Befreiung des Käufers von der Herausgabe- und
Wertersatzpflicht nach Rücktritt gem. § 346 III S. 1 Nr. 3 BGB
("Zurückspringen der Gefahr"); Herausgabe einer verbliebenden Bereicherung
nach § 346 III S. 2 BGB; Anwendbarkeit von § 285 BGB im Rahmen von § 346 II
Nr. 3 BGB (offen gelassen)
BGH, Urteil vom 25. März 2015 - VIII
ZR 38/14 - OLG Karlsruhe
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Der Käufer eines Fahrzeugs,
welches er kaskoversichert hat, ist nach Untergang der Sache zur Herausgabe
einer verbleibenden Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB nur
insoweit verpflichtet, als er etwas erlangt hat, was er herausgeben könnte.
Dies ist bei einer vom Kaskoversicherer verweigerten Genehmigung der
Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung an den
Verkäufer nicht der Fall.
Zentrale Probleme:
Ein Fall zum Rücktritts(folgen)recht der §§ 346 ff
BGB: Ein Käufer tritt
wegen eines Sachmangels nach § 437 Nr. 2, § 323 BGB vom Vertrag zurück. Nach
der Erklärung des Rücktritts wird das Fahrzeug bei einem von ihm nicht zu
vertretenden Brand vollständig zerstört. In einem solchen Fall ist der
Käufer wegen der Zerstörung der Sache im Rahmen des durch den Rücktritt
begründeten Rückgewährschuldverhältnisses nach § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht
mehr zur Herausgabe, sondern grundsätzlich zum Wertersatz verpflichtet. Von
dieser Wertersatzpflicht ist er allerdings nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB
befreit. Das ist das rechtspolitisch so umstrittene „Zurückspringen der
Gefahr“ auf den Verkäufer im Falle eines Sachmangels.
Nach § 346 Abs. 3 S. 2 BGB hat der Käufer in diesem Fall aber „eine
verbleibende Bereicherung … herauszugeben“. Auch diese Verpflichtung ist
nach § 348 BGB i.V.m. § 320 BGB Zug um Zug zu erfüllen. Vorliegend hatte der
Käufer aufgrund des Brandes einen Anspruch gegen die Kaskoversicherung.
Allerdings war dieser Anspruch nach den Versicherungsbedingungen nicht ohne
Zustimmung der Versicherung abtretbar, die Versicherung hatte der Abtretung
weder zugestimmt, noch diese genehmigt. Aus diesem Grund hatte der Verkäufer
hier kein Zurückbehaltungsrecht, da der Käufer nach Ansicht des BGH (noch)
nichts erlangt hatte. Dem ist zuzustimmen, wenngleich man wohl nicht sagen
kann, dass der Käufer nichts erlangt hat. Wenn man unterstellt, dass der
Käufer tatsächlich einen Anspruch gegen die Versicherung erlangt hat, der
aber eben nicht abtretbar war, kann man aber sagen, dass er zumindest nichts
Herausgabefähiges erlangt hat. Aber das ist nur ein Spiel um Worte
.... Zu Recht stellt der Senat fest dass der Käufer in dieser Situation
nicht verpflichtet ist, den Anspruch gegen die Versicherung auf eigenes
Risiko gerichtlich geltend zu machen.
Da der Käufer nichts (Herausgabefähiges) erlangt hatte, konnte der BGH offen
lassen, ob im Rahmen von § 346 Abs. 2 eine (analoge) Anwendung von § 285 BGB
(Herausgabe des Surrogats) in Betracht kommt. Dies entspräche aber zumindest
der Auffassung des Gesetzgebers (s. dazu
BT-Drucks. 14/6040 S. 194, li.
Sp.). Zu den Voraussetzungen der Wertersatzpflicht nach § 346 II Nr. 2 BGB
bei Veräußerung (Pflicht zum Rückerwerb) s. BGH NJW
2009, 63.
©sl 2015
Tatbestand:
1 Der Kläger nimmt die Beklagte auf
Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Neuwagen in Anspruch.
2 Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 11. September 2009 übergeben. In der
Folgezeit versuchte die Beklagte mehrfach, verschiedene Mängel des Fahrzeugs
zu beseitigen. Nach dem letzten erfolglosen Nachbesserungsversuch
erklärte der Kläger mit Schreiben vom 22. August 2011 den Rücktritt vom
Kaufvertrag und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30. August
2011 unter anderem auf, den Kaufpreis unter Anrechnung einer
Nutzungsentschädigung - insgesamt einen Betrag von 43.727,50 € - Zug um Zug
gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen.
3 Am 29. August 2012 brannte das Fahrzeug, das sich nach wie vor
beim Kläger befand, weitgehend aus. Der Kläger trat am 6. März 2013
sämtliche Ansprüche aus einem von ihm für das Fahrzeug abgeschlossenen
Kaskoversicherungsvertrag an die Beklagte ab. Die Beklagte nahm die
Abtretungserklärung an. Der Versicherer erklärte jedoch mit Schreiben vom
10. April 2013 unter Verweis auf einen - in den dem Versicherungsvertrag zu
Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung
enthaltenen - Genehmigungsvorbehalt, dass die Abtretung nicht genehmigt
werden könne, da die Eintrittspflicht noch nicht abschließend geprüft sei.
4 Das Landgericht hat der unter anderem auf Rückzahlung des Kaufpreises
abzüglich einer Nutzungsentschädigung gerichteten Klage teilweise in Höhe
von 38.217,21 € stattgegeben, allerdings nur Zug um Zug gegen
Abtretung der näher bezeichneten Ansprüche des Klägers gegenüber seinem
Versicherer. Die Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen
eine vorbehaltlose Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des
Kaufpreises erstrebt hat, ist ohne Erfolg geblieben.
5 Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger nur noch die
Aufhebung des Zug-um-Zug-Vorbehalts.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für
das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
8 Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung von 38.217,21 € Zug um Zug
gegen Abtretung der Versicherungsansprüche gegen den Kaskoversicherer zu.
9 Er sei wegen erheblicher Sachmängel, die von der Beklagten nicht beseitigt
worden seien, berechtigt gewesen, von dem Kaufvertrag zurückzutreten. Der
Rücktritt sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Rückgabe des Pkw durch
den Fahrzeugbrand nicht beziehungsweise nur in verschlechtertem Zustand
möglich sei. Nachdem die Beklagte nach erklärtem Rücktritt zur Rückzahlung
des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Pkw aufgefordert worden
sei, habe sie sich in Annahmeverzug befunden. Der Kläger habe damit
bezüglich des Untergangs lediglich Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu
vertreten, wofür hier nichts vorgetragen oder ersichtlich sei.
10 Er habe jedoch das für die untergegangene Sache erlangte Surrogat, hier
die Versicherungsleistung, an die Beklagte abzutreten. Daher stehe der
Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zu, und sei eine Verurteilung lediglich
Zug um Zug gegen Abtretung entsprechender Ansprüche möglich. Zwar habe der
Kläger bereits die Abtretung erklärt. Wie sich jedoch aus dem Schreiben des
Kaskoversicherers ergebe, sei nach den Allgemeinen Bedingungen zur
Kraftfahrtversicherung eine Abtretung des Anspruchs auf Entschädigung vor
der endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Genehmigung durch den
Versicherer nicht möglich. Insoweit könne die Leistung bis zur Abtretung der
entsprechenden Ansprüche an den Kläger verweigert werden.
11 Die bereits erklärte Abtretung sei nichtig. Der Umstand, dass der
Versicherer sich formularmäßig einen entsprechenden Genehmigungsvorbehalt
ausbedungen habe, sei nicht zu beanstanden. Insbesondere verstoße eine
solche Vereinbarung nicht gegen § 307 BGB. Dementsprechend habe der Kläger
das einredeweise auf §§ 285, 326 Abs. 3 BGB gestützte Verlangen nicht
erfüllt, weshalb gegen die Zug-um-Zug-Verurteilung nichts zu erinnern sei.
12 Der Anwendungsbereich des § 285 BGB sei hier eröffnet. Dass noch keine
Regulierung erfolgt sei, spiele keine Rolle. Maßgeblich sei allein, dass der
Kläger infolge der Leistungsstörung ein Surrogat - den Anspruch gegen seinen
Kaskoversicherer - erlangt habe. Unbeachtlich sei, dass die Beklagte nach
der fristgebundenen Rücktrittserklärung des Klägers bereits in Annahmeverzug
gelangt sei, als das Fahrzeug zerstört worden sei. Die beim gesetzlichen
Rücktrittsrecht geltende Gefahrtragungsregelung des § 346 Satz 1 Abs. 3 Satz
1 Nr. 3 BGB ändere nämlich nichts an der Verpflichtung des Klägers, die ihm
verbleibende Bereicherung - mithin den Ersatzanspruch gegen seinen
Kaskoversicherer - herausgeben zu müssen (vgl. § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die
Beklagte befinde sich mit der Annahme des Surrogats - der
Versicherungsleistung - nicht in Annahmeverzug, da eine wirksame Abtretung
bisher nicht erfolgt sei.
II.
13 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand.
14 Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Beklagten -
jedenfalls derzeit - kein Anspruch auf Abtretung der Ansprüche des Klägers
gegen seine Kaskoversicherung zusteht und deshalb die Verurteilung der
Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises nicht durch einen entsprechenden
Zug-um-Zug-Vorbehalt einzuschränken ist.
15 1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon
ausgegangen, dass der Kläger ursprünglich gemäß §§ 434, 437 Nr. 2, §
346 Abs. 1 BGB zur Herausgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verpflichtet
war und diese Verpflichtung durch den Untergang des Fahrzeugs entfallen ist.
Einen Anspruch auf Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB wegen des
Untergangs des Fahrzeugs hat die Beklagte, wie die Revisionserwiderung
selbst einräumt, in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht.
Einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts zeigt die Revisionserwiderung
nicht auf.
16 Gemäß § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB, der eine Rechtsfolgenverweisung
auf das in §§ 812 ff. BGB geregelte Bereicherungsrecht enthält (Senatsurteil
vom 28. November 2007 - VIII ZR 16/07, BGHZ 174, 290 Rn. 16 mwN),
hat der Rückgewährschuldner, der nach § 346 Abs. 3 Satz 1 BGB keinen
Wertersatz nach § 346 Abs. 2 BGB zu leisten hat, eine verbleibende
Bereicherung herauszugeben. Es kann dahinstehen, ob - was das
Berufungsgericht nicht geprüft hat - überhaupt ein Wertersatzanspruch
entfallen ist. Denn jedenfalls fehlt es an einer herausgabefähigen
Bereicherung.
17 a) Das Berufungsgericht ist allerdings im Ansatz zutreffend davon
ausgegangen, dass im Falle der Versicherung des untergegangenen Gegenstandes
nicht erst die ausgezahlte Versicherungsleistung auszukehren, sondern
grundsätzlich bereits der Anspruch auf die Versicherungsleistung an den
Gläubiger abzutreten ist (§ 398 BGB).
18 Die Abtretung des Anspruchs gegen die Kaskoversicherung hat der Kläger
jedoch bereits erklärt. Anders als das Berufungsgericht meint, rechtfertigt
der Umstand, dass nach den Versicherungsbedingungen eine Abtretung von der -
hier ausdrücklich verweigerten - Genehmigung der Versicherung abhängt, aber
nicht die Annahme, dass der Beklagten gegenwärtig ein Anspruch auf
nochmalige - wirksame - Abtretung dieser Ansprüche zustünde.
19 b) Denn das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Kläger
derzeit nichts erlangt hat, was er herausgeben könnte. Erlangt im Sinne des
hier anwendbaren § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB ist etwas erst dann, wenn es sich
aufgrund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret
manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt
(BGH, Urteil vom 7. Januar 1971, VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128, 131;
Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl. § 812 Rn. 8). Dies ist hier nicht der
Fall, denn der Kläger hat weder eine Zahlung von der Versicherung erhalten
noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Ein
etwaiger, noch im Prüfungsstadium befindlicher und wegen der verweigerten
Genehmigung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des Klägers auf Zahlung einer
Versicherungsleistung stellt keine herausgabefähige Bereicherung im Sinn des
§ 346 Abs. 3 Satz 2 BGB dar. Auf etwaige Ansprüche, die der
Beklagten gegen den Kläger erst in Zukunft dadurch erwachsen könnten, dass
die Versicherung des Klägers den Anspruch auf die Versicherungsleistung
feststellt oder den festgestellten Betrag auszahlt, kann ein
Zurückbehaltungsrecht von vornherein nicht gestützt werden.
20 Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich aus dem Sinn
und Zweck des § 348 BGB nichts anderes. Insbesondere lässt sich aus dieser
Vorschrift nichts dafür herleiten, dass ein Rückgewährschuldner, der (wie
der Kläger) die untergegangene Kaufsache nicht herausgeben kann, die Last
der Auseinandersetzung mit seiner Versicherung zu tragen habe und durch ein
Zurückbehaltungsrecht dazu anzuhalten sei, die Regulierung des Schadens
durch die Kaskoversicherung zu erstreiten. Denn § 346 Abs. 3 Satz 2
BGB erlegt dem Rücktrittsschuldner nur die Herausgabe einer bereits
herausgabefähig vorhandenen Bereicherung auf, verpflichtet ihn aber nicht
dazu, etwa durch eine auf eigenes Risiko und eigene Kosten erhobene Klage,
eine - sodann herauszugebende - Bereicherung erst herbeizuführen.
21 2. Auch aus § 346 Abs. 1, § 275 Abs. 1 BGB, § 285 BGB oder § 346
Abs. 2, § 285 BGB (so etwa MünchKommBGB/Gaier, 6. Aufl. § 346 Rn.
47 mwN) ergibt sich kein Anspruch der Beklagten, den sie dem Kläger
nach §§ 320, 348 BGB entgegen halten könnte. Es bedarf in
diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob § 285 BGB überhaupt auf das
Rückgewährverhältnis gemäß §§ 346 ff. BGB nach dem neuen Schuldrecht
Anwendung findet (dagegen mit beachtlichen Gründen
Staudinger/Caspers, BGB, Neubearb. 2014, § 285 Rn. 13). Denn selbst
wenn dies der Fall sein sollte - ähnlich wie es der Bundesgerichtshof für
die Anwendbarkeit der Vorgängervorschrift zu § 285 BGB, nämlich § 281 BGB aF,
angenommen hatte (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1982 - V ZR 24/82,
NJW 1983, 929 unter B) -, ergibt sich daraus kein Anspruch der
Beklagten.
22 Denn nach § 285 BGB hätte der Kläger auch nur dasjenige
herauszugeben, was er infolge der Unmöglichkeit, das durch Brand zerstörte
Fahrzeug zurückzugeben, erlangt hat. Wie bereits ausgeführt, hat
der Kläger aber von der Versicherung weder eine Zahlung erhalten noch hat
diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Dass der Kläger künftig - etwa
dadurch, dass die Versicherung den Anspruch feststellt und dieser abtretbar
wird - etwas erlangen könnte, dessen Herausgabe die Beklagte sodann
verlangen könnte, ist, wie ausgeführt, unerheblich, da ein
Zurückbehaltungsrecht nicht auf Ansprüche gestützt werden kann, die noch gar
nicht entstanden sind.
III.
23 Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung keinen
Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es
keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, entscheidet der Senat in der
Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zum Wegfall des
Zug-um-Zug-Vorbehalts.
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