Objektiver Fehlerbegriff
(§ 434 I S. 2 Nr. 2 BGB) beim Gebrauchtwagenkauf (Vorunfall als Sachmangel);
Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch statt der Leistung bei einem
unbehebbaren Sachmangel
BGH v. 10.10.2007 - VIII ZR
330/06
Fundstelle:
NJW 2008, 53
Amtl. Leitsatz:
a) Auch beim Kauf eines
gebrauchten Kraftfahrzeugs kann der Käufer, wenn keine besonderen Umstände
vorliegen, im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB erwarten, dass das
Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als
"Bagatellschäden" gekommen ist.
b) Zur Abgrenzung zwischen einem "Bagatellschaden" und einem Sachmangel im
Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.
c) Ein Fahrzeug, das einen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als
"Bagatellschäden" gekommen ist, ist auch dann nicht frei von Sachmängeln im
Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, wenn es nach dem Unfall fachgerecht
repariert worden ist.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der klar begründeten Entscheidung steht der
objektive Fehlerbegriff des Sachmängelgewährleistungsrechts nach § 434 Abs.
1 S. 2 Nr. 2 BGB. Konkret geht es um die Frage, ob und unter welchen
Voraussetzungen die Tatsache, dass ein verkaufter Pkw einen Vorunfall hatte,
also ein sog. „Unfallfahrzeug“ ist, auch ohne entsprechende
Beschaffenheitsvereinbarung einen Sachmangel i.S.v. § 434 BGB aufweist.
Der Senat geht von einer wichtigen Unterscheidung aus: Unfallschäden, die
ein verkauftes Gebrauchtfahrzeug vor dem Verkauf erlitten hat, stellen als
solche keinen Sachmangel dar, wenn sie fachgerecht repariert und damit
beseitigt wurden, und sich das Fahrzeug deshalb bei Gefahrübergang in einem
altersgerechten Zustand befindet, der im übrigen auch typische
Verschleißmängel einschließt (BGH NJW 2006, 434). Dennoch kann trotz
fachgerechter und vollständiger Reparatur die bloße Tatsache, dass das
Fahrzeug einen Vorunfall hatte, als solche einen Sachmangel begründen. Das
ist im Rahmen des subjektiven Fehlerbegriffs nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB
selbstverständlich, d.h. die Unfallfreiheit kann, weil unabänderlich in der
Sache selbst angelegt, unzweifelhaft Gegenstand einer
Beschaffenheitsvereinbarung sein. Wird also ein Fahrzeug „als unfallfrei“
verkauft, stellt die Tatsache, dass das Kfz tatsächlich einen Unfall hatte,
sicherlich einen Sachmangel dar. Das kann aber, wie der Senat zu recht
feststellt, auch im Rahmen des objektiven Fehlerbegriffs, d.h. in
Abwesenheit einer solchen Vereinbarung der Fall sein. Zwar eignet sich ein
Gebrauchtwagen in altersbedingtem Zustand bei einem fachgerecht und
rückstandsfrei behobenen Unfallschaden für die „gewöhnliche Verwendung“,
jedoch liegt gem. § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB trotz dieser Eignung ein Sachmangel
vor, wenn die Sache nicht die Beschaffenheit aufweist, die „bei Sachen der
gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten
darf.“ Da die Tatsache eines Vorunfalls als solche dem Kfz den auf dem Markt
preismindernden Makel eines Unfallfahrzeugs verleiht, darf nach der
zutreffenden Ansicht des Senats ein Gebrauchtwagen im Rahmen dieses
objektiven Fehlerbegriffs keinen Vorunfall gehabt haben, der über einen
bloßen Bagatellschaden hinausgeht. Die Grenze zu diesem bloßen
Bagatellschaden zieht der Senat sehr eng, indem er auf seine frühere
Rechtsprechung zur Offenbarungspflicht von Vorunfällen (im Rahmen von § 463
BGB a.F.) zurückgreift: Bagatellschaden kann nur ein Schaden sein, der so
geringfügig ist, dass er bei vernünftiger Betrachtungsweise den
Kaufentschluss nicht beeinflussen kann. Damit bleiben für Bagatellschäden
nur etwa ganz geringfügige Lackschäden, nicht aber Blechschäden übrig, mögen
sie auch rückstandsfrei und ohne großen Aufwand repariert worden sein. Das
steht durchaus im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des BGH zum
objektiven Sachmangelbegriff des § 434 BGB. Zwar hat der Senat (zu einem
Pferdekauf) dargelegt, dass der Käufer keinen „idealen“ Kaufgegenstand
erwarten darf und deshalb Qualitätsschwankungen innerhalb der üblichen
Beschaffenheit gleichartiger Sachen hinzunehmen hat, selbst wenn der Markt
darauf mit Preisabschlägen reagiert (BGH NJW 2007, 1351), jedoch
unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem entscheidend dadurch, dass
die Tatsache eines Vorunfalls bei einem Gebrauchtwagen nach der
Verkehrserwartung gerade nicht innerhalb solcher üblichen Schwankungen
liegt.
Wenn die bloße Tatsache, dass ein verkauftes Fahrzeug einen Vorunfall hatte
und damit ein sog. „Unfallfahrzeug“ ist, einen Sachmangel begründet, liegt
typologisch ein i.S.v. § 439 Abs. 1 BGB unbehebbarer Mangel vor, wenn – wie
auch im vorliegenden Fall – eine Nacherfüllung durch Lieferung einer anderen
mangelfreien Sache angesichts des Stückschuldcharakters bzw. einer Auslegung
der Parteivereinbarung (s. dazu BGHZ 168, 64, 71)
nicht in Betracht kommt. Das Rücktrittsrecht des Käufers ergibt sich damit
aus §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5, 323 BGB und setzt konsequenter Weise keine
vorgängige Fristsetzung voraus.
Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung sind aus denselben Gründen
auf § 437 Nr. 3, 311a Abs. 2 BGB, d.h. auf Unmöglichkeitsrecht zu stützen.
Sie setzen voraus, dass der Verkäufer den Sachmangel (und seine
Unbehebbarkeit), hier also die Tatsache des Vorunfalls kannte oder seine
diesbezügliche Unkenntnis i.S.v. § 276 BGB zu vertreten hat. Das ist im
Falle von fahrlässiger Unkenntnis oder bei einer Garantieübernahme gegeben.
Da eine solche hier nicht in Betracht kam (und selbst für den Fall, dass das
Kfz „als unfallfrei“ verkauft worden wäre, nicht aus der bloßen
Beschaffenheitsvereinbarung hergeleitet werden könnte, vgl.
BGH NJW 2007, 1346;
unrichtig hingegen OLG
Rostock NJW 2007, 3290), verweist der Senat für
den vom Käufer geltend gemachten Schadensersatzanspruch statt der Leistung
bzw. einen alternativen Aufwendungsersatzanspruch i.S.v. § 284 BGB zur
Feststellung von Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis an die Vorinstanz
zurück.
Stellt die Tatsache eines Vorunfalls bei einem Gebrauchtwagen bereits im
Rahmen des objektiven Fehlerbegriffs einen Sachmangel dar, verbleibt einem
Verkäufer, der für einen vorhandenen Vorunfall außerhalb des hier sehr eng
gezogenen Bagatellbereichs nicht haften will, nur die Möglichkeit einer
„negativen“ Beschaffenheitsvereinbarung (Verkauf des Kfz „als
Unfallfahrzeug“) oder – falls ihm ein Vorunfall nicht bekannt ist, und es
deshalb nur um Risikoverteilung gehen kann – eines vertraglichen
Gewährleistungsausschlusses. Im Verhältnis zwischen Unternehmern und
Verbrauchern ist dies freilich durch § 475 BGB ausgeschlossen. Die einzige
Möglichkeit, die dem Verkäufer hier verbleibt, ist die Aufklärung des
Käufers. Setzt er diesen vor Vertragsschluß von dem Vorunfall in Kenntnis,
ist die Gewährleistung insoweit gem. § 442 BGB kraft Gesetzes (und nicht
kraft einer nach § 475 BGB unzulässigen Parteivereinbarung) ausgeschlossen.
Da der Verkäufer hierfür die Beweislast trägt, empfiehlt es sich, eine
solche Aufklärung zu dokumentieren. Auch das ist aber nicht immer ein
Ausweg: Ist dem Verkäufer die Tatsache eines Vorunfalls nämlich schlicht
unbekannt und kann er ihn – weil fachgerecht repariert – auch selbst nicht
feststellen, kann er das Fahrzeug nicht im Rahmen einer negativen
Beschaffenheitsvereinbarung gleichsam vorsorglich „als Unfallfahrzeug“
verkaufen oder darauf hinweisen, daß das Fahrzeug „möglicherweise“ ein
Unfallfahrzeug ist. Dann läge nämlich im Ergebnis eine Vereinbarung vor,
deren Ziel es ist, das Risiko eines nur möglicherweise vorhandenen
Sachmangels auf den Verbraucher zu übertragen. Dies aber verbietet § 475
Abs. 1 BGB i.V.m. dem dort geregelten Umgehungsverbot (s. dazu MünchKomm/S.
Lorenz, BGB, 5. Aufl. 2008, § 475 Rn. 9 m.w.N.; offen gelassen jetzt in
BGH v. 12.3.2008 - VIII ZR 253/05). Auf den mit dieser
Rechtslage verbundenen rechtspolitischen Fehlgriff ist bereits früh
hingewiesen worden (s. Canaris AcP 200 [2000] 273, 363 zur entsprechenden
Regelung in Art. 7 Abs. 1 VerbrGK-Rl.): Der massive und wohl auch
unverhältnismäßige Eingriff in die Vertragsfreiheit verwehrt einem
Verbraucher nämlich auch die Möglichkeit sinnvoller und gewinnbringender
Risikogeschäfte. Ihm in einem solchen Fall der bewußten Risikoübernahme im
Einzelfall nach § 242 BGB die Berufung auf den Sachmangel zu verwehren (so
der Vorschlag von Adomeit JZ 2003, 1053, 1054), dürfte vor dem Hintergrund
der entsprechenden Regelung in Art. 7 Abs. 1 VerbrGK-Rl. nur in engen
Ausnahmefällen möglich sein. Das grundsätzliche Dilemma überzogenen
Verbraucherschutzes wird dadurch jedenfalls nicht behoben. Ein über Risiken
aufgeklärter Verbraucher muß diese auch eingehen dürfen, will man ihn nicht
entmündigen.
S. auch BGH v. 12.3.2008 - VIII ZR 253/05
(Bestätigung und Klarstellung) sowie
BGH NJW 2009, 1588. S. auch
BGH NJW-RR 2010, 1289.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines
Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen. Mit Vertrag vom 31. März / 8. April
2005 erwarb die Klägerin von der Beklagten einen gebrauchten Ford Cougar,
Erstzulassung 24. August 1999, Laufleistung 54.795 Kilometer, zu einem
Kaufpreis von 9.000 €. Das Bestellformular enthält folgende Rubriken, die
keine Eintragungen der Parteien aufweisen:
O Zahl, Art und Umfang von
Unfallschäden laut Vorbesitzer: _____________________
O Dem Verkäufer sind auf andere Weise Unfallschäden bekannt O ja O nein
O wenn ja, folgende:
_____________________________________________________
2 Mit Anwaltsschreiben vom 9. Mai 2005
erklärte die Klägerin die Anfechtung ihrer auf den Abschluss des
Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung und begründete dies damit, dass
das Fahrzeug an der linken Tür und dem linken hinteren Seitenteil einen
Karosserieschaden habe, der von der Beklagten auf zweimalige Nachfrage nicht
offenbart worden sei. Die Beklagte widersprach der Anfechtung mit
Anwaltsschreiben vom 13. Mai 2005 und erklärte, dass sie, sollte ein
Sachmangel an der linken Tür vorhanden sein, einen Austausch der Tür
veranlassen werde und dass sie, sofern weitere Mängel vorliegen sollten,
auch insoweit zur Nachbesserung bzw. Nacherfüllung bereit sei. Die Klägerin
teilte mit Anwaltsschreiben vom 18. Mai 2005 mit, dass sie einen Austausch
der Unfalltür nicht akzeptiere, und erklärte hilfsweise den Rücktritt vom
Kaufvertrag.
3 Die Klägerin hat für die Zulassung des Ford Cougar 38,90 € und für das
Kfz-Kennzeichen 5,60 € gezahlt. Für die Kfz-Steuer und die
Haftpflichtversicherung hat sie 56,00 € und 436,77 € entrichtet. Für
TÜV-Gutachten hat sie 252,76 € aufgewandt. Für den Kfz-Einstellplatz, auf
dem sie das von ihr nicht genutzte Fahrzeug untergestellt hat, sind ihr für
vier Monate Kosten in Höhe von 102,24 € entstanden. Die Gesamtkosten der
Klägerin betragen damit 892,27 €.
4 Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.000 €
nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs sowie weitere 892,27 €
zu zahlen, und festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme des
Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
5 Das Landgericht hat die Klage - nach Einholung eines
Sachverständigengutachtens und Vernehmung von Zeugen - abgewiesen. Mit ihrer
vom Senat zugelassenen Sprungrevision verfolgt die Klägerin ihren
Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist
antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der
mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht
anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf
der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79,
81 f.).
I.
7 Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen
ausgeführt:
8 Die Klägerin könne die Beklagte nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, §
123 Abs. 1 Alt. 1, § 142 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises in
Anspruch nehmen. Sie sei nicht berechtigt, die auf den Abschluss des
Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung
anzufechten. Die Beklagte habe sie nicht über die Freiheit von Unfallschäden
getäuscht. Dabei sei es ohne Belang, ob die Beklagte, indem sie in dem
Kaufvertragsformular die Zeile "Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden laut
Vorbesitzer" und die Zeile "Dem Verkäufer sind auf andere Weise
Unfallschäden bekannt" offen gelassen habe, konkludent erklärt habe, der
Wagen weise keinen Unfallschaden auf. Denn die Klägerin habe nur erwarten
dürfen, über erhebliche Unfallschäden aufgeklärt zu werden. Das Fahrzeug
habe jedoch keinen über einen Bagatell-schaden hinausgehenden Unfallschaden
erlitten.
9 Aufgrund der Tatsachenfeststellungen des Sachverständigen sei davon
auszugehen, dass der PKW mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
einen streifenden Anstoß gegen die Tür links und das Seitenteil links
erhalten habe; dabei seien die Tür und das Seitenteil eingebeult worden,
wobei die Einbeulung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
ursprünglich tiefer als die bis zu 5 mm starke Schichtstärke des
Spachtelauftrags gewesen sei. Die damit feststehenden Beeinträchtigungen an
der Fahrzeugkarosserie begründeten indes noch keinen erheblichen
Unfallschaden. Denn eine Einbeulung von wenigen Millimetern lasse sich nach
den Feststellungen des Sachverständigen rückstandsfrei beseitigen. Es
bestehe auch nicht die entfernte Möglichkeit, dass eine oberflächliche
Beschädigung von kleinflächigen Bereichen der Tür und des hinteren
Seitenteiles die Fahr- oder Verkehrstüchtigkeit des PKW beeinträchtige. Ein
erheblicher Unfallschaden sei nicht allein mit Blick auf die Reparaturkosten
zu bejahen, weil andernfalls auch aufgrund erheblicher Instandsetzungskosten
zur Beseitigung bloßer Lackschäden oder kleinster Dellen in der Karosserie
ein erheblicher Unfallschaden bejaht werden könnte.
10 Die Klägerin könne auch nicht gemäß § 437 Nr. 2, § 440, § 323 und § 326
Abs. 5 BGB von dem Vertrag zurücktreten. Denn sie habe der Beklagten
entgegen § 440, § 323 Abs. 1, § 326 Abs. 5 BGB keine Frist zur Nachbesserung
der nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht sachgerecht
ausgeführten Reparaturarbeiten gesetzt. Entgegen der Ansicht der Klägerin
sei eine Fristsetzung nicht gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich gewesen.
Insbesondere habe die Beklagte sie nicht über Unfallschäden getäuscht.
II.
11 Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Revision, die es hinnimmt, dass das Landgericht der Klägerin keinen
Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach den Vorschriften über die
ungerechtfertigte Bereicherung zuerkannt hat, macht zutreffend geltend, dass
dieser Anspruch, entgegen der Auffassung des Landgerichts, nach den Regeln
über die kaufrechtliche Sachmängelhaftung begründet ist.
12 1. Die Klägerin konnte gemäß § 437 Nr. 2 Alt. 1 BGB von dem Kaufvertrag
zurücktreten, weil das Fahrzeug mangelhaft ist.
13 Das Landgericht hat offenbar angenommen, die Klägerin habe den Mangel des
Fahrzeugs, der sie zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtige, darin gesehen,
dass die Karosserieschäden an der linken Tür und dem linken hinteren
Seitenteil des Fahrzeugs nicht fachgerecht repariert worden waren. Dies
ergibt sich daraus, dass das Landgericht gemeint hat, die Klägerin könne von
dem Vertrag nicht zurücktreten, weil sie der Beklagten keine Frist zur
Nachbesserung der nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht
sachgerecht ausgeführten Reparaturarbeiten gesetzt habe.
14 Das Landgericht hat damit verkannt, dass die Klägerin den zum
Rücktritt berechtigenden Mangel des Fahrzeugs nicht in der unfachmännischen
Reparatur der Karosserieschäden, sondern in der wegen dieser
Karosserieschäden - selbst bei fachgerechter Reparatur - fehlenden
Unfallfreiheit des Fahrzeugs gesehen hat. Das Landgericht hat deshalb
nicht geprüft, ob die aufgrund der Karosserieschäden an der linken Tür und
dem linken hinteren Seitenteil fehlende Unfallfreiheit des Fahrzeugs einen
zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigenden Mangel darstellt. Diese Prüfung
kann der Senat selbst vornehmen, da insoweit keine weiteren Feststellungen
zu erwarten sind.
15 a) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Unfallfreiheit allerdings
nicht zum Bestandteil einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434
Abs. 1 Satz 1 BGB geworden.
16 Das Landgericht hat zwar in anderem Zusammenhang ausgeführt, es sei ohne
Belang, ob die Beklagte, indem sie in dem Kaufvertragsformular die Zeile
"Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden laut Vorbesitzer" und die Zeile "Dem
Verkäufer sind auf andere Weise Unfallschäden bekannt" offen gelassen habe,
konkludent erklärt habe, der Wagen weise keinen Unfallschaden auf. Anders
als die Revision meint, ist deshalb aber nicht für die revisionsgerichtliche
Beurteilung davon auszugehen, dass im Offenlassen dieser Rubriken eine
solche Erklärung zu sehen ist. In der Revisionsinstanz sind der rechtlichen
Beurteilung bei Fehlen tatrichterlicher Feststellungen zwar die von der
Partei behaupteten Tatsachen zugunsten der Revision als zutreffend zugrunde
zu legen. Soweit die Vorinstanz jedoch - wie hier - die rechtliche
Beurteilung festgestellter Tatsachen offen gelassen hat, darf das
Revisionsgericht nicht die der Revision günstige Beurteilung als richtig
unterstellen, sondern muss es diese Tatsachen, soweit sie
entscheidungserheblich sind, selbst rechtlich zutreffend würdigen.
17 Die Parteien haben im Hinblick auf Unfallschäden des Fahrzeugs keine -
auch keine konkludente - Beschaffenheitsvereinbarung getroffen. Die
Unfallschäden betreffenden Rubriken des Formulars enthalten keine
Eintragungen der Parteien; deshalb fehlt es an einer positiven
Beschaffenheitsvereinbarung, ob und inwieweit es sich bei dem Fahrzeug um
ein Unfallfahrzeug handelt oder ob das Fahrzeug unfallfrei ist. Da die Frage
nach "Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden laut Vorbesitzer" nicht mit
"keine" oder "nicht bekannt" und die Frage "Dem Verkäufer sind auf andere
Weise Unfallschäden bekannt" nicht mit "nein" beantwortet ist, kommt eine
negative Beschaffenheitsvereinbarung, dass das Fahrzeug möglicherweise nicht
unfallfrei ist, weil es dem Verkäufer unbekannte Unfallschäden hat,
gleichfalls nicht in Betracht.
18 b) Da es somit hinsichtlich von Unfallschäden an einer
Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) fehlt und die in Rede
stehende Sollbeschaffenheit sich auch nicht aus der nach dem Vertrag
vorausgesetzten Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) ergibt, ist das
Fahrzeug nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn es
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist,
die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art
der Sache erwarten kann. Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein
gebrauchter Personenkraftwagen grundsätzlich dann, wenn er keine technischen
Mängel aufweist, die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die
Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen (vgl.
Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 434 Rdnr. 70). Diese Voraussetzung
ist hier erfüllt. Das Fahrzeug weist jedoch nicht eine Beschaffenheit auf,
die bei einem Gebrauchtwagen üblich ist und die der Käufer erwarten kann.
19 Bei einem Gebrauchtwagen ist, sofern keine besonderen Umstände gegeben
sind, jedenfalls der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß üblich
und hinzunehmen (vgl. Senatsurteil vom 23.
November 2005 - VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434, unter II 1 a bb, m.w.N.).
Welche Beschaffenheit üblich ist, hängt im Übrigen von den Umständen des
Einzelfalles ab, wie beispielsweise dem Alter und der Laufleistung des
Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung; für das,
was der Käufer erwarten darf, kann ferner der Kaufpreis oder der dem Käufer
erkennbare Pflegezustand des Fahrzeugs von Bedeutung sein (OLG Düsseldorf,
Schaden-Praxis 2007, 32; Palandt/Weidenkaff, aaO, Rdnr. 29 und 30; Reinking/Eggert,
Der Autokauf, 9. Aufl., Rdnr. 1236). Bei Beschädigungen des Fahrzeugs kann
es für die Unterscheidung, ob es sich um einen möglicherweise nicht
unüblichen und daher hinzunehmenden "Bagatellschaden" oder um einen
außergewöhnlichen, nicht zu erwartenden Fahrzeugmangel handelt, auf die Art
des Schadens und die Höhe der Reparaturkosten ankommen.
20 Der Revision ist darin beizupflichten, dass zur Abgrenzung zwischen einem
"Bagatellschaden" und einem Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr.
2 BGB auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur
Offenbarungspflicht von Schäden und Unfällen beim Gebrauchtwagenkauf
zurückgegriffen werden kann. Danach muss der Verkäufer eines
Gebrauchtwagens einen Schaden oder Unfall, der ihm bekannt ist oder mit
dessen Vorhandensein er rechnet, grundsätzlich auch ungefragt dem Käufer
mitteilen, wenn er sich nicht dem Vorwurf arglistigen Verschweigens
aussetzen will, es sei denn, der Schaden oder Unfall war so geringfügig,
dass er bei vernünftiger Betrachtungsweise den Kaufentschluss nicht
beeinflussen kann. Die Grenze für nicht mitteilungspflichtige
"Bagatellschäden" ist bei Personenkraftwagen sehr eng zu ziehen. Als
"Bagatellschäden" hat der Senat bei Personenkraftwagen nur ganz
geringfügige, äußere (Lack-)Schäden anerkannt, nicht dagegen andere (Blech-)
Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der
Reparaturaufwand nur gering (in einem Falle aus dem Jahre 1961 332,55
DM) war (Senatsurteile vom 3. Dezember 1986 - VIII ZR 345/85, WM
1987, 137, unter II 2 b und vom 3. März 1982 - VIII ZR 78/81, WM 1982, 511,
unter II 2 a und b, jeweils m.w.N.; vgl. Senatsurteil vom 20. März 1967 -
VIII ZR 288/64, NJW 1967, 1222). Ob das Fahrzeug nach dem Unfall
fachgerecht repariert worden ist, ist nicht von Bedeutung (vgl.
Senatsurteil vom 22. Juni 1983 - VIII ZR 92/82, WM 1983, 934, unter II 2).
Alleine die Tatsache, dass das Fahrzeug bei einem Unfall einen
erheblichen Schaden erlitten hat, stellt einen Sachmangel im Sinne des § 434
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar. Auch beim Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs
kann der Käufer, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, erwarten, dass
das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als
"Bagatellschäden" gekommen ist.
21 Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall - wie die Revision zu Recht
geltend macht - kein "Bagatellschaden", sondern ein Fahrzeugmangel vor. Nach
den vom Landgericht seiner Entscheidung - im Zusammenhang mit der Prüfung
des Bereicherungsanspruchs - zugrunde gelegten Feststellungen des
Sachverständigen handelt es sich bei den Karosserieschäden an der linken Tür
und dem linken hinteren Seitenteil des Fahrzeugs nicht nur um Lackschäden,
sondern um Blechschäden, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
ursprünglich tiefer als die bis zu 5 mm starke Schichtstärke des
Spachtelauftrags waren. Der Kostenaufwand zur fachgerechten Beseitigung
dieser Blechschäden beträgt nach der Kalkulation des Sachverständigen
1.774,67 €. Ein solcher Schaden kann jedenfalls bei einem knapp fünfeinhalb
Jahre alten Fahrzeug mit einer Laufleistung von rund 54.000 km nicht als
"Bagatellschaden" angesehen werden, mit dem ein Käufer vernünftigerweise
rechnen muss.
22 Demgegenüber kommt es nicht darauf an, dass - wie das Landgericht
ausgeführt hat - sich eine Einbeulung von wenigen Millimetern rückstandsfrei
beseitigen lässt und auch nicht die entfernte Möglichkeit besteht, dass eine
oberflächliche Beschädigung von kleinflächigen Bereichen der Tür und des
hinteren Seitenteiles die Fahr- oder Verkehrstüchtigkeit des PKW
beeinträchtigt. Denn ein Gebrauchtwagen ist nicht schon dann mangelfrei,
wenn er sich nur für die gewöhnliche Verwendung eignet, also zulassungsfähig
und fahrtüchtig ist. Soweit das Landgericht meint, ein erheblicher
Unfallschaden sei nicht allein mit Blick auf die Reparaturkosten zu bejahen,
weil andernfalls auch aufgrund erheblicher Instandsetzungskosten zur
Beseitigung bloßer Lackschäden oder kleinster Dellen in der Karosserie ein
erheblicher Unfallschaden bejaht werden könnte, verkennt es, dass es hier
nicht um bloße Lackschäden oder "kleinste Dellen" in der Karosserie, sondern
um einen beträchtlichen Blechschaden geht. Dieser Schaden ist auch im
Hinblick auf die Reparaturkosten von 1.774,67 € nicht als unerheblich
anzusehen.
23 2. Da der Gebrauchtwagen bei Gefahrübergang nicht unfallfrei war,
konnte die Klägerin gemäß § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 326 Abs. 5, § 323 BGB vom
Vertrag zurücktreten. Einer vorangehenden Fristsetzung zur Nacherfüllung
durch Nachbesserung der nicht fachgerecht ausgeführten Reparaturarbeiten
bedurfte es nicht, weil der Mangel nicht behebbar ist (§ 326 Abs. 5 BGB).
Durch Nachbesserung lässt sich der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen
nicht korrigieren. Eine Ersatzlieferung ist bei dem hier vorliegenden
Gebrauchtwagenkauf unmöglich (vgl. BGHZ 168,
64, 71 ff.). Die in der Lieferung des mangelhaften Fahrzeugs liegende
"Pflichtverletzung" ist schließlich nicht unerheblich, so dass dem Rücktritt
auch nicht § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB entgegensteht.
24 3. Aufgrund des Rücktritts kann die Klägerin von der Beklagten gemäß §
346 Abs. 1, § 348 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises von 9.000 € Zug um Zug
gegen Rückgewähr des Fahrzeugs verlangen. Ob die Ansprüche der Klägerin auf
Zinszahlung und auf Feststellung des Annahmeverzugs begründet sind, kann
mangels entsprechender Feststellungen des Landgerichts zu den
Voraussetzungen der § 346 Abs. 1 BGB (Herausgabe von gezogenen Nutzungen), §
347 Abs. 1 BGB (Wertersatz für nicht gezogene Nutzungen), §§ 286 ff. BGB
(Zahlungsverzug) und §§ 293 ff. BGB (Annahmeverzug) nicht beurteilt werden.
Gleiches gilt für den Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihres Schadens bzw.
ihrer Aufwendungen von insgesamt 892,27 €; insoweit fehlt es an
Feststellungen des Landgerichts dazu, ob die Beklagte den Mangel des
Fahrzeugs bei Vertragsschluss kannte oder ihre Unkenntnis zu vertreten hat
(§ 311a Abs. 2 BGB).
III.
25 Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts ist somit aufzuheben.
Soweit die Klägerin Rückzahlung des Kaufpreises von 9.000 € Zug um Zug gegen
Rückgewähr des Fahrzeugs beansprucht, entscheidet der Senat abschließend,
weil die Sache in diesem Umfang zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3
ZPO). Insoweit ist der Klage aus den unter II. dargelegten Gründen
stattzugeben. Im Übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, da es insoweit weiterer
tatsächlicher Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 1 ZPO).
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