Sachmangel beim Tierkauf; Voraussetzungen des
Rücktritts wegen eines Sachmangels; Darlegungs- und Beweislast des
Verbrauchers im Rahmen der Mängelvermutung des § 477 BGB (§ 476 BGB a.F.);
Reichweite der Vermutung
BGH, Urteil vom 27. Mai 2020 - VIII ZR 315/18 - OLG
Oldenburg
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsätze:
a) Der Verkäufer eines Tieres hat,
sofern eine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird,
(lediglich) dafür einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist
und sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet,
aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe
Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird und infolgedessen
für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht
mehr einsetzbar wäre (Bestätigung von BGH, Urteile vom
18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150
Rn. 26; vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 25; jeweils
mwN).
b) Demgemäß wird die Eignung eines klinisch unauffälligen
Pferdes für die gewöhnliche oder die vertraglich vorausgesetzte Verwendung
als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von
Abweichungen von der "physiologischen Norm" eine (lediglich) geringe
Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es zukünftig klinische Symptome
entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen
(Bestätigung von BGH, Urteile vom 7. Februar
2007 - VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 14;
vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, aaO Rn.
24; vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, aaO Rn. 26).
c) Diese
Grundsätze gelten nicht nur für physiologische Abweichungen vom
Idealzustand, sondern auch für ein vom Idealzustand abweichendes Verhalten,
wie etwa sogenannte "Rittigkeitsprobleme", wenn das Pferd nicht oder nicht
optimal mit dem Reiter harmoniert und Widersetzlichkeiten zeigt.
d)
Entspricht die "Rittigkeit" eines Pferdes nicht den Vorstellungen des
Reiters, realisiert sich für den Käufer - wenn nicht klinische Auswirkungen
hinzukommen - daher grundsätzlich lediglich der Umstand, dass es sich bei
dem erworbenen Pferd um ein Lebewesen handelt, das - anders als Sachen - mit
individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus
ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet ist.
e) Nach dieser
Maßgabe sind "Rittigkeitsprobleme" durch von einem Reitpferd gezeigte
Widersetzlichkeiten auch bei Vorliegen eines nicht mit Krankheitssymptomen
verbundenen Kissing-Spines-Befundes - in Ermangelung einer anderslautenden
Beschaffenheitsvereinbarung oder eines besonderen Vertragszwecks - kein
Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 BGB.
f) Da die
Rücktrittsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung erfüllt sein
müssen, muss auch zu diesem Zeitpunkt ein bei Gefahrübergang
gegebener Sachmangel fortbestehen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 30.
Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, aaO Rn. 35).
g) Die - die Frage des
Vorliegens eines Sachmangels bei Gefahrübergang betreffende -
Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers tritt nach Maßgabe des § 476 BGB
aF bereits dann ein, wenn diesem der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb
von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine
Mangelerscheinung) gezeigt hat, der - unterstellt, er hätte seine Ursache
in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand - dessen Haftung wegen
Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde
(Bestätigung von BGH, Urteil vom 12. Oktober
2016 - VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36).
h)
"Rittigkeitsprobleme" durch von einem Reitpferd gezeigte Widersetzlichkeiten
sind keine Mangelerscheinung, so dass sie die Vermutungswirkung des §
476 BGB aF nicht auslösen, denn insoweit handelt es sich - in Ermangelung
einer anderslautenden Beschaffenheitsvereinbarung oder eines besonderen
Vertragszwecks - nicht um eine Abweichung von der geschuldeten
Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 BGB, sondern um ein
natürliches Risiko.
Zentrale Probleme:
Eine ziemlich lange Entscheidung, in deren Mittelpunkt
der Begriff des Sachmangels beim Tierkauf (hier bestätigt der Senat nur die
bisherige Rspr.) und die Voraussetzungen der Vermutungsregelung des § 477
BGB (= § 476 BGB a.F.) stehen (der überdies wegen § 474 Abs. 2 BGB) gar
nicht anwendbar war). S. dazu die Anm. zu BGH v. 9.11.2020
- VIII ZR 150/18. Der Senat musste hier mit vielen Varianten
arbeiten, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zu diesen Fragen
getroffen hatte. Es finden sich aber noch weitere lehrreiche Details wie
insbesondere die Aussage, dass ein Rücktritt wegen eines Sachmangels
voraussetzt, dass der Sachmangel auch noch zum Zeitpunkt der
Rücktrittserklärung vorliegen muss (zur Beweislast hierfür s.
BGH v. 10.11.2021 - VIII ZR 187/20).
©sl 2021
Tatbestand:
1 Die Klägerin erwarb als Verbraucherin am
5. Oktober 2013 von der Beklagten, die Pferdeauktionen ausrichtet, auf der
"79. Herbst-Elite-Auktion" den fünf Jahre alten Wallach "Santiano K" für
31.733,19 € zur Nutzung als Sportpferd.
2 In der Folgezeit
bildete die Tochter der Klägerin, die Zeugin K. , die als Pferdewirtin und
-ausbilderin tätig ist, das Pferd, welches bereits erfolgreich an Turnieren
teilgenommen hatte, weiter aus, um es auf den Leistungsstand der Klasse L zu
bringen. Im Mai 2014 nahm die Zeugin mit dem Pferd an einer Dressurprüfung
dieser Klasse teil.
3 Mit Anwaltsschreiben vom 12. Dezember
2014 focht die Klägerin den Kaufvertrag unter Berufung auf arglistige
Täuschung an. Sie behauptete unter anderem "gravierende
Rittigkeitsprobleme"; das Pferd habe "insbesondere die Widersetzlichkeiten
des Blockens beziehungsweise Blockierens" gezeigt.
Mit Anwaltsschreiben vom 16. März 2015 erklärte die Klägerin den Rücktritt
vom Kaufvertrag. Sie behauptet im Wesentlichen, die gezeigten
"Rittigkeitsmängel" beruhten auf verengten Dornfortsätzen der Wirbelsäule
(Kissing Spines).
4 Das Landgericht hat die auf Rückzahlung des
Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des
Pferds, Feststellung des Annahmeverzugs sowie Erstattung außergerichtlicher
Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage nach Vernehmung mehrerer Zeugen sowie
Einholung eines fachtierärztlichen Sachverständigengutachtens nebst
ergänzender Anhörung des Sachverständigen abgewiesen.
5 Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat - nach
Vernehmung der Zeugin K. und weiterer Zeugen sowie erneuter Anhörung des
Sachverständigen durch das Berufungsgericht - Erfolg gehabt. Mit der vom
Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr
Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht
hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren
von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
8 Die Klägerin könne von
der Beklagten gemäß § 346 Abs. 1, § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB die
Rückabwicklung des Kaufvertrags über das Pferd "Santiano K" verlangen.
Dieses sei im Zeitpunkt der Übergabe mit einem Mangel im Sinne der § 434
Abs. 1, § 90a BGB behaftet gewesen.
9 Zwar hätten die Parteien eine
Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen. Das Pferd sei jedoch auf einer
Elite-Auktion als Sportpferd verkauft worden. Die nach dem Vertrag
vorausgesetzte Eignung als Sportpferd habe im Zeitpunkt des Gefahrübergangs
nicht vorgelegen, weil das Pferd aufgrund eines Kissing Spines-Syndroms
"Rittigkeitsmängel" aufgewiesen habe. Dies stehe aufgrund der Beweisaufnahme
in Verbindung mit der Vermutung des § 476 BGB aF zur Überzeugung des
Berufungsgerichts fest.
10 Wie der Sachverständige ausgeführt habe,
weise das Pferd Veränderungen der Dornfortsätze der Brustwirbelsäule
zwischen T 11 und T 16 (sogenannte Kissing Spines) auf, die nach Maßgabe des
(damals geltenden) RöntgenLeitfadens 2007 in die Röntgenklasse III bis IV
einzustufen seien. Die Veränderungen seien anlagebedingt und hätten mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits am 5. Oktober 2013
vorgelegen.
11 Allerdings stünden die vorgenannten Röntgenbefunde,
die - so der Sachverständige - vielfach auch bei rückengesunden Tieren
anzutreffen seien, einer Verwendung als Reit- und Sportpferd nicht entgegen.
Pferde mit einem derartigen Befund könnten bis in die höchste Klasse mit
sportlichem Erfolg eingesetzt werden. Die sportliche Nutzung sei nur
beeinträchtigt, wenn die Röntgenbefunde klinische Relevanz aufwiesen. Dies
könne für das von der Klägerin erworbene Pferd derzeit nicht festgestellt
werden, denn beim Beritt unter Beobachtung des Sachverständigen habe es
Auffälligkeiten nicht gezeigt.
12 Jedoch werde bei einem -
wie hier gegebenen - Verbrauchsgüterkauf gemäß § 476 BGB aF (nunmehr § 477
BGB) dann, wenn sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein
Sachmangel zeige, vermutet, dass die Kaufsache bereits bei Gefahrübergang
mangelhaft gewesen sei, es sei denn, diese Vermutung sei mit der Art der
Sache oder des Mangels nicht vereinbar. Nach dem Ergebnis der
zweitinstanzlichen Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung der Zeugin K.
sowie der Zeugin B. , die - unter anderem als mehrfache Teilnehmerin an
Olympischen Spielen - im Umgang mit Dressurpferden besonders erfahren und
qualifiziert sei, habe sich das Pferd widersetzlich gezeigt. Daher
seien in dem vorgenannten Zeitraum "Rittigkeitsmängel" festzustellen, die in
Zusammenschau mit den Röntgenbefunden den Schluss auf das Vorliegen eines
Kissing Spines-Syndroms zuließen.
13 Es könne dahinstehen,
ob bloße "Rittigkeitsprobleme" die Vermutung des § 476 BGB aF begründen
könnten oder ob die Vermutung mit der Art des Mangels unvereinbar sei, weil
die "Unrittigkeit" eines Pferds viele exogene und endogene Ursachen haben
könne und ein solches Beschwerdebild nicht nur jederzeit auftreten, sondern
von dem Pferd und seiner Veranlagung unabhängige Ursachen haben könne. Denn
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stünden hier nicht nur im
Vermutungszeitraum aufgetretene "Rittigkeitsmängel" fest, sondern auch ein
Kissing Spines-Befund der Röntgenklasse III bis IV. Der Sachverständige habe
die Tendenz, dass die Probleme ihre Ursache nicht in der Ausbildung des
Pferds hätten, sondern überwiegend wahrscheinlich in dem Röntgenbefund. Bei
der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme hätten sich gerade die klinischen
Symptome ergeben, die der Sachverständige bei seiner Begutachtung des Tiers
nicht habe feststellen können. Im Zeitraum von sechs Monaten nach
Gefahrübergang seien mit den klinischen Symptomen eines
Kissing Spines-Syndroms Mangelerscheinungen aufgetreten, die den Gebrauch
des Pferds für die vertraglich vorausgesetzte Nutzung als Sportpferd
(Dressurpferd) ausschlössen.
14 Zwar sei das Berufungsgericht
überzeugt, dass die Mangelerscheinungen in Gestalt der "Rittigkeitsmängel"
mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Kissing Spines zurückzuführen
seien. Dies bedürfe jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil der
Käufer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich den Nachweis
einer Mangelerscheinung - also eines mangelhaften Zustands - zu erbringen
habe, der - unterstellt, er beruhe auf einer dem Verkäufer zuzurechnenden
Ursache - dessen Haftung wegen einer Abweichung von der geschuldeten
Beschaffenheit begründen würde.
15 Dieser Nachweis sei der Klägerin
gelungen. Zwar begründe das Phänomen der Kissing Spines für sich genommen
keinen mangelhaften Zustand. Auch möge die Vermutung des § 476 BGB aF unter
Umständen bei bloßen "Rittigkeitsmängeln" nicht anwendbar sein. In der
Kombination von "Rittigkeitsmängeln" mit einem röntgenologischen Kissing
Spines-Befund liege aber eine Mangelerscheinung, die die Vermutungswirkung
des § 476 BGB aF auslöse.
16 Die Vermutung sei mit der Art des
Mangels nicht unvereinbar. Zwar bestehe, wie der Sachverständige erläutert
habe, die Möglichkeit, dass es trotz engstehender Dornfortsätze nicht zu
klinischen Symptomen komme. Hier jedoch habe die Käuferin den Beweis für das
Vorliegen von Kissing Spines bei Gefahrübergang erbracht und auch bewiesen,
dass innerhalb des Sechsmonatszeitraums Erscheinungen aufgetreten seien, die
als Symptome von Kissing Spines in Betracht kämen. In Anbetracht dessen
erscheine es interessengerecht und entspreche dem verbraucherschützenden
Gesetzeszweck, dem Verkäufer die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass die
"Rittigkeitsschwierigkeiten" nicht auf dem Engstand der Dornfortsätze,
sondern auf einer anderen, dem Verkäufer nicht zurechenbaren Ursache
beruhten.
17 Der Mangel, dessen Vorhandensein gemäß § 476 BGB
aF vermutet werde, sei nicht deshalb als weggefallen anzusehen, weil später
der gerichtliche Sachverständige "Rittigkeitsprobleme" nicht festgestellt
habe. Denn es stehe fest, dass das Pferd den Röntgenbefund der Kissing
Spines aufweise. Weiter stehe fest, dass das Tier im Vermutungszeitraum
klinische Symptome eines Kissing Spines-Syndroms gezeigt habe. Damit greife
die Vermutungswirkung ein, auch wenn zu einem späteren Zeitpunkt
Mangelerscheinungen nicht mehr festzustellen seien.
18 Die
Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis, dass die festgestellten
"Rittigkeitsmängel" nicht auf das Kissing Spines-Syndrom zurückzuführen
seien, nicht erbracht. Nach den Bekundungen der Zeuginnen K. und B. sei das
Pferd von Beginn an widersetzlich gewesen. Eine unsachgemäße Behandlung oder
Überforderung bleibe bloße Spekulation.
II.
19 Diese
Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
20 Mit
der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin
auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 434 Abs. 1, § 437 Nr. 2, § 323, § 346
Abs. 1 BGB), auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten (§ 280 Abs. 1
BGB), jeweils nebst Zinsen, sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs nicht
bejaht werden.
21 Bereits die Annahme eines
gewährleistungspflichtigen Sachmangels des Pferds findet in den
Feststellungen des Berufungsgerichts keine Grundlage (hierzu unten 1.).
Davon abgesehen hat das Berufungsgericht gänzlich aus dem Blick verloren,
dass ein Sachmangel auch zur Zeit der Rücktrittserklärung gegeben
sein muss (hierzu unten 2.). Die Annahme des
Berufungsgerichts, ein Sachmangel habe hier bereits zur Zeit des
Gefahrübergangs vorgelegen, ist ebenfalls von Rechtsfehlern beeinflusst.
Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der Vermutungswirkung des § 476 BGB
in der gemäß Art. 229 § 39 EGBGB bis zum 31. Dezember 2017
geltenden Fassung (nachfolgend aF; nunmehr § 477 BGB), auf
die das Berufungsgericht sein Urteil maßgeblich gestützt hat (hierzu unten
3.). Schließlich hat das Berufungsgericht nicht beachtet, dass das
Recht des Käufers wegen eines (behebbaren) Mangels vom Vertrag
zurückzutreten, grundsätzlich ein taugliches Nacherfüllungsverlangen
voraussetzt (hierzu unten 4.).
22 1. Die Beurteilung des
Berufungsgerichts, das verkaufte Pferd weise einen Sachmangel im Sinne von §
434 Abs. 1 BGB, der nach § 90a Satz 3 BGB auf Tiere entsprechend anzuwenden
ist, auf, findet in den getroffenen Feststellungen keine Stütze.
23
a) Eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) - etwa
hinsichtlich der gesundheitlichen Verfassung, der "Rittigkeit" oder des
Ausbildungsstands des Pferds - haben die Parteien, was außer Streit steht,
nicht getroffen.
24 b) Zwar wäre das von der Klägerin
erworbene Reitpferd nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB auch dann mangelhaft,
wenn es sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als
Reitpferd, die unter den hier gegebenen Umständen mit der im Sinne des § 434
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB gewöhnlichen Verwendung eines Reitpferds
übereinstimmt (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR
69/18, NJW 2020, 389 Rn. 23 mwN), nicht eignen würde.
Insoweit hat das Berufungsgericht, welches gemeint hat, das Pferd sei für
die vertraglich vorausgesetzte Verwendung nicht geeignet, jedoch die
Anforderungen, die bei Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung nach der
Rechtsprechung des Senats an die gesundheitliche Verfassung eines Reitpferds
zu stellen sind, verkannt. Insbesondere hat das Berufungsgericht
rechtsfehlerhaft angenommen, dass es bereits als "klinisches" Symptom zu
werten sei, wenn das Reiten eines Pferds Probleme bereitet.
25 aa)
Der Verkäufer eines Tiers hat, sofern eine anderslautende
Beschaffenheitsvereinbarung nicht getroffen wird, (lediglich) dafür
einzustehen, dass es bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich auch nicht
in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen
bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht,
dass es alsbald erkranken wird (Senatsurteile vom
29. März 2006 - VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40
Rn. 37; vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, NJW
2018, 150 Rn. 26; vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, aaO Rn. 25)
und infolgedessen für die vertraglich vorausgesetzte (oder die
gewöhnliche) Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre.
26 (1)
Vor diesem Hintergrund hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass
die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferds für die
vertraglich vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung als Reitpferd
nicht schon dadurch beeinträchtigt wird, dass aufgrund von Abweichungen von
der "physiologischen Norm" eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür
besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die
seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (Senatsurteile
vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 266/06, NJW 2007,
1351 Rn. 14; vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR
32/16, aaO Rn. 24; vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, aaO Rn. 26).
Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit eines Tiers, dass
es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen "Idealnorm"
entspricht (Senatsurteile vom 7. Februar
2007 - VIII ZR 266/06, aaO Rn. 19; vom 18.
Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, aaO; vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18,
aaO).
27 Diese Wertung trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei
Tieren um Lebewesen handelt, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und
die - anders als Sachen - mit individuellen Anlagen ausgestattet und
dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken
behaftet sind (Senatsurteil vom 18. Oktober 2017 -
VIII ZR 32/16, aaO). Denn der Käufer eines lebenden Tiers kann,
wie der Senat ebenfalls ausgesprochen hat, redlicherweise nicht erwarten,
dass er auch ohne besondere (Beschaffenheits-) Vereinbarung ein Tier mit
"idealen" Anlagen erhält, sondern muss im Regelfall damit rechnen, dass es
in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom
Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind
(vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 2007
- VIII ZR 266/06, aaO; vom 18. Oktober 2017 -
VIII ZR 32/16, aaO Rn. 25). Die damit verbundenen Risiken für
die spätere Entwicklung des Tiers sind für Lebewesen typisch und stellen für
sich genommen noch keinen vertragswidrigen Zustand dar, denn der Verkäufer
eines Tiers haftet nicht für den Fortbestand des bei
Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands (vgl. Senatsurteile
vom 29. März 2006 - VIII ZR 173/05, aaO;
vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, aaO; vom
30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, aaO Rn. 26).
28 (2) Diese
Grundsätze gelten nicht nur für physiologische Abweichungen vom
Idealzustand, sondern ebenso für ein vom Idealzustand abweichendes Verhalten
eines Pferds, wie etwa sogenannte "Rittigkeitsprobleme", hier
durch Widersetzlichkeiten in Form des Blockens und Blockierens. Bereitet die
Rittigkeit eines Pferds Probleme, kann dies natürliche, aber auch
gesundheitliche Ursachen haben. Nach Maßgabe des kaufrechtlichen
Gewährleistungsrechts sind "Rittigkeitsprobleme" daher für sich gesehen
keine Abweichung von der vertraglichen Sollbeschaffenheit. Zwar
mögen sie die Nutzung des Pferds als Reittier beeinträchtigen und stellen
möglicherweise ein gewisses Risiko im Umgang mit dem Pferd dar. Ein solches
Risiko ist für Lebewesen jedoch nicht von vornherein untypisch und stellt
noch keinen Mangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 BGB dar.
29
bb) In Anbetracht dessen findet die Annahme eines gewährleistungspflichtigen
Sachmangels in den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen
keine Grundlage.
30 Unter "Kissing Spines" ist eine Berührung
- oder gar Annäherung - von Dornfortsätzen der Wirbelsäule zu verstehen
(vgl. Rosbach/Weiß/Meyer, Pferderecht, 2. Aufl., Kap. 8 Rn. 30;
Düsing/Martinez/Bemmann, Agrarrecht, 2016, § 434 BGB Rn. 42). Wie
der Senat bereits entschieden hat, ist ein nicht mit Krankheitserscheinungen
verbundener Kissing Spines-Befund, der von einem (pathologischen) Kissing
Spines-Syndrom zu unterscheiden ist, grundsätzlich nicht vertragswidrig,
sofern nicht bereits die Sicherheit oder zumindest die
hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Pferd aufgrund der Veränderungen
der Dornfortsätze der Wirbelsäule alsbald erkranken wird
(Senatsurteile vom 29. März 2006 - VIII ZR 173/05,
aaO Rn. 37; vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16,
aaO Rn. 26; vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, aaO Rn. 25) und
es infolgedessen für die vertraglich vorausgesetzte (oder die gewöhnliche)
Verwendung nicht mehr einsetzbar wäre. Diese Voraussetzungen sind nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gegeben (1).
31 Das von
der Klägerin erworbene Pferd ist auch im Übrigen nicht krank (2).
Insbesondere sind "Rittigkeitsprobleme" durch Widersetzlichkeiten
eines Reitpferds entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht als
klinische Symptomatik zu beurteilen (3).
32 (1) Nach den getroffenen
Feststellungen wies das Pferd einen Kissing Spines-Befund auf, den das
sachverständig beratene Berufungsgericht in die Röntgenklasse III bis IV des
von ihm noch zugrunde gelegten RöntgenLeitfadens 2007 eingeordnet hat.
33 (a) Ein solcher Befund trägt indes den vom Senat für die Einordnung
als Sachmangel gestellten Anforderungen (siehe oben 1 b aa) nicht
Rechnung, wonach die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit
bestehen muss, dass das Pferd aufgrund des Engstands der Dornfortsätze
alsbald erkranken und es deshalb oder aus sonstigen Gründen für die
vertraglich vorausgesetzte beziehungsweise gewöhnliche Verwendung nicht mehr
einsetzbar sein wird. Ein in die Röntgenzwischenklasse III bis IV des
Röntgen-Leitfadens 2007 einzuordnender verkürzter Abstand zwischen mehreren
Dornfortsätzen erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Denn nach dem
Röntgen-Leitfaden 2007 und den Angaben des Sachverständigen liegt das Risiko
des Auftretens klinischer Erscheinungen in unbestimmter Zeit insoweit bei
einer Häufigkeit von lediglich 21 % bis 50 %.
34 (b)
Unabhängig davon stellt der vom Berufungsgericht noch herangezogene
Röntgen-Leitfaden 2007 bereits deshalb keine geeignete
Entscheidungsgrundlage dar, weil er ab dem 1. Januar 2018 von der
Gesellschaft für Pferdemedizin e.V. (GPM) durch den nachhaltig erneuerten
Röntgen-Leitfaden 2018 ersetzt worden ist. Insbesondere wurden die vom
Berufungsgericht noch in seine Beurteilung einbezogenen Röntgenklassen des
Röntgen-Leitfadens 2007 ersatzlos gestrichen. Zur Begründung dessen heißt es
unter anderem, die schulnotenähnliche Klasseneinteilung des
Röntgen-Leitfadens 2007 habe auf dem Pferdemarkt eine Erwartungshaltung
gefördert, bei der die röntgenologische gegenüber der klinischen
Untersuchung in hohem Maße überbewertet worden sei (vgl.
GPM-Fachinformation, Röntgen-Leitfaden 2018, S. 13; siehe auch
Stadler/Bemmann/Schüle, RdL 2018, 118 f. [zu den Defiziten des
Röntgen-Leitfadens 2007, die zu juristischem Missbrauch geführt hätten]).
Der Röntgen-Leitfaden 2018 will dagegen ausdrücklich lediglich ein
tierärztliches Hilfsmittel sein und keine Hinweise darauf liefern, ob ein
Pferd einen Sachmangel aufweist (so GPM-Fachinformation, aaO; vgl. auch
Stadler/Bemmann/ Schüle, aaO S. 120, wonach dem Röntgen-Leitfaden 2018 die
Eignung abzusprechen sei, bei juristischen Auseinandersetzungen zur
Feststellung eines Sachmangels heranzogen zu werden).
35 (2) Den
Feststellungen des Berufungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu entnehmen,
dass das Pferd krank ist.
36 (a) Das Berufungsgericht hat hier
Krankheitssymptome eines Kissing Spines-Syndroms nicht festgestellt; der vom
Berufungsgericht herangezogene Sachverständige, der ausgeführt hat, dass
Rückenbeschwerden trotz verbesserter Diagnostik nur schwierig präzise zu
befunden seien (siehe auch Stadler, Klinische Untersuchung und reiterliche
Diagnostik bei Pferden mit fehlendem Reitkomfort, 11. Frankfurter
Tierärztekongress, 2013, S. 81), vermochte eine dahingehende Aussage nicht
zu treffen.
37 (b) Ein bloßer Kissing Spines-Befund, wie er hier
gegeben ist, ist - wie oben ausgeführt - kein krankhafter Zustand.
"Rittigkeitsprobleme" ändern daran nichts. Insoweit hat der Sachverständige
nicht nur darauf hingewiesen, dass Pferde in früheren Jahren schonender
ausgebildet worden seien (vgl. auch Miesner, Die Rückentätigkeit des Pferdes
unter dem Reiter - Bedeutung der klassischen Reitlehre für die
Gesunderhaltung des Sportpferdes, 11. Frankfurter Tierärztekongress, aaO S.
105 f.), und in den letzten 20 Jahren eine höhere Sensibilität und
Unsicherheit der Pferdebesitzer zu einer vermeintlichen Zunahme von
"Rittigkeitsproblemen" geführt habe. Der Sachverständige hat insbesondere
ausgeführt, eine veterinärmedizinische Definition des Begriffs
der "Rittigkeitsprobleme" existiere nicht.
38 (3) Auch hat das
Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, ein Blocken beziehungsweise
Blockieren des Pferdes sei als klinische Erscheinung des Röntgenbefundes
anzusehen und rechtfertige die Annahme eines Sachmangels (Kissing
Spines-Syndrom).
39 (a) Klinische Erscheinungen eines Kissing
Spines-Befunds können etwa Lahmheit, krankhafte Störungen des
Bewegungsapparats oder offensichtliche Schmerzen sein. Zwar können
"Rittigkeitsdefizite" eines Pferds unter Umständen - mittelbar - auf einem
Engstand der Dornfortsätze beruhen, weil Veränderungen der Dornfortsätze -
wie der Sachverständige ausgeführt hat - eine mögliche Ursache von
Rückenschmerzen sein können. Ein Schmerzgeschehen ist hier jedoch nicht in
Erscheinung getreten, denn eine krankhafte (Rücken-) Symptomatik, wie etwa
(Druck-)Schmerzempfindlichkeit, hat das Berufungsgericht gerade nicht
festgestellt. Den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist
bereits nicht zu entnehmen, dass die Klägerin dahingehende Symptome
überhaupt dargelegt hat. Daher stehen im gegebenen Fall
bloße Widersetzlichkeiten beim Reiten in Rede, bei denen es sich - wie
ausgeführt - nicht um klinische Erscheinungen von Kissing Spines handelt.
Soweit einzelne Passagen in den Senatsurteilen vom 7. Februar 2007 (VIII
ZR 266/06, aaO Rn. 13) und vom 18. Oktober 2018
- VIII ZR 32/16, aaO Rn. 29) anders verstanden werden könnten, hält der
Senat hieran nicht fest; vielmehr bedarf es der Feststellung
krankhafter Beeinträchtigungen wie etwa Schmerzen, Lahmheit oder einer
pathologisch eingeschränkten Beweglichkeit.
40 (b)
Bloße Widersetzlichkeiten ("Rittigkeitsmängel") stellen - ohne besondere
Beschaffenheitsvereinbarung oder besondere Vertragszwecke, wie etwa ein
Verkauf als "Anfängerpferd" - regelmäßig keine
gewährleistungspflichtige Abweichung von der Sollbeschaffenheit eines
Reitpferds dar. So können bestimmte Formen der Widersetzlichkeit
lediglich Ausdruck des natürlichen Verhaltensmusters des Pferds als
Fluchttier sein (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 2/19, zur
Veröffentlichung bestimmt, unter II 1 b bb (3) (b) [zum Durchgehen eines
Reitpferds]). Sie können aber auch, wie es im gegebenen Fall in Betracht
kommt, auf unzureichender Verständigung zwischen Reiter und Pferd beruhen.
Zwar hat das Berufungsgericht reiterliche Fehler, wie etwa
eine Überforderung des Pferds durch die Ausbildung bei der Zeugin K.
ausgeschlossen. Folgt ein Pferd dem Reiter nicht, sondern widersetzt sich
ihm, kann jedoch - auch bei qualifizierten Reitern - nicht ausgeschlossen
werden, dass dies weder auf klinischen Symptomen des Pferdes noch dem
Reitstil oder der sonstigen Handhabung des Pferdes durch den Reiter beruht,
sondern auf einem natürlichen Risiko, etwa - wie der Sachverständige
ausgeführt hat - auf einer "Disharmonie" beziehungsweise einer
unzureichenden Verständigung zwischen Pferd und Reiter.
41
Entspricht die "Rittigkeit" eines Pferdes nicht den Vorstellungen des
Reiters, realisiert sich für den Käufer daher - wenn nicht klinische
Auswirkungen hinzukommen - grundsätzlich lediglich der Umstand, dass es sich
bei dem erworbenen Pferd um ein Lebewesen handelt, das - anders als Sachen -
mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus
ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet ist (vgl.
Senatsurteile vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16,
aaO Rn. 24; vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, aaO Rn. 26). Der
Käufer eines lebenden Tiers kann redlicherweise nicht erwarten, dass er -
auch ohne besondere (Beschaffenheits-)Vereinbarung - ein Tier mit "idealen"
Anlagen erhält, mit dem er gänzlich unproblematischen Umgang pflegen und von
ihm etwa erhoffte (rasche) Ausbildungsfortschritte und Wettkampferfolge
tatsächlich erzielen kann. Dies wird - aus tiermedizinischer Sicht
- auch anhand des Röntgen-Leitfadens 2018 deutlich, in dem es unter anderem
heißt: "Der Kauf des Lebewesens Pferd wird jedoch weiterhin [...] ein nicht
mit anderen 'Handelsgütern' vergleichbares Risiko beinhalten [...]"
(GPM-Fachin-formation, aaO S. 14; siehe auch Stadler/Bemmann/Schüle, aaO S.
120).
42 2. Das Berufungsgericht hat ebenfalls nicht
hinreichend beachtet, dass die Rücktrittsvoraussetzungen im Zeitpunkt der
Rücktrittserklärung - hier am 16. März 2015 - erfüllt sein müssen.
43 Dies gilt nicht nur für die Beurteilung der - hier nicht in
Rede stehenden - Frage, ob die in der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache
liegende Pflichtverletzung unerheblich ist und deswegen das Rücktrittsrecht
des Käufers ausschließt (vgl. Senatsurteile vom
5. November 2008 - VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508
Rn. 17; vom 9. März 2011 - VIII ZR 266/09, NJW
2011, 1664 Rn. 18; vom 15. Juni 2011 - VIII
ZR 139/09, NJW 2011, 3708 Rn. 9; vom 29. Juni
2011 - VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 21; vom
6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365
Rn. 18; vom 26. Oktober 2016 - VIII ZR 240/15,
NJW 2017, 153 Rn. 29 [jeweils zu § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB]),
sondern betrifft auch die vorgelagerte Frage, ob ein (etwaiger) Sachmangel
fortbesteht (Senatsurteil vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, aaO
Rn. 35). Auch insoweit fehlt es an ausreichenden Feststellungen des
Berufungsgerichts, die jedoch geboten sind, weil das Pferd
jedenfalls beim Beritt unter Beobachtung des Sachverständigen Ende
Juli/Anfang August 2016 Auffälligkeiten nicht (mehr) gezeigt hat.
44 3. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei
festgestellt, dass der von ihm (fälschlich) angenommene Sachmangel bereits
bei Gefahrübergang (§ 446 Satz 1 BGB), hier durch Übergabe an die Klägerin,
gegeben war.
45 a) Zwar lässt sich den getroffenen Feststellungen der
Zeitpunkt der Übergabe nicht unmittelbar entnehmen. Das Berufungsgericht
geht jedoch unausgesprochen - und insoweit auch unangegriffen - davon aus,
dass der Klägerin das am 5. Oktober 2013 erworbene Pferd noch an diesem Tag
übergeben wurde.
46 b) Rechtsfehlerfrei - und auch insoweit nicht
angegriffen - hat das sachverständig beratene Berufungsgericht festgestellt,
dass das Pferd mit an Sicherheit grenzender oder jedenfalls überwiegender
Wahrscheinlichkeit bereits am 5. Oktober 2013 einen anlagebedingten Kissing
Spines-Befund aufgewiesen habe, nämlich Veränderungen zwischen den
Dornfortsätzen der Brustwirbelsäule zwischen T 11 und T 16.
47 c)
Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt, dass der
Engstand der Dornfortsätze, der für sich gesehen nicht pathologisch ist,
Ursache der (vermeintlichen) Mangelerscheinung war. Das
Berufungsgericht hat vielmehr gemeint, dahingehend bedürfe es einer
Entscheidung nicht, weil im Streitfall die Vermutungswirkung des § 476 BGB
aF zur Anwendung komme. Dies trifft indes nicht zu. Das Berufungsgericht hat
bereits nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die vorgenannte Bestimmung
im Streitfall überhaupt anwendbar ist (aa). Auch die tatbestandlichen
Voraussetzungen der Vermutungswirkung sind nicht erfüllt (bb).
48 aa)
Nach § 476 BGB aF wird bei einem Verbrauchsgüterkauf im Sinne des §
474 Abs. 1 BGB in den Fällen, in denen sich innerhalb von sechs Monaten nach
Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, vermutet, dass die Sache bereits bei
Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art
oder Sache oder des Mangels unvereinbar.
49 (1) Zwar
ist die vorbezeichnete Vermutung gemäß der für Tiere maßgeblichen Verweisung
in § 90a Satz 3 BGB auf die für Sachen geltenden Vorschriften auch beim Kauf
eines Pferds entsprechend anzuwenden (Senatsurteile vom 29.
März 2006 - VIII ZR 173/05, aaO Rn. 22 ff.; vom 27. Mai 2020 - VIII
ZR 2/19, aaO unter II 2 b aa).
50 (2) Es steht ebenfalls nicht in
Streit, dass es sich um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne von § 474 Abs. 1
Satz 1 BGB handelt, denn die Klägerin hat das Pferd als Verbraucherin (§ 13
BGB) von der Beklagten, einer Unternehmerin (§ 14 Abs. 1 BGB), erworben.
51 (3) Das Berufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen
getroffen, ob der Anwendungsbereich des § 476 BGB aF deshalb verschlossen
ist, weil die - gemäß Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB bis zum 12. Juni 2014
anwendbare - Ausnahmeregelung des § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB aF eingreift.
Danach gelten die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf (und damit auch
§ 476 BGB aF) nicht in den Fällen, in denen gebrauchte Sachen in einer
öffentlichen Versteigerung (seit dem 13. Juni 2014: in einer öffentlich
zugänglichen Versteigerung, § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB; zu diesem Begriff siehe
§ 312g Abs. 2 Nr. 10 BGB) verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich
teilnehmen kann (zum Begriff der gebrauchten Sache beim Kauf eines
Pferdes siehe Senatsurteil vom 9. Oktober 2019 -
VIII ZR 240/18, NJW 2020, 759 Rn. 25 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ
bestimmt; [zur Versteigerung eines zweieinhalbjährigen Hengstes]).
52
Dahingehende Feststellungen waren im Streitfall geboten. Wie die Revision
unter Hinweis auf den vorinstanzlichen Sachvortrag der Beklagten zu Recht
geltend macht, sehen die von der Beklagten verwendeten Auktionsbedingungen
unter Nr. B 1 Satz 1 vor: "Die Auktion findet im Wege einer öffentlichen
Versteigerung durch einen öffentlichen und vereidigten Versteigerer
statt". Danach ist es ohne weitere Feststellungen nicht auszuschließen, dass
die Anforderungen an eine öffentliche Versteigerung, etwa im Hinblick auf
die zur Versteigerung berufene Person (§ 383 Abs. 3 Satz 1 BGB) und die
öffentliche Bekanntmachung (§ 383 Abs. 3 Satz 2 BGB), im Streitfall erfüllt
sein könnten (zu den vorgenannten Voraussetzungen siehe
Senatsurteil vom 24. Februar 2010 - VIII ZR 71/09
NJW-RR 2010, 1210 Rn. 14 f.).
53 bb) Zudem hat das
Berufungsgericht verkannt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des §
476 BGB aF nicht erfüllt sind. Die Beweislastumkehr zugunsten des Klägers
setzt voraus, dass sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang eine
Mangelerscheinung des erworbenen Pferds zeigt. Eine solche ist hier jedoch
nicht zu Tage getreten.
54 (1) Die Beweislastumkehr zugunsten
des Verbrauchers tritt zwar bereits dann ein, wenn diesem der Nachweis
gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein
mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat, der -
unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden
Umstand - dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten
Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 BGB) begründen würde (Senatsurteil
vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36). Damit
hat der Senat das Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union vom 4. Juni 2015 (C-497/13; NJW 2015, 2237 -
Faber/Autobedrijf Hazet Ochten BV, zu Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie
1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu
bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für
Verbrauchsgüter [ABl. EG Nr. L 171 S. 12; Verbrauchsgüterkaufrichtlinie])
umgesetzt.
55 (2) Nach dieser Maßgabe kommt die
Vermutungswirkung des § 476 BGB aF im Streitfall jedoch nicht zum Tragen,
weil "Rittigkeitsprobleme" durch Widersetzlichkeiten eines Reitpferds keine
Mangelerscheinung sind. Wie ausgeführt, handelt es sich nicht um eine
Abweichung von der Sollbeschaffenheit eines Reitpferds, sondern um ein
natürliches Risiko (siehe oben unter II 1 b bb (3); vgl. auch
Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 2/19, aaO unter II 1 b bb (3) sowie
unter II 2 b bb (2)). "Rittigkeitsprobleme" des Reiters mit seinem
Pferd sind daher nicht gleichzusetzen mit Mangelerscheinungen unbelebter
Gegenstände, wie etwa Getriebefehlern eines Fahrzeugs (vgl. Senatsurteil
vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 103/15, aaO Rn. 18) oder - wie im Fall der
durch den Senat umgesetzten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen
Union - einem Fahrzeugbrand.
56 Soweit hingegen zum Teil in der
Rechtsprechung und im Schrifttum - jeweils ohne Begründung - anklingt, der
Verkäufer eines Reitpferds habe - auch ohne Beschaffenheitsvereinbarung -
dafür einzustehen, dass es zu "Rittigkeitsproblemen" nicht komme (so OLG
Köln, Urteil vom 25. August 2017 - 6 U 188/16, juris Rn. 36; LG Frankfurt am
Main, Urteil vom 5. April 2018 - 2-32 O 95/17, juris Rn. 37;
Erman/Grunewald, BGB, 15. Aufl., § 434 Rn. 49), trifft dies nicht zu. Daher
ist der weiteren Annahme, bereits bloße "Rittigkeitsprobleme" seien
geeignet, die Vermutungswirkung des § 476 BGB aF auszulösen (vgl. OLG Köln,
Urteil vom 25. August 2017 - 6 U 188/16, aaO Rn. 36, 42 f.;
Soergel/ Wertenbruch, BGB, 13. Aufl., § 476 Rn. 75), die Grundlage entzogen.
57 (3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der
Käufer nach Maßgabe des § 476 BGB aF weder den Grund für die
Mangelerscheinung noch den Umstand beweisen muss, dass sie dem Verkäufer
zuzurechnen ist (Senatsurteil vom 12.
Oktober 2016 - VIII ZR 103/15, aaO Rn. 35 unter Hinweis auf
EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-497/13, aaO Rn. 70 f. - Faber).
Zwar läuft dies darauf hinaus, dass der Käufer insoweit lediglich
den Nachweis einer Mangelerscheinung, also eines mangelhaften Zustands zu
erbringen hat, der - unterstellt, er beruhe auf einer dem Verkäufer
zuzurechnenden Ursache - eine Haftung des Verkäufers wegen einer Abweichung
von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde (Senatsurteil
vom 12. Oktober 2016 - VIII ZR 103/15, aaO Rn. 35). In der gegebenen
Fallgestaltung des Kaufs eines Pferds mit "Rittigkeitsproblemen" geht es
jedoch nicht um den Grund einer Mangelerscheinung oder ob sie dem Verkäufer
zuzurechnen ist, sondern um die vorgelagerte Frage, ob eine
Mangelerscheinung überhaupt gegeben ist.
58 4.
Schließlich hat das Berufungsgericht auch aus dem Blick verloren, dass das
Recht des Käufers wegen eines (behebbaren) Mangels vom
Vertrag zurückzutreten - wenn nicht einer der gesetzlich geregelten
Ausnahmetatbestände eingreift - ein taugliches Nacherfüllungsverlangen
voraussetzt. Dies gilt gemäß § 323 Abs. 1, § 90a Satz 3 BGB auch
für den Tierkauf (vgl. Senatsurteile vom 9.
Januar 2008 - VIII ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 10; vom 30. Oktober
2019 - VIII ZR 69/18, aaO Rn. 37).
59 Weder hat das Berufungsgericht
Feststellungen zu einem Nacherfüllungsverlangen noch zu dessen
Entbehrlichkeit getroffen. Zwar hat es die Bestimmung des § 440 BGB, unter
deren Voraussetzungen eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ausnahmsweise
entbehrlich sein kann, im Rahmen der Anspruchsgrundlage zitiert,
dahingehende Feststellungen sind jedoch unterblieben. Die Setzung
einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung ist gemäß § 437 Nr. 2, § 326 Abs.
5 BGB zwar auch dann entbehrlich, wenn dem Verkäufer beide Varianten der
Nacherfüllung unmöglich sind (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember
2019 - VIII ZR 361/18, NJW 2020, 1287 Rn. 39 mwN, zur Veröffentlichung in
BGHZ bestimmt). Auch dies ist im vorliegenden Fall jedoch weder
festgestellt noch sonst ersichtlich.
60 5. Ohne Erfolg macht
die Revisionserwiderung allerdings geltend, die Klage sei deshalb
unbegründet geworden, weil die Beklagte die Klageforderung nach
Verkündung des - vorläufig vollstreckbaren - Berufungsurteils beglichen hat.
Zahlungen aufgrund eines für vorläufig vollstreckbar erklärten
Urteils kommt in der Regel Erfüllungswirkung (§ 362 BGB) nicht zu, denn sie
sind dahin zu verstehen, dass sie nur eine vorläufige Leistung darstellen
sollen und unter der aufschiebenden Bedingung der rechtskräftigen
Bestätigung der zugrunde liegenden Verbindlichkeit erfolgen (BGH,
Urteile vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 315/81, BGHZ 86, 267, 269; vom 6.
Oktober 1998 - XI ZR 36/98, BGHZ 139, 357, 368; vom 15. März 2012 - IX ZR
35/11, NJW 2012, 1717 Rn. 7; vom 19. November 2014 - VIII ZR 191/13, BGHZ
203, 256 Rn. 19; jeweils mwN).
III.
61 Nach alledem kann das
angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562
Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil
nicht auszuschließen ist, dass die erforderlichen Feststellungen zu den
Rücktrittsvoraussetzungen noch getroffen werden können.
62
Das Berufungsgericht hat dem Sachverständigen - vor dem Hintergrund seiner
Rechtsauffassung folgerichtig - keine Vorgaben dahin gemacht, dass
ein Sachmangel vorliegend die Feststellung von Krankheitsbefunden erfordert.
Es erscheint daher klärungsbedürftig, ob die Einschätzung des
Sachverständigen, die im Umgang mit dem (über Jahre von erfahrenen Reitern
ausgebildeten) Pferd geschilderten Probleme hätten ihre Ursache "sehr
wahrscheinlich nicht in der Ausbildung, sondern in dem Röntgenbefund", dahin
zu verstehen ist, dass es zu einer (auch noch im Zeitpunkt des Rücktritts
bestehenden) Rückenerkrankung gekommen ist, die sich etwa in Form von
Schmerzen, einer pathologisch eingeschränkten Beweglichkeit oder ähnlichem
geäußert hat.
63 Auch hat die Klägerin geltend gemacht, das Pferd sei
bei etwas stärkerer Belastung nicht in der Lage gewesen, "über die
Hinterhand Last aufzunehmen". Ob dem ein Krankheitswert (etwa in Form von
Schmerzen oder einer pathologisch verminderten Kraft oder Beweglichkeit)
zuzumessen ist und ein solcher auch im Zeitpunkt des Rücktritts noch vorlag,
ist in diesem Zusammenhang ebenfalls mit sachverständiger Hilfe zu klären,
soweit es angesichts der weiteren noch nicht geklärten
Rücktrittsvoraussetzungen darauf ankommen sollte.
64 Die Sache ist
daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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