Beweislast für die
Sachmängelfreiheit im Werkvertragsrecht; Selbstvornahme nach § 637 BGB;
Beweislastumkehr bei Beweisvereitelung
BGH, Urteil vom 23. Oktober
2008 - VII ZR 64/07
Fundstelle:
NJW 2009, 360
Amtl. Leitsatz:
a) Der Auftragnehmer
trägt vor Abnahme seiner Werkleistung die Beweislast für deren
Mangelfreiheit. Die Beweislast kehrt sich nicht allein deshalb um, weil der
Auftraggeber die Mängel der Werkleistung im Wege der Ersatzvornahme hat
beseitigen lassen.
b) In einer fehlenden oder unzureichenden Dokumentation der durch
Ersatzvornahme beseitigten angeblichen Mängel kann eine Beweisvereitelung
liegen, wenn das Vorliegen von Mängeln erst im Laufe der
Mängelbeseitigungsarbeiten überprüft werden kann und der Auftraggeber dem
Auftragnehmer keine dahingehenden Feststellungen ermöglicht. Beruht die
Beweisvereitelung auf einer Verletzung der Kooperationspflicht des
Auftraggebers, kann hieraus eine Umkehr der Beweislast für das Vorliegen der
Mängel zu seinen Lasten folgen.
Zentrale Probleme:
Die noch zum früheren Werkvertragsrecht
ergangene, sehr lehrreiche weil einen klausurtypischen Sachverhalt
betreffende Entscheidung wäre unter dem jetzt geltenden Recht nicht anders
zu fällen. Ähnlich wie im Kaufrecht, wo gem. § 363 BGB der Verkäufer bis zur
Übergabe die Beweislast für die Mängelfreiheit der Kaufsache trägt (s. dazu
BGH NJW 2004, 2299;
zur Beweislast für den Erfolg der Nacherfüllung s.
BGH v. 11.2.2009 - VIII ZR
274/07; zum
Mietrecht s.
BGH NJW 2007, 2394),
trägt im Werkvertragsrecht der Unternehmer bis zur Abnahme (§ 640 BGB) die
Beweislast für die Mängelfreiheit. Hier hatte der Besteller den Mangel
allerdings bereits im Wege (berechtigter) Selbstvornahme (§ 637 BGB)
beseitigt. Das ändert nichts an der Beweislast, jedoch kann bei Vorliegen
zusätzlicher Umstände ein Fall der Beweisvereitelung vorliegen, der von der
Rspr. flexibel von Beweiserleichterungen bis zur Beweislastumkehr gehandhabt
wird (s. dazu etwa
BGH v. 17.1.2008 - III ZR 239/06
sowie
BGH NJW 2006, 434).
©sl 2009
Tatbestand:
1 Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der W. GmbH (im
Folgenden: Schuldnerin) restlichen Werklohn für die Ausführung von
Betonierungsarbeiten für ein neu zu erstellendes Parkhaus geltend.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch Gewährleistungsansprüche
der Beklagten wegen Mängeln auf Ebene 4 des Parkhauses, mit denen sie gegen
die Werklohnforderung die Aufrechnung erklärt hat.
2 Die Beklagte errichtete als Generalunternehmerin ein Parkhaus mit vier
Ebenen. Sie beauftragte im Mai 2000 unter Vereinbarung der VOB/B die
Schuldnerin mit der Ausführung von Deckenbetonarbeiten. Auf der Ebene 4 des
Parkhauses zeigten sich unmittelbar nach Einbringen des Betons im August
2000 Rissbildungen. Diese, sowie Abplatzungen und eine Betonsteinschicht
rügte die Beklagte mehrfach als Mangel und forderte die Schuldnerin, die
eine Verantwortung für die gerügten Mängel von sich wies, zur
Mängelbeseitigung auf. Nachdem dies erfolglos geblieben war, entzog die
Beklagte der Schuldnerin den Auftrag hinsichtlich der Mängelbeseitigung und
ließ die gerügten Mängel auf der Ebene 4 beseitigen.
3 Am 5. Dezember 2000 einigten sich die Parteien auf die Abnahme des Werks
der Schuldnerin mit einem Vorbehalt u.a. hinsichtlich der Mängel der
Betonoberfläche der Ebene 4.
4 Die Schuldnerin hat mit ihrer Klage restlichen Werklohn gemäß ihrer
Schlussrechnung vom 10. November 2000 in Höhe von 434.115,86 DM (=
221.959,91 €) geltend gemacht. Die Beklagte hat hiergegen u.a. mit
Mängelbeseitigungskosten wegen der Mängel der Ebene 4 aufgerechnet. Das
Landgericht hat die Werklohnforderung in vollem Umfang für berechtigt
angesehen und der Klage nach Abzügen für Mängelbeseitigungskosten und einen
Gewährleistungseinbehalt in Höhe von 163.162,78 € stattgegeben und sie im
Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht
diesem 182.029,71 € zugesprochen; die Berufung der Beklagten ist erfolglos
geblieben. Insbesondere hat das Berufungsgericht von den hinsichtlich der
Ebene 4 geltend gemachten Mängelbeseitigungskosten einen Betrag von
219.942,49 DM (= 112.454,81 €) mit der Begründung nicht anerkannt, die
Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die Mängel einen solchen Umfang
gehabt hätten, dass auch insoweit die geltend gemachten Aufwendungen
erforderlich gewesen seien. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen
und dies damit begründet, dass die Frage der Beweislastverteilung nach
Mangelbeseitigung durch den Auftraggeber bzw. der Annahme einer
Beweisvereitelung durch unvollständige Schadensdokumentation mit der Folge
der Beweislastumkehr höchstrichterlicher Klärung bedürfe und eine Vielzahl
von Fällen betreffe. Der Senat hat die hilfsweise beantragte Zulassung der
Revision gegen das angefochtene Urteil in vollem Umfang zurückgewiesen und
hierzu ausgeführt, das Berufungsgericht habe eine Zulassung der Revision
lediglich hinsichtlich der Ansprüche der Beklagten wegen Mängeln des Betons
der Ebene 4 beabsichtigt, denn nur für diese Mängel, die einen abgrenzbaren
Streitgegenstand bildeten, sei der vom Berufungsgericht angeführte
Zulassungsgrund von Bedeutung. Mit der in dem Umfang dieser Zulassung
eingelegten Revision möchte die Beklagte die Abweisung der Klage insoweit
erreichen, wie das Berufungsgericht die für die Ebene 4 geltend gemachten
Mängelbeseitigungskosten nicht anerkannt hat.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
6 Das für die Beurteilung maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum
31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
7 Das Berufungsgericht führt aus, die Beklagte sei berechtigt gewesen,
hinsichtlich der Beseitigung der Mängel der Ebene 4 den Vertrag zu kündigen.
Die Beweislast für die Mangelfreiheit der erbrachten Leistungen trage vor
der Abnahme grundsätzlich der Auftragnehmer. Dies gelte auch dann, wenn der
Auftraggeber aus den Mängeln vorzeitig besondere Rechte herleiten wolle. Das
Verhalten der Beklagten nach der Teilkündigung habe allerdings zu einer
teilweisen Umkehr der Beweislast geführt, denn die Beklagte habe den Zustand
des Werks der Schuldnerin bei der Ersatzvornahme schuldhaft nicht
ausreichend dokumentiert. Unterlaufe ein Besteller die Begutachtung des
Baukörpers dadurch, dass er Teile, deren Mängel im Streit seien, beseitige
oder neu ausführen lasse, obwohl ihm bekannt sein müsse, dass es noch
(weiterer) sachverständiger Feststellungen bedürfe, liege eine
Beweisvereitelung vor. In einem solchen Fall könne sich der Unternehmer auf
die Mangelfreiheit seines Werks berufen. Eine Umkehr der Beweislast komme
allerdings nicht in Frage, soweit die Schuldnerin gehalten und in der Lage
gewesen sei, nach der Mängelrüge der Beklagten selbst eine Beweissicherung
zu betreiben.
8 Es sei daher davon auszugehen, dass auf Ebene 4 eine flächige Rissbildung,
Abplatzungen und eine Zementsteinschicht an der Betonoberfläche vorgelegen
hätten, da insoweit die Schuldnerin Feststellungen hätte treffen können.
Diese Mängel hätten dazu geführt, dass größere Risse über 0,3 mm Breite
gezielt zu sanieren gewesen seien und die gesamte Oberfläche wegen der
Abplatzungen und der Zementsteinschicht habe gefräst und kugelgestrahlt
werden müssen (Abtrag bis 5 mm). Für die insoweit erforderlichen Arbeiten
zur Mängelbeseitigung errechne sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 126.404,37
DM.
9 Soweit es um Mangelerscheinungen gehe, die erst im Rahmen der
Mangelbeseitigung beim Vordringen in tiefere Schichten zu Tage getreten
seien und die einen zweiten und dritten Fräsgang erforderlich gemacht haben
sollen, trage die Beklagte die Beweislast. Von der Schuldnerin hätten keine
eigenen sachverständigen Feststellungen erwartet werden können, die die
gesamte Ebene 4 betroffen hätten. Denn sie habe davon ausgehen dürfen, an
der von der Beklagten angekündigten Schadensfeststellung mit einem
Sachverständigen beteiligt zu werden, weil sie die Beklagte darum gebeten
und diese ihre Bitte nicht abgeschlagen habe. Außerdem sei ihr der Umfang
der von der Beklagten beabsichtigten Ersatzvornahme nicht bekannt gewesen.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Mängelrüge der Beklagten allgemein
gehalten gewesen sei, obwohl die Beklagte wegen von ihr veranlasster
Haftzugprüfungen über weitere Erkenntnisse zu verfügen geglaubt habe. Zwar
habe die Beklagte wegen einer ihr drohenden Vertragsstrafe die Arbeiten
fortsetzen dürfen. Sie habe der Schuldnerin aber erst wenige Tage vor dem
Abfräsen der Ebene 4 die von ihr geschätzten Kosten in Höhe von 250.000 DM
mitgeteilt, so dass die Schuldnerin keine eigenen Feststellungen mehr habe
treffen können. Angesichts der von der Schuldnerin vorgeschlagenen Sanierung
mit Kosten in Höhe von rund 10.000 DM habe die Beklagte mit einer
Auseinandersetzung mit der Schuldnerin rechnen und bei der Ersatzvornahme
Nachweise zum Zustand des Betons unterhalb der Oberfläche schaffen müssen.
10 Die Beklagte habe mindestens fahrlässig gehandelt. Sie habe erkennen
müssen, dass eine Dokumentation erforderlich sein würde, und fahrlässig
nicht erkannt, dass die von ihr angefertigten Lichtbilder und die
Feststellungen des von ihr eingeschalteten Sachverständigen nicht
ausreichten. Es sei der Beklagten möglich und im Hinblick auf ihre
Kooperationspflicht auch zumutbar gewesen, die erforderliche Dokumentation
zu erstellen.
11 Die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis der Mangelhaftigkeit des
Betons in tieferen Schichten nicht geführt. Eine Vernehmung der von der
Beklagten in der Berufungsinstanz benannten Zeugen K. und Prof. G. aus dem
Ingenieurbüro Sch. sei gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO wegen Verspätung nicht
zuzulassen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, es sei für sie
nicht erkennbar gewesen, dass diese die Baustelle besichtigt hätten, denn
dies hätte sie durch eine einfache Nachfrage bei dem ihr bekannten
Ingenieurbüro Sch., das im Auftrag der Bauherrin die Arbeiten überwacht
habe, ermitteln können.
12 Die durch die weiteren Fräsgänge verursachten Kosten könne die Beklagte
daher nicht ersetzt verlangen. Kosten für das Ausspachteln von Vertiefungen
auf dem Randstreifen der Ebene 4 (Pos. 20 der Anlage B 23) und für Material
gemäß Pos. 23 der Anlage B 23 seien nicht zu berücksichtigen, weil nicht
dargelegt sei, dass diese für solche Arbeiten angefallen seien, die bereits
durch das einmalige Fräsen nebst Kratzspachtelung notwendig geworden seien.
Aus diesem Grund könnten von den Kosten für die Vermessung der Deckenstärke
der Ebene 4 und der Überprüfung der Statik in Höhe von insgesamt 3.152,72 DM
(von der Revision irrtümlich mit 3.956,22 DM berechnet) nur 500 DM angesetzt
werden.
II.
13 Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Das Berufungsgericht konnte aufgrund seiner Feststellungen die Überzeugung
gewinnen, dass der Beklagten eine Beweisvereitelung anzulasten sei, sie
deshalb die Beweislast für die Mangelhaftigkeit der Betonierungsarbeiten in
den tieferen Schichten trage und sie insoweit beweisfällig geblieben sei.
14 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der
Auftragnehmer vor der Abnahme die Mangelfreiheit seiner Leistungen zu
beweisen hat (BGH, Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 112/71, BGHZ 61, 42,
47; Urteil vom 29. Juni 1981 - VII ZR 299/80, BauR 1981, 575, 576 = ZfBR
1981, 218; Urteil vom 25. März 1993 - X ZR 17/92, BauR 1993, 469, 472 = ZfBR
1993, 189; Urteil vom 13. Juli 2000 - VII ZR 139/99, BauR 2000, 1762, 1763 =
NZBau 2000, 523 = ZfBR 2000, 548). Dies gilt auch dann, wenn der
Auftraggeber vor der Abnahme Mängelansprüche geltend macht (BGH, Urteil
vom 24. Oktober 1996 - VII ZR 98/94, BauR 1997, 129, 130 = ZfBR 1997, 75;
Urteil vom 24. November 1998 - X ZR 21/96, NJW-RR 1999, 347, 349; Urteil vom
13. Juli 2000 - VII ZR 139/99, aaO).
15 An dieser Verteilung der Beweislast hat sich hinsichtlich der Mängel
auf Ebene 4 des Parkhauses durch die Abnahme des Werks nichts geändert, denn
die Beklagte hat hinsichtlich dieser Mängel einen Vorbehalt erklärt
(vgl. BGH Urteil vom 24. Oktober 1996 - VII ZR 98/94, aaO). Die
Gegenauffassung (OLG Hamburg, OLGR 1998, 61; Marbacher/Wolter, BauR 1998, 36
ff. m.w.N.) überzeugt nicht. Dass durch die Abnahme eine Beweislastumkehr
eintritt, beruht auf § 363 BGB. Dieser setzt die Annahme einer Leistung als
Erfüllung voraus. Daran fehlt es, soweit der Besteller wegen eines Mangels
einen Vorbehalt erklärt.
16 Eine Umkehr der Beweislast ist auch nicht schon allein deshalb
anzunehmen, weil die Beklagte die Mängel im Wege der Ersatzvornahme hat
beseitigen lassen (BGH, Urteil vom 25. März 1993 - X ZR 17/92, BauR
1993, 469 = ZfBR 1993, 189). Mit Beseitigung der Mängel geht zwar der
Erfüllungsanspruch des Bestellers unter und der Besteller kann sich auf die
fehlende Abnahme nicht mehr berufen. Dies beruht jedoch nicht auf der
Erfüllung der Leistung durch den Unternehmer, sondern auf der Tätigkeit
eines von ihm unabhängigen Dritten. Es ist daher nicht gerechtfertigt, dem
Besteller nur deshalb, weil er im Wege der berechtigten Ersatzvornahme den
Zustand herbeigeführt hat, zu dem der Unternehmer verpflichtet war, die
Beweislast für das Vorliegen eines Mangels der Werkleistung aufzuerlegen.
17 2. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des
Berufungsgerichts, die Beklagte trage wegen einer Beweisvereitelung die
Beweislast für die Mangelerscheinungen, die erst im Rahmen der
Mangelbeseitigung beim Vordringen in tiefere Schichten zu Tage getreten sein
und einen zweiten und dritten Fräsgang erforderlich gemacht haben sollen.
18 a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die Grundsätze über die
Beweisvereitelung herangezogen.
19 aa) Eine Beweisvereitelung kann in verschiedenster Form auftreten (BGH,
Urteil vom 10. Februar 1993 - XII ZR 241/91, BGHZ 121, 266, 278). Eine
Beweisvereitelung liegt vor, wenn jemand seinem beweispflichtigen Gegner die
Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann
vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte Handlungen
geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder
vorenthalten werden. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat,
kann eine Beweisvereitelung auch in einem fahrlässigen Unterlassen einer
Aufklärung bei bereits eingetretenem Schadensereignis liegen, wenn damit die
Schaffung von Beweismitteln verhindert wird, obwohl die spätere
Notwendigkeit einer Beweisführung dem Aufklärungspflichtigen bereits
erkennbar sein musste (BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR
380/00, NJW 2004, 222 m.w.N.).
20 bb) Dass das Berufungsgericht nach diesen Grundsätzen das Verhalten der
Beklagten als Beweisvereitelung bewertet hat, lässt Rechtsfehler nicht
erkennen. Zwar kann der Vorwurf der Beweisvereitelung nicht allein daraus
hergeleitet werden, dass die Beklagte die streitigen Mängel hat beseitigen
lassen, obwohl ihr nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bekannt
gewesen sein muss, dass es noch weiterer sachverständiger Feststellungen
bedurfte. Einer solchen generellen Zuweisung der Verantwortung für die
Dokumentation der Mängel an den Auftraggeber steht entgegen, dass der
Auftragnehmer nach einer Mängelrüge, in der lediglich die
Mangelerscheinungen bezeichnet sein müssen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar
2002 - VII ZR 488/00, BauR 2002, 784, 785 = NZBau 2002, 335 = ZfBR 2002, 357
m.w.N.), verpflichtet ist, die Mangelursache zu ermitteln und den Mangel zu
beseitigen. Kommt der Auftragnehmer dieser Pflicht nicht nach, und macht der
Auftraggeber daraufhin von seinem Recht Gebrauch, den Mangel selbst zu
beseitigen, kann allein aus dem Umstand, dass im Zuge der Mangelbeseitigung
das von dem Auftragnehmer erstellte Werk verändert worden ist, grundsätzlich
nicht der Vorwurf abgeleitet werden, der Auftraggeber habe schuldhaft die
Beweisführung durch den Auftragnehmer vereitelt. Etwas Anderes kann aber
gelten, wenn weitere Umstände hinzutreten. So kann eine Beweisvereitelung
darin liegen, dass der Auftraggeber ausgetauschte Teile, die für die
Beweisführung des Auftragnehmers von Bedeutung sind, nicht verwahrt
(vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2005 - VIII ZR
43/05, NJW 2006, 434, 436).
21 Solche weiteren Umstände hat das Berufungsgericht festgestellt. Es hat
die Annahme einer Beweisvereitelung nicht nur auf die durch die
Mängelbeseitigung bedingte Veränderung des Werks der Schuldnerin gestützt,
sondern maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beklagte es der Schuldnerin
nicht ermöglicht hat, sich an der Schadensfeststellung zu beteiligen, obwohl
die Schuldnerin hierum gebeten und die Beklagte diese Bitte nicht
zurückgewiesen hatte. Zudem hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der
Beklagten bekannt war, dass die Schuldnerin sich des Umfangs der
erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen und damit auch der Notwendigkeit
weiterer Feststellungen nicht bewusst war, und es die Beklagte dennoch
unterlassen hat, der Schuldnerin ihre weitergehenden Erkenntnisse
mitzuteilen, nach denen die gesamte Ebene 4 abgefräst und eine
Kratzspachtelung aufgebracht werden musste. Schließlich hat das
Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der Umfang der Mängel erst im Zuge
der Mängelbeseitigungsmaßnahmen sichtbar werden konnte. Es ist rechtlich
nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der
bauvertraglichen Kooperationspflichten die Beklagte unter den gegebenen
Umständen als verpflichtet angesehen hat, nach dem ersten Fräsen Maßnahmen
zu ergreifen, um der Schuldnerin den Beweis zu ermöglichen, dass der Mangel
ihres Werks sich auf die Oberfläche der Ebene 4 beschränkte.
22 b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht bei der gegebenen Sachlage
wegen dieser Beweisvereitelung eine Umkehr der Beweislast angenommen.
23 aa) Der Bundesgerichtshof entscheidet in ständiger Rechtsprechung,
dass eine Beweisvereitelung Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der
Beweislast zur Folge haben kann. Dabei obliegt es tatrichterlicher Wertung,
ob der jeweilige Sachverhalt eine vollständige Umkehr der Beweislast oder
lediglich Beweiserleichterungen rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 13.
April 2005 - IV ZR 62/04, NJW-RR 2005, 1051, 1052; Urteil vom 23. September
2003 - XI ZR 380/00, NJW 2004, 222; Urteil vom 28. November 2000 - X ZR
194/97, zitiert nach juris, Tz. 25; Urteil vom 11. März 1993 - III ZR
182/91, zitiert nach juris, Tz. 11). Insoweit sind alle Umstände des
Einzelfalls im Rahmen des § 286 ZPO zu würdigen (BGH, Urteil vom 17. Januar
2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982, 984, Tz. 18), da nur so angemessene
Ergebnisse erzielt werden können.
24 bb) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht auf
der Grundlage des festgestellten Sachverhalts im Hinblick auf die Verletzung
der Kooperationspflicht durch die Beklagte im Rahmen der gebotenen Wertung
zu der Beurteilung gelangt ist, hier sei die Umkehr der Beweislast als Folge
der Beweisvereitelung anzunehmen.
25 (1) Dass die Verletzung der Kooperationspflicht zu einer Beweislastumkehr
führen kann, hat der Senat bereits für den Fall entschieden, dass der
Auftraggeber einem Termin zum gemeinsamen Aufmaß unberechtigt fernbleibt.
Ist in einem solchen Fall ein neues Aufmaß oder eine Überprüfung des
einseitig genommenen Aufmaßes nicht mehr möglich, etwa weil das Werk durch
Drittunternehmer fertiggestellt worden oder durch nachfolgende Arbeiten
verdeckt ist, hat der Auftraggeber vorzutragen und zu beweisen, welche
Massen zutreffend oder dass die vom Auftragnehmer angesetzten Massen
unzutreffend sind (Urteil vom 22. Mai 2003 - VII ZR 143/02, BauR 2003, 1207
= NZBau 2003, 497 = ZfBR 2003, 567).
26 (2) Es ist gerechtfertigt, den Auftraggeber einen derartigen
Rechtsnachteil auch erleiden zu lassen, wenn er seine Kooperationspflicht
dadurch verletzt, dass er dem Auftragnehmer weder eigene Feststellungen zu
den behaupteten Mängeln ermöglicht noch eine Dokumentation erstellt, anhand
derer das Vorliegen der angeblichen Mängel überprüft werden kann.
27 Die Mängel der Betonierungsarbeiten, die sich nach Behauptung der
Beklagten in den tieferen Schichten gezeigt haben sollen, konnten von der
Schuldnerin durch Überprüfung der Betonoberfläche der Ebene 4 nicht
festgestellt werden. Derartige Feststellungen konnten erst getroffen werden,
nachdem der erste Fräsgang bereits durchgeführt worden war. Das von der
Beklagten behauptete Schadensbild in den tieferen Schichten war nicht ohne
weiteres zu erwarten. Die Beklagte hätte daher in besonderem Maße
Veranlassung gehabt, die Schuldnerin auf das zunächst nicht erkennbare
Ausmaß der Mängel hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, sich entweder
selbst davon zu überzeugen oder sich Beweise für das Nichtvorliegen der
behaupteten weitergehenden Mängel zu verschaffen. Dies hat sie nicht getan,
obwohl die Schuldnerin sie ausdrücklich darum gebeten hatte, an der
Schadensfeststellung durch den eingeschalteten Privatsachverständigen
beteiligt zu werden und damit dessen Feststellungen vor Ort überprüfen zu
können. Für die Beklagte war ohne weiteres erkennbar, dass es der
Schuldnerin ohne eine entsprechende Dokumentation nach Ausführung der
Mängelbeseitigungsarbeiten unmöglich sein würde, die Mangelfreiheit der
Betonierungsarbeiten in den tieferen Schichten nachzuweisen. Die Beklagte
war daher gehalten, wenn sie schon der Schuldnerin keine eigenen
Feststellungen ermöglichte, selbst für eine hinreichende Dokumentation des
nach dem ersten Fräsgang vorgefundenen Zustands des Parkdecks zu sorgen. In
dem Absehen von einer solchen Dokumentation ist unter den gegebenen
Umständen ein erheblicher Verstoß gegen das Kooperationsgebot zu sehen, der
die vom Berufungsgericht angenommene Beweislastumkehr als gerechtfertigt
erscheinen lässt.
28 3. Dass das Berufungsgericht aufgrund der von ihm getroffenen
Feststellungen, insbesondere der fehlenden hinreichenden Dokumentation des
nach dem ersten Fräsgang vorgefundenen Zustands des Parkdecks, den Beweis
der Mangelhaftigkeit der Betonierungsarbeiten in den tieferen Schichten
nicht als bewiesen angesehen hat, ist nicht zu beanstanden. Von der
Vernehmung der Zeugen K. und Prof. G. hat das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei abgesehen. Der Senat hat die gegen die Zurückweisung dieser
Beweismittel gerichteten Rügen der Revision geprüft, aber nicht für
durchgreifend erachtet. Von einer Begründung insoweit wird abgesehen (§ 564
Satz 1 ZPO).
29 4. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die
Beklagte sich nicht darauf berufen kann, sie habe weitergehende
Mängelbeseitigungsarbeiten bei verständiger Würdigung für erforderlich
halten dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2003 - VII ZR 443/01, BGHZ 154,
301, 304). Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass
diese Rechtsprechung die Frage betrifft, auf welche Weise die
Mängelbeseitigung erfolgen kann. Wendet der Auftragnehmer in einem solchen
Fall ein, die dem Auftraggeber zur Beseitigung des Mangels entstandenen
Kosten seien nicht erforderlich gewesen, kann sich der Auftraggeber dadurch
entlasten, dass er sich unverschuldet über die zur Beseitigung des Mangels
erforderlichen Maßnahmen geirrt hat. Liegt jedoch ein Mangel nicht vor, oder
ist sein Vorliegen jedenfalls nicht nachgewiesen, kann der Auftraggeber
Kosten für die Beseitigung des vermeintlichen Mangels nicht geltend machen.
Insoweit fehlt es bereits an der haftungsbegründenden Kausalität. |