Produzentenhaftung:
Keine außervertragliche (deliktische) Mängelbeseitigungspflicht des
Herstellers gegenüber dem Endkäufer: Schutz des Integritätsinteresses, nicht
des Äquivalenzinteresses
BGH, Urteil vom 16.
Dezember 2008 - VI ZR 170/07
Fundstelle:
NJW 2009, 1080
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Zur
Gefahrabwendungspflicht des Herstellers von Produkten mit
Sicherheitsmängeln.
Zentrale Probleme:
Eine interessante und lehrreiche Entscheidung zur
deliktischen Produzentenhaftung (s. dazu die Anm. von Molitoris NJW 2009,
1049): Die klagende Pflegekasse verlangt die
Erstattung von Nachrüstungskosten für Pflegebetten aus der Produktion der
Beklagten, die sie ihren Versicherten für die häusliche Pflege zur Verfügung
gestellt hatte. Nachdem die zuständigen Behörden über Sicherheitsrisiken der
Betten informiert hatten und die Beklagte die Übernahme der
Nachrüstungskosten abgelehnt hatte, ließ die Klägerin die Betten auf eigene
Kosten nachrüsten.
Die Klage blieb erfolglos: Die deliktischen Sicherungspflichten des
Herstellers nach Inverkehrbringen seines Produkts sind zwar nicht von
vornherein auf die Warnung vor etwaigen Gefahren beschränkt. Sie können
insbesondere die Verpflichtung einschließen, dafür Sorge zu tragen, dass
bereits ausgelieferte gefährliche Produkte möglichst effektiv aus dem
Verkehr gezogen oder nicht mehr benutzt würden. Die deliktische
Herstellerhaftung ist jedoch nicht darauf gerichtet, dem Erwerber/Benutzer
eine mangelfreie Sache zur Verfügung zu stellen, sondern lediglich auf den
Schutz absoluter Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Eigentum. Unter den
Umständen des Streitfalles hat die Beklagte durch ihre Warnung der Pflicht
zur Gefahrenabwehr genügt, weil sie davon ausgehen konnte, dass ihrer
Warnung Folge geleistet wird. Da sie zu weitergehenden Maßnahmen nicht
verpflichtet war, musste sie auch nicht die Kosten der Nachrüstung tragen.
Das ist Sache des Verkäufers, der nach Maßgabe von § 439 BGB Nacherfüllung
und damit auch Mängelbeseitigung schuldet.
S. auch BGH NJW 2009,
1669 sowie BGH
v. 16.6.2009 - VI ZR 107/08.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Die Klägerin, eine gesetzliche Pflegekasse, nimmt die Beklagte als
Herstellerin von Pflegebetten aus eigenem und abgetretenem Recht einer
anderen Pflegekasse (im Folgenden: Zedentin) auf Ersatz von
Nachrüstungskosten in Anspruch.
2 Die Klägerin und die Zedentin hatten seit 1995 von der Beklagten
hergestellte, elektrisch verstellbare Pflegebetten des Typs "Casa med II"
bei Sanitätshäusern gekauft und sie bei ihnen versicherten Pflegebedürftigen
für die ambulante häusliche Pflege zur Verfügung gestellt. Seit Mai 2000
informierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
mehrfach die für die Überwachung von Medizinprodukten zuständigen obersten
Landesbehörden über Mängel an Pflegebetten, die die Gefahr von Bränden der
Betten infolge des Eindringens von Feuchtigkeit in elektrische
Antriebseinheiten sowie von Einklemmungen infolge eines ungeeigneten
Spaltmaßes von Seitengittern begründeten. Mit Schreiben vom 22. Mai 2001
informierten die Landesbehörden u. a. die Klägerin und die Zedentin über
Sicherheitsrisiken von Pflegebetten infolge konstruktiver Mängel unter
Beifügung detaillierter "Checklisten" und verbunden mit der Aufforderung,
den jeweiligen Bestand zu überprüfen und ggf. nachrüsten zu lassen. Unter
Bezugnahme darauf wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 27. Juni 2001
an "alle Kunden" und bot einen Nachrüstsatz einschließlich Einbau für 350
bis 400 DM je Bett an, der geeignet sei, die von den Behörden aufgezeigten
Sicherheitsrisiken zu beseitigen.
3 Mit Schreiben vom 29. August 2001 bat die Klägerin die Beklagte um
Mitteilung, welche der von ihr hergestellten Pflegebetten von den Mängeln
betroffen und für welche eine Umrüstung möglich sei. Die Klägerin wies
darauf hin, dass die Kosten für Umrüstungen oder Neuanschaffungen von der
Beklagten zu tragen seien, dass sie selbst jedoch, sollte die Beklagte ihre
Verpflichtung nicht anerkennen, die Kosten einstweilen unter dem Vorbehalt
der Rückforderung übernehme. Die Zedentin bat die Beklagte mit Schreiben vom
18. Oktober 2001 um Mitteilung bis 31. Oktober 2001, ob die Beklagte ihre
Verpflichtungen zu Nachrüstung bzw. Austausch der Betten anerkenne, weil die
Sorge um die Sicherheitsbelange keinen Aufschub dulde. Die Zedentin kündigte
an, selbst alles Notwendige zu veranlassen und der Beklagten gegebenenfalls
die Kosten in Rechnung zu stellen.
4 Als die Beklagte auf beide Schreiben nicht reagierte, veranlassten die
Klägerin und die Zedentin die Nachrüstung der Betten. Die Klägerin beziffert
die für den Austausch der Antriebseinheiten und der Seitengitter sowie für
Montage eines Tropfwasserschutzes entstandenen Kosten mit 259.229,78 €.
5 Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit ihrer vom
erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
6 Das Berufungsgericht, dessen Urteil u. a. in BB 2007, 2367 veröffentlicht
ist, verneint kaufvertragliche Ansprüche zwischen den Parteien mangels
Bestehens einer Vertragsbeziehung und eine Haftung der Beklagten aus § 823
BGB oder § 1 ProdHG, weil Personen- oder Sachschäden durch Benutzung der
Pflegebetten nicht eingetreten seien. Aufwendungsersatzansprüche aus §§ 683,
677, 670 BGB, Rückgriffsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812
BGB) oder Rechte aus einem Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Parteien
(§§ 840, 426 BGB) stünden der Klägerin nicht zu, weil die Beklagte zu
Rückruf und kostenloser Nachrüstung nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin
vielmehr mit der Nachrüstung allein ihren eigenen Rechtspflichten aus § 40
Abs. 3 Satz 3 SGB XI nachgekommen sei. Einen Rückruf hätten die Behörden
nicht angeordnet. Eine deliktische Pflicht der Beklagten zu Rückruf und
Umrüstung gegenüber den Benutzern der Pflegebetten wegen drohender Gefahren
für Leib oder Leben oder ein Anspruch auf Nachrüstung gegen die Beklagte
aufgrund einer Schadensverhinderungspflicht entsprechend §§ 1004, 823 BGB
hätten nicht bestanden, weil die Warnung im Schreiben der Beklagten vom 27.
Juni 2001 ausreichend gewesen sei. Diese und die Informationen von Seiten
der Behörden hätten den Pflegekassen ermöglicht, die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen. Selbst im Falle eines ihr anzulastenden
Konstruktionsfehlers der betroffenen Pflegebetten sei die Beklagte zu
Rückruf und kostenloser Nachrüstung nicht verpflichtet gewesen, weil es an
der dafür erforderlichen konkreten Gefahr für Leib und Leben der
Produktnutzer gefehlt habe.
II.
7 Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis
stand.
8 1. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die geltend gemachten
Kosten für die Nachrüstung von Pflegebetten aus der Produktion der Beklagten
entstanden sind. Es hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die
Betten zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens mit konstruktionsbedingten
Sicherheitsmängeln behaftet waren und die Nachrüstung deshalb erforderlich
war. Im Revisionsverfahren sind diese Behauptungen der Klägerin deshalb zu
ihren Gunsten zu unterstellen.
9 2. Vertragliche Ansprüche auf Ersatz der geltend gemachten
Nachrüstungskosten kommen vorliegend nicht in Betracht und werden von der
Klägerin auch nicht geltend gemacht. Etwaige Ansprüche auf Aufwendungsersatz
(§§ 683, 677, 670 BGB), nach Bereicherungsgrundsätzen (§ 684 Satz 1 i.V.m.
§§ 812 ff. BGB bzw. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder aus dem Gesichtspunkt
eines Gesamtschuldnerausgleichs gemäß §§ 840, 426 BGB (vgl. dazu
Senatsurteil vom 18. Januar 1983 - VI ZR 270/80 - VersR 1983, 346, 347)
bestehen nicht, weil die Beklagte zur Nachrüstung der Betten
deliktsrechtlich nicht verpflichtet war.
10 a) Allerdings enden die Sicherungspflichten des Warenherstellers nicht
mit dem Inverkehrbringen des Produkts. Er ist vielmehr verpflichtet, auch
nach diesem Zeitpunkt alles zu tun, was ihm nach den Umständen zumutbar ist,
um Gefahren abzuwenden, die sein Produkt erzeugen kann (vgl. etwa
Senatsurteile BGHZ 80, 199, 202 und vom 27. September 1994 - VI ZR 150/93 -
VersR 1994, 1481, 1482; so schon RGZ 163, 21, 26; RG, DR 1940, 1293). Er
muss es auf noch nicht bekannte schädliche Eigenschaften hin beobachten und
sich über seine sonstigen, eine Gefahrenlage schaffenden Verwendungsfolgen
informieren (vgl. Senatsurteile BGHZ 80, 199, 202 f.; 99, 167, 172 ff.).
Hieraus können sich insbesondere Reaktionspflichten zur Warnung vor
etwaigen Produktgefahren ergeben, wobei Inhalt und Umfang einer Warnung und
auch ihr Zeitpunkt wesentlich durch das jeweils gefährdete Rechtsgut
bestimmt werden und vor allem von der Größe der Gefahr abhängig sind
(Senatsurteil BGHZ 80, 186, 191 f.). Erst recht treffen den Hersteller
solche Pflichten, sobald er erkennt oder für möglich hält, dass sein Produkt
einen ihm anzulastenden Konstruktionsfehler aufweist (vgl. LG Frankfurt/M.,
VersR 2007, 1575 f.; Foerste, in: v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 2.
Aufl., § 24, Rn. 243; G. Hager, JZ 1990, 397, 405; Dietborn/Müller, BB 2007,
2358, 2359).
11 b) Die Sicherungspflichten des Herstellers nach Inverkehrbringen
seines Produkts sind nicht notwendig auf die Warnung vor etwaigen Gefahren
beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 1960 - VI ZR 159/59 - VersR
1960, 856, 857 f.). Sie können etwa dann weiter gehen, wenn Grund zu der
Annahme besteht, dass die Warnung, selbst wenn sie hinreichend deutlich und
detailliert erfolgt (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 99, 167, 181; 116, 60, 68
und vom 11. Juli 1972 - VI ZR 194/70 - VersR 1972, 1075, 1076; Sack, BB
1985, 813, 817), den Benutzern des Produkts nicht ausreichend ermöglicht,
die Gefahren einzuschätzen und ihr Verhalten darauf einzurichten (vgl. etwa
Senatsurteil vom 27. September 1994 - VI ZR 150/93 - aaO, S. 1483;
MünchKomm-BGB/Wagner, 4. Aufl., § 823, Rn. 257 ff.; Bodewig, Der Rückruf
fehlerhafter Produkte, 1999, S. 257, 268). Ferner kommen weiter gehende
Sicherungspflichten dann in Betracht, wenn die Warnung zwar ausreichende
Gefahrkenntnis bei den Benutzern eines Produkts herstellt, aber Grund zu der
Annahme besteht, diese würden sich - auch bewusst - über die Warnung
hinwegsetzen und dadurch Dritte gefährden (vgl. etwa OLG Frankfurt, VersR
1991, 1184, 1186; Bodewig, aaO, S. 266 f.; Sack, DAR 1983, 1, 2; Thürmann,
NVersZ 1999, 145, 146; Burckhardt, VersR 2007, 1601, 1603, 1605). In
solchen Fällen kann der Hersteller aufgrund seiner Sicherungspflichten aus §
823 Abs. 1 BGB verpflichtet sein, dafür Sorge zu tragen, dass bereits
ausgelieferte gefährliche Produkte möglichst effektiv aus dem Verkehr
gezogen (vgl. zu dieser Pflicht BGHSt 37, 106, 119 ff.; OLG Düsseldorf,
NJW-RR 2008, 411; vgl. auch die Definition des Rückrufs in § 2 Abs. 17 GPSG)
oder nicht mehr benutzt werden.
12 c) Aus deliktischer Sicht würde eine weiter gehende Pflicht des
Herstellers, bereits im Verkehr befindliche fehlerhafte Produkte nicht nur
zurückzurufen, sondern das Sicherheitsrisiko durch Nachrüstung oder
Reparatur auf seine Kosten zu beseitigen (vgl. dazu OLG Karlsruhe,
NJW-RR 1995, 594, 597; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1344, 1345),
jedenfalls voraussetzen, dass eine solche Maßnahme im konkreten Fall
erforderlich ist, um Produktgefahren, die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten
Rechtsgütern der Benutzer oder unbeteiligter Dritter drohen, effektiv
abzuwehren (vgl. LG Arnsberg, Urteil vom 6. Mai 2003 - 5 S 176/02 - Rn.
5 [juris]; LG Frankfurt/M., aaO, S. 1576; Droste, Der Regress des
Herstellers gegen den Zulieferanten, 1994, S. 236 ff.; Thürmann, aaO;
Burckhardt, aaO, S. 1603 f.; Dietborn/Müller, aaO, S. 2360).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der
deliktsrechtliche Schutz nicht deren Äquivalenzinteresse, sondern allein ihr
Integritätsinteresse erfasst (vgl. unten unter e).
13 Wie weit die Gefahrabwendungspflichten des Herstellers gehen, lässt sich
nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entscheiden (vgl.
OLG Frankfurt, VersR 1991, 1184, 1185; Burckhardt, aaO, S. 1604; Dietborn/Müller,
BB 2007, 2358, 2360). Zur Abwendung von Gefahren, die Dritten durch die
Nutzung von Produkten bekannter oder zumindest ermittelbarer Abnehmer
drohen, kann es auch in Fällen erheblicher Gefahren vielfach genügen, dass
der Hersteller die betreffenden Abnehmer über die Notwendigkeit einer
Nachrüstung oder Reparatur umfassend informiert und ihnen, soweit
erforderlich, seine Hilfe anbietet, um sie in die Lage zu versetzen, die
erforderlichen Maßnahmen in geeigneter Weise auf ihre Kosten durchzuführen
(vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 6. März 1980 - 6 U 128/79 [bei Schmidt-Salzer,
Entscheidungssammlung Produkthaftung, Band III, 1982, S. 543, 548]; OLG
Frankfurt, VersR 1996, 982, 983). Je nach Lage des Falles kann auch eine
Aufforderung zur Nichtbenutzung oder Stilllegung gefährlicher Produkte (vgl.
LG Frankfurt/M., aaO, S. 1576; Dietborn/Müller, aaO, S. 2360),
gegebenenfalls in Verbindung mit öffentlichen Warnungen und der Einschaltung
der zuständigen Behörden (vgl. Frick/Kluth, PHI 2006, 206, 209 f.), als
geeignete Maßnahme zum Schutz vor drohenden Gefahren in Betracht kommen und
ausreichend sein (vgl. zur Herstellung einer Siloanlage aufgrund
Werkvertrags Senatsurteil vom 8. Juli 1960 - VI ZR 159/59 - aaO; zur
Produkthaftung Burckhardt, VersR 2007, 1601, 1603 und 1605 f.; Foerste, aaO,
§ 24, Rn. 271).
14 d) Unter den Umständen des Streitfalles hat das Berufungsgericht eine
deliktsrechtliche Verpflichtung der Beklagten, die Pflegebetten auf eigene
Kosten nachzurüsten, mit Recht verneint.
15 aa) Allerdings kann eine deliktische Pflicht nicht schon mit der Erwägung
des Berufungsgerichts verneint werden, eine konkrete Gefahr für Leib und
Leben der Nutzer der Betten habe im Streitfall von vornherein nicht
bestanden (vgl. auch LG Arnsberg, aaO). Da im Revisionsrechtszug zu
unterstellen ist, dass die Pflegebetten aus der Produktion der Beklagten
stammten und die von den Behörden beanstandeten konstruktiven
Sicherheitsmängel aufwiesen, bestand zumindest der ernstliche Verdacht der
Brandgefahr und des Risikos von Einklemmungen der Pflegebedürftigen. Den
somit zu befürchtenden Gefahren für Leib und Leben der Nutzer musste die
Beklagte in geeigneter Weise begegnen. Der Hersteller darf nicht abwarten,
bis erhebliche Schadensfälle eingetreten sind, bevor er Gegenmaßnahmen
ergreift. Auch muss eine Gefahr, wenn sie Abwehrpflichten auslösen soll,
nicht schon konkret greifbar sein (vgl. Senatsurteil BGHZ 80, 186, 191 f.;
MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, § 823, Rn. 602; Bamberger/Roth/Spindler, BGB,
Stand: 1.10.2007, § 823, Rn. 518; Rettenbeck, Die Rückrufpflicht in der
Produkthaftung, 1994, S. 63 ff.). Das gilt insbesondere dann, wenn - wie
hier - eine konstruktionsbedingte und damit eine nicht etwa nur auf
Ausreißer beschränkte Gefährlichkeit im Raum steht (vgl. Graf von Westphalen,
DB 1999, 1369).
16 bb) Entgegen der Auffassung der Revision war die Beklagte gleichwohl
nicht zur Nachrüstung der betreffenden Pflegebetten verpflichtet, denn eine
solche Maßnahme war nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen
unter den besonderen Umständen des Streitfalls im Interesse der Effektivität
der Gefahrenabwehr jedenfalls nicht erforderlich. Da die Klägerin und die
Zedentin zum Zeitpunkt der Nachrüstung umfassend über die bestehenden
Gefahren und über die Möglichkeiten ihrer Beseitigung informiert waren,
konnten und mussten sie aufgrund ihrer eigenen
sozialversicherungsrechtlichen Leistungsverpflichtungen die
Pflegebedürftigen versorgen und diese vor drohenden Gefahren schützen, denn
der Anspruch von Pflegebedürftigen umfasst gemäß § 40 Abs. 3 Satz 3 SGB XI
auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von
Pflegehilfsmitteln. Dass beide Pflegekassen diesen Verpflichtungen nicht
uneingeschränkt nachkommen würden, war, wie die Revision einräumt, nicht zu
besorgen. Folglich bedurfte es zur Gewährleistung eines effektiven
Schutzes der Pflegebedürftigen nicht einer Nachrüstung der Betten durch die
Beklagte.
17 cc) Hinzu kommt, dass etwaige deliktische Verkehrspflichten der Beklagten
auch inhaltlich nicht auf die Nachrüstung der Betten gerichtet sein könnten.
Deliktsrechtlich schuldete sie nicht die Bereitstellung mangelfreier,
benutzbarer Pflegebetten. Die Beklagte hatte aufgrund ihrer
produkthaftungsrechtlichen Verantwortung vielmehr lediglich dafür Sorge zu
tragen, dass die von den Betten ausgehenden Gefahren für die Gesundheit der
Betroffenen möglichst effektiv beseitigt wurden (vgl. etwa OLG Düsseldorf,
NJW-RR 1997, 1344, 1346; Foerste, aaO, § 39, Rn. 8; Pieper, BB 1991, 985,
988 f.; Droste, aaO, S. 236 ff.). Sie hatte dagegen nicht die allein den
Pflegekassen nach § 40 Abs. 3 Satz 3 SGB XI obliegende Versorgung der
Pflegebedürftigen mit in jeder Hinsicht funktionsfähigen Pflegebetten
sicherzustellen, selbst wenn die Pflegebedürftigen auf die Betten angewiesen
waren.
18 e) Entgegen der Auffassung der Revision kann eine deliktische
Verpflichtung der Beklagten, die Betten auf eigene Kosten nachzurüsten, auch
nicht mit der Erwägung begründet werden, dass es dem Hersteller nicht
erlaubt sein dürfe, im Falle eines Konstruktionsfehlers seine Verantwortung
durch eine Warnung auf den Produktnutzer abzuwälzen, weil nicht die Warnung
allein die Gefahrenlage beseitige, sondern erst der Verzicht auf die
Produktbenutzung oder die Reparatur.
19 Soweit die Revision sich auf die in der Literatur vertretene Auffassung
stützt, wonach dem Erwerber bzw. Nutzer eines fehlerhaften Produkts die
Gefahrbeseitigung durch Instandsetzung auf eigene Kosten oder durch
Nichtnutzung jedenfalls dann nicht zumutbar sei, wenn Konstruktions- oder
Fertigungsfehler vorlägen und der Hersteller dadurch seine Verkehrspflichten
beim Inverkehrbringen des Produkts verletzt habe (vgl. MünchKomm-BGB/Wagner,
aaO, § 823, Rn. 605 f.; J. Hager, VersR 1984, 799, 804 f.; Mayer, DB 1985,
319, 324 f.; G. Hager, aaO, S. 406; Rettenbeck, aaO, S. 79 ff.; Bodewig, aaO,
S. 277; Schwenzer, JZ 1987, 1059, 1060 ff.; Michalski, BB 1998, 961, 965),
kann ihr nicht gefolgt werden. Sie verkennt, dass der Hersteller aufgrund
der deliktischen Produzentenhaftung und damit auch seiner etwaigen Pflichten
zum Produktrückruf regelmäßig nur die von dem fehlerhaften Produkt
ausgehenden Gefahren für die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter so
effektiv wie möglich und zumutbar ausschalten muss, nicht aber dem Erwerber
oder Nutzer ein fehlerfreies, in jeder Hinsicht gebrauchstaugliches Produkt
zur Verfügung zu stellen und so sein Interesse an dessen ungestörter Nutzung
und dessen Wert oder die darauf gerichtete Erwartung des Erwerbers
(Nutzungs- und Äquivalenzinteresse) zu schützen hat (vgl. BGH, Urteil vom
12. Februar 1992 - VIII ZR 276/90 - VersR 1992, 837, 840 [insoweit in BGHZ
117, 183 nicht abgedruckt]; OLG Celle, Urteil vom 24. Januar 1979 - 13 U
153/78 [bei Schmidt-Salzer, Entscheidungssammlung Produkthaftung, Band III,
1982, S. 453, 455 f.]; LG Frankfurt/M., aaO, S. 1575; Anwaltkommentar
BGB/Katzenmeier, 2005, § 823, Rn. 320; Klindt, GPSG, 2007, § 2, Rn. 104;
Droste, aaO, S. 236 f.; Foerste, aaO, § 24, Rn. 277; Medicus, Schuldrecht
II, Bes. Teil, 13. Aufl., Rn. 106; Die-derichsen, NJW 1978, 1281, 1286 in
Fn. 89; Stoll, JZ 1983, 501, 503; Brüggemeier, ZHR 152 [1988], 511, 526;
Pieper, aaO, S. 988, 991; Spindler, NJW 2004, 3145, 3148; vgl. auch
Senatsurteil vom 28. Oktober 1986 - VI ZR 254/85 - VersR 1987, 159, 160;
BGH, BGHZ 39, 366, 368). Der Schutz solcher Interessen muss vielmehr
grundsätzlich, abgesehen etwa von Sonderfällen vorsätzlicher Schädigung i.
S. v. § 826 BGB, der Vertragsordnung vorbehalten bleiben (vgl. Senatsurteile
BGHZ 80, 186, 189; 86, 256, 259; 146, 144, 149 m.w.N.; BGH, BGHZ 117, 183,
187 f.).
20 Welche Konsequenzen sich aus diesen Grundsätzen für die Rückrufpflichten
von Herstellern im Allgemeinen ergeben, kann dahin stehen. Im Streitfall
begründeten sie jedenfalls keine deliktischen Herstellerpflichten zur
Nachrüstung gegenüber den Pflegebedürftigen als Produktnutzern oder den
Pflegekassen als Erwerbern der Betten (für Pflichten des Herstellers allein
gegenüber Eigentümern oder dinglich Berechtigten am gefährlichen Produkt
Rettenbeck, aaO, S. 115 f.; Mayer, aaO, S. 323; a. A. MünchKomm-BGB/Wagner,
aaO, § 823, Rn. 605; Herrmann, BB 1985, 1801, 1806). Eine Verpflichtung der
Beklagten zur Nachrüstung bestand nicht etwa deshalb, weil den Pflegekassen
die Instandsetzung der Betten oder - falls möglich - eine Ersatzbeschaffung
nicht zumutbar gewesen wäre. Dies war schon deshalb nicht der Fall, weil die
Pflegekassen den Pflegebedürftigen gegenüber vorliegend
sozialversicherungsrechtlich zur Gefahrenabwehr verpflichtet waren. Zudem
ist kein Raum dafür, die nur durch das Vertragsrecht geschützten Interessen
der Pflegekassen an uneingeschränkter Verwendbarkeit der Betten allein aus
Zumutbarkeitsge-sichtspunkten dem Schutz der Deliktsordnung zuzuführen (vgl.
Senatsurteil BGHZ 86, 256, 259).
21 3. Eine Rechtspflicht der Beklagten zur Nachrüstung bestand auch nicht
aufgrund einer Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB für zum Zeitpunkt der
Nachrüstung etwa bereits eingetretene Schäden an Rechtsgütern von
Pflegebedürftigen, die die betreffenden Pflegebetten nutzten.
22 a) Da sich die Risiken der von der Klägerin oder der Zedentin erworbenen
Pflegebetten nicht verwirklicht haben, fehlt es insoweit bereits an einer
dafür erforderlichen (vgl. etwa Foerste, aaO, § 39, Rn. 2; Droste, aaO, S.
228; Pieper, aaO, S. 989) Rechtsgutsverletzung sowie an einem
Schadenseintritt. Dass die Pflegebedürftigen die Betten nicht in vollem
Umfang bestimmungsgemäß nutzen konnten, begründet selbst dann keinen
Gesundheitsschaden, wenn sie auf die Nutzung angewiesen und auf dem Markt
sichere Pflegebetten nicht in ausreichender Zahl verfügbar waren.
Dementsprechend ist auch nicht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHG
erfüllt, der ebenfalls die Verletzung von Körper oder Gesundheit
voraussetzt.
23 b) Rechtsgutsverletzung und Schadenseintritt können entgegen der
Auffassung der Revision auch nicht mit der Begründung bejaht werden, es
stehe, weil Schadensverhütung der Schadensregulierung vorgehe, die konkrete
Gefährdung eines deliktisch geschützten Rechtsguts dem schon erfolgten
Schadenseintritt gleich, woraus sich ein Anspruch auf Beseitigung der
Gefährdung nach § 823 Abs. 1 BGB ergebe (vgl. J. Hager, aaO, S. 802; ebenso
LG Hamburg, VersR 1994, 299; vgl. auch Pauli, PHI 1985, 134, 145).
Unabhängig davon, ob diesem Ansatz grundsätzlich gefolgt werden könnte
(dagegen Foerste, aaO, § 39, Rn. 2 ff.; Beck, aaO, S. 138 ff.; Kreidt, aaO,
S. 217), hat im Streitfall eine solche Gefahr jedenfalls nicht bestanden.
Zudem wäre - wie oben dargelegt - ein etwaiger Anspruch auf
Gefahrbeseitigung grundsätzlich nicht auf Nachrüstung der Betten gerichtet
gewesen.
24 c) Anderes lässt sich vorliegend auch nicht damit begründen, dass vor
einem Schadensfall getätigte Aufwendungen für Maßnahmen zur Abwendung einer
unmittelbar bevorstehenden Verletzung eines der in § 823 Abs. 1 BGB
genannten Rechtsgüter als Schaden im Sinne dieser Vorschrift einzuordnen und
zu ersetzen sein können (vgl. Senatsurteile BGHZ 32, 280, 285; 75, 230, 237;
BGH, BGHZ 59, 286, 288; 80, 1, 6 f.; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 823, Rn.
454; Stoll, Festgabe für Weitnauer, 1980, S. 411, 420; von Caemmerer, Ges.
Schriften III, 1983, S. 226, 234 f.). Voraussetzung dafür wäre jedenfalls
die drohende und auf andere Weise nicht zu verhindernde Verletzung von
Rechtsgütern i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB (vgl. BGB-RGRK/Steffen, aaO). Ein
solcher Fall liegt nicht vor, wenn, wie hier, der Schadenseintritt schon
dadurch ohne weiteren Aufwand vermeidbar ist, dass der umfassend über die
Gefährdung informierte Abnehmer oder Benutzer auf die Benutzung der
gefährlichen Sache verzichtet (vgl. Stoll, JZ 1983, 501, 503 f.; ders.,
Festschrift Lange, 1992, S. 729, 739, 745 f.; Foerste, aaO, § 39, Rn. 2 ff.;
ders., DB 1999, 2199, 2200; Rolland, Produkthaftungsrecht, Teil II, Rn. 50
f.; Koch, Produkthaftung, 1995, S. 353: anders OLG Karlsruhe, VersR 1986,
1125, 1127; OLG München, VersR 1992, 1135; G. Hager, AcP 184 [1984], 413,
422 ff.; Schwenzer, aaO, S. 1060 f.; Graf von Westphalen, DB 1990, 1370).
Der sich daraus ergebende Nachteil der Pflegekassen, die erworbenen
Pflegebetten für die Versorgung der Pflegebedürftigen nicht weiter einsetzen
zu können, sondern zur Ersatzbeschaffung bzw. Nachrüstung gezwungen zu sein,
betrifft - wie ausgeführt - allein das deliktisch nicht geschützte
Nutzungsinteresse der Kassen.
25 4. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte schließlich keine eigenen oder
von der Zedentin abgetretenen außervertraglichen Ansprüche auf Nachrüstung
bzw. Kostenübernahme zu, insbesondere keine Schadensersatzansprüche nach §
823 Abs. 1 BGB aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des Eigentums an den
Pflegebetten, auch wenn dem Hersteller deliktische Pflichten zum Schutz vor
Beschädigung oder Zerstörung (hier etwa durch einen Brand) nicht nur in
Bezug auf durch Konstruktions- oder Herstellungsmängel gefährdete andere
Sachen des Erwerbers, sondern auch zur Erhaltung der von ihm hergestellten
Sache selbst aufgegeben sein können (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 86, 256,
258 und vom 24. März 1992 - VI ZR 210/91 - VersR 1992, 758, 759 m.w.N.; BGH,
BGHZ 67, 359, 364 f.). Deckt sich der geltend gemachte Schaden nämlich mit
dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit schon bei ihrem
Erwerb anhaftete, ist er allein auf enttäuschte Vertragserwartungen
zurückzuführen, und es ist insoweit für deliktische Schadensersatzansprüche
kein Raum (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 86, 256, 259; 146, 144, 148; BGH,
BGHZ 117, 183, 187 f.). So liegt der Fall hier, weil die Pflegebetten im
Zeitpunkt der Nachrüstung keine weiteren Schäden aufwiesen als die geltend
gemachten - gegebenenfalls von Anfang an bestehenden - Sicherheitsrisiken
(vgl. Senatsurteile vom 18. Januar 1983 - VI ZR 270/80 - VersR 1983, 346 und
vom 14. Mai 1985 - VI ZR 168/83 - VersR 1985, 837, 838; OLG Hamburg, Urteil
vom 6. März 1980 [aaO, S. 543]; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1344, 1346;
Droste, aaO, S. 224 f.; Hübner, VersR 1985, 701, 708; Foerste, aaO, § 24,
Rn. 284; ders., DB 1999, 2199, 2200).
III. 26 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
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