Vertragsschluss durch Realofferte und
Leistungsannahme; Auslegung der Realofferte nach dem Empfängerhorizont (§
157 BGB); Vertragsschluss durch "sozialtypisches Verhalten";
Wiedergeburt des "faktischen Vertrags"?
BGH, Urteil vom 2. Juli 2014 - VIII
ZR 316/13 - OLG Schleswig
Fundstelle:
NJW 2014, 3148
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) In dem Leistungsangebot eines
Versorgungsunternehmens ist grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss
eines Versorgungsvertrags in Form einer sogenannten Realofferte zu sehen,
die von demjenigen konkludent angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz des
Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt.
b) Empfänger der Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrags ist
typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den
Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Im Falle einer Vermietung oder
Verpachtung (hier: einer Gaststätte) steht diese tatsächliche
Verfügungsgewalt entsprechend der aus dem Miet- oder Pachtvertrag folgenden
rechtlichen Befugnis dem Mieter oder Pächter zu. Hierbei kommt es - ähnlich
wie bei unternehmensbezogenen Geschäften - nicht darauf an, ob dem
Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen
Verfügungsgewalt bekannt ist.
c) Diese auf den Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den
Versorgungsanschluss weisenden Grundsätze gelten nur dann nicht, wenn
gegenläufige Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Einzelfall unübersehbar in
eine andere Richtung weisen, oder wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung
bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der
Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben.
Zentrale Probleme:
Es geht um einen äußerlich ziemlich einfachen
Sachverhalt: Der bekl. Eigentümer einer Gaststätte hatte diese an einen
Pizzeriabetreiber (Streithelfer) verpachtet. Der Pächter entnimmt über Jahre
Strom aus dem Anschluss, ohne einen schriftlichen Versorgungsvertrag mit dem
klagenden Elektrizitätsversorger geschlossen zu haben. Dieser klagt nun
gegen den Eigentümer auf Zahlung des Strompreises. Im Ergebnis verneint der
Senat eine Haftung des Eigentümers, da mit diesem kein Vertrag
zustandegekommen war. Schuldner ist vielmehr der Pächter (Streithelfer).
Im Zentrum der rechtlichen Problematik steht damit der Vertragsschluss: Das
Bereitstellen der Stromabnahmemöglichkeit stelle eín konkludentes
Vertragsangebot und nicht lediglich eine invitatio ad offerendum dar (sog. "Realofferte"), welches durch die Abnahme von
Strom (konkludent) angenommen wird. Dabei stellt sich aber zunächst die
Frage, an wen sich dieses Angebot richtet (Hauseigentümer oder
Pächter). Maßgeblich ist hier nicht allein der Wille des konkludent
Erklärenden (hier: des Energieversorgers), sondern der objektive
Empfängerhorizont. Danach richtet sich die Offerte an denjenigen, der die
tatsächliche Gewalt am Übergabepunkt, d.h. "am anderen Ende der Leitung"
ausübt.
Damit stellt sich die Frage der Annahme dieses Angebots. Diese erfolgt
– wiederum konkludent – durch die
Entnahme von Strom. Das ist deshalb grundsätzlich richtig, weil auch
insoweit eine Auslegung des Verhaltens des Kunden nach § 157 BGB erfolgt.
Nach dem Empfängerhorizont muss ein solches Verhalten redlicherweise auf
einen entsprechenden Vertragswillen hindeuten. Dass die Person des
Vertragschließenden nicht genau identifiziert ist, ist dabei unschädlich.
Sollte der Stromabnehmer tatsächlich nicht den Willen haben, einen Vertrag
zu schließen, so ist dieser bloße innere Tatbestand nach § 116 BGB (geheimer
Vorbehalt) irrelevant.
Problematisch wird es nur dann, wenn der Wille des Abnehmers wenn der
mangelnde Wille des Abnehmers zu einem Vertragsschluss dem anderen Teil
positiv bekannt ist. Dann kommt es für die Auslegung nicht mehr auf § 157
BGB, sondern allein auf den erkannten Willen des Erklärenden an. Nach h.M.
kann in einem solchen Fall ein vertraglicher Anspruch nicht mehr begründet
werden. Die früher in solchen Fällen herangezogene Lehre vom Vertragsschluss
durch "sozialtypisches Verhalten" (s. dazu noch den berühmten Hamburger
Parkplatz-Fall
BGHZ 21, 319 ff) wird
heute nämlich nahezu einhellig abgelehnt (s. dazu nur Wolf/Neuner,
Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 37 Rn. 44 ff). Das wird aber offenbar in den
Energieversorgungsfällen von der Rechtsprechung immer noch anders gesehen.
Denn in einem obiter dictum sagt der BGH, dass der Fall nicht anders zu
lösen gewesen wäre, wenn der Stromabnehmer seinen mangelnden Vertragswillen
ausdrücklich erklärt hätte. Er benutzt dabei auch den fatalen Begriff des
Vertragsschlusses durch "sozialtypisches Verhalten" (s. Rn. 19).
Der dortige Satz "Die
Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen beinhaltet -
auch bei
entgegenstehenden ausdrücklichen Äußerungen - die schlüssig erklärte Annahme
dieses Angebots, weil der Abnehmer weiß, dass die Lieferung nur gegen eine
Gegenleistung erbracht zu werden pflegt" (eigene
Hervorh.) ist daher hochproblematisch. Fälle dieser Art sind
schadensersatzrechtlich oder bereicherungsrechtlich (§ 812 I 1 Alt. 2,
Eingriffskondiktion) zu lösen. S. dazu auch die Anm. zu
BGH NJW 2000, 3429.
Zu
den Grenzen der Annahme eines Vertragsschlusses s. auch
BGH v. 6.1.2005 - VIII ZR 66/04.
Zur Frage der Mitverpflichtung eines Dritten (Mitmieter) in einem solchen
Fall s. BGH v. 22.7.2014 -
VIII ZR 313/13.
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Klägerin nimmt in Schleswig-Holstein die Grundversorgung mit Strom
wahr. Sie begehrt von dem Beklagten eine Vergütung in Höhe von 32.514,09 €
für Stromlieferungen, die sie für das Grundstück S. Straße , Sc. , im
Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis zum 30. November 2010 erbrachte.
2 Der Beklagte erwarb das vorgenannte Grundstück am 29. Januar 2007 durch
Zuschlag im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens und verpachtete es
mit Vertrag vom 2. Februar 2007 an den Streithelfer, der dort bis zum 15.
Mai 2011 eine Pizzeria betrieb. Nach § 3 des Pachtvertrags sollte der
Streithelfer die Kosten der Stromversorgung aufgrund eines von ihm zu
schließenden Vertrags mit einem Versorgungsunternehmen tragen. Der
Streithelfer verbrauchte im streitgegenständlichen Zeitraum Strom in
erheblichem Umfang, ohne einen schriftlichen Vertrag mit einem
Stromversorger zu schließen oder der Klägerin mitzuteilen, dass er Strom
entnehme. Auch der Beklagte teilte der Klägerin nicht mit, dass die
Stromentnahme durch den Streithelfer erfolge.
3 Die Klägerin ließ in den folgenden Jahren mehrfach die Zählerstände der
beiden auf dem Grundstück vorhandenen Stromzähler ablesen. Sie wandte sich
wegen der Vergütung zunächst an die F. -Sparkasse K. , die ihr telefonisch
am 16. Dezember 2009 und schriftlich am 25. Januar 2010 mitteilte, dass der
Beklagte das Grundstück im Januar 2007 erworben habe. Unter dem 14.
Dezember 2010 erstellte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, den sie - als
Grundstückseigentümer - als ihren Vertragspartner ansieht, eine
Gesamtabrechnung des Stromverbrauchs vom 1. Februar 2007 bis zum 30.
November 2010.
4 Das Landgericht hat die auf Zahlung der oben genannten Vergütung
gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg
geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr
Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
7 Der Beklagte sei nicht Vertragspartner der Klägerin geworden, denn nicht
er, sondern der Streithelfer habe durch die Entnahme von Strom die
Realofferte der Klägerin auf Abschluss eines Stromlieferungsvertrags
angenommen. Entgegen der Auffassung der Klägerin komme ein
Stromlieferungsvertrag nicht stets dann mit dem Grundstückseigentümer
zustande, wenn es an einem ausdrücklichen Vertrag mit einem Dritten fehle.
Vielmehr stehe auch der konkludente Abschluss eines
Versorgungsvertrags mit einem Mieter der Annahme eines (ebenfalls
konkludenten) Vertragsschlusses mit dem Grundstückseigentümer entgegen.
So verhalte es sich hier. Nur wenn der Beklagte zuvor - sei es auch nur
kurzfristig - Strom entnommen hätte, wäre mit ihm ein Stromlieferungsvertrag
zustande gekommen, welcher der Annahme eines zeitlich nachfolgenden
Vertragsschlusses mit dem Streithelfer entgegengestanden hätte. Dafür sei
aber nichts ersichtlich. Vielmehr habe der Beklagte nachvollziehbar
dargelegt, dass der Streithelfer die Gaststätte unmittelbar nach dem Erwerb
übernommen habe; substantiiert entgegengetreten sei die Klägerin dem schon
in erster Instanz nicht.
II.
8 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die
Revision ist daher zurückzuweisen.
9 Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Vergütung für den
im Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis zum 30. November 2010 gelieferten Strom
zu. Denn ein Stromlieferungsvertrag ist zwischen der Klägerin und
dem Beklagten nicht geschlossen worden. Wie das
Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, richtete sich das konkludente
Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Versorgungsvertrags bei der
gebotenen Auslegung aus der Sicht eines verständigen Dritten in der Position
des Empfängers (§§ 133, 157 BGB) vielmehr an den Streithelfer und wurde von
diesem konkludent angenommen, indem er Strom verbrauchte.
10 1. In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist
grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrags in
Form einer sogenannten Realofferte zu sehen. Diese wird von
demjenigen konkludent angenommen, der aus dem Leitungsnetz des
Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt.
Dieser Rechtsgrundsatz, der in § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die
Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie und Wasser (StromGVV,
GasGVV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV) lediglich wiederholt wird, trägt der
Tatsache Rechnung, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen
Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen
schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden.
Er zielt darauf ab, einen ersichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand
bei den zugrunde liegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden
(Senatsurteile vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, CuR 2014, 27 Rn. 13;
vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 217/10, NJW 2011, 3509 Rn. 16; vom 25. November
2009 - VIII ZR 235/08, WuM 2010, 89 Rn. 13; vom 10. Dezember 2008 - VIII ZR
293/07, NJW 2009, 913 Rn. 6; vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, NJW
2006, 1667 Rn. 15; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089 unter
II 1 b aa, und VIII ZR 1/04, ZNER 2005, 63 unter II 1 a; jeweils mwN),
und berücksichtigt die normierende Kraft der Verkehrssitte, die dem
sozialtypischen Verhalten der Annahme der Versorgungsleistungen den Gehalt
einer echten Willenserklärung zumisst. Aus Sicht eines objektiven
Empfängers stellt sich typischerweise die Vorhaltung der Energie und die
Möglichkeit der Energieentnahme an den ordnungsgemäßen Entnahmevorrichtungen
nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als
Leistungsangebot und damit als Vertragsangebot dar. Die
Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen beinhaltet - auch bei
entgegenstehenden ausdrücklichen Äußerungen - die schlüssig erklärte Annahme
dieses Angebots, weil der Abnehmer weiß, dass die Lieferung nur gegen eine
Gegenleistung erbracht zu werden pflegt (Senatsurteile vom
26.
Januar 2005 - VIII ZR 66/04, aaO, und VIII ZR 1/04, aaO; jeweils mwN).
11 a) Kommen mehrere Adressaten des schlüssig erklärten
Vertragsangebots des Versorgungsunternehmens in Betracht, ist durch
Auslegung aus Sicht eines verständigen Dritten in der Position des möglichen
Erklärungsempfängers zu ermitteln, an wen sich die Realofferte richtet.
Weichen der vom Erklärenden beabsichtigte Inhalt der Erklärung und das
Verständnis des objektiven Empfängers voneinander ab, hat die - dem
Erklärenden zurechenbare - objektive Bedeutung des Verhaltens aus der Sicht
des Erklärungsgegners Vorrang vor dem subjektiven Willen des Erklärenden
(Senatsurteile vom 27. April 2005 - VIII ZR 140/04, WM 2005, 1717
unter II 1 a; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, aaO unter II 1 b bb (1),
und VIII ZR 1/04, aaO unter II 1 b aa; jeweils mwN; vgl. auch
BGH, Urteil vom 28. Juli 2005 - III ZR 3/05, NJW
2005, 3636 unter II 1 b; Staudinger/Singer, BGB, Neubearb. 2012, § 133
Rn. 6, 11, 18, 26). Es kommt mithin nicht auf die subjektive Sicht
des Erklärenden an, sondern darauf, an wen sich nach dem objektiven
Empfängerhorizont das in der Bereitstellung von Gas liegende Vertragsangebot
richtet.
12 aa) Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens
liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrags ist hiernach
typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den
Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt (vgl. Senatsurteile vom 22.
Januar 2014 - VIII ZR 391/12, aaO; vom 10. Dezember 2008 - VIII ZR 293/07,
aaO; vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, aaO Rn. 20; vom 16. Juli 2003 -
VIII ZR 30/03, NJW 2003, 2902 unter [II] 1; Senatsbeschluss vom 20. Dezember
2005 - VIII ZR 7/04, WuM 2006, 207 Rn. 2).
13 bb) Inhaber dieser Verfügungsgewalt ist grundsätzlich der Eigentümer. Wie
das Berufungsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, kommt es dabei jedoch
nicht auf die Eigentümerstellung selbst, sondern auf die hierdurch
vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt
an (Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, aaO mwN).
14 Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt kann deshalb auch eine andere
Person sein, etwa der Mieter oder Pächter eines Grundstücks, da diesem
aufgrund des Miet- oder Pachtvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über
die ihm überlassenen Miet- oder Pachtsache eingeräumt wird (Senatsbeschluss
vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, aaO). Ob dem Energieversorger die
Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist, er
also etwa weiß, dass das zu versorgende Grundstück sich im Besitz eines
Mieters oder Pächters befindet und dieser die tatsächliche Verfügungsgewalt
über den Versorgungsanschluss ausübt, ist unerheblich. Denn bei einer am
objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung der Verkehrsauffassung und des
Gebots von Treu und Glauben ausgerichteten Auslegung der Realofferte eines Energieversorgers geht dessen Wille - ähnlich wie bei unternehmensbezogenen
Geschäften (vgl. hierzu etwa BGH,
Urteil vom 31. Juli 2012 - X ZR 154/11,
NJW 2012, 3368 Rn. 10 mwN; MünchKommBGB/Schramm, 6. Aufl., § 164 Rn. 23;
Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 164 Rn. 2; BeckOK-BGB/Valenthin, Stand:
November 2013, § 164 Rn. 25; jeweils mwN) - im Zweifel dahin, den -
möglicherweise erst noch zu identifizierenden - Inhaber der tatsächlichen
Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss zu berechtigen und zu
verpflichten. Jede andere Sichtweise würde dem in § 2 Abs. 2 der
Verordnungen über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit
Energie (StromGVV, GasGVV, AVBFernwärmeV) zum Ausdruck gekommenen, an den
beiderseitigen Interessen orientierten Verkehrsverständnis zuwiderlaufen,
zur Vermeidung eines vertragslosen Zustands einen Vertrag mit demjenigen zustande zu bringen, der die angelieferte Energie oder das angelieferte Wasser
entnimmt.
15 Ob für die Anlieferung und Entnahme für Wasser die Realofferte des
Versorgers im Hinblick darauf, dass die Gemeinden in ihren Satzungen häufig
den Grundstückseigentümer als Anschlussberechtigten und -verpflichteten
ausweisen, regelmäßig dahin auszulegen ist, dass sie sich an den Eigentümer
richtet (so wohl Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 278/02, WuM 2003,
458 unter II 1 b), kann offen bleiben (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss
vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, aaO). Denn im Streitfall stehen die
Lieferung und der Verbrauch von Gas in Frage.
16 b) Diese auf den Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den
Versorgungsanschluss weisenden Grundsätze gelten nur dann nicht, wenn
gegenläufige Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Einzelfall unübersehbar in
eine andere Richtung weisen (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 2008
- VIII ZR 293/07, aaO Rn. 11; vom 25. November 2009 - VIII ZR 235/08, aaO
Rn. 12 f.), oder wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits
anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer
zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben, aufgrund
derer die
- nur einmal fließende - Leistung in ein bestehendes Vertragsverhältnis
eingebettet ist (Senatsurteile vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, aaO Rn.
14; vom 10. Dezember 2008 - VIII ZR 293/07, aaO Rn. 8 f.; vom 27. April 2005
- VIII ZR
140/04, aaO; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, aaO unter II 1 b bb und
VIII ZR 1/04, aaO unter II 1 b; vom 17. März 2004, VIII ZR 95/03, WM 2004,
2450 unter II 2).
17 2. In Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass sich die Realofferte vorliegend an
den Streithelfer richtete, der als Pächter der Gaststätte die tatsächliche
Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübte.
Indem der Streithelfer Strom verbrauchte, nahm er aus objektiver Sicht des
Versorgungsunternehmens die an ihn als Inhaber der tatsächlichen
Verfügungsgewalt gerichtete Realofferte konkludent an.
18 Die Revision macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, die
Realofferte der Klägerin habe sich an den Grundstückseigentümer gerichtet,
weil ihr die Verpachtung des Grundstücks an den Streithelfer des Beklagten
nicht bekannt gewesen sei. Hierbei verkennt die Revision, dass es - wie oben
dargelegt - nicht auf die subjektive Sicht des Erklärenden ankommt, sondern
darauf, an wen sich nach dem objektiven Empfängerhorizont das in der
Bereitstellung von Strom liegende Vertragsangebot richtet.
19 3. Gegenläufige Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall eindeutig auf
einen anderen Vertragspartner der Klägerin als den Streithelfer weisen
könnten, sind weder festgestellt noch ersichtlich. Es fehlt sowohl an
Mitteilungen, die auf einen abweichenden Vertragswillen der Parteien
schließen lassen könnten, als auch an einem entsprechenden Verhalten der
Parteien.
20 a) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch einen vorhergehenden
Vertragsschluss mit dem Beklagten als Eigentümer, der einem konkludent
geschlossenen Versorgungsvertrag mit dem Streithelfer entgegenstünde,
verneint. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
war hier in dem kurzen Zeitraum zwischen dem Eigentumserwerb und der
Besitzüberlassung an den Pächter eine Energieentnahme, die nur von dem
Eigentümer veranlasst worden wäre, schon nicht festzustellen. Entsprechend
fehlt es bereits an einer Handlung des Eigentümers, die als Annahme einer an
ihn gerichteten Realofferte zu verstehen wäre. Allein der Umstand, dass der
Eigentümer in dieser kurzen Zeit Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss hatte, reicht
nicht aus, einen konkludenten Vertragsschluss mit dem Eigentümer anzunehmen.
21 b) Selbst wenn, wie von der Klägerin vorgetragen, in diesem Zeitraum
Strom in geringfügigem Umfang - etwa zum Zweck einer Besichtigung -
ausschließlich von dem Eigentümer entnommen worden wäre, führte dies bei
einer Auslegung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der
Beteiligten (vgl. zu diesem Kriterium: BGH, Urteil vom 8. Januar 2004 - VII
ZR 181/02, NJW 2004, 2156 unter II 2; Staudinger/Singer, aaO Rn. 2, 52 ff.)
nicht dazu, dass der Eigentümer hiermit eine an ihn gerichtete Realofferte
zum Abschluss eines unbefristeten Grundversorgungsvertrags angenommen hätte,
der mangels Kündigung auch den späteren Verbrauch durch den Pächter erfasst
und einem Vertragsschluss mit dem Pächter entgegen gestanden hätte.
Derartige kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen sind bei der
Feststellung der Vertragsparteien zu vernachlässigen. Nur ein solches
Verständnis wahrt das bei einer beiderseits interessengerechten Auslegung
einzubeziehende Anliegen aller Beteiligten, stabile Vertragsbeziehungen zu
erreichen und verhindert, dass aufwendige - und angesichts fehlender
Zwischenzählerstände voraussichtlich in aller Regel erfolglose -
Ermittlungen zwischenzeitlich möglicherweise erfolgter
Kleinstbezüge erforderlich sind, um festzustellen, wer Vertragspartner eines
Versorgungsvertrags geworden ist.
|