Vertragsschluss durch Realofferte und
Leistungsannahme; Auslegung der Realofferte nach dem Empfängerhorizont (§
157 BGB); Vertragsschluss durch "sozialtypisches Verhalten":
Mitverpflichtung Dritter im Rahmen einer Duldungsvollmacht?
BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 - VIII
ZR 313/13 - KG Berlin
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Das typischerweise an alle Mieter eines
Grundstücks (hier: eines Einfamilienhauses) gerichtete Leistungsangebot des
Energieversorgungsunternehmens (sogenannte "Realofferte") wird in der Regel
von demjenigen, der die Energie entnimmt, konkludent sowohl für sich selbst
als auch im Wege der - jedenfalls nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht
gegebenen - Stellvertretung für die Mitmieter angenommen (Fortführung von
BGH, Urteil vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13,
zur Veröffentlichung bestimmt).
Zentrale Probleme:
Die Beklagte war Mitmieterin
eines Hauses, dass sie selbst nie bewohnt hat. Der andere Mitmieter, der das
Haus selbst und alleine bezogen hat, nutzt die Gasleitung des Hauses, ohne
einen schriftlichen Vertrag mit dem Gasversorger zu schließen. Dieser nimmt
jetzt die Beklagte auf Zahlung des Gases in Anspruch. Die Rechtsprechung
geht in solchen Fällen vom Zustandekommen eines Vertrages aufgrund einer
Realofferte und "sozialtypischen Verhaltens" aus (s. dazu die Anm. zu
BGH v. 2.7.2014 -
VIII ZR 316/13 sowie
BGH v.
6.1.2005 - VIII ZR 66/04). Hier kommt nun noch die Frage der
Verpflichtung der Beklagten als Mitmieterin (ohne tatsächliche Gewalt!)
hinzu, die der Senat nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht bejaht.
Problematisch ist nicht nur das, sondern insbesondere, dass sich der Senat
zur Frage des Handelns in fremden Namen kaum auseinandersetzt. Er stellt
lediglich fest, dass der Mieter auch im Namen der Beklagten gehandelt habe
(s.
Rn. 24). Dafür hätte man
gerne eine Begründung gehört. Kann man wirklich "sozialtypisch" für einen
anderen handeln?
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Klägerin nimmt in Berlin die
Grundversorgung mit Gas wahr. Sie begehrt von der Beklagten eine Vergütung
in Höhe von 6.964,75 € für Gaslieferungen im Zeitraum vom 1. Oktober 2005
bis zum 23. Juli 2008.
2 Die Beklagte und der Zeuge B. mieteten ab dem 1. Oktober 2005 ein
Einfamilienhaus in Berlin. Die Beklagte hatte den
Mietvertrag aus "Bonitätsgründen" als zweite Mieterin unterschrieben.
Bei der Übergabe des Hauses durch den Hausverwalter waren beide Mieter
anwesend. Die Beklagte zog jedoch nicht in das Haus ein und erhielt auch
keinen Schlüssel, sondern wohnte weiter in ihrer bisherigen Wohnung und
hielt sich lediglich zu kurzen Besuchen im Haus auf. Der Zeuge
B. verbrauchte seit seinem Einzug Gas, schloss allerdings keinen
schriftlichen Vertrag mit einem Gasversorger ab. Eine Zahlung der
in den Jahren 2007 und 2008 an beide Mieter unter der Adresse des
Einfamilienhauses erteilten Rechnungen der Klägerin erfolgte nicht. Deshalb
sperrte die Klägerin am 23. Juli 2008 die Versorgung und nahm die Beklagte,
die sie - als Mitmieterin - neben dem Zeugen B. als Vertragspartnerin
ansieht, auf Zahlung des Rückstands in Anspruch.
3 Das Landgericht hat der auf Zahlung der oben genannten Vergütung sowie
Zinsen und Nebenkosten gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der
Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr
Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
6 Die Beklagte sei nicht Vertragspartnerin der Klägerin geworden. Der
Umstand, dass sie Mitmieterin sei, genüge nicht. Die Klägerin habe weder
konkret vorgetragen noch bewiesen, dass die Beklagte Verfügungsgewalt über
das Haus erlangt habe. Bei Fehlen eines bereits bestehenden
Gasversorgungsvertrags werde durch denjenigen, der (erstmals) Gas entnehme,
die Realofferte des Gasversorgungsunternehmens konkludent angenommen.
Typischerweise sei das der Grundstückseigentümer beziehungsweise derjenige,
der die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt
ausübe, wobei eine persönliche Inanspruchnahme der Versorgung allerdings
nicht erforderlich sei. Auf die Eigentümerstellung als solche komme es nicht
an, weil die tatsächliche Entnahme demjenigen als Willenserklärung
zuzurechnen sei, der die Verfügungsgewalt über den Anschluss innehabe.
Dementsprechend genügten rein rechtliche Beziehungen nicht. Der bloße
Anspruch auf Einräumung des Besitzes an den Räumen, in denen sich die
Versorgungseinrichtungen befänden, reiche nicht aus, um eine gegenwärtige
Verfügungsgewalt zu begründen. Verfügungsgewalt oder Verfügungsmacht würden
als Synonym für die tatsächliche Zugriffsmacht verstanden.
7 Aus dem Umstand, dass die Beklagte bei der Übergabe des Hauses anwesend
gewesen sei und das Haus aus Sicht des Verwalters beiden Mietern übergeben
worden sei, ergebe sich nichts anderes. Die Beklagte habe weder einen
Schlüssel erhalten noch sei sie in das Haus eingezogen. Ihre Behauptung, der
Mitmieter habe nicht beabsichtigt, sie einziehen zu lassen, sei nicht
widerlegt, so dass der Zeuge B. auch nicht als Besitzmittler - was ohnehin
nicht genügt hätte - in Betracht komme. Der Zeuge habe den Mietvertrag für
das Haus ursprünglich allein abschließen wollen, aber seine Unterlagen
hätten nach seinen Angaben vermutlich nicht gereicht, weshalb die gut
verdienende Beklagte vorgeschlagen habe, mit in den Mietvertrag aufgenommen
zu werden. Ein Namensschild der Beklagten sei am Haus nicht angebracht
gewesen. Die Partnerschaft sei zu mindestens 80 % in der Wohnung der
Beklagten gelebt worden.
8 Abgesehen von dem Umstand, dass die (schon nicht konkret vorgetragene)
erste Inanspruchnahme der Versorgungsleistung - Aufdrehen des Gashahns oder
Einschalten der Heizung - maßgeblich wäre und nicht ersichtlich sei, wann
erstmals Gas entnommen worden sei, würden spätere gelegentliche oder
regelmäßige Besuche bei dem Mitmieter im Rahmen einer Liebesbeziehung
keineswegs die Verfügungsgewalt an der Versorgungseinrichtung begründen.
II.
9 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10 Der Klägerin steht gegen die Beklagte als Gesamtschuldnerin der
geltend gemachte Anspruch auf Vergütung für das im Zeitraum vom 1. Oktober
2005 bis zum 23. Juli 2008 gelieferte Gas zu. Denn die Beklagte ist neben
dem weiteren Mieter B. Vertragspartei des mit der Klägerin für das gemietete
Einfamilienhaus konkludent geschlossenen Gaslieferungsvertrags geworden.
11 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts richtete sich das
konkludente Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Versorgungsvertrags bei
der gebotenen Auslegung aus Sicht eines verständigen Dritten in der Position
des Empfängers (§§ 133, 157 BGB) an beide Mieter als Gesamtschuldner.
Es wurde von beiden Mietern konkludent angenommen, indem der Zeuge B. in dem
gemieteten Einfamilienhaus Gas verbrauchte. Dabei handelte er sowohl
im eigenen Namen als auch als Stellvertreter für die Beklagte.
12 1. In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist
grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrags in
Form einer sogenannten Realofferte zu sehen. Diese wird von
demjenigen konkludent angenommen, der aus dem Leitungsnetz des
Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt.
Dieser Rechtsgrundsatz, der in § 2 Abs. 2 der Verordnungen
über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie und
Wasser (StromGVV, GasGVV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV) lediglich wiederholt
wird, trägt der Tatsache Rechnung, dass in der öffentlichen
leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne
ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch
genommen werden. Er zielt darauf ab, einen ersichtlich nicht gewollten
vertragslosen Zustand bei den zugrunde liegenden Versorgungsleistungen zu
vermeiden (Senatsurteile vom 2. Juli
2014 - VIII ZR 316/13, unter II 1, zur Veröffentlichung bestimmt; vom
22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, CuR 2014, 27 Rn. 13; vom 6. Juli 2011 -
VIII ZR 217/10, NJW 2011, 3509 Rn. 16; vom 25. November 2009 - VIII ZR
235/08, WuM 2010, 89 Rn. 13; vom 10. Dezember 2008 - VIII ZR 293/07, NJW
2009, 913 Rn. 6; vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667 Rn.
15; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, WM 2005,
1089 unter II 1 b aa, und VIII ZR 1/04, ZNER 2005, 63 unter II 1 a;
jeweils mwN), und berücksichtigt die normierende Kraft der
Verkehrssitte, die dem sozialtypischen Verhalten der Annahme der
Versorgungsleistungen den Gehalt einer echten Willenserklärung zumisst.
Aus Sicht eines objektiven Empfängers stellt sich typischerweise die
Vorhaltung der Energie und die Möglichkeit der Energieentnahme an den
ordnungsgemäßen Entnahmevorrichtungen nach Treu und Glauben und unter
Berücksichtigung der Verkehrssitte als Leistungsangebot und damit als
Vertragsangebot dar. Die Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen
beinhaltet - auch bei entgegenstehenden ausdrücklichen Äußerungen - die
schlüssig erklärte Annahme dieses Angebots, weil der Abnehmer weiß, dass die
Lieferung nur gegen eine Gegenleistung erbracht zu werden pflegt
(Senatsurteile vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13,
aaO; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, aaO,
und VIII ZR 1/04, aaO; jeweils mwN).
13 a) Kommen mehrere Adressaten des schlüssig erklärten Vertragsangebots des
Versorgungsunternehmens in Betracht, ist durch Auslegung aus Sicht
eines verständigen Dritten in der Position des möglichen
Erklärungsempfängers zu ermitteln, an wen sich die Realofferte richtet.
Weichen der vom Erklärenden beabsichtigte Inhalt der Erklärung und
das Verständnis des objektiven Empfängers voneinander ab, hat die - dem
Erklärenden zurechenbare - objektive Bedeutung des Verhaltens aus der Sicht
des Erklärungsgegners Vorrang vor dem subjektiven Willen des Erklärenden
(Senatsurteile vom 2. Juli 2014 - VIII
ZR 316/13, aaO unter II 1 a; vom 27. April 2005 - VIII ZR 140/04, WM
2005, 1717 unter II 1 a; vom 26. Januar 2005 -
VIII ZR 66/04, aaO unter II 1 b bb (1), und VIII ZR 1/04, aaO unter II 1
b aa; jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. Juli 2005 - III ZR 3/05,
NJW 2005, 3636 unter II 1 b; Staudinger/Singer, BGB, Neubearb. 2012, § 133
Rn. 6, 11, 18, 26). Es kommt mithin nicht auf die subjektive Sicht
des Erklärenden an, sondern darauf, an wen sich nach dem objektiven
Empfängerhorizont das in der Bereitstellung von Gas liegende Vertragsangebot
richtet.
14 aa) Empfänger der im Leistungsangebot des
Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines
Versorgungsvertrags ist hiernach typischerweise derjenige, der die
tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt
ausübt (vgl. Senatsurteile vom 2. Juli
2014 - VIII ZR 316/13, aaO unter II 1 a aa; vom 22. Januar 2014 - VIII
ZR 391/12, aaO; vom 10. Dezember 2008 - VIII ZR 293/07, aaO; vom 15. Februar
2006 - VIII ZR 138/05, aaO Rn. 20; vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 30/03, NJW
2003, 2902 unter [II] 1; Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR
7/04, WuM 2006, 207 Rn. 2).
15 bb) Inhaber dieser Verfügungsgewalt ist grundsätzlich der
Eigentümer. Wie das Berufungsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, kommt
es dabei jedoch nicht auf die Eigentümerstellung selbst, sondern auf die
hierdurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am
Übergabepunkt an (Senatsurteil vom 2.
Juli 2014 - VIII ZR 316/13, aaO unter II 1 a bb; Senatsbeschluss vom 20.
Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, aaO mwN).
16 Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt kann deshalb auch eine
andere Person sein, etwa der Mieter oder Pächter eines Grundstücks, da
diesem aufgrund des Miet- oder Pachtvertrags die tatsächliche
Verfügungsgewalt über die ihm überlassenen Miet- oder Pachtsache eingeräumt
wird (Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, aaO).
Ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen
Verfügungsgewalt bekannt ist, er also etwa weiß, dass das zu versorgende
Grundstück sich im Besitz eines Mieters oder Pächters befindet und dieser
die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss ausübt, ist
unerheblich. Denn bei einer am objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung
der Verkehrsauffassung und des Gebots von Treu und Glauben ausgerichteten
Auslegung der Realofferte eines Energieversorgers geht dessen Wille -
ähnlich wie bei unternehmensbezogenen Geschäften (vgl. hierzu etwa
BGH, Urteil vom 31. Juli 2012 - X ZR 154/11, NJW 2012, 3368 Rn. 10 mwN;
MünchKommBGB/Schramm, 6. Aufl., § 164 Rn. 23; Palandt/Grüneberg, BGB, 73.
Aufl., § 164 Rn. 2; BeckOK-BGB/Valenthin, Stand: November 2013, § 164 Rn.
25; jeweils mwN) - im Zweifel dahin, den - möglicherweise erst noch
zu identifizierenden - Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den
Versorgungsanschluss zu berechtigen und zu verpflichten. Jede
andere Sichtweise würde dem in § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die
Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie (StromGVV,
GasGVV, AVBFernwärmeV) zum Ausdruck gekommenen, an den beiderseitigen
Interessen orientierten Verkehrsverständnis zuwiderlaufen, zur Vermeidung
eines vertragslosen Zustands einen Vertrag mit demjenigen zustande zu
bringen, der die angelieferte Energie oder das angelieferte Wasser entnimmt
(Senatsurteil vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13,
aaO).
17 Ob für die Anlieferung und Entnahme für Wasser die Realofferte des
Versorgers im Hinblick darauf, dass die Gemeinden in ihren Satzungen häufig
den Grundstückseigentümer als Anschlussberechtigten und -verpflichteten
ausweisen, regelmäßig dahin auszulegen ist, dass sie sich an den Eigentümer
richtet (so wohl Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 278/02, WuM 2003,
458 unter II 1 b), kann offen bleiben (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss
vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, aaO; Senatsurteil vom 2. Juli 2014 -
VIII ZR 316/13, aaO). Denn im Streitfall stehen die Lieferung und der
Verbrauch von Gas in Frage.
18 b) Diese auf den Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über
den Versorgungsanschluss weisenden Grundsätze gelten nur dann nicht, wenn
gegenläufige Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Einzelfall unübersehbar in
eine andere Richtung weisen (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember
2008 - VIII ZR 293/07, aaO Rn. 11; vom 25. November 2009 - VIII ZR 235/08,
aaO Rn. 12 f.), oder wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung
bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der
Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben,
aufgrund derer die - nur einmal fließende - Leistung in ein bestehendes
Vertragsverhältnis eingebettet ist (Senatsurteile vom 22. Januar
2014 - VIII ZR 391/12, aaO Rn. 14; vom 10. Dezember 2008 - VIII ZR 293/07,
aaO Rn. 8 f.; vom 27. April 2005 - VIII ZR
140/04, aaO; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04,
aaO unter II 1 b bb und VIII ZR 1/04, aaO unter II 1 b; vom 17. März 2004,
VIII ZR 95/03, WM 2004,
2450 unter II 2).
19 2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Beklagte neben dem
Zeugen B. - und nicht, wie das Berufungsgericht meint, dieser allein - als
Empfänger der im Leistungsangebot der Klägerin liegenden Realofferte zum
Abschluss eines Gaslieferungsvertrags anzusehen.
20 a) Aus der maßgeblichen Sicht des Empfängers der Realofferte der Klägerin
richtete sich diese an denjenigen, dem aus dem Eigentum oder aus
einer vom Eigentümer vertraglich eingeräumten Nutzungsbefugnis die
tatsächliche Verfügungsgewalt über den auf dem Grundstück befindlichen
Versorgungsanschluss am Übergabepunkt zusteht. Letzteres ist hier
sowohl hinsichtlich des Zeugen B. als auch hinsichtlich der Beklagten als
Mitmieterin des Hauses der Fall.
21 Wer - wie hier die Beklagte - einen Mietvertrag abschließt, hat mit der
Einräumung der Nutzungsbefugnis typischerweise auch die tatsächliche
Sachherrschaft über die gemieteten Räume und die darin vorhandenen
Versorgungsanschlüsse. Dies gilt auch, wenn - wie hier - mehrere Mieter
gemeinschaftlich den Mietvertrag abschließen. Die Realofferte des
Energieversorgungsunternehmens richtet sich in diesem Fall regelmäßig an
sämtliche Mitmieter.
22 Dass die Beklagte die ihr mietvertraglich eingeräumte
Verfügungsgewalt über die (auch) ihr überlassenen Mieträume in der Folgezeit
nur eingeschränkt ausübte und nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
die Hausschlüssel bei der Übergabe des Hauses einvernehmlich allein dem
Zeugen B. ausgehändigt wurden, ändert daran nichts. Da sich den
Feststellungen des Berufungsgerichts auch sonst keine auf einen
Ausnahmetatbestand (siehe oben unter II 1 b) hindeutenden Umstände entnehmen
lassen, richtete sich die Realofferte der Klägerin hier an beide Mieter.
23 b) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang mit
ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Gegenrüge
geltend, dass durch die Entnahme von Gas in der Zeit seit dem Auszug der
Vormieter ein Energieversorgungsvertrag mit dem Eigentümer zustande gekommen
sei, der der Annahme einer an die späteren Mieter gerichteten Realofferte
der Klägerin entgegenstehe. Hierbei handelt es sich um neuen - in der
Revisionsinstanz unbeachtlichen - Tatsachenvortrag. Die dabei in Bezug
genommene Anlage K 4 zum Schriftsatz der Klägerin vom 20. September 2011 ist
zudem auch inhaltlich unergiebig.
24 3. Das an beide Mieter gerichtete Vertragsangebot der
Klägerin wurde nach dem objektiven Empfängerhorizont von beiden Mietern
konkludent angenommen, indem der Zeuge B. in dem gemieteten Einfamilienhaus
Gas verbrauchte. Dabei handelte er sowohl im eigenen Namen als auch
als Stellvertreter für die Beklagte.
25 Die erforderliche Vertretungsmacht ergibt sich hier jedenfalls
nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht.
26 a) Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es
willentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter
auftritt, und der Geschäftspartner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin
versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde zu den
vorgenommenen Erklärungen bevollmächtigt ist (st. Rspr.; vgl. etwa
BGH, Urteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 155/01, NJW 2002, 2325 unter II 3 a bb
(1); vom 10. März 2004 - IV ZR 143/03, NJW-RR 2004, 1275 unter II 3 c bb
(1); vom 10. Januar 2007 - VIII ZR 380/04, NJW 2007, 987 Rn. 19; vom 11. Mai
2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rn. 14; jeweils mwN).
27 b) Das ist hier der Fall. Indem die Beklagte den Mietvertrag
unterzeichnete und den Mitmieter im Anschluss daran ohne weitere
Vereinbarungen in das Haus einziehen ließ, duldete sie es willentlich, dass
er die - zur Nutzung zwingend erforderliche - Heizung in Betrieb nahm,
hierdurch Gas verbrauchte und damit die Realofferte annahm.
28 4. Mit ihrer weiteren Gegenrüge, der Annahme des Abschlusses eines
Gaslieferungsvertrags durch konkludente Annahme der Realofferte der Klägerin
durch Entnahme von Gas stehe hier der Inhalt der Richtlinie 2009/73/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame
Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie
2003/55/EG (ABl. Nr. L 211, S. 94; im Folgenden: Richtlinie) entgegen, da
die sich aus Erwägungsgrund 48 und Art. 3 Abs. 3 sowie Anhang 1 der
Richtlinie Transparenzanforderungen ergäben, wonach der Kunde vor dem
Abschluss des Energielieferungsvertrags in jedem Fall über die
Vertragsbedingungen informiert werden müsse, kann die Revisionserwiderung
schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie keinen hierauf bezogenen
Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen aufzeigt.
29 Zudem verkennt die Revisionserwiderung, dass nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts weder die Beklagte noch der Zeuge B. der Klägerin als
Grundversorgerin die Entnahme von Gas mitgeteilt haben. Gemäß § 2 Abs. 2
Satz 1 der auf den hier vorliegenden Gasversorgungsvertrag anzuwenden GasGVV
(§ 1 Abs. 1 Satz 4 GasGVV) ist der Kunde, wenn der Grundversorgungsvertrag
dadurch zustande kommt, dass Gas aus dem Versorgungsnetz der allgemeinen
Versorgung entnommen wird, über das der Grundversor-ger die Grundversorgung
durchführt, verpflichtet, dem Grundversorger die Entnahme von Gas
unverzüglich in Textform mitzuteilen. Da die Beklagte und der Zeuge
B. dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sind, bestand für die Klägerin
keine Möglichkeit, sie bereits im Zusammenhang mit dem konkludenten
Abschluss des Gaslieferungsvertrags über die Vertragsbedingungen zu
informieren. Der Beklagten ist es deshalb jedenfalls gemäß § 242 BGB
versagt, ihre Zahlungspflicht aus diesem Grund in Abrede zu stellen.
30 Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung steht im Übrigen auch der
von ihr nicht näher ausgeführte Gesichtspunkt einer richtlinienkonformen
Auslegung der vorgenannten Bestimmungen schon deshalb der Annahme eines
konkludenten Abschlusses eines Gaslieferungsvertrags zwischen der Klägerin
sowie der Beklagten und dem Zeugen B. nicht entgegen, weil die Richtlinie
zwar die oben dargestellten Informationspflichten vorsieht, nicht jedoch das
Zustandekommen eines Vertrags als solchen regelt.
III.
31 Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist
daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur
Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt
aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe der Klageforderung sowie zu
der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung getroffen hat. Die
Sache ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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