Beweislast bei
Rückforderung von à-conto-Zahlungen (Abschlagszahlungen): Kein
Bereicherungsanspruch, sondern vertragliche Anspruchsgrundlage
BGH, Urteil vom 22.
November 2007 - VII ZR 130/06
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Macht der Auftraggeber
eines Architekten nach Beendigung des Vertrags unter Ausschöpfung der ihm
zur Verfügung stehenden Quellen Überzahlung geleisteter Vorauszahlungen
geltend, hat der Architekt darzulegen und zu beweisen, dass ihm eine
Vergütung in Höhe der geleisteten Zahlungen endgültig zusteht. Der
Auftraggeber hat einen vertraglichen Anspruch auf Auszahlung eines
Überschusses (im Anschluss an BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR
399/97, BGHZ 140, 365).
Zentrale Probleme:
S. auch
BGH NJW 2004, 2879; BGH,
Urteil vom 30. September 2004 - VII ZR 187/03.
©sl 2008
Tatbestand:
1 Die Beklagte fordert die Rückzahlung überzahlten Architektenhonorars. Der
Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagten über den von ihr geltend
gemachten Anspruch hinaus kein Rückzahlungsanspruch mehr zusteht.
2 Die Parteien schlossen am 17. März 1999 einen schriftlichen
Architektenvertrag, in dem sich der Kläger gegen Zahlung eines
Pauschalhonorars von 8 Mio. DM netto verpflichtete, Architektenleistungen
für ein Büro- und Verwaltungsgebäude mit Tiefgarage und Außenanlagen zu
erbringen. Nachdem der Kläger einen Teil der Leistungen erbracht und die
Beklagte entsprechend der vertraglichen Vereinbarung Vorauszahlungen auf das
Honorar in Höhe von 7.773.424 DM geleistet hatte, vereinbarten die Parteien
im Sommer 2002, dass weitere Planungsleistungen, insbesondere die Planung
des Innenausbaus für die Mieterbereiche mit Ausnahme der vom Kläger bereits
erbrachten Standardausbauplanung, von der R. GmbH übernommen werden sollten,
deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Kläger ist. Die Beklagte
erteilte der R. GmbH einen selbständigen Auftrag über die noch
auszuführenden Planungsarbeiten. Zur Vermeidung von Doppelzahlungen trafen
die Parteien am 5. August 2002 eine schriftliche Vereinbarung, mit der die
Verteilung des Honorars zwischen dem Kläger und der R. GmbH wie folgt
geregelt wurde:
"1. ...
2. Soweit die der R. GmbH übertragenen Leistungen Architekten- und
Ingenieurleistungen darstellen, die das Architekturbüro R. (Anm.: der
Kläger) aufgrund des Vertrages vom 17.03.1999 zu erbringen hat, besteht
Einigkeit, daß nur die R. GmbH die Vergütung erhält und eventuelle
Honorarzahlungen für das Architekturbüro R. für identische Leistungen,
die Herr R. aufgrund des Architektenvertrages v. 17.03.1999 schuldet,
von Herrn R. an die EF II (Anm.: die Beklagte) zurückzuvergüten sind."
3 In einer Vorbemerkung zu dieser
Vereinbarung heißt es, es bestehe Einigkeit darüber, dass die von der R.
GmbH zu erbringenden Leistungen bereits im Architektenvertrag mit dem Kläger
enthalten und von der Beklagten vorab vergütet worden seien; die Planung für
den Standardausbau habe der Kläger bereits erbracht.
4 Der Kläger, der Gesellschafter der Beklagten war, veräußerte im Jahr 2003
seinen Geschäftsanteil. Nach dem Vertrag war eine Korrektur des Kaufpreises
vorgesehen, die von der Höhe der Rückzahlungsansprüche der Beklagten gegen
den Kläger abhängig war.
5 Der Kläger hat im Hinblick darauf beantragt festzustellen, dass der
Beklagten kein Rückforderungsanspruch wegen des an ihn gezahlten Honorars
zustehe. Die Beklagte fordert mit der Widerklage die Rückerstattung eines
Teils des bezahlten Honorars in Höhe von 505.624,11 €. In dieser Höhe
leistete die Beklagte Honorarzahlungen an die R. GmbH für die Planung des
Innenausbaus der Mieterbereiche, die Ausbauplanung des Allgemeinbereichs
sowie für Leistungen der R. GmbH im Rahmen der Mängelbeseitigung.
6 Das Landgericht hat die negative Feststellungsklage des Klägers, die
dieser nach Erhebung der Widerklage auf über die Widerklageforderung
hinausgehende Rückzahlungsansprüche der Beklagten beschränkt hat, abgewiesen
und der Widerklage bis auf einen geringfügigen Teilbetrag stattgegeben. Auf
die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht unter Abänderung des
landgerichtlichen Urteils festgestellt, dass die Beklagte über den
Streitgegenstand der Widerklage hinaus keinen Anspruch gegen den Kläger auf
Rückzahlung von Architektenhonorar hat. Die Widerklage, die die Beklagte
nach Abtretung der Widerklageforderung mit der Maßgabe weiterverfolgt hat,
dass Zahlung an die Zessionarin verlangt wird, hat es abgewiesen.
7 Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die
Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
8 Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
9 Das Berufungsgericht führt aus, die Widerklage sei unbegründet, der
Feststellungsantrag dagegen begründet. Die Darlegungs- und Beweislast für
den Rückzahlungsanspruch liege bei der Beklagten. Die Parteien hätten mit
der Vereinbarung vom 5. August 2002 einen dem Bereicherungsrecht
vergleichbaren Rückzahlungsanspruch der Beklagten geregelt. Die Darlegungs-
und Beweislast liege bei demjenigen, der einen Anspruch auf Herausgabe der
rechtsgrundlos erbrachten Leistung geltend mache. Die Voraussetzungen, die
ein Abweichen von der grundsätzlichen Beweislastverteilung rechtfertigen
könnten, seien nicht gegeben.
10 Die Vereinbarung der Parteien sei dahin auszulegen, dass der Beklagten
ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der geleisteten Vorauszahlungen
zustehen solle, soweit der Kläger das Honorar nicht schon durch eine
entsprechende Tätigkeit verdient habe. Zur Vermeidung von Doppelzahlungen
habe der Kläger der Beklagten dasjenige Honorar zurückzuerstatten, das er
für vertraglich geschuldete, aber noch nicht erbrachte Leistungen erhalten
habe.
11 Trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises fehle es an
schlüssigem Vortrag der Beklagten dazu, für welche nach dem ursprünglichen
Vertrag geschuldeten und im Zeitpunkt der Vertragsübernahme durch die R.
GmbH noch nicht erbrachten Leistungen der Kläger bereits eine Honorarzahlung
erhalten habe. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Vergütungsregelungen in
den Verträgen mit dem Kläger und der R. GmbH könne die Beklagte vom Kläger
nicht undifferenziert die Erstattung des an die R. GmbH gezahlten Honorars
verlangen. Den Beweisangeboten der Beklagten sei nicht nachzugehen, weil es
an konkretem Vorbringen fehle, das es erlauben würde, einem Sachverständigen
die Berechnung der Honorarrückzahlung zu ermöglichen.
II.
12 Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
13 Das Berufungsgericht qualifiziert den Rückforderungsanspruch der
Beklagten rechtsfehlerhaft als Bereicherungsanspruch und verkennt daher die
Darlegungs- und Beweislastverteilung. Auf diesem Rechtsfehler beruhen sowohl
der Klage- als auch der Widerklageausspruch.
14 1. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht an, die Beklagte habe die
Voraussetzungen eines auf die Rückerstattung überzahlter Vorauszahlungen
gerichteten Anspruchs darzulegen und zu beweisen.
15 a) Der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch ist auf Rückzahlung
überzahlter Honorarvorauszahlungen nach vorzeitiger Beendigung des zwischen
den Parteien geschlossenen Architektenvertrages gerichtet. Das
Berufungsgericht legt die Vereinbarung der Parteien vom 5. August 2002 über
die Verteilung des dem Kläger und der R. GmbH zustehenden
Architektenhonorars, von der Revision unbeanstandet, dahin aus, dass der
Kläger die erhaltenen Honorarzahlungen an die Beklagten zurückzuerstatten
habe, die auf Leistungen entfallen, die Gegenstand des mit ihm geschlossenen
Architektenvertrags gewesen, in der Folge jedoch von der R. GmbH erbracht
worden sind. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts haben die Parteien den im Jahr 1999 geschlossenen
Architektenvertrag einvernehmlich aufgehoben. Zwischen ihnen bestand
Einigkeit darüber, dass die noch ausstehenden Planungsleistungen nicht vom
Kläger, sondern von der R. GmbH ausgeführt werden sollten.
16 Auf einen solchen Anspruch finden die Vorschriften des
Bereicherungsrechts und die dort geltenden Darlegungs- und
Beweislastgrundsätze keine Anwendung. Verpflichtet sich der Auftraggeber in
einem Bauvertrag gegenüber dem Auftragnehmer zu Voraus- oder
Abschlagszahlungen, ist dieser verpflichtet, seine Leistungen nach Abnahme
oder Beendigung des Vertrages abzurechnen und einen etwaigen Überschuss an
den Auftraggeber auszuzahlen (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar
1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 373; Urteil vom 24. Januar 2002 - VII
ZR 196/00, BauR 2002, 938, 939 = ZfBR 2002, 473 = NZBau 2002, 329; Urteil
vom 2. Mai 2002 - VII ZR 249/00, BauR 2002, 1407, 1408 = ZfBR 2002, 673 =
NZBau 2002, 562; Urteil vom 30. September 2004 -
VII ZR 187/03, BauR 2004, 1940, 1941 = ZfBR 2005, 63 = NZBau 2005, 41).
Der Auftraggeber kann, wenn der Auftragnehmer eine Abrechnung nicht
vornimmt, die Klage auf Zahlung des Überschusses mit einer eigenen
Abrechnung begründen, aus der sich ergibt, in welcher Höhe der Auftraggeber
Voraus- und Abschlagszahlungen geleistet hat und dass diesen Zahlungen eine
entsprechende endgültige Vergütung des Auftragnehmers nicht gegenübersteht.
Hat der Auftraggeber ausreichend vorgetragen, muss der Auftragnehmer
darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und
Abschlagszahlungen endgültig zu behalten (vgl. BGH, Urteil vom 11.
Februar 1999 - VII ZR 399/97, aaO, S. 375 f; Urteil vom 24. Januar 2002 –
VII ZR 196/00, aaO, S. 940; Urteil vom 30.
September 2004 - VII ZR 187/03, aaO).
17 Diese Grundsätze gelten für einen auf Rückzahlung überzahlten
Architektenhonorars gerichteten Anspruch entsprechend (vgl. Kniffka/Koeble,
Kompendium des Baurechts, 2. Aufl., 12. Teil, Rdn. 323; Budde in: Thode/Wirth/Kuffer,
Praxishandbuch Architektenrecht, § 25 Rdn. 38). Der Umstand, dass die
Parteien den Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung überzahlten Honorars
nach vorzeitiger Vertragsbeendigung vertraglich besonders geregelt haben,
ändert nichts an der Rechtsnatur des Anspruchs.
18 b) Die Beklagte hat die Voraussetzungen für den geltend gemachten
Rückzahlungsanspruch hinreichend dargelegt.
19 Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann von der Beklagten
nicht verlangt werden, auf der Grundlage der vertraglichen
Pauschalpreisabrede den Honoraranteil zu ermitteln, der auf die vom Kläger
nicht erbrachten Leistungen entfällt. Der Auftraggeber kann sich zur
Darlegung eines Rückzahlungsanspruchs wegen einer überzahlten Vergütung auf
den Vortrag beschränken, der bei zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur
Verfügung stehenden Quellen seinem Kenntnisstand entspricht (vgl. BGH,
Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 375; Urteil vom
24. Januar 2002 - VII ZR 196/00, BauR 2002, 938, 940 = ZfBR 2002, 473 =
NZBau 2002, 329). Er ist nicht verpflichtet, selbst eine prüffähige
Abrechnung zu erstellen (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 – VII ZR 399/97,
aaO).
20 Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast dadurch genügt, dass sie die von
der R. GmbH erbrachten Planungsleistungen bezeichnet, sie den vom Kläger
nach dem Vertrag vom 17. März 1999 geschuldeten, jedoch nicht ausgeführten
Leistungen zugeordnet und den auf diese Leistungen entfallenden
Honorarbetrag beziffert hat. Ausweislich der Vorbemerkung zur Vereinbarung
vom 5. August 2002 bestand zwischen den Parteien Einigkeit darüber, dass der
Kläger Honorarzahlungen für die von der R. GmbH zu übernehmenden
Planungsleistungen, insbesondere bezüglich der Mieterausbauten und des
Ausbaus des Konferenzzentrums, bei Beendigung seiner Tätigkeit bereits
erhalten hatte. Nach der Vereinbarung in § 5 des Architektenvertrages vom
17. März 1999 hatte der Kläger die Planung des Innenausbaus der
Mieteinheiten ohne zusätzliche Vergütung vorzunehmen, soweit die hierdurch
bedingten Mehrkosten 11 Mio. DM nicht überstiegen. Die Beklagte hat die von
der R. GmbH geplanten Ausbaumaßnahmen im Einzelnen bezeichnet und dargelegt,
dass die ausbaubedingten Mehrkosten innerhalb des vertraglich vereinbarten
Rahmens von 11 Mio. DM liegen. Sie hat das auf die nicht erbrachten, aber
vergüteten Leistungen entfallende Honorar, mit dem der Kläger überzahlt sein
soll, anschließend mit dem Betrag bewertet, den sie an die R. GmbH für diese
Planungsleistungen gezahlt hat. Ob die Überzahlung nach dem Vertrag
zutreffend berechnet ist, ist keine Frage der Darlegung, sondern der
Begründetheit des Anspruchs. Es ist Aufgabe des Klägers, unter Vorlage einer
prüffähigen Abrechnung der von ihm erbrachten Leistungen darzulegen, dass
ihm ein Honorar in Höhe der erhaltenen Vorauszahlungen endgültig zusteht.
21 2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es die
Feststellungsklage für begründet hält, sind aus den vorstehenden Gründen
ebenfalls nicht tragfähig. Die Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass ihr
ein weiterer Rückzahlungsanspruch zustehen kann. Sie hat mit der Widerklage
lediglich einen Teil des an den Kläger überzahlten Honorars zurückgefordert
und vorgetragen, dass ihr über den geforderten Betrag hinaus ein weiterer
Rückzahlungsanspruch zustehen könne, weil die Mieterausbauten noch nicht
vollständigabgeschlossen seien. Es ist auch insoweit Sache des Klägers
darzulegen und zu beweisen, dass ihm eine Vergütung in Höhe der von der
Beklagten geleisteten Honorarzahlungen endgültig zusteht.
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