Zeitpunkt des Entstehens der
Gewährleistungsrechte beim Werkvertrag: Abnahme (§ 640 BGB) oder Entstehen
eines Abrechnungsverhältnisses nach Rücktritt oder Verlangen von
Schadensersatz statt der Leistung
BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 - VII
ZR 301/13 - OLG München
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Der Besteller kann Mängelrechte nach § 634 BGB
grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen.
b) Der Besteller kann berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4
BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die (Nach-) Erfüllung
des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein
Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Allein das Verlangen eines
Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme
genügt dafür nicht. In diesem Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis
dagegen, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck
bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk
als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen.
Zentrale Probleme:
Eine wichtige Grundsatzentscheidung zum
Werkvertragsrecht. Es geht um die bislang offengelassene Frage, ob die
Gewährleistungsrechte nach § 634 BGB erst mit der Abnahme entstehen (bei der
sich der Besteller bekannte Mängel aber vorbehalten muss, um sich die
Gewährleistungsrechte zu erhalten, § 640 II BGB) oder zu einem früheren
Zeitpunkt. Der Senat entscheidet den Streit dahingehend, dass grundsätzlich
Abnahme erforderlich ist. Vor diesem Zeitpunkt hat der Besteller die Rechte
aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht, d.h. Rücktritt (§ 323 BGB) oder
Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 I, III, 281 BGB). Übt er eines
dieser Rechte aus, entsteht allerdings ein Abwicklungsverhältnis, weil er
dann nicht mehr Erfüllung verlangen kann (§ 281 IV BGB). Deshalb könne er
auch nach Ausübung eines dieser Rechte ebenfalls die Rechte aus § 634 BGB
jedenfalls dann geltend machen, wenn der Unternehmer ihm das Werk als
abnahmereif angeboten habe (s. dazu Rn. 44). Das mag
einleuchten (s. dazu aber die Anmerkung zu
BGH NJW 2013, 3022). Ein Zirkelschluss scheint
mir aber vorzuliegen, dass das auch gelten soll, wenn der Besteller
gemindert hat: Diesen Rechtsbehelf sieht das allgemeine
Leistungsstörungsrecht gerade NICHT vor, d.h. die Minderung (§§ 634 Nr. 3,
638 BGB) setzt ja gerade die Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechts voraus
... Nicht einfach nachvollziehbar ist, dass eine Ausnahme auch dann gelten
soll, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt,
unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als
fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also
endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung durch ihn ablehnt. Auch das
ist nicht leicht verständlich: Soll der Besteller allein durch seine
Verweigerung dem Unternehmer das "Recht" zur (Nach-)Erfüllung nehmen können,
ohne dass die Voraussetzungen des § 323 BGB vorliegen? S. dazu auch
BGH v. 19.1.2017 - VII ZR
235/15.
©sl 2017
Tatbestand:
1 Der Kläger macht Ansprüche aus
abgetretenem Recht der Erbengemeinschaft nach dem am 24. April 2012
verstorbenen M. (im Folgenden: Besteller) geltend.
2 Der Besteller beauftragte den Beklagten 2008 mit der Erneuerung
der Fassaden an zwei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden. Die
Vertragsparteien vereinbarten, dass die Ausführungen der Fassadenarbeiten
jeweils mit einem dampfdiffusionsoffenen Mörtelmaterial sowie einem
dampfdiffusionsoffenen Anstrichsystem auszuführen seien. Der
Fassadenanstrich des einen Objektes sollte mit einem Keim- oder
Sikkensfarbenanstrich, die Fassade des anderen Objektes nach Abschluss der
Verputzarbeiten mit einem Keimfarbenanstrich, Keim-Granital, erfolgen.
3 Der Beklagte führte Arbeiten aus. Eine Abnahme der Arbeiten
erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 4. September 2009 rügte der
Besteller Mängel an den Objekten und setzte eine Frist zur Mangelbeseitigung
bis 30. September 2009. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Oktober 2009
teilte der Beklagte dem Besteller mit, dass nach Einschaltung eines
Privatsachverständigen eine Mangelhaftigkeit der ausgeführten Arbeiten nicht
festzustellen sei. Wörtlich heißt es in dem Schreiben:
"Unsere Mandantschaft hat auch nicht die falsche Farbe verwandt, sondern hat
lediglich im Angebot zwei Markennamen als Beispiele aufgeführt. Auch hat der
Sachverständige K. eindeutig ausgeführt, dass die verwandte Farbe nicht zu
beanstanden ist."
4 Im November 2009 leitete der Besteller ein selbständiges Beweisverfahren
ein. Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die
Fassaden nicht mit dem vereinbarten Material gestrichen worden seien. Das
tatsächlich verwendete Material weiche qualitativ nachteilig von dem
vereinbarten Material ab. Die Sanierungskosten schätzte der Sachverständige
auf 28.917 € brutto. Dazu hat er in einem Ergänzungsgutachten ausgeführt,
dass bei der im Hauptgutachten vorgeschlagenen Sanierung das Risiko bestehe,
dass der Putz außerhalb der vertraglichen Gewährleistungsfrist zerstört
werde.
5 Nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens verstarb der Besteller.
Er war mit der Tochter des Klägers verheiratet. Aus dieser Ehe stammt ein im
Jahr 2007 geborenes Kind. Erben des Bestellers sind Sa. S. und sein Kind (G.
S.). Unter dem 29. Januar 2013 schlossen der Kläger und die Ehefrau des
Bestellers eine "Abtretungsvereinbarung", in der wie folgt ausgeführt ist:
"Die Erbengemeinschaft Sa. S./G. S. tritt hiermit an Herrn L. S. [d. i. der
Kläger], Vater von Frau Sa. S., folgende Ansprüche ab:
(Unterschriften) L. S. Sa. S. V., den 29.01.2013"
6 Der Kläger hat Klage erhoben, mit der er unter anderem
Mangelbeseitigungskosten unter Berücksichtigung restlichen
Werklohns von 16.461,48 € in Höhe von 43.493,90 € als
Kostenvorschuss geltend macht. Zur Begründung hat sich der Kläger
auf die Erkenntnisse des selbständigen Beweisverfahrens bezogen und
zusätzlich begründet, warum für eine vollständige Beseitigung der
mangelhaften Arbeiten ein weiterer Aufwand von geschätzt 30.345 € notwendig
sei.
7 Bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Parteien
darüber gestritten, ob ein Kostenvorschuss vor Abnahme der
ausgeführten Arbeiten verlangt werden kann. Dazu haben die
erstinstanzlichen Anwälte des Klägers mit Schriftsatz vom 15. März 2013
erklärt, dass der Kläger hilfsweise für den Fall Schadensersatz
statt eines Kostenvorschusses verlange, sollte das Landgericht der
Rechtsauffassung der Beklagtenseite zuneigen, ein Kostenvorschussanspruch
könne vor Abnahme nicht geltend gemacht werden.
8 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat mit
Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom
Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen
Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
9 Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung der Entscheidung
des Berufungsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache.
I.
10 Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Entscheidend sei,
dass der Besteller eine Frist zur Mangelbeseitigung bis 30. September 2009
gesetzt habe. Diese Frist habe der Beklagte verstreichen lassen.
Damit sei dem Kläger der Weg entweder zu § 280 BGB eröffnet, der allerdings
nur Schadensersatz gewähre, oder aber zum werkvertraglichen
Gewährleistungsrecht, das auch den begehrten Kostenvorschuss nach § 637 Abs.
3 BGB gewähre. Die Frage, ob oder in welchen Fällen das
werkvertragliche Gewährleistungsrecht schon vor der Abnahme anzuwenden sei,
sei umstritten. Die herrschende Meinung gebe jedenfalls dann dem
Werkvertragsrecht den Vorzug, wenn der Unternehmer die Leistung erbracht
habe, das Werk also fertiggestellt sei. Würde man den Besteller in einem
solchen Fall auf die Rechte nach §§ 280 ff. BGB beschränken, stünde er
schlechter als der Besteller, der das Werk in Unkenntnis der Mängel
abgenommen oder sich die Mängel bei Abnahme vorbehalten habe. Dafür sei ein
sachlicher Grund nicht vorhanden.
II.
11 Der Kläger ist als Inhaber der Klageforderungen befugt, diese geltend zu
machen. Zwar war die Abtretungsvereinbarung vom 29. Januar 2013 (schwebend)
unwirksam. Die Vereinbarung ist jedoch dadurch wirksam geworden, dass der
vom Familiengericht bestellte Ergänzungspfleger während des
Revisionsverfahrens die Abtretungsvereinbarung genehmigt hat. Dies ist vom
Senat zu berücksichtigen.
12 1. Die Abtretungsvereinbarung war (schwebend) unwirksam, da das fünf
Jahre alte Kind des Bestellers bei der Abtretungsvereinbarung nicht
ordnungsgemäß vertreten war.
13 a) Nach § 2040 Abs. 1 BGB können Erben über einen Nachlassgegenstand nur
gemeinsam verfügen. Für die Übertragung einer zum Nachlass gehörenden
Forderung ist deshalb erforderlich, dass jeder Miterbe die Forderung durch
Vertrag mit dem Erwerber abtritt, § 398 BGB. Die
"Abtretungsvereinbarung" enthält dementsprechend zwei Verträge. Zum einen
die Einigung zwischen dem Kläger und der Ehefrau des Bestellers und zum
anderen die Einigung zwischen dem Kläger und dem Kind des Bestellers, dieses
vertreten durch die Ehefrau des Bestellers.
14 b) Zu dieser Vertretung war die Ehefrau des Bestellers nicht
befugt.
15 Nach dem Tod des Bestellers stand ihr zwar das alleinige Sorgerecht zu (§
1680 Abs. 1, § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB) und war sie deshalb grundsätzlich
berechtigt, das Kind zu vertreten, § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieses
Recht zur gesetzlichen Vertretung war aber nach § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795
Abs. 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Aufgrund dieses
Vertretungsausschlusses handelte die Ehefrau des Bestellers für das Kind als
Vertreter ohne Vertretungsmacht. Das hatte zur Folge, dass die Wirksamkeit
der "Abtretungsvereinbarung" von der Genehmigung des zur Vertretung des
Kindes Berechtigten abhing, § 177 Abs. 1 BGB.
16 2. Diese Genehmigung ist von dem hierfür vom Familiengericht
bestellten Ergänzungspfleger während des Revisionsverfahrens erteilt worden.
Damit ist die Abtretungsvereinbarung rückwirkend wirksam geworden, §
184 Abs. 1 BGB.
17 3. Die während des Revisionsverfahrens erfolgte Genehmigung durch den
Ergänzungspfleger ist vom Senat zu berücksichtigen, und zwar unabhängig
davon, ob die Wirksamkeit der "Abtretungsvereinbarung" die
Prozessführungsbefugnis des Klägers oder seine Aktivlegitimation betrifft.
18 a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass
die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessführungsbefugnis sich
nicht auf die Tatsachen und Beweismittel beschränkt, die dem
Berufungsgericht vorgelegen haben. Das Revisionsgericht hat vielmehr unter
Berücksichtigung neuen Vorbringens in der Revisionsinstanz grundsätzlich
selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die
Prozessführungsbefugnis im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in
der Tatsacheninstanz vorgelegen haben (BGH, Urteile vom 7. Juli 2008 - II ZR
26/07, NZG 2008, 711 Rn. 12; vom 24. Februar 1994 - VII ZR 34/93, BGHZ 125,
196, 200 f., juris Rn. 15).
19 Zwar stellen die Bestellung eines Ergänzungspflegers und dessen
Entscheidung zur Genehmigung der Abtretung Tatsachen dar, die erst nach
Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht
entstanden sind. Genehmigt aber der Ergänzungspfleger die Abtretung, wirkt
die Genehmigung auf den Zeitpunkt des Abschlusses der
"Abtretungsvereinbarung" am 29. Januar 2013 zurück, § 184 Abs. 1 BGB. Damit
lagen rückwirkend die Voraussetzungen für eine wirksame
"Abtretungsvereinbarung" im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
vor.
20 b) Hinsichtlich der Aktivlegitimation entspricht es ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, § 559 ZPO einschränkend dahin
auszulegen, dass in der Revisionsinstanz auch neue, im Hinblick auf die
materielle Rechtslage relevante Tatsachen berücksichtigt werden können, wenn
die Tatsachen unstreitig sind und schützenswerte Belange der Gegenpartei
nicht entgegenstehen. Voraussetzung hierfür ist, dass die neuen Tatsachen
erst während des Revisionsverfahrens bzw. nach Schluss der letzten
mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingetreten sind (BGH, Urteil
vom 23. September 2014 -VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 21).
21 Die neue Tatsache der Genehmigung der Abtretung zwischen dem Kläger und
dem Kind des Bestellers ist erst - unabhängig von der rechtlichen
Rückwirkung - im Revisionsverfahren eingetreten und damit zu
berücksichtigen.
III.
22 Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts
kann aber das Bestehen der Klageforderungen nicht bejaht werden.
23 1. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand, soweit es ausführt, ein Anspruch auf Vorschuss aus
§ 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB bestehe bereits vor Abnahme.
24 a) Bei Werkverträgen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur
Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138, im
Folgenden: Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) geschlossen wurden, setzten
die Ansprüche des Bestellers gemäß §§ 633 ff. BGB a.F. nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Abnahme nicht voraus. Vor der
Abnahme standen diese Ansprüche und Ansprüche nach dem allgemeinen
Leistungsstörungsrecht nebeneinander (vgl. BGH, Urteile vom 16. November
1993 - X ZR 7/92, BauR 1994, 242, 244, juris Rn. 21; vom 2. November 1995 -
X ZR 93/93, juris Rn. 22; vom 27. Februar 1996 - X ZR 3/94, BGHZ 132, 96,
100 f., 102 f., juris Rn. 10 und 15; vom 26. September 1996 - X ZR 33/94,
NJW 1997, 50, juris Rn. 12; vom 4. Dezember 1997 - IX ZR 247/96, BauR 1998,
332, 334, juris Rn. 14; vom 25. Juni 2002 - X ZR 78/00, juris Rn. 7; vom 14.
Januar 2016 - VII ZR 271/14, BauR 2016, 852 Rn. 33 = NZBau 2016, 304).
25 Den Regelungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ist ebenso
wenig wie den Gesetzesmaterialien (vgl.
BT-Drucks. 14/6040, S. 261
ff.) eine ausdrückliche Aussage dazu, ab welchem Zeitpunkt die Mängelrechte
aus § 634 BGB Anwendung finden, zu entnehmen.
26 Die Frage, ob die Mängelrechte aus § 634 BGB vom Besteller schon
vor Abnahme geltend gemacht werden können, ist in Rechtsprechung und
Schrifttum umstritten (vgl. zum Streitstand: Jordan, Der zeitliche
Anwendungsbereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts und der besonderen
Gewährleistungsrechte beim Kauf-, Werk- und Mietvertrag, 2015, S. 129 ff.;
K. Jansen, Die Mangelrechte des Bestellers im BGB-Werkvertrag vor Abnahme,
2010, S. 35 ff.).
27 Der Senat hat diese Frage bislang ausdrücklich offen gelassen (vgl. BGH,
Urteile vom 8. Juli 2010 - VII ZR 171/08, BauR 2010, 1778 Rn. 28 = NZBau
2010, 768; vom 24. Februar 2011 - VII ZR 61/10, BauR 2011, 1032 Rn. 17 a.E.
= NZBau 2011, 310; vom 6. Juni 2013 - VII ZR
355/12, NJW 2013, 3022 Rn. 16; vom 25. Februar 2016 - VII ZR 49/15 Rn.
41, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Es entspricht aber der
Rechtsprechung des Senats, dass im Grundsatz die Abnahme des Werks den
maßgebenden Zeitpunkt markiert, ab dem die Mängelrechte des Bestellers aus §
634 BGB eingreifen (BGH,Urteile vom 6.
Juni 2013 - VII ZR 355/12, aaO; vom 25. Februar 2016 - VII ZR 49/15,
aaO).
28 b) aa) Teilweise wird in der Literatur vertreten, dass die
Mängelrechte aus § 634 BGB bereits vor Abnahme bestehen. Einige
wollen dabei diese Mängelrechte schon während der Herstellung gewähren
(Vorwerk, BauR 2003, 1, 10 f.; Weise, NJW-Spezial 2008, 76 f.; BeckOK
VOB/B/Fuchs, Stand: 1. Juli 2016, § 4 Abs. 7 Rn. 2; OLG Brandenburg, NJW-RR
2011, 603, 604, juris Rn. 8). Andere knüpfen an die Fälligkeit der
Werkleistung an (Kapellmann/ Messerschmidt/Weyer, VOB Teile A und
B, 5. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 6; Merl in Kleine-Möller/Merl/Glöckner, Handbuch
des privaten Baurechts, 5. Aufl., § 15 Rn. 317 f.; Sienz, BauR 2002, 181,
184 f.; Jordan, Der zeitliche Anwendungsbereich des allgemeinen
Leistungsstörungsrechts und der besonderen Gewährleistungsrechte beim Kauf-,
Werk- und Mietvertrag, 2015, S. 133 ff., 178; Fuchs in Englert/Motzke/Wirth,
Baukommentar, 2. Aufl., § 634 BGB Rn. 5 f.; wohl auch Schwenker in Erman,
BGB, 14. Aufl., § 634 Rn. 1 mit § 633 Rn. 21 f.). Einige Stimmen im
Schrifttum wollen Mängelrechte aus § 634 BGB gewähren, sobald der
Unternehmer das Werk hergestellt hat (MünchKommBGB/Busche, 6.
Aufl., § 634 Rn. 3 f.; Ott in Festschrift für Merle, 2010, S. 277, 286 f.).
29 bb) Der überwiegende Teil der Literatur sowie der
oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung hält grundsätzlich die Abnahme für
das Entstehen der Mängelrechte aus § 634 BGB für erforderlich, will dem
Besteller diese Rechte unter bestimmten Umständen aber auch ohne Abnahme
zubilligen. Eine solche Ausnahme wird etwa angenommen, wenn der Unternehmer
das Werk hergestellt hat und der Besteller die Abnahme wegen Mängeln zu
Recht verweigert (vgl. OLG Celle, BauR 2016, 1504, 1509 f., juris
Rn. 68 ff.; OLG Brandenburg, Urteil vom 22. Dezember 2015 - 4 U 26/12, juris
Rn. 59 f.; OLG Hamm, BauR 2016, 677, 684, juris Rn. 90 = NZBau 2015, 480;
OLG Stuttgart, Urteil vom 25. Februar 2015 - 4 U 114/14, juris Rn. 96 ff.;
OLG Hamm, BauR 2015, 1861, 1863, juris Rn. 45 = NZBau 2015, 155; OLG Köln,
NZBau 2013, 306, 307; Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., Vor § 633 Rn. 7;
Messerschmidt/Voit/Dros-sart, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 634 BGB Rn. 3
f.; BeckOGK/Kober, BGB, Stand: 1. November 2016, § 634 Rn. 32 f.; Folnovic,
BauR 2008, 1360, 1363 f.; BeckOK BGB/Voit, Stand: 1. Februar 2015, § 634 Rn.
3, 23; Beck'scher VOB/B-Kommentar/Kohler, 3. Aufl., § 4 Abs. 7 Rn. 6; Voit,
BauR 2011, 1063, 1072 f.; Kniffka/Krause-Allenstein, Bauvertragsrecht, 2.
Aufl., § 634 Rn. 9 ff.).
30 cc) Andere Stimmen in Schrifttum und Rechtsprechung gehen
hingegen davon aus, dass Mängelrechte vor Abnahme auch nach Herstellung des
Werks und bei berechtigter Abnahmeverweigerung durch den Besteller
ausgeschlossen sind (vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, 2014, BGB, §
634 Rn. 11; Joussen, BauR 2009, 319, 323 ff.; K. Jansen, Die Mangelrechte
des Bestellers im BGB-Werkvertrag vor Abnahme, 2010, S. 75-77; Hutter, Die
Mängelhaftung vor und nach der Abnahme im österreichischen und deutschen
Bauvertrag, 2013, S. 210 ff., 218; Jauernig/Mansel, BGB, 16. Aufl., § 634
Rn. 3).
31 c) Der Senat entscheidet nunmehr, dass der Besteller Mängelrechte
nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend
machen kann. Soweit sich aus den Entscheidungen vom 11. Oktober
2012 (VII ZR 179/11 und VII ZR 180/11, BauR 2013, 81 = NZBau 2013, 99 und
juris) etwas anderes ergeben könnte, hält der Senat daran nicht fest.
Das beruht auf folgenden Erwägungen:
32 aa) Ob ein Werk mangelfrei ist, beurteilt sich grundsätzlich im
Zeitpunkt der Abnahme. Bis zur Abnahme kann der Unternehmer grundsätzlich
frei wählen, wie er den Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung
aus § 631 Abs. 1 BGB erfüllt. Könnte der Besteller bereits während der
Herstellungsphase Mängelrechte aus § 634 BGB geltend machen, kann das mit
einem Eingriff in dieses Recht des Unternehmers verbunden sein.
Allerdings stehen dem Besteller in der Herstellungsphase
Erfüllungsansprüche und Rechte des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zur
Verfügung, die unter Umständen schon vor Fälligkeit bestehen können, wie §
323 Abs. 4 BGB zeigt.
33 bb) Bereits der Begriff "Nacherfüllung" in § 634 Nr. 1, § 635 BGB spricht
dafür, dass die Rechte aus § 634 BGB erst nach der Herstellung zum Tragen
kommen sollen. Die Erfüllung des Herstellungsanspruchs aus § 631 Abs. 1 BGB
tritt bei einer Werkleistung regelmäßig mit der Abnahme ein, § 640 Abs. 1
BGB, so dass erst nach Abnahme von "Nacherfüllung" gesprochen werden kann.
34 cc) Aus dem nur für den Nacherfüllungsanspruch geltenden § 635
Abs. 3 BGB folgt, dass zwischen dem auf Herstellung gerichteten Anspruch aus
§ 631 Abs. 1 BGB und dem Nacherfüllungsanspruch Unterschiede bestehen. § 635
Abs. 3 BGB eröffnet dem Unternehmer bei der geschuldeten Nacherfüllung nach
§ 634 Nr. 1 BGB weitergehende Rechte als § 275 Abs. 2 und 3 BGB.
Herstellungsanspruch und Nacherfüllungsanspruch können demnach nicht
nebeneinander bestehen.
35 dd) Dafür, dass die Abnahme die Zäsur zwischen Erfüllungsstadium
und der Phase darstellt, in der anstelle des Herstellungsanspruchs
Mängelrechte nach § 634 BGB geltend gemacht werden können, spricht zum einen
die Regelung in § 634a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB, wonach die
Verjährung von Mängelrechten in den meisten Fällen mit der Abnahme beginnt.
36 Zum anderen stellt die Abnahme auch im Übrigen eine Zäsur dar, da
mit ihr die Fälligkeit des Werklohns eintritt (§ 641 Abs. 1 BGB), die
Leistungsgefahr auf den Besteller übergeht (§ 644 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die
Beweislast für das Vorliegen von Mängeln sich umkehrt, soweit kein Vorbehalt
nach § 640 Abs. 2 BGB erklärt wird.
37 ee) Die Auslegung der werkvertraglichen Vorschriften dahingehend, dass
dem Besteller die Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach
Abnahme zustehen, führt zudem zu einem interessengerechten Ergebnis.
38 (1) Vor der Abnahme steht dem Besteller der Herstellungsanspruch
nach § 631 Abs. 1 BGB zu, der ebenso wie der Anspruch auf Nacherfüllung aus
§ 634 Nr. 1 BGB die mangelfreie Herstellung des Werks zum Ziel hat.
Der Besteller kann diesen Anspruch einklagen und, falls notwendig, im
Regelfall nach § 887 ZPO vollstrecken.
39 Die Gefahr des zufälligen Untergangs des Werks verbleibt beim
Unternehmer, der Werklohn wird nicht fällig und die Beweislast für das
Vorliegen von Mängeln geht nicht auf den Besteller über, solange er den
Herstellungsanspruch nach § 631 Abs. 1 BGB geltend macht.
40 (2) Die Interessen des Bestellers sind durch die ihm vor der
Abnahme aufgrund des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zustehenden Rechte
angemessen gewahrt: etwa Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1
BGB, Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 281, 280 BGB, Schadensersatz
wegen Verzögerung der Leistung, § 280 Abs. 2, § 286 BGB, Rücktritt nach §
323 BGB oder Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend § 314 BGB.
41 Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 281 Abs. 1 BGB ist
zwar anders als die Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 und 3 BGB
verschuldensabhängig (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine den
Schadensersatzanspruch begründende Pflichtverletzung liegt aber auch vor,
wenn der Unternehmer die Frist aus § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB verstreichen
lässt (vgl. zum Kaufrecht: BGH, Urteil
vom 29. April 2015 - VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 Rn. 12;
Urteil vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135 Rn. 11 ff.).
42 Der Besteller hat hiernach die Wahl, ob er die Rechte aus dem
Erfüllungsstadium oder aber die grundsätzlich eine Abnahme voraussetzenden
Mängelrechte aus § 634 BGB geltend macht. Ein faktischer Zwang des
Bestellers zur Erklärung der Abnahme für ein objektiv nicht abnahmefähiges
Werk besteht damit entgegen verbreiteter Meinung nicht. Im Übrigen wird der
Besteller, der eine Abnahme unter Mängelvorbehalt erklärt, über § 640 Abs.
2, § 641 Abs. 3 BGB geschützt.
43 2. Die Abnahme ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht
entbehrlich.
44 a) Der Besteller kann allerdings in bestimmten
Fällen berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme
geltend zu machen. Das ist zu bejahen, wenn der Besteller
nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das
Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Macht der
Besteller gegenüber dem Unternehmer nur noch Schadensersatz statt der
Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend oder erklärt er die
Minderung des Werklohns, so findet nach der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zum alten Schuldrecht eine Abrechnung der beiderseitigen
Ansprüche statt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - VII ZR 146/04,
BGHZ 167, 345 Rn. 26; Urteil vom 10. Oktober 2002 - VII ZR 315/01, BauR
2003, 88, 89, juris Rn. 11 = NZBau 2003, 35; Urteil vom 16. Mai 2002 - VII
ZR 479/00, BauR 2002, 1399, 1400, juris Rn. 13; jeweils m.w.N.). An dieser
Rechtsprechung hält der Senat auch nach Inkrafttreten des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes jedenfalls für den Fall fest,
dass der Unternehmer das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet.
Verlangt der Besteller Schadensersatz statt der Leistung nach § 281
Abs. 1, § 280 Abs. 1 BGB, ist der Anspruch auf die Leistung nach § 281 Abs.
4 BGB ausgeschlossen. Nichts anderes gilt, wenn der Besteller im Wege der
Minderung nur noch eine Herabsetzung des Werklohns erreichen will. Auch in
diesem Fall geht es ihm nicht mehr um den Anspruch auf die Leistung und
damit um die Erfüllung des Vertrags (BGH, Urteile vom 19. Januar
2017 - VII ZR 235/15 und VII ZR 193/15, zur Veröffentlichung in BGHZ
bestimmt).
45 b) aa) Verlangt dagegen der Besteller nach § 634 Nr. 2, § 637
Abs. 1, 3 BGB einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels im Wege
der Selbstvornahme erforderlichen Aufwendungen, erlischt der
Erfüllungsanspruch des Bestellers nicht. Denn das Recht zur
Selbstvornahme und der Anspruch auf Kostenvorschuss lassen den
Erfüllungsanspruch (§ 631 BGB) und den Nacherfüllungsanspruch (§ 634 Nr. 1
BGB) unberührt. Der Besteller ist berechtigt, auch nach
einem Kostenvorschussverlangen den (Nach-)Erfüllungsanspruch geltend zu
machen (vgl. OLG Stuttgart, BauR 2012, 1961, 1962 f., juris Rn. 56
= NZBau 2012, 771; Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 634 Rn. 4;
Messerschmidt/ Voit/Drossart, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 634 BGB Rn. 16,
45; Staudinger/ Peters/Jacoby, 2014, BGB, § 634 Rn. 73).
46 bb) Ausnahmsweise kann die Forderung des Bestellers, ihm einen Vorschuss
für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen zu zahlen,
zu einem Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis führen, wenn der
Besteller den (Nach-)Erfüllungsanspruch aus anderen Gründen nicht mehr mit
Erfolg geltend machen kann.
47 Das ist etwa der Fall, wenn der Besteller ausdrücklich oder
konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem
Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat,
zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine
(Nach-)Erfüllung durch ihn ablehnt, selbst für den Fall, dass die
Selbstvornahme nicht zu einer mangelfreien Herstellung des Werks führt. In
dieser Konstellation kann der Besteller nicht mehr zum
(Nach-)Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer zurückkehren.
48 Weil die verbleibenden Rechte des Bestellers damit ausschließlich
auf Geld gerichtet sind, entsteht ein Abrechnungs- und
Abwicklungsverhältnis, in dessen Rahmen die Rechte aus § 634 Nr. 2 bis 4 BGB
ohne Abnahme geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteile vom
19. Januar 2017 - VII ZR 235/15 und VII ZR 193/15, zur Veröffentlichung in
BGHZ bestimmt).
49 c) Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die
Voraussetzungen für ein Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis nicht vor.
50 Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch nur hilfsweise geltend
gemacht und in der Hauptsache die Zahlung eines Vorschusses nach § 634 Nr.
2, § 637 Abs. 1, 3 BGB verlangt. Den Feststellungen kann zudem nicht
entnommen werden, dass der Kläger zum Ausdruck gebracht hätte, weitere
Arbeiten des Beklagten am Werk unter keinen Umständen mehr zuzulassen.
IV.
51 Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann daher keinen Bestand haben.
Sie ist aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, §
563 Abs. 3 ZPO. Den Parteien muss Gelegenheit gegeben werden, auf die
Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs zu reagieren.
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