Beweislast für die
Rechtsgrundlosigkeit einer Vermögensverschiebung und Substantiierungslast
des Empfängers
BGH, Urt. v. 15.10.2002 - X ZR 132/01
Fundstelle:
ZEV 2003, 207
s. auch BGH NJW 1999, 2887,
BGH NJW 2003, 1039 und insbesondere
BGH v. 14.11.2006 - X ZR 34/05
sowie BGH v. 18.2.2009 - XII ZR 163/07.
Eigener Leitsatz:
Zur Beweislast für die
Rechtsgrundlosigkeit einer Leistung im Falle einer vom Empfänger
behaupteten Schenkung (Fortführung von BGH NJW 1999, 2887).
Tatbestand:
Die Klägerin ist Alleinerbin nach ihrem am 17. Juni 1989 verstorbenen
Ehemann K. T.. Sie hatte mit diesem im Jahre 1985 einen notariellen Ehe-
und Erbvertrag geschlossen, durch den sich die Eheleute gegenseitig zu
Alleinerben einsetzten und die früheren Beklagten K. und B. zu
Testamentsvollstreckern bestimmten. Diese sind durch Beschluß des
Landgerichts Berlin vom 17. Februar 1998 als Testamentsvollstrecker
entlassen worden; neuer Testamentsvollstrecker ist der Beklagte.
Nach dem notariellen Ehe- und Erbvertrag waren zunächst aus dem Nachlaß
der Pflichtteilsanspruch der Tochter des Erblassers und verschiedene
Vermächtnisse zu erfüllen. Sodann sollten festverzinsliche Wertpapiere im
Wert von nominell 1.500.000,-- DM ausgesondert und einem Sonderdepot "E.
T. " zugeführt werden. Der Vertrag bestimmt sodann Auflagen des
Erblassers, wie die Klägerin mit dem übrigen nachgelassenen Vermögen zu
verfahren habe.
Die Klägerin hat von den früheren Beklagten mit ihrer (Stufen-)Klage
zunächst Auskunft und Rechnungslegung über die Einnahmen und Ausgaben für
den Nachlaß in den Jahren 1992 bis 1994 verlangt.
Mit ihrer Widerklage haben die Beklagten die Rückzahlung von insgesamt
1.134.000,-- DM von der Klägerin verlangt, die diese unstreitig kurz vor
und kurz nach dem Tod des Erblassers (in der Zeit vom 30. Dezember 1988
bis zum 11. Juli 1989) von verschiedenen auf den Erblasser lautenden
Konten überwiesen bekommen hat. Die jeweiligen Überweisungsträger wurden
auf telefonische Anweisung der Zeugin R. , der Prokuristin im
Gewerbebetrieb des Erblassers, von Bank- oder Sparkassenangestellten
unterschrieben.
Die früheren Testamentsvollstrecker hatten seit Dezember 1985 eine in
notarieller Urkunde erteilte Generalvollmacht. Für die Konten des
Erblassers hatte auch die Zeugin R. Vollmacht. Im Dezember 1987 erteilte
der Erblasser über seine Konten bei der Sparkasse B. der Klägerin
Vollmacht.
Die Klägerin hat behauptet, der Erblasser, der in den letzten Jahren vor
seinem Tod zwar körperlich abgebaut habe und pflegebedürftig geworden,
gleichwohl aber geistig auf der Höhe gewesen sei, habe ihr die
Bankvollmacht erteilt, weil er das Vertrauen zu den früheren
Testamentsvollstreckern verloren, aber nicht mehr die Kraft und Zeit
gehabt habe, die Unternehmensangelegenheiten in andere Hände zu legen. Die
Zeugin R. , die den Erblasser fast täglich besucht habe, habe die
Überweisungen an sie, die Klägerin, auf dessen ausdrückliche Anweisung
veranlaßt. Die Beträge seien dazu bestimmt gewesen, Medikamente,
Pflegeleistungen und Gärtnerarbeiten zu bezahlen; das übrige Geld sei ihr,
der Klägerin, geschenkt worden. Auch die Überweisungen nach dem Tod des
Erblassers hätten auf dessen Anweisung beruht, die Zeugin R. sei nur erst
nach dessen Tod dazu gekommen, diese auszuführen. Diese Zuwendungen des
Erblassers seien auch im Hinblick darauf erfolgt, daß die Klägerin sowohl
dessen Enkeltochter A. betreut habe, als auch dessen im Jahre 1985
verstorbene Ehefrau während deren Krankheit über einen Zeitraum von acht
Jahren und den Erblasser selbst über Jahre gepflegt habe.
Die früheren Beklagten sind dem entgegengetreten und haben zur Widerklage
vorgetragen, die überwiesenen Beträge seien von der Klägerin verschwiegen
worden und seien keine Schenkungen des Erblassers gewesen. Solche
Verfügungen stünden auch im Widerspruch zu dem sich aus dem Testament
ergebenden Willen des Erblassers. Dieser sei seit 1985 nicht mehr in der
Lage gewesen, klare wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Dieser
Zustand habe sich seit Dezember 1988 verstärkt. Aufgrund seines gesamten
Verhaltens sei der Erblasser in dieser Zeit als geschäftsunfähig anzusehen
gewesen, so daß selbst dann, wenn er die von den Beklagten bestrittenen
Überweisungsanweisungen erteilt hätte, diese ebenso wie die der Klägerin
erteilte Bankvollmacht nicht wirksam gewesen seien.
Das Landgericht hat durch Teilurteil dem Auskunftsbegehren der Klägerin
und der Widerklage in Höhe von 254.000,-- DM stattgegeben, weil die
Klägerin für die zugrundeliegenden Überweisungen keine Vollmacht gehabt
habe. Für die Überweisungen von den Konten des Erblassers bei der
Sparkasse B. sei die Klägerin dagegen vom Erblasser über seinen Tod hinaus
wirksam bevollmächtigt gewesen und habe die Überweisungen von diesen
Konten an sich vornehmen dürfen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das
Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die
Berufung der Beklagten hat es der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben
und die Klägerin zur Zahlung eines Betrages von 1.134.000,-- DM
verurteilt.
Mit ihrer Revision strebt die Klägerin die vollständige Abweisung der
Widerklage an. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung
der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
I. 1. a) Das Berufungsgericht hat der Widerklage in vollem Umfang
stattgegeben. Es hat angenommen, den früheren Testamentsvollstreckern
stehe gegen die Klägerin ein Anspruch aus §§ 2205, 2212, 812 Abs. 1 BGB
auf Rückzahlung der von den Konten des Erblassers erhaltenen 1.134.000,--
DM an den Nachlaß zu. Es sei nicht bewiesen, daß die streitigen Beträge
der Klägerin vom Erblasser geschenkt worden seien. Die Zeugin R. habe die
entsprechende Behauptung der Klägerin nicht bestätigt. Aufgrund der
Aussage der Zeugin R. hat es das Berufungsgericht als bewiesen angesehen,
daß die Zeugin, und nicht die Klägerin selbst, die Überweisungen veranlaßt
hat; der Erblasser habe die Beträge aber nicht der Klägerin geschenkt, es
sei vielmehr um die eigene Absicherung gegangen: Er habe befürchtet, ein
Pflegefall zu werden, und habe vor dem Hintergrund der finanziellen
Schwierigkeiten seines Unternehmens erreichen wollen, daß die Pflegekosten
gesichert seien.
b) Die Revision rügt mit Erfolg, das Berufungsgericht habe die Beweislast
verkannt; nicht der Bereicherungsschuldner habe zu beweisen, daß er eine
Zahlung mit Rechtsgrund erhalten habe, vielmehr treffe den Gläubiger des
Bereicherungsanspruches die Darlegungs- und Beweislast für seine
Behauptung, die Zahlung sei rechtsgrundlos erbracht worden.
Das Berufungsgericht hat allerdings ausgeführt, es sei zu der Überzeugung
gelangt, daß eine Schenkung der überwiesenen Beträge nicht erfolgt sei, so
daß die Klägerin insoweit ohne rechtlichen Grund bereichert und zur
Rückzahlung an den Nachlaß verpflichtet sei. Bei dieser Beurteilung ist
das Berufungsgericht jedoch ersichtlich davon ausgegangen, daß die
Klägerin den Beweis zu führen gehabt hätte, das ihr überwiesene Geld sei
ihr geschenkt worden. Denn es hat angenommen, diese Behauptung der
Klägerin sei durch die Aussage der Zeugin R. nicht bestätigt worden. Das
spricht dafür, daß das Berufungsgericht eine Beweislastentscheidung
zuungunsten der Klägerin getroffen hat. Sofern aus seiner abschließenden
Bemerkung, der Senat sei zu der Überzeugung gelangt, daß eine Schenkung
der überwiesenen Beträge nicht erfolgt sei, zu schließen sein sollte, das
Berufungsgericht habe in Wirklichkeit keine Beweislastentscheidung treffen
wollen, so hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung jedenfalls ein
falsches Beweismaß zugrunde gelegt, weil es seine Überzeugung in erster
Linie darauf gestützt hat, daß die Klägerin ihren Vortrag, die
überwiesenen Beträge seien ihr geschenkt worden, nicht bewiesen habe. Auch
die Frage, ob das Berufungsgericht bei der notwendigen Überzeugungsbildung
zutreffende Maßstäbe angelegt hat, unterliegt der Nachprüfung im
Revisionsverfahren (BGH, Urt. v. 17.10.2001 - IV ZR 205/00, VersR 2001,
1547; BGH, Urt. v. 16.6.1992 - VI ZR 264/91, VersR 1992, 1410; BGHZ 102,
322, 330).
Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 18. Mai 1999 (X
ZR 158/97, NJW 1999, 2887 f.) zur Darlegung einer Schenkung als
Rechtfertigungsgrund für eine mit der Klage herausverlangte Bereicherung
folgende Grundsätze aufgestellt: Grundsätzlich hat derjenige alle
anspruchsbegründenden Tatsachen zu behaupten und im Bestreitensfall zu
beweisen, der den Anspruch geltend macht. Dies gilt auch, soweit negative
Umstände anspruchsbegründend sind. Ausnahmsweise bedarf es nur dann nicht
einer besonderen Darlegung des Fehlens eines rechtlichen Grundes durch den
Bereicherungsgläubiger, wenn bereits die Tatumstände, die unstreitig sind,
den Schluß nahelegen, daß der Bereicherungsschuldner etwas ohne
rechtlichen Grund erlangt hat. Aus der allgemeinen Regel kann aber
nicht der Schluß gezogen werden, daß der Bereicherungsschuldner zu
Sachvortrag im Hinblick auf den Rechtsgrund der erfolgten Vermögensmehrung
nicht verpflichtet sei. Der Schuldner ist vielmehr gehalten, die Umstände
darzulegen, aus denen er ableitet, das Erlangte behalten zu dürfen. Dies
wiederum muß der Bereicherungsgläubiger durch eigenen Vortrag und - im
Falle des Bestreitens - durch geeigneten Nachweis widerlegen, um das
Fehlen eines rechtlichen Grundes darzutun. Der Bereicherungsschuldner hat
in zumutbarer Weise dazu beizutragen, daß der Anspruchsteller in die Lage
versetzt wird, sich zur Sache zu erklären und den gegebenenfalls
erforderlichen Beweis anzutreten.
Dem trägt die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht Rechnung.
Das Berufungsgericht durfte insbesondere nicht davon ausgehen, daß die
Klägerin ihren Vortrag, das ihr überwiesene Geld sei ihr geschenkt worden,
zu beweisen habe. Vielmehr hatten die Beklagten als
Bereicherungsgläubiger den Beweis zu führen, daß eine Schenkung nicht
erfolgt sei. Das Berufungsgericht hat dem entgegen angenommen, daß
mehrere von ihm genannte Umstände gegen eine Schenkung der überwiesenen
Beträge sprächen und dann ausgeführt, dafür, daß zwischen dem Erblasser
und der Klägerin vereinbart gewesen sei, das Geld, das bis zu seinem Tode
nicht verbraucht sein würde, solle ihr als Schenkung zukommen, fehle
jeglicher konkrete Vortrag und Nachweis. Solcher Vortrag und
insbesondere der Nachweis dieses Vertrags oblag aber nicht der Klägerin.
2. a) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Ergebnis seiner
Beweiswürdigung stehe in Einklang mit dem Vorbringen der Klägerin, wonach
mit dem Geld Pflegepersonal, Medikamente und der Gärtner hätten bezahlt
werden sollen, der Vortrag der Klägerin, die darüber hinausgehenden
Beträge habe sie als Geschenk erhalten, sei zu unbestimmt. Die Revision
meint, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Klägerin berücksichtigen
müssen, die Überweisungen seien auch im Hinblick darauf erfolgt, daß die
Klägerin die Enkeltochter des Erblassers, dessen im Jahre 1985 verstorbene
Ehefrau und den Erblasser selbst gepflegt habe, ohne hierfür eine
angemessene Vergütung erhalten zu haben. Es komme deshalb nicht darauf an,
ob die Klägerin genaue Beträge genannt habe, die vom Erblasser zugewandt
worden seien; ihr Vortrag entspreche vielmehr der Lebenserfahrung.
b) Auch insoweit hat das Berufungsgericht hinsichtlich der Verteilung der
Darlegungs- und Beweislast, jedenfalls aber hinsichtlich des Beweismaßes,
unzutreffende Maßstäbe angelegt. Es durfte den Vortrag der Klägerin nicht
von vornherein als zu unbestimmt verwerfen, weil die Klägerin damit ihrer
Darlegungslast nicht genügt habe. Vielmehr hätte es prüfen müssen, ob
die Klägerin damit in zumutbarer Weise dazu beigetragen hat, den
Anspruchsteller in die Lage zu versetzen, sich seinerseits zur Sache zu
erklären und gegebenenfalls den erforderlichen Beweis anzutreten.
II. Das Berufungsgericht wird daher unter Zugrundelegung der
Rechtsprechung des Senats die Beweiswürdigung erneut vorzunehmen haben. Es
wird je nach dem Ergebnis seiner Beweiswürdigung auch die bisher
offengelassenen Fragen zu klären haben, ob und inwieweit etwaige
formnichtige Schenkungsversprechen des Erblassers durch Bewirkung der
versprochenen Leistung geheilt worden sind, wie auch, ob der Erblasser
geschäftsunfähig gewesen ist, als er die Überweisungen veranlaßt hat. Bei
der Prüfung der Frage, ob eine eventuelle Schenkung wegen Formmangels
unwirksam wäre, wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, daß
bei Überweisungen mit der Ausführung des Überweisungsauftrags durch die
Bank die Leistung i.S.v. § 518 Abs. 2 BGB bewirkt worden ist (BGH,
Urt. v. 5.3.1986 - IVa ZR 141/84, NJW 1986, 2107, 2108). Schließlich wird
das Berufungsgericht auch gegebenenfalls der Frage nachzugehen haben, ob
die streitigen Überweisungen als ehebedingte Zuwendungen anzusehen sind,
und falls dies der Fall ist, ob dieser Rechtsgrund mit dem Tod des
Erblassers entfallen ist. Eine ehebedingte Zuwendung käme dann in
Betracht, wenn man, wie das Berufungsgericht, der Aussage der Zeugin R.
folgte. |