Leistungskondiktion:
Beweislast für den Rechtsgrund bei Abschlagszahlungen
BGH, Urteil vom 8. Juli 2004 - III ZR 435/02
Fundstelle:
NJW 2004, 2879
Zentrale Probleme:
s. BGH NJW 2003, 1039,
BGH NJW 1999, 2887, BGH ZEV 2003, 207 sowie die Anm. zu
BGH NJW 1999, 1404
und BGH
NJW 2000, 1718.
S. auch BGH,
Urteil vom 30. September 2004 - VII ZR 187/03: Vertragliche
Anspruchsgrundlage auf Abrechnung und Rückzahlung bei à-conto-Zahlungen
Amtl. Leitsatz:
Ist eine Zahlung lediglich als Abschlag
oder Vorauszahlung in Erwartung einer noch festzustellenden Schuld
erfolgt, so hat bei einer Rückforderung der Empfänger das Bestehen der
Forderung zu beweisen (im Anschluß an BGH, Urteil vom 9. März 1989 - IX
ZR 64/88 - NJW 1989, 1606).
Tatbestand:
Der
Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung privater Darlehen in Höhe von
146.689,58 DM in Anspruch. Die Beklagte hat unter anderem gegen die
Klageforderung mit einem Bereicherungsanspruch in Höhe von 106.400 DM
aufgerechnet, mit dem es folgende Bewandtnis hat:
Der Kläger auf der einen Seite und die Beklagte sowie drei
Schwestergesellschaften auf der anderen Seite schlossen unter dem 10.
Februar 1995 einen "Kooperationsvertrag". Danach verpflichtete sich der
Kläger, mit Wirkung vom 1. Februar 1995 die Unternehmensgruppe
schwerpunktmäßig in den Bereichen Vertrieb, Personal, Finanz- und
Rechnungswesen zu unterstützen mit dem Ziel, diese auf eine
ertragsträchtige, solide Basis zu stellen. Hierfür sollte er eine
monatliche Vergütung von 7.000 DM sowie eine Erfolgsbeteiligung in Höhe
von 8,5 % des Betriebsergebnisses erhalten. Die Feststellung der
Erfolgsbeteiligung hatte quartalsmäßig im nachhinein zu erfolgen,
erstmals zum Stichtag 30. Juni 1995. Eine Rechnungsstellung konnte durch
den Kläger oder einen von ihm zu benennenden Dritten erfolgen. In der
Folgezeit ließ der Kläger seine Leistungen der Beklagten durch die U.
Unternehmensberatungsgesellschaft mbH in Rechnung stellen, deren
Geschäftsführerin die Ehefrau des Klägers ist. Zwischen den Parteien
streitig sind die Rechnungen der Jahre 1998 und 1999, auf die die
Beklagte an die U. zwischen dem 24. Juli 1998 und 8. September 1999
teils als "aconto-Zahlungen", teils als "Darlehensrückzahlungen"
bezeichnete Beträge, insgesamt 106.400 DM zahlte. Die Beklagte hat
behauptet, diese Rechnungen beträfen Erfolgsbeteiligungen für die Jahre
1998 und 1999. Insoweit habe dem Kläger eine Erfolgsbeteiligung jedoch
nicht zugestanden, weil das Betriebsergebnis der Beklagten negativ
gewesen sei.
Die Vorinstanzen haben diese Aufrechnung nicht durchgreifen lassen.
Das Landgericht hat dem Kläger unter Berücksichtigung von
Tilgungsleistungen und anderen Aufrechnungen der Beklagten 87.258,57 DM
zuerkannt, das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers die
Urteilssumme auf (89.893,57 DM =) 45.961,85 € erhöht und die Berufung
der Beklagten zurückgewiesen. Deren Revision hat der erkennende Senat
insoweit angenommen, als der Beklagten die Aufrechnung mit einem
Bereicherungsanspruch wegen ihrer Zahlungen an die U. GmbH versagt
worden ist.
Entscheidungsgründe
In dem angenommenen Umfang hat die Revision Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat, soweit noch von Interesse, ausgeführt:
Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung scheitere allerdings nicht an
der erforderlichen Gegenseitigkeit der Forderungen. Nach dem Vorbringen
der Beklagten handele es sich bei den nach außen an die U. GmbH
erfolgten Darlehensrückzahlungen um Leistungen an den Kläger auf der
Grundlage des Kooperationsvertrags. Auch der Kläger habe in der
mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß Leistungen für die Beklagte nur
von ihm im Rahmen des Kooperationsvertrags erbracht worden seien.
Anhaltspunkte dafür, daß mit der Rechnungsstellung durch die U. eine
Übertragung der Forderung auf diese verbunden gewesen sein könnte, seien
nicht ersichtlich. Es fehle auch an einem konkreten Anlaß für die
Annahme, die U. habe ihr unmittelbar gegen die Beklagte zustehende
Forderungen gehabt, die sie durch "Stehenlassen" der Beklagten als
Darlehen habe gewähren können. Jedoch müßte die Beklagte darlegen und
beweisen, daß die von ihr geleisteten Zahlungen ohne Rechtsgrund erfolgt
seien. Hierfür fehle es an einem hinreichenden Vortrag.
II. Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung in einem
entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht allerdings die nach § 387
BGB notwendige Gegenseitigkeit der beiderseitigen Forderungen bejaht.
Sind die Leistungen der Beklagten, wie das Berufungsgericht
unangegriffen feststellt, zur Erfüllung von Vergütungsforderungen des
Klägers aus dem Kooperationsvertrag erfolgt, die die U. GmbH für diesen
lediglich in Rechnung gestellt hat, so ist als Empfänger der Leistungen
auch nur der Kläger anzusehen. Die U. diente ihm insofern lediglich als
"Zahlstelle". Im übrigen würde sich auch bei Annahme eines
Anweisungsverhältnisses der Bereicherungsausgleich wegen Mängeln im
Deckungsverhältnis zwischen dem Kläger als Anweisendem und der Beklagten
als der Angewiesenen vollziehen (vgl. nur Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl.,
§ 812 Rn. 51 m.w.N.).
2. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht indes davon ausgegangen, daß die
Beweislast für einen fehlenden Rechtsgrund bei der Beklagten liegt. Das
träfe nur für den Regelfall zu. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn die
Leistung des Schuldners lediglich als Abschlag oder Vorauszahlung in
Erwartung einer Feststellung der Forderung erfolgt (BGH, Urteil vom 8.
Juni 1988 - IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161, 162; Urteil vom 9. März 1989 -
IX ZR 64/88, NJW 1989, 1606, 1607; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der
Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 812 Rn. 12; siehe auch
BGH, Urteil vom 29. Februar 2000 - VI ZR 47/99,
NJW 2000, 1718, 1719).
So liegt der Fall zumindest nach dem Vorbringen der Beklagten, das auch
das Berufungsgericht seinen Ausführungen zugrunde legt, hier. Mit
Ausnahme der späteren Rechnung vom 2. November 1999 nehmen die
vorgelegten Rechnungen nicht auf quartalsmäßige Abrechnungen Bezug, wie
sie nach dem Kooperationsvertrag geschuldet waren. Gegen die Auslegung
als Abrechnungen und für ein Verständnis nur als Abschlagsrechnungen
spricht ferner, daß alle Rechnungen der U. GmbH auf glatte, durch
hundert teilbare Beträge lauten. Auch der Kläger hat für den streitigen
Zeitraum weder Abrechnungen überreicht noch überhaupt Feststellungen
über die Höhe seiner Erfolgsbeteiligung behauptet. Das Berufungsgericht
hat auch nicht etwa festgestellt, daß der Kläger die von der U. unter
dem 20. Juli 1998 in Rechnung gestellten Leistungen erbracht hätte. Auf
dieser Grundlage obliegt es mithin nicht der Beklagten, sondern dem
Kläger, den Beweis dafür zu führen, daß er die von der Beklagten
geleisteten Beträge als Erfolgsbeteiligung oder aus einem anderen
Rechtsgrund beanspruchen kann.
Da das Berufungsgericht dies verkannt hat, kann sein Urteil in diesem
Umfang nicht bestehen bleiben. Eine abschließende Entscheidung durch den
erkennenden Senat verbietet sich schon deshalb, weil dem Kläger zunächst
Gelegenheit gegeben werden muß, unter den erwähnten rechtlichen
Gesichtspunkten ergänzend vorzutragen. Infolgedessen ist die Sache zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte
Gegenforderung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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