntersuchung des
Fahrzeugs erfolgte am 14. Januar 2014; Beanstandungen ergaben sich dabei
nicht. Drei Tage später, am 17. Januar 2014, fand die Übergabe des Fahrzeugs
an die Klägerin statt. Der Kaufpreis wurde auf Vermittlung der Beklagten bei
einer Bank durch Aufnahme eines Darlehens finanziert.
3 In der
Folgezeit machte die Klägerin gegenüber der Beklagten mehrere Mängel des
Fahrzeugs geltend, auch beanstandete sie eine starke Geräuschentwicklung am
Auspuff. Unter anderem hierüber führten die Parteien zwischen Juli 2014 und
Dezember 2014 umfangreichen Schriftverkehr. Am 4. Juli 2014 und am 21.
August 2014 führte die Beklagte (kostenlos) Schweißarbeiten am Auspuff
(Mittelschalldämpfer und Endschalldämpfer) durch.
4 Mit anwaltlichem
Schreiben vom 11. Dezember 2014 erklärte die Klägerin, verbunden mit der
Behauptung, das Fahrzeug sei von Anfang an - insbesondere am Auspuff -
mangelbehaftet gewesen, den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die von der Beklagten
im Sommer 2014 vorgenommenen Nachbesserungsversuche in Form von
Schweißarbeiten hätten den Mangel an der Schalldämpferanlage nicht
beseitigt. Die Beklagte stellt bei Übergabe des Fahrzeugs vorhandene Mängel
in Abrede; die Schweißarbeiten seien wegen normalen Verschleißes und
Abnutzung des Auspuffs, nicht jedoch zur Nachbesserung eines
bei Gefahrübergang vorhandenen Mangels vorgenommen worden.
5 Mit der
Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um
Zug gegen Rückgabe des Kraftfahrzeugs, hilfsweise auf Erstattung bislang
geleisteter Nettokreditraten und Zinsen in Anspruch. Ferner begehrt sie
Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten, Ersatz für
bereits aufgewandte Finanzierungskosten, Freistellung von weiteren
Darlehensverpflichtungen, Ersatz für eine verauslagte Stellplatzmiete sowie
Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Die Klage ist in den
Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision hat keinen
Erfolg.
I.
8 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner
Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im
Wesentlichen ausgeführt:
9 Das Landgericht habe die Klage zu Recht
abgewiesen, weil der Klägerin ein Anspruch auf Rückabwicklung nach § 437 Nr.
2, § 323, § 434 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, § 346 Abs. 1 BGB nicht zustehe
mit der Folge, dass auch die weiteren Klageanträge nicht durchgreifen
könnten. Der Anspruch scheitere daran, dass ein Sachmangel des verkauften
Fahrzeugs bei Gefahrübergang nicht feststellbar sei.
10 Im Hinblick
auf die im Kaufvertrag vereinbarte Beschaffenheit "TÜV/AU neu" liege ein
Sachmangel nicht vor. Zwar sei eine solche Vereinbarung nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15. April 2014 -VIII
ZR 80/14) dahin zu würdigen, dass eine Plakette nach Durchführung
der Hauptuntersuchung tatsächlich erteilt worden sei und sich das Fahrzeug
auch in einem die Erteilung der Plakette rechtfertigenden verkehrssicheren
Zustand befunden habe. Wie der Senat im Termin erörtert habe, habe eine dem
entgegenstehende Korrosion an sicherheitsrelevanten Teilen hier indes nicht
in Rede gestanden; dem habe die Klägerin auch nicht widersprochen.
11
Die Klägerin könne den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf die von ihr
beanstandeten Korrosionserscheinungen am Auspuff stützen. Zwar sei nach den
Ausführungen des in erster Instanz gerichtlich beauftragten Sachverständigen
davon auszugehen, dass am Fahrzeugauspuff im Oktober 2016 erhebliche
Korrosionsspuren zu verzeichnen gewesen seien, die in ihren Ursprüngen älter
gewesen sein müssten als die festgestellten (unfachmännischen)
Schweißarbeiten, die Mitarbeiter der Beklagten im Sommer 2014 durchgeführt
hätten. Auch habe der Sachverständige ausgeführt, dass bei
diesen Schweißarbeiten eigentlich die ganze Schalldämpferanlage hätte
ausgetauscht werden müssen.
12 Dies alles trage indes den geltend
gemachten Anspruch nicht. Normale Verschleißerscheinungen - wie etwa eine
altersbedingt übliche Korrosion am Auspuff - begründeten bei
Gebrauchtfahrzeugen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
grundsätzlich nicht ohne Weiteres einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 BGB. Dies gelte erst recht für einen - von diesem Zustand aus -
nach Gefahrübergang fortschreitenden Verschleiß. Soweit bei einem zum
Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorliegenden atypischen, vorzeitigen
Verschleiß etwas anderes gelten könne, sei ein solcher Fall von der Klägerin
nicht substantiiert vorgetragen worden.
13 Bei einem etwa zehn Jahre
alten Kleinwagen mit einer Laufleistung von mehr als 80.000 km seien (auch
erhebliche) Durchrostungsschäden an der Auspuffanlage keineswegs
außergewöhnlich, zumal das Fahrzeug hier zwei Vorbesitzer gehabt habe, über
deren Behandlung des Fahrzeugs (etwa als sogenannte Laternenparker) nichts
bekannt sei.
14 Die Beklagte habe einen Sachmangel auch nicht etwa
anerkannt. Allein aus dem Umstand, dass sie mit geringem Aufwand einige
kleinere Schweißarbeiten am Auspuff durchgeführt habe, sei auf ein rechtlich
bindendes Anerkenntnis nicht zu schließen.
15 Auch unter dem
rechtlichen Gesichtspunkt eines möglicherweise im Zeitpunkt des
Gefahrübergangs bereits im Ansatz (latent) vorhandenen Mangels im Sinne des
§ 434 Abs. 1, Satz 2 Nr. 2 BGB sei der Anspruch auf Rückabwicklung nicht
begründet. Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung sei § 477 BGB -
beziehungsweise der hier auf den Streitfall nach Art. 229 § 39 EGBGB noch
anwendbare wortgleiche § 476 BGB aF - richtlinienkonform dahin auszulegen,
dass einem Käufer die in Halbsatz 1 dieser Vorschrift
geregelte Vermutungswirkung schon dann zugute komme, wenn ihm der Nachweis
gelinge, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein
mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt habe, der -
unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden
Umstand - dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten
Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 BGB) begründen würde.
16 So verhalte es
sich indes im Streitfall nicht. Der üblicherweise fortschreitende Verschleiß
eines Auspuffs durch normale Korrosion, der in der Natur der Sache liege,
sei nicht haftungsbegründend und könne daher nicht als ein dem Verkäufer
zuzurechnender Mangel angesehen werden. Angesichts dessen, dass drei Tage
vor Gefahrübergang anlässlich der vom TÜV vorgenommenen Hauptuntersuchung -
unstreitig - eine beanstandungswürdige Durchrostung des Auspuffs nicht
gegeben gewesen sei, habe bei Übergabe des Fahrzeugs ein atypischer
Verschleiß nicht vorgelegen, so dass sich die Beklagte wegen der Art des bei
Gefahrübergang allenfalls vorliegenden Mangels "typischer Verschleiß" gemäß
§ 476 Halbs. 2 BGB aF darauf berufen könne, dass die Vermutungsregel des §
476 Halbs. 1 BGB aF nicht eingreife. Sähe man dies anders, würde § 477 BGB
(§ 476 BGB aF) faktisch eine umfassende sechsmonatige Haltbarkeitsgarantie
begründen, was mit der beiderseitigen Interessenlage beim Gebrauchtwagenkauf
schwerlich vereinbar wäre.
II.
17 Diese Beurteilung hält
rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand, so dass die Revision
zurückzuweisen ist.
18 Der Klägerin steht ein Anspruch auf
Rückabwicklung des Kaufvertrags aus § 437 Nr. 2, § 434 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr.
2, §§ 323, 346 Abs. 1 BGB nicht zu, da das ihr verkaufte Fahrzeug den im
Revisionsverfahren allein noch geltend gemachten Sachmangel an der
Auspuffanlage nicht aufweist.
19 1. Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ist
die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit
aufweist. Ist eine Beschaffenheit nicht vereinbart, ist die Sache frei von
Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte
Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), sonst, wenn sie sich für
die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei
Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache
erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).
20 a) Zutreffend hat
das Berufungsgericht angenommen, dass der im Kaufvertrag der Parteien vom
11. Januar 2014 unter dem Punkt "Sonstige Vereinbarungen" zu findende
Hinweis "TÜV/AU neu" bei interessengerechter Auslegung als stillschweigende
Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB des Inhalts zu
verstehen ist, dass sich das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe in einem für
die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten, verkehrssicheren Zustand
befindet (vgl. Senatsurteil vom 15. April 2015 -VIII ZR 80/14, NJW 2015,
1669 Rn. 19). Dies ist nach den rechtsfehlerfreien und unangegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts hier der Fall. Ein Rücktrittsrecht der
Klägerin ergibt sich daher nicht aus einer Abweichung von einer vereinbarten
Beschaffenheit. Dies stellt auch die Revision nicht in Frage.
21 b)
Ein Sachmangel des streitgegenständlichen Fahrzeugs ergibt sich auch nicht
daraus, dass es sich nicht für die nach dem Vertrag
vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) oder für die
gewöhnliche Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) geeignet hätte.
Nach
beiden Alternativen kommt es insoweit darauf an, ob der von der Klägerin
erworbene (ältere) Gebrauchtwagen zur Verwendung als Fahrzeug im
Straßenverkehr nicht oder nur eingeschränkt geeignet war.
22 aa)
Das
Berufungsgericht hat zunächst darauf abgestellt, dass "normaler" - also
nicht atypischer oder ungewöhnlicher - Verschleiß an der Auspuffanlage eines
Gebrauchtfahrzeugs nicht als Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2
BGB anzusehen ist. Diese Beurteilung ist frei von
Rechtsfehlern. Verschleißteile eines Kraftfahrzeugs unterliegen - in
Abhängigkeit von Alter, Laufleistung, Anzahl der Vorbesitzer, Art der
Vorbenutzung sowie Qualität des Fahrzeugs - einer kontinuierlichen
Abnutzung, beispielsweise in Form von Rosterscheinungen. Bei
sicherheitsrelevanten Teilen - wie etwa der Bremsanlage - wird es allerdings
im Fall der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit regelmäßig an der
Eignung des Fahrzeugs zur Verwendung im Straßenverkehr fehlen und somit ein
Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB vorliegen; denn der
Käufer eines als fahrbereit veräußerten Gebrauchtfahrzeugs kann erwarten,
dass Verschleißteile in einem solchen Fall ersetzt oder repariert worden
sind.
23 Soweit jedoch - wie hier nach den rechtsfehlerfreien
Feststellungen des Berufungsgerichts - die Verkehrssicherheit nicht
betroffen ist, ist ein "normaler", das heißt ein insbesondere nach Alter,
Laufleistung und Qualitätsstufe nicht ungewöhnlicher Verschleiß nicht als
Sachmangel einzustufen (vgl. Senatsurteile vom
23. November 2005 - VIII ZR
43/05, NJW 2006, 434 Leitsatz 1 und Rn. 19; vom
10. Oktober 2007 - VIII ZR
330/06, NJW 2008, 53 Rn. 19; vom 10. März 2009 - VIII ZR 34/08, NJW 2009,
1588 Rn. 13; Münch-KommBGB/S. Lorenz, 8. Aufl., § 477 Rn. 18; juris
PK-BGB/Ball, Stand 1. Februar 2020, § 477 Rn. 50; Reinking/Eggert, Der
Autokauf, 14. Aufl., Rn. 3021, 3380). Dies gilt auch dann, wenn sich daraus
in absehbarer Zeit - insbesondere bei der durch Gebrauch und Zeitablauf zu
erwartenden weiteren Abnutzung - ein Erneuerungsbedarf ergibt.
24 bb)
Die weitere tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, bei dem hier
in Rede stehenden Kaufobjekt - einem fast zehn Jahre alten gebrauchten
Kleinwagen mit mehreren Vorbesitzern und einer Laufleistung von über 80.000
km - seien auch erhebliche - nicht sicherheitsrelevante - Durchrostungen an
der Auspuffanlage als "normaler" Verschleiß und somit nicht als Sachmangel
anzusehen, ist aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden.
25
cc) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich nichts anderes daraus,
dass die Klägerin innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang (Januar
2014) eine Geräuschverursachung der Auspufffanlage gerügt und der
Sachverständige aufgrund einer im Oktober 2016 erfolgten Untersuchung
eine erhebliche Geräuschentwicklung des Auspuffs bestätigt hat und zu der
Einschätzung gelangt ist, dass von einem länger zurückliegenden
Korrosionseintritt auszugehen und deshalb ein Austausch der Auspuffanlage
erforderlich gewesen sei.
26 Insbesondere kann die Klägerin aus der
Vermutung des § 476 BGB (in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung,
die aufgrund des im Streitfall im Januar 2014 geschlossenen Kaufvertrags
gemäß Art. 229 § 39 EGBGB auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt
anwendbar ist [im Folgenden: § 476 BGB aF], für sich nichts herleiten.
27 (1) Allerdings greift die Vermutung des § 476 Halbs. 1 BGB aF
(heute § 477 Halbs. 1 BGB) nach der neueren Rechtsprechung des Senats
zugunsten des Käufers bereits dann ein, wenn diesem der Nachweis gelingt,
dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter
Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat, der - unterstellt, er hätte
seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand - dessen Haftung
wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Der
Käufer ist durch die genannte Vorschrift des Vortrags und des Nachweises
enthoben, auf welche Ursache der zu Tage getretene mangelhafte Zustand
zurückzuführen ist, sowie dass diese Ursache in den Verantwortungsbereich
des Verkäufers fällt (Senatsurteile vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 103/15,
BGHZ 212, 224 Rn. 36; vom 27. Mai 2020 - VIII ZR
315/18, zur
Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, unter II 3 c bb (1)). Die
Vermutungswirkung des § 476 Halbs. 1 BGB aF kommt dem Käufer grundsätzlich
auch dahin zugute, dass der binnen sechs Monaten nach Übergabe zu Tage
getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz (latent) schon bei
Gefahrübergang vorgelegen hat (Senatsurteil vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR
103/15, aaO Rn. 46).
28 (2) Im Streitfall ist jedoch ein mangelhafter
Zustand (Mangelerscheinung), an den die Vermutung des § 476 BGB anknüpfen
könnte, innerhalb der Sechsmonatsfrist nicht aufgetreten. Die von der
Klägerin innerhalb der ersten sechs Monate nach der Übergabe des Fahrzeugs
beanstandete starke Geräuschentwicklung an der Auspuffanlage mag zwar darauf
schließen lassen, dass an der Auspuffanlage zu diesem Zeitpunkt mehr oder
minder starke Durchrostungen vorhanden waren. Das Berufungsgericht ist aber
ohnehin von erheblichen Durchrostungen ausgegangen, hat diese jedoch - wie
ausgeführt - rechtsfehlerfrei als "normalen" Verschleiß unter
Berücksichtigung von Kaufgegenstand, Alter, Laufleistung und bisherigen
Vorbesitzern angesehen.
29 (3) Ohne Erfolg macht die Revision
demgegenüber geltend, aus dem - rund 22 Monate nach Gefahrübergang sowie nach
einer weiteren Laufleistung von gut 7.000 km und nach längerer Standzeit des
Fahrzeugs - eingeholten Gutachten des Sachverständigen ergebe sich, dass an
der Auspuffanlage nicht nur eine verschleißbedingte Abnutzung vorgelegen
habe, sondern sich ein mangelhafter Zustand gezeigt habe, an den die
Vermutung des § 476 BGB anzuknüpfen sei.
30 Konkret trägt die
Revision lediglich vor, der Gutachter habe festgestellt, dass der Auspuff
des Fahrzeugs "erhebliche Geräusche verursache, mangelhaft geschweißt,
korrodiert und zwingend auszutauschen sei". Damit setzt die Revision aber
lediglich - ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen oder eine ordnungsgemäße
Verfahrensrüge zu erheben - ihre eigene Würdigung an die Stelle der
Würdigung des Berufungsgerichts. Dieses hat dem Gutachten entnommen, dass
die vom Sachverständigen im Oktober 2016 am Auspuff festgestellten
Korrosionserscheinungen in ihren Ursprüngen älter gewesen seien als die von
der Beklagten im Sommer 2014 (unfachmännisch)
durchgeführten Schweißarbeiten, bei denen eigentlich bereits ein Austausch
der Auspuffanlage angezeigt gewesen wäre. Damit war zwar davon auszugehen,
dass zu dem genannten Zeitpunkt erhebliche Korrosionserscheinungen an der
Auspuffanlage vorhanden waren; derartige erhebliche Korrosionserscheinungen
hat das Berufungsgericht aber unter Berücksichtigung von Alter und
Laufleistung des Fahrzeugs sowie sonstiger Umstände rechtsfehlerfrei als
"normale" Korrosion und somit gerade nicht als mangelhaften Zustand
angesehen. Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit,
die Anlass für eine abweichende Beurteilung hätten sein können, sind nicht
ersichtlich und werden von der Revision auch nicht geltend gemacht. Auf eine
mangelhafte Ausführung der von der Beklagten im Sommer 2014 kostenlos
vorgenommenen Schweißarbeiten können die streitgegenständlichen
kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche ohnehin nicht gestützt werden.
31 2. Soweit die Revision meint, bei den in den Monaten Juli/August 2014
kostenlos vorgenommenen Schweißarbeiten am Auspuff habe es sich nicht um ein
kulanzweises Entgegenkommen der Beklagten, sondern um ein
rechtsverbindliches Anerkenntnis eines Sachmangels gehandelt, setzt sie
-revisionsrechtlich unbehelflich - lediglich ihre Würdigung des Geschehens
an die Stelle der vertretbaren tatrichterlichen Wertung des
Berufungsgerichts, die Schweißarbeiten stellten, mangels weiterer
Anhaltspunkte, ein haftungsbegründendes Anerkenntnis nicht dar.
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