Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag;
Entbehrlichkeit der Abnahme nach § 634 BGB; Entbehrlichkeit der Fristsetzung
zur Nacherf üllung gem. §
323, 396 Abs. 5, 636 BGB; Zeitpunkt der Anwendbarkeit des werkvertraglichen
Gewährleistungsrechts; Mankoleistung als Werkmangel (§ 633 Abs. 2 S. 3 Alt.
2 BGB)
BGH, Versäumnisurteil vom 6. Juni
2013 - VII ZR 355/12 - LG Berlin
Fundstelle:
NJW 2013, 3022
Amtl. Leitsatz:
a) Verpflichtet sich der Unternehmer, eine bestimmte Fläche von Schnee-
und Eisglätte freizuhalten, ist Werkvertragsrecht anwendbar.
b) Eine solche Leistung ist grundsätzlich nicht abnahmebedürftig, so dass es
gerechtfertigt ist, das Mängelrecht der §§ 634 ff. BGB anzuwenden, wenn der
Unternehmer die Leistung in Erfüllung seiner gesamten Verbindlichkeit erbracht
hat.
c) Eine Formularbestimmung, wonach der Vertragspartner des Verwenders diesem
eine Frist zur Nacherfüllung setzen muss, auch wenn eine Fristsetzung gemäß §
323 Abs. 2, § 326 Abs. 5, § 636 BGB entbehrlich ist, benachteiligt den
Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung
abweicht.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der sehr lehrreichen Entscheidung steht die Qualifikation
einer Schneer äumpflicht als Dienstvertrag
oder Werkvertrag. Der Senat geht zutreffend von einer werkvertraglichen
Qualifikation aus, weil der Schuldner einen Erfolg und nicht lediglich eine
Tätigkeit schuldete. Damit kam - anders als im Falle eines Dienstvertrags
-eine Minderung in Betracht, wenn die Werkleistung mangelhaft erbracht war
(s. §§ 634 Nr. 3, 638 BGB). Diese Mangelhaftigkeit bestand hier darin, dass
der Werkunternehmer entgegen seiner Verpflichtung an mehreren Tagen keinen
Schnee geräumt hatte. Damit stellt sich aber die vorgelagerte Frage, ob der
Anwendungsbereich des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts bereits
eröffnet war (andernfalls wäre allgemeines Leistungsstörungsrecht anwendbar
gewesen, das eine Minderung nicht vorsieht). Der Senat lässt hier zum
wiederholten Male offen, ob die Anwendbarkeit des werkvertraglichen
Gewährleistungsrechts eine Abnahme voraussetzt (s. dazu aber
jetzt BGH v.
19.1.2017 - VII ZR 301/13). Jedenfalls sei hier die
Abnahme nach § 634 BGB entbehrlich gewesen, da es Sinn
und Zweck des Winterdienstes ist, dass der Unternehmer die Schneeräumung
vornimmt, ohne dass der Besteller jedes Einsatzergebnis ausdrücklich
billigen soll. Wenn die Abnahme entbehrlich sei, sei der Anwendungsbereich
des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts dann eröffnet, wenn der
Unternehmer die Leistung "in Erfüllung seiner
gesamten Verbindlichkeit" erbracht hat. Gemeint ist damit, dass der
Unternehmer erkennbar davon ausgeht, seine Leistungspflicht erfüllt zu
haben.
Richtigerweise setzt die Anwendung des
werkvertraglichen Gewährleistungsrechts
nicht die Abnahme voraus, sondern lediglich das anbieten des Werks durch den
Unternehmer "als abnahmereif". Müsste nämlich ein Besteller das Werk
abnehmen, um die werkvertragliche Nacherfüllung geltend machen zu können,
würde er durch eine solche Abnahme das Risiko eingehen, nach § 640 Abs. 2
BGB seine Gewährleistungsrechte verlieren (sofern er sie sich nicht
ausdrücklich vorbehält). Auch würde sich die Beweislast für das Vorliegen
eines Mangels umkehren (s. dazu auch BGH
NJW 2009, 360). Es ist
schlicht widersinnig, einen Besteller in dieser Situation zur Abnahme zu
zwingen, wird diese doch als "körperliche Entgegennahme des Werks als im
Wesentlichen vertragsgemäß" definiert. S.
hiergegen aber BGH v.
19.1.2017 - VII ZR 301/13.
Da hier an bestimmten Tagen überhaupt
keine Schneeräumung stattgefunden hatte, lag eine Mankoleistung vor, die
nach § 633 Abs. 2 S. 3 BGB – wie im Kaufrecht (s. § 434 III BGB) –
dann einem Sachmangel gleich steht, wenn es sich um eine so genannte
verdeckte Mankoleistung handelt. Das setzt voraus, dass der Leistende die
erbrachte Leistung als ganze Leistung anbietet. Will er erkennbar nur eine
Teilleistung erbringen, gilt die Gleichstellung der Mankoleistung mit der
mangelhaften Leistung nicht (mit der Folge, dass die Leistungsstörung nach
allgemeinem Leistungsstörungsrecht der §§ 280 ff BGB zu behandeln ist, das
eine Minderung nicht vorsieht). Das gilt für das Kaufrecht wie für das
Werkvertragsrecht. Im Ergebnis hätte das freilich nichts geändert, da sich
angesichts des absoluten Fixschuldcharakters der Schneeräumpflicht die
geschuldete Gegenleistung unmittelbar nach § 326 I S. 1 Alt. 2, 441 IIII BGB
von selbst gemindert hätte.
Der Senat geht hier einen anderen Weg, indem er offenbar
nicht Unmöglichkeit, sondern eine
Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB annimmt.
Die AGB-Klausel wonach auch im Falle des
§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Fristsetzung
erforderlich sein solle, verstößt nach sicherlich zutreffender Ansicht des
Senats gegen § 307 Abs. 1 BGB.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Klägerin verlangt von dem
Beklagten, der Eigentümer eines Hausgrundstücks in B. ist, Restvergütung
aufgrund eines am 21./25. Februar 2004 geschlossenen "Reinigungsvertrages
Winterdienst". Gegenstand des Vertrages war der Winterdienst für den
Gehsteig, den Hofeingang und den Weg zum Fahrradständer auf dem Grundstück
des Beklagten. Das Vertragswerk bestimmt unter anderem:
"Der Auftragnehmer übernimmt die öffentlich-rechtliche Verpflichtung während
des winterlichen Reinigungszeitraumes vom 1. November bis zum 30. April, ...
die vertraglich vereinbarten Reinigungsflächen ... gemäß den Pflichten des
Straßenreinigungsgesetzes des jeweiligen Bundeslandes bzw. der jeweiligen
kommunalen Satzung von Schnee- und Eisglätte freizuhalten und bei
Winterglätte mit abstumpfenden Stoffen zu bestreuen ..."
2 Das vereinbarte Entgelt richtete sich nach der Maschinen- bzw. Handarbeit
je Quadratmeter der vereinbarten Fläche. Die von der Klägerin verwendeten
und dem Vertrag zugrunde liegenden "Vertragsbedingungen für die Ausführung
von Winterdienstarbeiten" sehen unter Nr. 4 vor:
"Der Auftragnehmer erklärt, dass er aufgrund des jeweils gültigen
Straßenreinigungsgesetzes ... die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur
Schnee-, Eisglätte- und Eisglättebekämpfung auf den vertraglich vereinbarten
Reinigungsflächen übernimmt ..."
3 Unter Nr. 14 Satz 3 und 4 der Vertragsbedingungen heißt es:
"Die Gewährleistungsansprüche der Auftraggeber werden dahingehend
beschränkt, dass sie zunächst nur Nachbesserung verlangen können. Lediglich
im Fall des wiederholten Fehlschlagens der Nachbesserung kann der
Auftraggeber nach seiner Wahl Herabsetzung der Vergütung oder
Rückgängigmachung des Vertrages verlangen."
4 Nach Vertragsbeginn in der Wintersaison 2004/2005 verlängerte sich der
Vertrag mangels Kündigung für jeweils ein Jahr. Für die Wintersaison
2009/2010 stellte die Klägerin dem Beklagten in zwei gleichen Teilbeträgen
806,82 € in Rechnung, fällig vor Saisonbeginn und etwa zur Mitte der Saison.
Unter Berücksichtigung einer dem Beklagten erteilten Gutschrift ist insoweit
ein Restbetrag von 322,73 € offen. Für die Wintersaison 2010/2011
entrichtete der Beklagte den zweiten Teilbetrag in Höhe von 403,41 € nicht.
Er hat insbesondere geltend gemacht, dass die Klägerin an näher bezeichneten
Tagen Handreinigungsarbeiten für den Weg vom Hofeingang und die
Maschinenreinigung des Weges zum Fahrradständer nicht vorgenommen habe. Der
Vertrag ist inzwischen gekündigt.
5 Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die
Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
7 Das Berufungsgericht (LG Berlin, GE 2012, 754) hat ausgeführt, der
Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung der eingeklagten Beträge aus dem
geschlossenen Vertrag zu. Die Zahlungspflicht des Beklagten sei insbesondere
nicht gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1, § 275 Abs. 1 bis 3, § 441 Abs. 3 BGB
entfallen. Die Klägerin habe nicht nur eine Teilleistung erbracht. Es könne
nur als Schlechtleistung angesehen werden, wenn nicht geräumt werde, obwohl
es notwendig sei. Der Winterdienstvertrag sei ein Geschäftsbesorgungsvertrag
mit überwiegend dienstvertraglichem Charakter, so dass bei Schlechtleistung
eine Minderung nicht zulässig sei. Auch ein Schadensersatzanspruch stehe dem
Beklagten nicht zu. Der Vertrag sei kein Werkvertrag. Zwar schulde die
Klägerin in gewisser Weise einen Erfolg, nämlich an entsprechenden Tagen ein
den Anforderungen des Straßenreinigungsgesetzes entsprechendes Räumergebnis
vorzulegen. Wie dieses hergestellt und wann sie tätig werde, liege aber
allein in der Hand der Klägerin. Entscheidend sei, dass sie die
Verkehrssicherungspflicht des Beklagten übernommen habe. Sie schulde vor
allem die Überwachung der Wetterlage und der vereinbarten Flächen. Hinzu
komme, dass die Vergütung auch dann geschuldet sei, wenn kein Winterdienst
notwendig werde. Eine Entgeltminderung könne zudem nicht verlässlich
berechnet werden.
II.
8 Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein Recht
des Beklagten zur Minderung der Vergütung kann auf der Grundlage der
bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneint werden.
9 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben die
Parteien einen Werkvertrag geschlossen. Gemäß § 631 Abs. 2 BGB kann
Gegenstand eines Werkvertrages auch ein durch Arbeit oder Dienstleistung
herbeizuführender Erfolg sein. Für die Abgrenzung von Dienst- und
Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien
maßgebend. Es kommt darauf an, ob eine Dienstleistung als solche oder als
Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird (BGH, Urteile vom 16.
Juli 2002 - X ZR 27/01, BGHZ 151, 330, 332 f.; vom 25. Mai 1972 - VII ZR
49/71, WM 1972, 947 unter I 1).
10 Die Klägerin schuldete einen Erfolg. Nach der getroffenen Vereinbarung
hatte sie - unter Übernahme der Pflichten des Straßenreinigungsgesetzes -
die vereinbarten Flächen von Schnee- und Eisglätte "freizuhalten".
Die Klägerin schuldete danach ein bestimmtes Arbeitsergebnis. Es
kam den Vertragsparteien darauf an, dass die vereinbarten Flächen in der
Wintersaison gefahrlos benutzt werden konnten. Vertragsgegenstand war, wie
die Revision zutreffend ausführt, die erfolgreiche Bekämpfung von Schnee-
und Eisglätte.
11 Das Berufungsgericht hat als entscheidend angesehen, dass die Klägerin
auch die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten übernommen hat. Um dem
nachzukommen, so hat das Berufungsgericht gemeint, schulde die Klägerin vor
allem die Überwachung der Wetterlage und vereinbarten Fläche, so dass der
Vertrag überwiegend dienstvertraglichen Charakter habe (ebenso LG Hamburg,
WuM 1989, 622; LG Berlin, GE 2011, 201; LG Berlin, GE 2011, 953; LG Potsdam,
GE 2012, 347). Das ist nicht richtig. Die Übernahme der
Verkehrssicherungspflicht ändert nichts an der Rechtsnatur des Vertrages.
Diese wird maßgeblich durch den Werkerfolg geprägt, der darin besteht, dass
die Gefahrenquelle beseitigt wird (KG, GE 1980, 1059, 1060; KG, GE
1981, 143; OLG Brandenburg, GE 2012, 1558; AG Spandau, GE 2011, 1624; AG
TempelhofKreuzberg, GE 2012, 407; AG Berlin-Mitte, GE 2012, 408).
Wetterbeobachtungen und -prognosen dienen lediglich dazu, den Zeitpunkt zu
bestimmen, zu dem ein Winterdienst notwendig ist.
12 Das Berufungsgericht hat weiter gemeint, es spreche gegen einen
Werkvertrag, dass eine Vergütung auch dann geschuldet sein solle, wenn
witterungsbedingt kein Winterdienst notwendig wird. Das überzeugt nicht. Ein
Werkvertrag liegt auch dann vor, wenn die Leistung des Unternehmers nur
unter bestimmten Umständen zu erbringen ist. Der Einordnung eines
sogenannten Winterdienstvertrages als Werkvertrag steht auch nicht entgegen,
dass der Auftraggeber ein pauschales, nach Zeitabschnitten bemessenes
Entgelt zu entrichten hat (vgl. Peters, LMK 2011, 316557). Ebenso
wenig ist entscheidend, dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer
angelegt ist und somit Züge eines Dauerschuldverhältnisses aufweist.
Angesichts des auf einen Erfolg bezogenen Vertragszwecks kommt diesen
Umständen kein entscheidendes Gewicht zu (OLG Brandenburg, GE 2012, 1558).
13 2. Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag des Beklagten
ist die Klägerin ihrer Räumpflicht an mehreren Tagen teilweise, nämlich im
Hinblick auf bestimmte Flächen, nicht bzw. nicht vollständig nachgekommen.
Wie die Revision zu Recht geltend macht, ist die Vergütung deshalb
herabzusetzen.
14 a) Der Beklagte hat die Minderung konkludent durch Zurückhaltung
eines Teils der Vergütung erklärt. Bereits das Amtsgericht, auf
dessen Feststellungen das Berufungsgericht Bezug genommen hat, hat das
Verhalten des Beklagten in diesem Sinn beurteilt.
15 b) Die Minderung richtet sich im Streitfall nach dem
werkvertraglichen Sachmängelrecht (§§ 634 ff. BGB), nicht nach dem
allgemeinen Leistungsstörungsrecht (§ 326 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 441
Abs. 3 BGB).
16 aa) Im Grundsatz markiert die Abnahme des Werkes den maßgebenden
Zeitpunkt, von dem an die Mängelrechte des Bestellers eingreifen. Der Senat
muss nicht entscheiden, ob dem Besteller bereits vor der Abnahme
Mängelrechte gemäß § 634 BGB (in der Fassung des am 1. Januar 2002
in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.
November 2001, BGBl. I S. 1887) zustehen (siehe auch BGH,
Urteile vom 8. Juli 2010 - VII ZR 171/08, BauR 2010, 1778 = NZBau 2010, 768
Rn. 28; vom 24. Februar 2011 - VII ZR 61/10, BauR 2011, 1032 = NZBau 2011,
310 Rn. 17). Eine Abnahme des von der Klägerin geschuldeten
Winterdienstes scheidet seiner Natur nach aus, vgl. auch § 646 BGB.
Sinn und Zweck des Winterdienstvertrages ist es, dass der Auftragnehmer den
Winterdienst versieht, ohne dass der Auftraggeber jedes Einsatzergebnis
billigen soll. Der Auftraggeber soll gerade davon freigestellt werden,
seinerseits die Witterung im Blick zu behalten und bei Schneefall bzw.
Eisglätte am Ort der Winterdienstleistung zu erscheinen. Auch zum Ende der
vereinbarten Wintersaison (30. April des Jahres) ist das Werk nicht mehr
abnahmebedürftig. An einer Abnahme zu diesem Zeitpunkt besteht für den
Auftraggeber kein Interesse mehr. Denn er kann die Leistung nicht mehr mit
dem Ziel als nicht vertragsgerecht zurückweisen, dass eine ordnungsgemäße
Erfüllung nachgeholt wird.
17 In den Fällen, in denen die Abnahme nach der Natur der Sache
ausgeschlossen ist und der Unternehmer die Leistung in Erfüllung seiner
gesamten Verbindlichkeit erbracht hat, ist es gerechtfertigt, das
Mängelrecht der §§ 634 ff. BGB anzuwenden, wenn die Leistung unvollständig
ist (Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., § 633 Rn. 8; PWW/Halfmeier/Leupertz,
BGB, 8. Aufl., § 633 Rn. 19; Drossart in: Messerschmidt/Voit, Privates
Baurecht, 2. Aufl., § 633 BGB Rn. 52; Genius in: juris-PK, BGB, Stand: 1.
Oktober 2012, § 633 Rn. 36; vgl. auch BeckOK BGB/Voit, Stand: 1. Februar
2013, § 646 Rn. 4). Eine in zu geringer Menge erbrachte Leistung
steht einem mangelhaften Werk gleich (§ 633 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 BGB). Dies
entspricht auch der Sicht der Gesetzesmaterialien des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, wonach es darauf ankommt, dass der
Werkunternehmer die Leistung als Erfüllung seiner Pflicht erbringt
(BT-Drucks.
14/6040, S. 261 unter Hinweis auf S. 216).
18 bb) Danach ist die Minderung im Streitfall auf der Grundlage des
werkvertraglichen Mängelrechts zu beurteilen. Die Klägerin hat sich darauf
berufen, alle gebotenen Reinigungsarbeiten vorgenommen zu haben. Sie hat ihr
Werk damit als vollständig erfüllt betrachtet, so dass im Fall
unvollständiger Befreiung der vereinbarten Flächen von Schnee oder Eis ein
Sachmangel anzunehmen ist.
19 3. Da der Besteller gemäß § 634 Nr. 3 Alt. 2, § 638 Abs. 1 Satz 1
BGB mindern darf "statt zurückzutreten", muss er dem Unternehmer im
Regelfall eine Nachfrist zur Nacherfüllung setzen. Eine Fristsetzung zur
Nacherfüllung wegen unzureichender Schnee- oder Glättebeseitigung war hier
jedoch, worauf die Revision zu Recht hinweist, gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB
unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien aufgrund
besonderer Umstände entbehrlich. Die gebotene Abwägung kann der
Senat selbst vornehmen, da insoweit weitere Feststellungen nicht zu erwarten
sind. Für die Auftraggeber der Klägerin steht im Vordergrund, dass sie bei
Bedarf unverzüglich tätig wird. Angesichts des mit einer Nachfristsetzung
notwendigerweise verbundenen Zeitverlusts ist es dem Auftraggeber nicht
zuzumuten, der Klägerin zunächst eine - wenn auch kurze Nachfrist - zu
setzen, weil in diesem Zeitraum nicht hinnehmbare Gefahren für die
Gesundheit von Anwohnern, Besuchern und anderen Verkehrsteilnehmern
entstehen können.
20 4. Nr. 14 der von der Klägerin verwendeten Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, wonach Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers
dahingehend beschränkt werden, dass dieser zunächst nur Nachbesserung und
lediglich im Fall ihres wiederholten Fehlschlagens Herabsetzung der
Vergütung verlangen kann, steht dem Minderungsbegehren nicht entgegen.
Diese Formularbestimmung ist unwirksam. Nach dem Inhalt der Klausel
muss der Vertragspartner der Klägerin eine Nachfrist setzen, auch wenn eine
Fristsetzung gemäß § 323 Abs. 2, § 326 Abs. 5, § 636 BGB entbehrlich ist.
Eine solche Formularbestimmung benachteiligt die Vertragspartner des
Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie
von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht
(§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB; siehe H. Schmidt in:
Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 308 Nr. 2 BGB Rn. 8; BeckOK
BGB/Becker, Stand: 1. Mai 2013, § 308 Nr. 2 Rn. 5; Erman/Roloff, BGB, 13.
Aufl., § 308 Rn. 13; Palandt/Grüneberg, aaO, § 307 Rn. 32; Staudinger/Coester-Waltjen,
BGB, Neubearbeitung 2006, § 308 Nr. 2 Rn. 6; PWW/Berger, aaO, § 308 Rn. 16).
III.
21 Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Da Feststellungen zum Umfang der von der Klägerin nicht erbrachten
Leistungen notwendig sind, ist es aufzuheben und die Sache ist an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Der Senat weist
darauf hin, dass die Minderung, soweit erforderlich, durch Schätzung zu
ermitteln ist, § 638 Abs. 3 Satz 2 BGB, § 287 Abs. 2 ZPO. Ausgehend davon,
dass der Wert der vereinbarten Leistung dem wirklichen Wert entspricht,
bestimmt sich die Minderung nach dem Wert des nicht erbrachten Teils. Im
vorliegenden Fall bietet es sich an, nicht erbrachte Teilleistungen im
Ausgangspunkt nach Maßgabe des offen gelegten Preisgefüges des Vertrages zu
bewerten (siehe BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - VII ZR 106/08, BauR 2010,
629 = NZBau 2010, 307 Rn. 14, 17).
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