Haftung des Vermieters bei Kündigung mit
vorgetäuschtem Eigenbedarf: Einfluss eines Räumungsvergleichs auf den
Schadensersatzanspruch (Fortführung von BGH NJW
2009, 2059); Anforderungen an die Feststellung eines Verzichtswillens
BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 - VIII
ZR 99/14 - LG Koblenz
Fundstelle:
NJW 2015, 2324
Amtl. Leitsatz:
a) Der Vermieter ist im Falle der Vortäuschung
von (Eigen-)Bedarf - wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell)
unberechtigten Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses - dem Mieter gemäß §
280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (Bestätigung und Fortführung
von BGH, Urteile vom 8. April 2009 - VIII ZR
231/07, NJW 2009, 2059 Rn. 11 mwN; vom 13. Juni 2012 - VIII ZR 356/11,
juris Rn. 10; Beschluss vom 7. September 2011 - VIII ZR 343/10, WuM 2011,
634 Rn. 3).
b) Ob ein Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der
Vortäuschung einer (Eigen-)Bedarfssituation und dem später vom Mieter
geltend gemachten Schaden unterbricht, ist im Wege der Auslegung des
Vergleichs und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu
beurteilen, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit
darüber beilegen wollten, ob die (Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand
oder nur vorgetäuscht war. Nur dann, wenn mit dem Vergleich auch etwaige
Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten
werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang
(Fortführung von BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - VIII ZR 343/10,
aaO).
c) An das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den
Vermieter wegen eines nur vorgetäuschten (Eigen-)Bedarfs zu verzichten, sind
strenge Anforderungen zu stellen; der Verzichtswille muss - auch unter
Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände - unmissverständlich sein
(Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteile vom 21. November 2006 - VI ZR
76/06, NJW 2007, 368 Rn. 9; vom 26. Oktober 2009 -
II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; vom 18. September 2012 - II ZR
178/10, WM 2012, 2231 Rn. 22; vom 22. April 2015
- IV ZR 504/14, juris Rn. 15).
d) Für einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf die vorgenannten
Ansprüche bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen
Verzichtswillen schließen lassen (Fortführung von BGH, Urteile vom 11.
Oktober 2000
- VIII ZR 276/99, juris Rn. 18; vom 20. September 2006 - VIII ZR 100/05, WM
2007, 177 Rn. 22; Beschluss vom 19. September 2006 - X ZR 49/05, juris Rn.
27). Derartige Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin
liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung - wie
etwa einer namhaften Abstandszahlung - verpflichtet.
Zentrale Probleme:
Eine interessante Entscheidung zum Mietrecht im Anschluss an
BGH NJW 2009, 2059:
Ein Vermieter hatte einen Wohnungsmietvertrag wegen
Eigenbedarfs (§ 573 BGB) gekündigt. Im
Räumungsprozess war es zu einem Vergleich zwischen dem Mieter und dem
Vermieter gekommen, aufgrund dessen der Mieter die Wohnung zu räumen hatte.
Nunmehr klagt der Mieter gegen den Vermieter auf Schadensersatz wegen eines
nur vorgetäuschten Eigenbedarfs. Eine auf eine nur vorgetäuschten
Eigenbedarf gestützte Kündigung verpflichtet den Vermieter nach § 280 Abs. 1
BGB zum Schadensersatz (s. dazu BGH NJW
2009, 2059).
Hier stellte sich nun die Frage, ob der Kausalzusammenhang zwischen der
Täuschung und dem Auszug des Mieters durch den Räumungsvergleich
unterbrochen worden. Dies setzt voraus, dass der Räumungsvergleich auch
einen Verzicht auf etwaige Schadensersatzansprüche wegen eines nur
vorgetäuschten Eigenbedarfs enthält. Dass sich dies aus dem Vergleich nicht
ausdrücklich entnehmen ließ, kam nur ein konkludenter Verzicht infrage.
Diesen verneint der BGH mit überzeugenden Gründen. Er stützt sich dabei
insbesondere darauf, dass der Mieter für die Räumung keine wesentliche
Gegenleistung erhalten hatte. Zu den Anforderungen an einen Verzichtswillen
vergleiche auch BGH NJW 2010, 64.
©sl 2015
Tatbestand:
1 Der Kläger begehrt Schadensersatz
wegen unberechtigter Kündigung des Mietverhältnisses.
2 Der Kläger hatte mit Vertrag vom 28. April 2008 vom Rechtsvorgänger des
Beklagten eine Vier-Zimmer-Wohnung in K. gemietet; die monatliche Miete
belief sich zuletzt auf 523,09 € brutto. Der Beklagte kündigte das
Mietverhältnis mit der - vom Kläger bestrittenen - Begründung, die Wohnung
werde für den neuen Hausmeister, Herrn D. , benötigt.
3 Nachdem die Räumungsklage in erster Instanz erfolglos geblieben war,
schlossen die Parteien im Vorprozess in der zweiten Instanz am 14. Juni 2011
auf Vorschlag des Berufungsgerichts einen Räumungsvergleich,
in dem sich der Kläger (als damaliger Beklagter) verpflichtete, die
Wohnung bis spätestens 31. Dezember 2011 zu räumen sowie die Kosten des
Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Vergleichs zu tragen.
Ferner verzichtete der Kläger (abgesehen von der gewährten vorbezeichneten
Räumungsfrist) auf sämtliche Räumungsschutzvorschriften. Im Falle eines
vorzeitigen Auszugs, den der Kläger zwei Wochen zuvor anzukündigen hatte,
sollte er nur bis zum Auszug und zur Übergabe der Wohnung Miete zahlen.
4 Nach dem Auszug des Klägers zog nicht der angekündigte neue Hausmeister,
sondern eine Familie in die ehemals vom Kläger gemietete Wohnung des
Beklagten ein. Im vorliegenden Prozess begehrt der Kläger Ersatz der
Umzugskosten, der Mehrkosten, die ihm durch die höhere Miete für die neue
Wohnung (850 € monatlich) und dadurch entstehen, dass er den Weg zur Arbeit
nicht mehr wie bisher zu Fuß zurücklegen könne, sowie Ersatz der ihm
entstandenen Prozesskosten des Räumungsrechtsstreits.
5 Die auf Zahlung von 25.833,43 € nebst Zinsen und Freistellung von
vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen
keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
8 Dem Kläger stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu.
Zwar könne der Mieter von seinem Vermieter grundsätzlich nach § 280 Abs. 1
BGB Schadensersatz erlangen, wenn dieser schuldhaft eine Kündigung wegen
eines in Wahrheit nicht bestehenden Eigenbedarfs ausspreche. Weitere
Voraussetzung eines solchen Schadensersatzanspruchs sei es jedoch, dass ein
Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Pflichtverletzung
(vorgetäuschter Eigenbedarf) und dem geltend gemachten Schaden bestehe.
Hieran fehle es.
9 Zwar führe der Abschluss eines Räumungsvergleichs nicht zwangsläufig zu
einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs. Vielmehr komme es auf die
Umstände des Einzelfalls an, insbesondere darauf, ob die Parteien durch
gegenseitiges Nachgeben nur den Streit über die Schlüssigkeit und
Beweisbarkeit des Eigenbedarfs oder auch den Streit darüber hätten
beseitigen wollen, ob die vom Vermieter behauptete Bedarfssituation bestehe
oder ob sie nur vorgetäuscht gewesen sei. Nur im letzteren Fall könne in dem
Vergleich ein Verzicht des Mieters auf Schadensersatzansprüche wegen
vorgetäuschten Eigenbedarfs gesehen werden.
10 Aufgrund einer Würdigung nach den dargelegten Maßstäben habe der im
Vorprozess abgeschlossene Vergleich der Parteien einen endgültigen
Schlussstrich unter das Mietverhältnis ziehen sollen. Dafür spreche bereits
die im Vergleich getroffene Vereinbarung, wonach sich der Kläger
verpflichtet habe, die Wohnung bis zum 31. Dezember 2011 zu räumen. Denn
eine Räumungsfrist von fast sechs Monaten sei in der damaligen
Prozesssituation, in der die Berufung keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe
[gemeint dürfte sein: die Verteidigung des jetzigen Klägers gegen die
damalige Berufung des jetzigen Beklagten], ein Nachgeben des (jetzigen)
Beklagten gewesen. Zudem sei dem Kläger zugestanden worden, die Wohnung
vorzeitig zu räumen. Auch der Umstand, dass die Parteien im Vorprozess
gegenseitig Vorwürfe - angebliche Schikanen des Beklagten und angebliche
Vertragsverletzungen des Klägers - erhoben hätten, spreche dafür, dass die
einvernehmliche Regelung in erster Linie auf die Beendigung des
Vertragsverhältnisses abgezielt habe. Überdies habe der Kläger die
Bedarfslage des Beklagten und das Vorliegen des "Betriebsbedarfs" in seiner
Berufungserwiderung im Räumungsrechtsstreit nicht mehr ausdrücklich
bestritten; auch daraus sei zu schließen, dass die Parteien einen
endgültigen Schlussstrich unter die mietvertraglichen Beziehungen hätten
ziehen und auch den Streit über das Bestehen einer Bedarfslage beseitigen
wollen.
11 Aus diesem Grund sei auch die vom Kläger erklärte Anfechtung des
Vergleichs unbegründet. Zudem habe der Beklagte durch die Vorlage einer
eidesstattlichen Versicherung des Hausmeisters D. vom 22. April 2013
nachgewiesen, dass er noch im Zeitpunkt des Auszuges des Klägers keine
Kenntnis davon gehabt habe, dass Herr D. entgegen dessen bisheriger
eindeutig erklärter Absicht aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in die
bis dahin vom Kläger bewohnte Dachgeschosswohnung einziehen werde.
II.
12 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein
Schadensersatzanspruch des Klägers wegen unberechtigter Kündigung des
Mietverhältnisses gemäß § 280 Abs. 1 BGB nicht verneint werden.
Das Berufungsgericht hat den Räumungsvergleich rechtsfehlerhaft
dahin ausgelegt, dass der Kläger damit auch auf eventuelle
Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs verzichten sollte.
13 1. Allerdings kann die Auslegung einer Individualvereinbarung - wie hier
des Räumungsvergleichs vom 14. Juni 2011 - durch den Tatrichter vom
Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob
gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder
allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff
außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision
gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; Senatsurteil vom 3. Dezember
2014 - VIII ZR 224/13, NZM 2015, 79 Rn. 37 mwN). Dies gilt auch für
Prozesserklärungen, soweit es deren materiell-rechtlichen Inhalt betrifft
(BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - XII ZR 114/10, juris Rn. 15 mwN).
Ein derartiger Rechtsfehler fällt dem Berufungsgericht hier indes
zur Last.
14 a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon
ausgegangen, dass der Vermieter im Falle der Vortäuschung von Eigenbedarf -
wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung
eines Dauerschuldverhältnisses (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom
11. Januar 1984 - VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296, 301 ff. [zur Wohn- und
Gewerberaummiete]; vom 14. Januar 1988 - IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268 unter
III 2 b [zum Pachtvertrag]; vom 28. November 2001 - XII ZR 197/99, NZM 2002,
291 unter 2 b [zur Gewerberaummiete]; vom 22. April 2010 - I ZR 31/08, VersR
2010, 1668 Rn. 17 mwN [zum Frachtvertrag]; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.
Januar 2009 - V ZR 133/08, BGHZ 179, 238 Rn. 16 [zum
Grundstückskaufvertrag]), wie hier des Wohnraummietverhältnisses -
dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist
(vgl. Senatsurteile vom 8. April 2009 -
VIII ZR 231/07, NJW 2009, 2059 Rn. 11 mwN; vom 13. Juni 2012 - VIII ZR
356/11, juris Rn. 10; Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - VIII ZR
343/10, WuM 2011, 634 Rn. 3).
15 Auch hat das Berufungsgericht - im Ansatzpunkt zutreffend -
angenommen, dass die Frage, ob ein Räumungsvergleich den
Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung einer
(Eigen-)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden
unterbricht, im Wege der Auslegung des Vergleichs und unter Würdigung der
Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen ist, ob die Parteien durch
gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die
(Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war.
Nur dann, wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters
wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es
an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang (vgl. OLG Frankfurt
am Main [Rechtsentscheid], NJW-RR 1995, 145, 146; vgl. auch Senatsbeschluss
vom 7. September 2011 - VIII ZR 343/10, aaO; Schmidt-Futterer/Blank,
Mietrecht, 11. Aufl., § 573 BGB Rn. 81).
16 b) Bei der konkreten Würdigung des Räumungsvergleichs hat das
Berufungsgericht indes unter Verstoß gegen § 286 ZPO wesentliche Umstände
außer Betracht gelassen und sich nicht an den eingangs genannten Maßstab
gehalten.
17 aa) Streitgegenstand des Vorprozesses war das Räumungsbegehren des
Beklagten im Anschluss an eine Kündigung, die darauf gestützt war, dass die
Wohnung als Hausmeisterwohnung für einen Angestellten des Vermieters
benötigt werde (sogenannter "Betriebsbedarf"; vgl. hierzu Senatsurteile vom
23. Mai 2007 - VIII ZR 122/06, NZM 2007, 639 Rn. 12 f. mwN; vom 15. Dezember
2012 - VIII ZR 210/10, NJW 2011, 993 Rn. 13).
18 Der Wortlaut des Vergleichs bietet zunächst keine Anhaltspunkte dafür,
dass die Parteien über den Streitgegenstand und die ausdrücklich geregelten
Punkte hinaus sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche aus dem
Mietverhältnis, also etwa auch einen Schadensersatzanspruch wegen
vorgetäuschten Bedarfs, abschließend regeln wollten. Weder ist im
Vergleich ein solcher Anspruch erwähnt noch findet sich dort eine allgemeine
Abgeltungsklausel, wobei dahingestellt bleiben kann, ob von einer solchen
Klausel der vorbezeichnete Schadensersatzanspruch erfasst würde (dies
verneinend: LG Hamburg, WuM 1995, 168; Schmidt-Futterer/Blank, aaO; vgl.
auch Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2014, § 573 Rn. 228).
19 bb) Das Berufungsgericht hat dem Vergleich somit einen
stillschweigenden Verzicht auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten
Bedarfs entnommen. Dabei hat es rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass
an das Vorliegen des Willens einer Partei, auf Ansprüche zu verzichten,
strenge Anforderungen zu stellen sind und der Verzichtswille - auch unter
Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände - unmissverständlich sein muss
(st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21. November 2006 - VI ZR
76/06, NJW 2007, 368 Rn. 9; vom 26. Oktober 2009 -
II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; vom 18. September 2012 - II ZR
178/10, WM 2012, 2231 Rn. 22; vom 22. April 2015 - IV ZR 504/14, juris Rn.
15; jeweils mwN). Sofern - wie hier - ein stillschweigender Verzicht
zu prüfen ist, bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen
solchen Verzichtswillen schließen lassen (vgl. Senatsurteile vom
11. Oktober 2000 - VIII ZR 276/99, juris Rn. 18; vom 20. September 2006 -
VIII ZR 100/05, WM 2007, 177 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 19. September 2006 -
X ZR 49/05, juris Rn. 27; jeweils mwN). Derartige Umstände können
bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu
einer substantiellen Gegenleistung verpflichtet. So kann im
Einzelfall in der Zahlung einer namhaften Abstandszahlung oder einem
Verzicht auf Schönheitsreparaturen der Wille der Parteien entnommen werden,
dass damit auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen vorgetäuschten
Eigenbedarfs abgegolten sein sollen (vgl. OLG Frankfurt am Main, aaO; OLG
Celle, OLGR 1995, 4 f.; Erman/Lützenkirchen, BGB, 14. Aufl., § 573 Rn. 57;
Gramlich, Mietrecht, 12. Aufl., § 573 BGB unter 8; aA wohl Staudinger/Rolfs,
aaO mwN). Dies mag insbesondere dann in Betracht kommen, wenn eine
solche Einigung in einer Situation erheblicher Unsicherheit für beide
Parteien erfolgt, also etwa in der ersten Instanz vor Durchführung einer
sonst erforderlichen umfangreichen Beweisaufnahme.
20 cc) Derartige Umstände, die den Schluss darauf zuließen, dass auch
etwaige Ansprüche des (jetzigen) Klägers wegen vorgetäuschten Bedarfs mit
dem Räumungsvergleich abgegolten sein sollten, hat das Berufungsgericht
nicht festgestellt. Im Gegenteil enthält der auf dem Vorschlag des
Berufungsgericht basierende Räumungsvergleich ein allenfalls formales
Nachgeben des Beklagten (damaligen Klägers).
21 Dass die Zubilligung einer rund sechsmonatigen Räumungsfrist in dem
Vergleich ein ins Gewicht fallendes Entgegenkommen des damaligen Klägers
darstellte, kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil dieser
anderenfalls auf eine streitige Entscheidung des Berufungsgerichts
angewiesen gewesen wäre, die nicht notwendig sogleich am Verhandlungstag als
Stuhlurteil hätte ergehen müssen, und weil mit einer Entscheidung ohne
Zubilligung einer gewissen Räumungsfrist nach den Umständen nicht zu rechnen
war. Denn der Mieter, der aufgrund einer Eigenbedarfskündigung oder
- wie hier - einer Kündigung wegen "Betriebsbedarfs" erstmals in der
Berufungsinstanz zur Räumung verurteilt wird, kann regelmäßig - sogar von
Amts wegen - mit der Zubilligung einer gewissen Räumungsfrist rechnen und
hat zudem die Möglichkeit, nach § 721 Abs. 3 ZPO eine Verlängerung der
Räumungsfrist oder aus Härtegründen Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu
beantragen. Nach dem Wortlaut des Vergleichs sind diese
Schutzvorschriften indes - ebenso wie eine Räumungsfristbewilligung nach §
794a ZPO - gleichfalls ausgeschlossen worden. Dass der jetzige Kläger nach
dem Vergleich nur bis zu seinem Auszug Miete zu zahlen hatte, stellt kein
oder jedenfalls kein nennenswertes Entgegenkommen des Beklagten dar, denn
gemäß § 546a BGB hat der Mieter nach der Beendigung des Mietvertrags nur bis
zur Rückgabe der Mietsache Miete zu zahlen und setzt ein weitergehender
Schadensersatzspruch wegen unterbliebener Rückgabe voraus, dass sie vom
Mieter zu vertreten ist und die Billigkeit eine Schadloshaltung des
Vermieters erfordert (§ 571 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB).
22 Die übrigen Bestimmungen des Räumungsvergleichs waren für den jetzigen
Kläger nur nachteilig, weil er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hatte
und überdies durch den Vergleich zusätzliche Anwaltsgebühren entstanden, die
er nach dem Vergleich ebenfalls zu tragen hatte.
23 dd) Schließlich hat das Berufungsgericht dem Umstand, dass es die
Rechtsposition des jetzigen Klägers in der Berufungsinstanz im Vorprozess
selbst als aussichtslos angesehen und dies den Parteien auch mitgeteilt hat,
keine ausreichende Beachtung geschenkt. Denn in einer Prozesssituation, in
der das Gericht den Mieter auf die Aussichtslosigkeit seiner
Rechtsverteidigung hinweist, nachdem vernommene Zeugen den vom Vermieter
behaupteten Bedarf bestätigt haben, liegt es eher fern, dass die Parteien
mit einem sodann abgeschlossenen Räumungsvergleich nicht nur die zu
erwartende Entscheidung des Gerichts über den streitgegenständlichen
Räumungsanspruch vorwegnehmen, sondern darüber hinaus etwaige Ansprüche der
Mieters wegen vorgetäuschten Bedarfs abgelten wollen.
24 ee) Auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, beide Parteien
hätten sich im Laufe des Prozesses wechselseitig diverse
Vertragsverletzungen vorgeworfen, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass
mit dem Vergleich auch Ansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs abgegolten
werden sollten. Denn das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu
getroffen, ob die behaupteten wechselseitigen Vorwürfe zutrafen; es ist auch
nicht ersichtlich, dass beide Vertragsparteien das Mietverhältnis inzwischen
als zerrüttet ansahen und es deshalb - unabhängig von der vom damaligen
Kläger geltend gemachten Bedarfssituation - beenden wollten.
25 2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus
anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Ausführungen des
Berufungsgerichts zur Würdigung der vom Beklagten vorgelegten
eidesstattlichen Versicherung des Hausmeisters D. vom 22. April 2013 stellen
keine die Entscheidung selbständig tragende Hilfsbegründung dar. Dies ergibt
sich schon daraus, dass es sich bei einer eidesstattlichen Versicherung
nicht um ein im Erkenntnisverfahren zulässiges Beweismittel handelt, so dass
das Berufungsgericht, wenn es auf die Würdigung der Angaben des Hausmeisters
entscheidend angekommen wäre, sich nicht mit einer Würdigung der
eidesstattlichen Versicherung hätte begnügen dürfen, sondern den (von beiden
Parteien benannten) Zeugen hätte vernehmen müssen.
III.
26 Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist
daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist
zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der
Möglichkeit der Verweisung an einen anderen Spruchkörper des
Berufungsgerichts Gebrauch (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
27 Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
28 1. Das Berufungsgericht wird zunächst im Rahmen der Beweisaufnahme zu
klären haben, ob der vom Beklagten mit der Kündigung geltend gemachte Bedarf
nur vorgetäuscht war. Bejahendenfalls stünde dem Kläger dem Grunde
nach der von ihm geltend gemachte, durch den Räumungsvergleich der Parteien
vom 14. Juni 2011 nicht ausgeschlossene Schadensersatzanspruch gemäß § 280
Abs. 1 BGB wegen vorgetäuschten Bedarfs zu.
29 2. Sollte das Berufungsgericht hingegen nicht zu der Feststellung eines
vom Beklagten nur vorgetäuschten Bedarfs gelangen, wird es zu bedenken
haben, dass vieles dafür spricht, dass die Frage, ob der vom Beklagten als
Grund für die Kündigung angegebene "Betriebsbedarf" den Anforderungen des
Senats an eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 BGB genügt (vgl. hierzu
Senatsurteil vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 122/06, aaO), durch den
Räumungsvergleich der Parteien dem Streit entzogen sein dürfte.
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