Berechtigter unmittelbarer Besitz als "sonstiges
Recht" i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB; Haftung aus § 7 StVG; Reichweite der Haftung
(Ersatz des Haftungs- und Nutzungsschadens, offengelassen für
Substanzschaden)
BGH, Urteil vom 24. Mai 2022 - VI ZR 1215/20 - OLG Köln
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Zum Schadensersatzanspruch bei Verletzung des
berechtigten unmittelbaren Besitzes.
Zentrale Probleme:
S. die Anm. zu BGH v. 29.1.2019
- VI ZR 481/17 sowie zu BGH v. 17.1.2023 - VI
ZR 203/22.
©sl 2022
Tatbestand:
1 Nach einem Verkehrsunfall nimmt der Kläger die Beklagte auf
Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt
Besitzer und Halter eines Fahrzeugs, das durch einen bei der Beklagten
haftpflichtversicherten PKW beschädigt wurde. Das vom Kläger gefahrene
Fahrzeug war an ein Kreditunternehmen sicherungsübereignet, das den Erwerb
finanziert hatte. Darlehensnehmerin war die Schwester des Klägers.
2 Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die für den Kläger
vorprozessual tätigen Sachverständigen 1.378,85 € und an den Kläger
persönlich 12.325,95 € zu zahlen, jeweils nebst Zinsen, ferner den Kläger
freizustellen von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von
526,58 €. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten das
Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf
Zurückweisung der Berufung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die nur teilweise zulässige Revision ist nicht begründet.
A.
4 Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Kläger
keinen Anspruch auf Ersatz der von ihm geltend gemachten fiktiven
Reparaturkosten, der Wertminderung, der Sachverständigengebühren und der
Auslagenpauschale wegen Verletzung seines Besitzrechtes habe.
Zwar könne sich eine Haftung wegen Verletzung des berechtigten unmittelbaren
Besitzes aus § 7 StVG ergeben. Der - einem Kreditnehmer insoweit
vergleichbare - Leasingnehmer könne als berechtigter Besitzer aus eigenem
Recht den Ersatz des Substanzschadens in Form der Herstellungskosten
allenfalls dann verlangen, wenn er die Pflicht zur Instandsetzung gegenüber
dem Eigentümer übernommen und dieser - bei Nichterfüllung der
Instandsetzungspflicht - zugestimmt habe, dass der Leasingnehmer die
fiktiven Herstellungskosten statt des Eigentümers verlangen könne
(Hinweis auf Senat, Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019,
1669). Der Kläger, der nicht einmal Kreditnehmer sei, habe weder
dargelegt, dass das finanzierende Unternehmen als Sicherungseigentümer ihm
diese Ersetzungsbefugnis übertragen habe, noch treffe ihn eine
Instandsetzungspflicht aus dem Autokreditvertrag, dessen Vertragspartnerin
die Schwester des Klägers als Kreditnehmerin sei. Daher
könne der Kläger als Besitzer auch keinen Ersatz der Wertminderung
verlangen. Diese Wertdifferenz stelle einen unmittelbaren Sachschaden dar
und sei damit Teil des grundsätzlich nur dem Eigentümer zustehenden
Substanzschadens. Mangels Instandsetzungspflicht des
Klägers gegenüber dem Sicherungseigentümer scheide auch ein Haftungsschaden
des Klägers, also ein Schaden, der dem Besitzer durch seine Ersatzpflicht
gegenüber dem Eigentümer entstanden sei, aus. Der Kläger könne
mangels Anspruchs auf Erstattung des Substanzschadens auch keinen Ersatz der
Sachverständigengebühren, der Auslagenpauschale und der vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten wegen Verletzung seines Besitzrechts verlangen.
5
Der Kläger habe wegen der geltend gemachten Schadenspositionen auch keinen
durchsetzbaren Anspruch wegen Verletzung des Eigentums aus abgetretenem
Recht. Soweit er in der Berufungsinstanz sein Klagebegehren
erstmals hilfsweise auf Ansprüche aus abgetretenem Recht aus einer
Vereinbarung mit dem Kreditunternehmen und seiner Schwester stütze, stehe
dem Anspruch die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung
entgegen. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei der Kläger nicht zur
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Eigentumsverletzung befugt
gewesen.
B.
6 Die Abweisung der im Hauptantrag auf
einen Anspruch aus eigenem Recht gestützten Klage hält rechtlicher Prüfung
stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte unter
Zugrundelegung des revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalts keinen
Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Schadens (fiktive Reparaturkosten,
Wertminderung, Sachverständigenkosten und Schadenspauschale). Denn
weder ist festgestellt noch legt die Revision Instanzvortrag dazu dar, auf
welcher Grundlage der Kläger den Besitz über das Fahrzeug
ausübte. Insbesondere kann nicht beurteilt werden, welche Rechte und
Pflichten er in diesem Zusammenhang hatte.
7 I. Der
berechtigte unmittelbare Besitz an einer Sache wird durch § 823 Abs. 1 BGB
als sonstiges Recht geschützt. Dieses Recht kann auch durch
eine Beschädigung der Sache verletzt werden (vgl. Senat, Urteil vom
29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 13; MüKoBGB/Wagner, 8.
Aufl., BGB § 823 Rn. 324; jew. mwN). Eine Haftung wegen Verletzung
des berechtigten unmittelbaren Besitzes kann sich weiter aus § 7 StVG
ergeben. Diese Vorschrift bezieht neben dem Eigentum und
anderen dinglichen Rechten auch den berechtigten unmittelbaren Besitz an
einer Sache in seinen Schutzbereich ein (vgl.
Senat, Urteil vom 29.
Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 14 mwN). Nach der
gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der in seinem
berechtigten unmittelbaren Besitz Verletzte jedenfalls Ersatz des Haftungs-
und des Nutzungsschadens verlangen. Ob der Verletzte
darüber hinaus Ersatz des Substanzschadens verlangen kann, bedarf auch im
vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
8 1. Die
Annahme des Berufungsgerichts, ein Haftungsschaden scheide mangels
Instandsetzungspflicht des Klägers aus, ist revisionsrechtlich nicht
zu beanstanden. Bei der Beschädigung eines Fahrzeugs kann
der Schaden des Besitzers in einem Haftungsschaden, das heißt in einer durch
den Schadensfall ausgelösten Verpflichtung des Besitzers zu einer Reparatur
gegenüber der Person, von der er sein Recht zum Besitz ableitet, bestehen
(vgl. nur Senat, Urteile vom 13. Juli 1976 - VI ZR 78/85, VersR
1976, 943, 944; vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 15,
25 f.; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., BGB § 823 Rn. 325). Den
Feststellungen ist nur zu entnehmen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des
Unfalls Besitzer des Fahrzeugs war. Daraus ergibt sich nicht, ob, wie und
wem gegenüber er zur Instandsetzung verpflichtet war. Fehl geht
der Hinweis der Revision auf Instanzvortrag des Klägers, als Fahrzeughalter
habe er nach den Finanzierungsbedingungen das Fahrzeug instandsetzen zu
lassen, und auf eine Verpflichtung im Sicherungsübereignungsvertrag.
Denn Kreditnehmerin und Sicherungsgeberin war die Schwester des Klägers.
Diese traf die von der Revision angesprochene Reparaturverpflichtung im
Sicherungsübereignungsvertrag. Die an die Haltereigenschaft
anknüpfende Wertung der Revision, der Kreditvertrag sei "mithin
wirtschaftlich zugunsten des Klägers getroffen" worden, "so dass ihn
letztlich jedenfalls indirekt auch die Pflichten aus dem Vertrag [träfen]",
hat weder in den Feststellungen noch in dem in der Revisionsbegründung
angeführten Instanzvortrag eine Grundlage. Entsprechendes gilt für
die weitere Erwägung der Revision, es sei "mithin ebenso denkbar, dass die
Bank an den Kläger übereignet [habe]", und deren Auffassung, die
Verpflichtung des Klägers zur Instandsetzung habe jedenfalls gegenüber
seiner Schwester bestanden.
9 2. Einen Ersatz des
Nutzungsschadens, das heißt Ausgleich für Nachteile, die durch einen
etwaigen zeitweiligen Ausfall des Fahrzeugs infolge der Beschädigung
entstanden sind (vgl. zum Nutzungs- bzw. Besitzschaden
MüKoBGB/ Wagner, 8. Aufl., § 823 Rn. 325 mwN), macht der Kläger
nicht geltend.
10 3. Der Kläger kann die vom ihm
geltend gemachten Schadenspositionen auch nicht als Substanzschaden ersetzt
verlangen. Im Streitfall bedarf keiner Entscheidung, ob bzw. unter welchen
Voraussetzungen der berechtigte unmittelbare Besitzer aufgrund der
Verletzung seines Besitzrechts durch die Beschädigung der besessenen Sache
wie der Eigentümer aus eigenem Recht den Ersatz des Substanzschadens
verlangen kann und auf welche Weise eine etwaige Anspruchskonkurrenz
aufzulösen wäre (vgl. - zum Schaden des Leasingnehmers -Senat,
Urteil vom 29. Januar 2019 - VI ZR 481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 15 ff.; siehe
weiter MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., BGB § 823 Rn. 326). Denn aus
den Feststellungen ergibt sich schon nicht und die Revision zeigt keinen
übergangenen Vortrag dazu auf, welches Recht dem Kläger zum Unfallzeitpunkt
durch den Besitz verschafft werden sollte. Es fehlt mithin seitens
des Klägers, der erst in der Berufungsinstanz eingeräumt hat, dass
Vertragspartnerin der finanzierenden Bank seine Schwester gewesen ist, an
Vortrag dazu, welche Rechtsbeziehungen bezüglich des Fahrzeugs zum
Unfallzeitpunkt zwischen seiner Schwester und ihm bestanden haben.
Ein Recht zum Besitz zum Unfallzeitpunkt konnte der Kläger, der nicht Partei
des Kredit- und Sicherungsübereignungsvertrags war, aber nur von seiner bzw.
über seine Schwester erwerben.
11 II. Soweit die Revision der
Auffassung ist, auch der bloße Besitzer erleide einen Vermögensverlust, weil
sich die Wertigkeit seines Anwartschaftsrechts verringere, erschließt sich
schon nicht, auf welcher Grundlage der Kläger ein solches erlangt haben
sollte.
C.
12 Die Revision des Klägers ist nicht statthaft und
daher unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung der hilfsweise auf
abgetretenes Recht gestützten Klage richtet. Denn insoweit hat das
Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen.
13 I. Wenn der
Entscheidungsformel eines Berufungsurteils keine Beschränkung der
Revisionszulassung zu entnehmen ist, kann sich diese aus den
Entscheidungsgründen ergeben. Der Tenor ist im Lichte der
Entscheidungsgründe auszulegen und es ist deshalb von einer beschränkten
Revisionszulassung auszugehen, wenn sich die Beschränkung aus den Gründen
klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom
Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen
eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl.
Senat, Urteil vom 30. Juli 2019 - VI ZR 486/18, NJW-RR 2019, 1524 Rn. 15;
BGH, Urteil vom 13. April 2022 - IV ZR 60/20, juris Rn. 21; jew. mwN).
14 Die Wirksamkeit einer Beschränkung der Revisionszulassung setzt
voraus, dass sie einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des
Gesamtstreitstoffs betrifft, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf
den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken kann. Unzulässig
ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf
bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (vgl. Senat, Urteil vom 22. Februar
2022 - VI ZR 1175/20, juris Rn. 15 mwN).
15 II. Zwar enthält die
Zulassung der Revision im Tenor des Berufungsurteils keine Beschränkung.
Allerdings ist in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Revision werde
zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob der berechtigte unmittelbare Besitzer
zum Ersatz des Substanzschadens berechtigt sei, wenn seine Nutzung
beeinträchtigt sei, noch nicht höchstrichterlich geklärt sei. Diese Frage
ist für die Beurteilung, ob dem Kläger ein Anspruch aus abgetretenem Recht
zusteht, nicht relevant.
16 Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist
wirksam. Denn die Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht
stellt auch bei einheitlichem Klageziel einen anderen Streitgegenstand dar
als die Geltendmachung aus eigenem Recht, weil der der Klage zugrunde
gelegte Lebenssachverhalt im Kern geändert wird, wenn die Klage statt auf
eigenes auf fremdes Recht gestützt wird (vgl. Senat, Urteile vom 29. Juni
2021 - VI ZR 566/19, VersR 2021, 1251 Rn. 9; vom 29. Januar 2019 - VI ZR
481/17, NJW 2019, 1669 Rn. 9; jew. mwN).
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