Voraussetzungen einer befreienden Schuldbernahme
(§ 414 BGB); Befreiungswille; Offenkundigkeit der Stellvertretung,
unternehmensbezogenes Rechtsgeschäft
BGH, Urteil vom 12. April 2012 - VII
ZR 13/11
Fundstelle:
NJW-RR 2012, 741
Amtl. Leitsatz:
Allein das Ausstellen einer Rechnung auf einen am
Werkvertrag nicht beteiligten Dritten und deren Begleichung durch diesen
stellt keine Schuldübernahme durch den Dritten dar.
Zentrale Probleme:
Es geht um Fragen des
Stellvertretungsrechts (unternehmensbezogene Willenserklärung,
Offenkundigkeitsgrundsatz) sowie um die Voraussetzungen einer befreienden
Schuldübernahme nach § 414 BGB, also um Grundfragen des Allgemeinen Teils
und des Schuldrechts: Der Geschäftsführer einer GmbH schließt einen
Werkvertrag, wobei unklar ist, ob er dabei in eigenem Namen oder im Namen
der GmbH handelt. Nach Erhalt einer Abschlagsrechnung bittet er, diese an
die GmbH zu adressieren, welche die Rechnung dann auch bezahlt. als die
Restforderung gegen ihn eingeklagt wird, lässt das Berufungsgericht die
Frage offen, ob der Vertrag mit ihm oder der GmbH zustandegekommen sei, weil
jedenfalls eine Schuldübernahme durch die GmbH vorliege. Das verneint der
Senat zu recht und verweist zurück. Jetzt ist festzustellen, mit wem der
Vertrag zustandegekommen ist. Wenn der Beklagte nicht erkennbar im Namen der
GmbH gehandelt hat, ist er selbst verpflichtet (§ 164 II BGB - Verstoß gegen
den Offenheitsgrundsatz). "Retten" können ihn da nur die Grundsätze über die
"unternehmensbezogene Willenserklärung", die keine Ausnahme vom
Offenkundigkeitsgrundsatz darstellen, sondern letztlich nur einen Fall
bezeichnen, in welchem i.S.v. § 164 I 2 BGB "die Umstände ergeben", dass die
Willenserklärung in Namen eines anderen (nämlich des Unternehmens) abgegeben
wird, s. dazu die Anm. zu BGH NJW 2000, 2984
sowie zu BGH NJW 1998, 2897).
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die Klägerin verlangt
restlichen Werklohn für Elektroinstallationsarbeiten. Die Parteien streiten
im Revisionsverfahren darüber, ob der Beklagte passivlegitimiert ist.
2 Der Beklagte und seine Ehefrau sind Eigentümer eines Wohn- und
Geschäftshauses in A. Ein Teil des Anwesens ist an die S. GmbH vermietet,
die dort ein Ladengeschäft betreibt. Der Beklagte ist leitender Angestellter
der S. GmbH, seine Ehefrau Geschäftsführerin. Am 3. Mai 2007
beauftragte der Beklagte mündlich die Klägerin mit der Durchführung von
Elektroinstallationsarbeiten anlässlich der Sanierung des Gebäudes. Ob er
dabei zum Ausdruck brachte, dass er für die S. GmbH handelte, ist streitig.
Die Klägerin erstellte unter dem 11. Oktober 2007 eine erste
Abschlagsrechnung, die nach ihrem Vortrag auf den Beklagten persönlich
ausgestellt war. Streitig ist, ob der Beklagte die Rechnung erhalten hat.
Jedenfalls sandte das für den Beklagten tätige Planungsbüro die Rechnung an
die Klägerin zurück mit der Bitte, sie auf die S. GmbH auszustellen. Dem kam
die Klägerin nach und richtete auch ihre zweite Abschlagsrechnung und die
Schlussrechnung an die S. GmbH. Beide Abschlagsrechnungen wurden von dieser
bezahlt.
3 Die Klägerin hat den Schlussrechnungsbetrag von 48.249,88 € nebst Zinsen
eingeklagt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der
Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision
verfolgt sie ihr Begehren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.
I.
5 Das Berufungsgericht ist der Meinung, zwischen der Klägerin und
der S. GmbH sei eine Schuldübernahme nach § 414 BGB vereinbart worden, so
dass der Beklagte nicht passivlegitimiert sei. Es könne dahinstehen, ob der
Beklagte bereits am 3. Mai 2007 für die Klägerin erkennbar für die S. GmbH
gehandelt habe. Denn jedenfalls durch die Stellung der Rechnungen
gegenüber der S. GmbH habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass sie
diese als Schuldnerin akzeptiere und mit einer Schuldübernahme einverstanden
sei. Durch die Abschlagszahlungen habe die S. GmbH das Angebot der Klägerin
auf Vereinbarung einer Schuldübernahme angenommen. Umstände, dass die
Klägerin Wert darauf gelegt hätte, dass der Beklagte weiterhin persönlich
verpflichtet bleibe, seien nicht ersichtlich. Dass die Beteiligten von der
Passivlegitimation der S. GmbH ausgegangen seien, ergebe sich auch daraus,
dass der vom Planungsbüro entworfene, wenn auch nicht von den Parteien
unterschriebene Bauvertrag vom 2. Oktober 2008 die S. GmbH als
Auftraggeberin ausweise. Zudem habe der Geschäftsführer der Klägerin auf
Nachfrage des Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit Schreiben vom 25.
März 2009 erklärt, der mündliche Bauvertrag sei mit der S. GmbH zustande
gekommen.
II.
6 Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Erwägungen des
Berufungsgerichts rechtfertigen nicht die Annahme, zwischen der Klägerin und
der S. GmbH sei eine Schuldübernahme vereinbart worden.
7 1. Die befreiende Schuldübernahme ist ein ungewöhnliches und
bedeutsames Rechtsgeschäft. Sie enthält in untrennbarer Verknüpfung die
Verpflichtung des Übernehmers und die Verfügung über die Forderung des
Gläubigers. In aller Regel hat sie eine solche Bedeutung, dass kein
Gläubiger ohne weiteres auf seinen bisherigen Schuldner verzichten wird. Ein
hierauf gerichteter Wille des Gläubigers kann nur dann angenommen werden,
wenn er deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist oder wenn die Umstände den
in jeder Hinsicht zuverlässigen Schluss darauf zulassen (vgl. BGH,
Urteil vom 20. Oktober 1982 - IVa ZR 81/81, NJW 1983, 678, 679).
Wegen der regelmäßig für den Gläubiger nachteiligen Folgen sind an seine
Erklärung strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom
21. März 1996 - IX ZR 195/95, MDR 1996, 702). Ein Schluss auf den
Entlassungswillen des Gläubigers ist nur unter Berücksichtigung der gesamten
Umstände, insbesondere der wirtschaftlichen Interessen der Parteien und des
Zwecks der Vereinbarung, zulässig (vgl. MünchKommBGB/Bydlinski, 6.
Aufl., § 414 Rn. 3 m.w.N.).
8 2. Diese Grundsätze beachtet das Berufungsgericht nicht in
ausreichendem Maße. Es unterlässt eine umfassende Abwägung aller Umstände
des Falles und verstößt gegen den Grundsatz der beiderseits
interessengerechten Auslegung.
9 Das Berufungsgericht stellt entscheidend darauf ab, dass die erste
Abschlagsrechnung auf die S. GmbH umgeschrieben wurde und die weiteren
Rechnungen von vornherein an sie adressiert waren. Dieser Umstand allein ist
jedoch angesichts der engen Verflechtung zwischen dem Beklagten und seiner
Ehefrau einerseits und der S. GmbH andererseits wenig aussagekräftig. Für
diese Adressierung sind viele Gründe auch außerhalb einer Schuldübernahme
denkbar. Sie sagt nichts darüber aus, dass die Klägerin mit einer
Entlassung des Beklagten aus seiner Verpflichtung und mit einer
Schuldübernahme durch die S. GmbH einverstanden gewesen wäre.
Das Berufungsgericht beachtet nicht, dass es für die Klägerin
durchaus von Wert gewesen sein kann, dass der Beklagte ihr weiterhin
persönlich verpflichtet bleibt. Denn er haftet der Klägerin im Gegensatz zur
S. GmbH unbeschränkt. Das Berufungsgericht trifft keine
Feststellungen dazu, dass die Klägerin trotzdem mit seiner Entlassung aus
der Haftung einverstanden gewesen wäre.
10 Die Schlüsse, die das Berufungsgericht aus dem Verhalten der Beteiligten
nach dem 3. Mai 2007 zieht, sind ebenfalls nicht stichhaltig. Der über ein
Jahr später entworfene Bauvertrag wurde nicht unterschrieben. Dass die
Klägerin im März 2009 die Rechtsansicht äußerte, den mündlichen Vertrag mit
der S. GmbH geschlossen zu haben, ist nur ein schwaches Indiz für die Frage,
wer im Mai 2007 tatsächlich ihr Vertragspartner wurde. Denn diese Äußerung
kann -wie die Klägerin auch geltend macht - auf einem durch die
Rechnungsumstellung bedingten Irrtum beruhen.
11 Das Berufungsgericht lässt bei seiner Würdigung außer Betracht, dass der
Beklagte sich vor Prozessbeginn gegenüber einem Sicherungsverlangen der
Klägerin mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27. Juni 2009 noch
nicht darauf berufen hat, er schulde den Werklohn nicht, sondern das
Verlangen unter anderem wegen überzogener Forderung zurückgewiesen hat. Er
hat vielmehr erstmals im Prozess geltend gemacht, er sei nicht Schuldner der
Forderung, vielmehr sei der Vertrag von vornherein mit der S. GmbH zustande
gekommen. Insoweit konsequent hat er auch nicht behauptet, er habe für die
S. GmbH eine Schuldübernahme erklärt.
III.
12 Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Das Berufungsurteil
ist daher aufzuheben. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht,
die Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückzuverweisen, §
563 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Dieser hat Gelegenheit, sich auch mit den weiteren,
beachtlichen Rügen der Revision auseinanderzusetzen. Ein
unternehmensbezogenes Geschäft kommt nur in Betracht, wenn der Beklagte
hinreichend deutlich gemacht hat, dass er für die S. GmbH auftritt
(vgl. BGH, Urteil vom 4.
April 2000 - XI ZR 152/99, NJW 2000, 2984, 2985). Allein
der Umstand, dass die S. GmbH einen Teil der dem Beklagten und seiner
Ehefrau gehörenden Räumlichkeiten gemietet hatte und insoweit die
Elektroinstallation auf ihr Geschäft zugeschnitten war, reicht dafür selbst
dann nicht, wenn der Klägerin diese Umstände bekannt gewesen sein
sollten.
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