Produzentenhaftung:
Produktfehler nach § 3 ProdHaftG; Fabrikationsfehler, Konstruktionsfehler
und Instruktionsfehler; keine Haftung für "Entwicklungsfehler";
Kausalitätsnachweis bei Instruktionsfehlern
BGH, Urteil vom 16. Juni
2009 - VI ZR 107/08
Fundstelle:
NJW 2009, 2952
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Zur Haftung eines Fahrzeugherstellers
für die Fehlauslösung von Airbags.
Zentrale Probleme:
Eine sehr lehrreiche Entscheidung zum
ProdHaftG, welche lehrbuchartige Abgrenzungen von Fabrikationsfehler,
Konstruktionsfehlern und Instruktionsfehlern enthält. Lesen! S. auch
BGH NJW 2009,
1669,
BGH NJW 2009, 1080 sowie
BGH v. 25.2.2014 - VI
ZR 144/13.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin eines Pkw auf Zahlung von
Schmerzensgeld und auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige
materielle und immaterielle Schäden in Anspruch.
2 Am 24. April 2003 kam es zu einer Fehlauslösung der beiden Seitenairbags
an der Fahrerseite des vom Kläger gefahrenen, am 10. März 2000 erstmals zum
Verkehr zugelassenen Pkw der Marke BMW, Modell 330 D, Limousine.
3 Der Kläger behauptet, der Thorax- und der Kopfairbag seien beim
Durchfahren eines Schlaglochs bzw. beim Ausweichen auf das unbefestigte
Fahrbahnbankett ausgelöst worden und hätten ihn an der Halsschlagader
verletzt. In der Folge habe er einen Hirninfarkt erlitten.
4 Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der vom erkennenden
Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
5 Das Berufungsgericht hält, sachverständig beraten, eine Haftung der
Beklagten nach dem Produkthaftungsgesetz nicht für gegeben. Ein
Fabrikationsfehler scheide aus, weil sich das Airbagsystem entsprechend
seiner Konstruktion verhalten habe. Die Fehlauslösung der Airbags sei auf
starke Schläge gegen den Unterboden des Fahrzeugs zurückzuführen. Hierdurch
sei es zu Schwingungen gekommen, die einem Crash-Impuls sehr ähnlich seien.
Ein Konstruktionsfehler des Fahrzeugs sei nicht gegeben, da die
Fehlauslösung der Airbags nach dem Stand der Technik nicht zu verhindern
gewesen sei. Auf vorhandene technische Möglichkeiten der Optimierung des
Airbagsystems komme es nicht an, weil diese aufwändig, kostenintensiv und
nicht Stand der Technik seien. Den Hersteller treffe nicht die Pflicht, alle
konstruktiv möglichen und denkbaren Sicherheitsvorkehrungen zu ergreifen.
6 Auch ein Instruktionsfehler der Beklagten bei Inverkehrgabe des Fahrzeugs
sei nicht festzustellen. Die Beklagte habe frühestens am 3. August 2000
Kenntnis von der Möglichkeit einer Fehlauslösung von Seitenairbags mit
elektronischen Sensoren im streitgegenständlichen Fahrzeug erlangt. Erst zu
diesem Zeitpunkt sei ihr der Forschungsbericht der Bundesanstalt für
Straßenwesen zugänglich gemacht worden, in dem 692 Unfälle analysiert
wurden, bei denen Fehlfunktionen von Airbags vermutet wurden. Die Beklagte
habe zwar aufgrund von Fehlauslösungen der Seitenairbags bei
Vorgängermodellen des im Streit stehenden Fahrzeugs in Mexiko und den USA im
Jahr 1999 eine Rückrufaktion durchgeführt und die betroffenen Fahrzeuge mit
einer geänderten Steuergerätesoftware versehen. In das im Streit stehende
Fahrzeug sei jedoch eine ab September 1999 verwendete, nochmals veränderte
Steuergerätesoftware eingebaut worden, weshalb die Beklagte darauf habe
vertrauen dürfen, dass das Risiko von Fehlauslösungen nunmehr beseitigt sei.
7 Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte
habe insbesondere nicht ihre Pflicht zur Reaktion auf bei der
Produktbeobachtung gewonnene Erkenntnisse verletzt. Dem Forschungsbericht
der Bundesanstalt für Straßenwesen habe sie nicht entnehmen müssen, dass
auch bei Fahrzeugen der betroffenen Baureihe aus ihrer Produktion eine
Gefahr von Fehlauslösungen bestehe, weil die Software regelmäßig dem
Fahrzeugtyp angepasst sei und Anhaltspunkte für eine Vergleichbarkeit der
Problemlagen gefehlt hätten. Ohnehin habe allenfalls eine Pflicht der
Beklagten zur Warnung bestanden. Es könne aber nicht hinreichend sicher
davon ausgegangen werden, dass eine Warnung den Unfall des Klägers
verhindert hätte.
II.
8 Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
stand.
9 1. Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen bereits gegen die vom
Berufungsgericht auch für den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch
herangezogene Anspruchsgrundlage. Eine Haftung der Beklagten aus dem
Produkthaftungsgesetz kommt nur hinsichtlich des den Gegenstand der
Feststellungsklage bildenden Anspruchs auf Ersatz künftiger materieller
Schäden in Betracht. Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz immaterieller
Schäden kann sich dagegen nur auf der Grundlage der deliktischen
Produkthaftung ergeben. Die eine Entschädigung auch für
Nichtvermögensschäden vorsehende Bestimmung des § 8 Satz 2 ProdHaftG ist im
Streitfall nicht anwendbar. Sie ist erst durch das Zweite Gesetz zur
Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl.
2002 Teil I, S. 2674 ff.) in das Produkthaftungsgesetz eingefügt worden und
gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB nur anzuwenden, wenn das schädigende
Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist. Diese Voraussetzung ist
vorliegend nicht erfüllt. Unter schädigendem Ereignis im Sinne der genannten
Bestimmung ist nämlich nicht der Eintritt der Rechtsgutsverletzung, sondern
die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung, d.h. das Inverkehrbringen
des Produkts zu verstehen, auf das es gemäß § 16 ProdHaftG auch für den
intertemporalen Anwendungsbereich des Produkthaftungsgesetzes ankommt (vgl.
Wagner, Das neue Schadensersatzrecht, 2002, Rn. 84 ff.; MünchKomm/Wagner,
BGB, 5. Aufl., Einl. ProdHaftG Rn. 21; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl.,
Art. 229 § 8 EGBGB Rn. 2). Jede andere Auslegung der Übergangsregelung liefe
dem Willen des Gesetzgebers zuwider, haftungsrechtliche Rückwirkungen zum
Nachteil möglicher Schädiger zu verhindern (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 44
zu Art. 12; Wagner, aaO, Rn. 85; ders., NJW 2002, 2049, 2064).
10 Das Berufungsgericht hat zwar keine Feststellungen dazu getroffen, wann
der streitgegenständliche PKW in den Verkehr gebracht wurde. Dieser
Zeitpunkt liegt aber jedenfalls vor der Erstzulassung am 10. März 2000.
11 2. Die Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen nicht die
Annahme, das Fahrzeug des Klägers habe im Zeitpunkt der Inverkehrgabe keinen
Produktfehler aufgewiesen.
12 a) Gemäß § 3 Abs. 1 ProdHaftG hat ein Produkt einen Fehler, wenn es
nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände,
insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise
gerechnet werden kann, sowie des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr
gebracht wurde (vgl. § 3 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ProdHaftG),
berechtigterweise erwartet werden kann. Abzustellen ist dabei nicht
auf die subjektive Sicherheitserwartung des jeweiligen Benutzers, sondern
objektiv darauf, ob das Produkt diejenige Sicherheit bietet, die die in dem
entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält
(vgl. BT-Drucks. 11/2447, S. 18; Senatsurteil vom 17. März 2009 - VI ZR
176/08 - VersR 2009, 649 f. m.w.N.; OLG Köln, VersR 2007, 1003; OLG
Schleswig, NJW-RR 2008, 691, 692; Palandt/Sprau aaO, § 3 ProdHaftG Rn. 3;
Kullmann, ProdHaftG, 5. Aufl., § 3 Rn. 4 ff.). Die nach § 3 Abs. 1
ProdHaftG maßgeblichen Sicherheitserwartungen beurteilen sich grundsätzlich
nach denselben objektiven Maßstäben wie die Verkehrspflichten des
Herstellers im Rahmen der deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB
(vgl. Senatsurteil vom 17. März 2009 - VI ZR 176/08 - aaO; BT-Drucks.
11/2447, S. 18; MünchKomm/Wagner, aaO, § 3 ProdHaftG Rn. 3; Staudinger/Oechsler,
BGB (2009), Einl. ProdHaftG Rn. 33, § 3 ProdHaftG Rn. 13, 19; Müller, VersR
2004, 1073, 1074). Der im Rahmen der deliktischen Produkthaftung
entwickelte Fehlerbegriff sollte durch das Produkthaftungsgesetz keine
Änderung erfahren (vgl. BT-Drucks. 11/2447, S. 18; MünchKomm/Wagner, aaO;
Staudin-ger/Oechsler, aaO, § 3 ProdHaftG Rn. 13, 19, 103).
Dementsprechend ist auch die Unterscheidung von Fabrikations-,
Konstruktions- und Instruktionsfehlern, die im Rahmen der deliktischen
Produkthaftung der Kategorisierung der konkreten Verkehrspflichten dient,
nicht gegenstandslos geworden (vgl. Senatsurteil BGHZ 129, 353, 359;
MünchKomm/Wagner, aaO, Einl. ProdHaftG Rn. 15, § 3 ProdHaftG Rn. 3, 29;
Staudinger/Oechsler, aaO, Einl. ProdHaftG Rn. 38 ff., § 3 ProdHaftG Rn. 1,
12, 103; Müller, aaO; Kullmann, aaO, § 3 Rn. 9 ff.). Auf sie nimmt das
Produkthaftungsgesetz bei der Haftungsbegründung vielmehr Bezug (vgl. etwa
für den Entwicklungsfehler § 1 Abs. 2 Nr. 5, für den Konstruktionsfehler § 1
Abs. 3 und für den Instruktionsfehler § 3 Abs. 1 lit. a ProdHaftG sowie
Staudinger/Oechsler, aaO).
13 b) Die Revision wendet sich nicht gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, das Fahrzeug des Klägers habe im Zeitpunkt der
Inverkehrgabe keinen Fabrikationsfehler aufgewiesen. Diese Annahme
des Berufungsgerichts lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
14 c) Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht dagegen das Vorliegen
eines Konstruktionsfehlers. Seine Ausführungen lassen nicht erkennen,
welchen rechtlichen Maßstab es bei der Prüfung der Frage angelegt hat, ob
das Airbagsystem des Unfallfahrzeugs den rechtlich gebotenen konstruktiven
Erfordernissen genügt. Sie sind darüber hinaus in sich widersprüchlich.
15 aa) Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn das Produkt schon seiner
Konzeption nach unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt (vgl.
Foerste in v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 2. Aufl. Bd. 1, § 24 Rn.
59; MünchKomm/Wagner, aaO, § 823 Rn. 628, 646; Kullmann, aaO, § 3 Rn. 13;
Palandt/Sprau, aaO, § 3 ProdHaftG Rn. 8). Zur Gewährleistung der
erforderlichen Produktsicherheit hat der Hersteller bereits im Rahmen der
Konzeption und Planung des Produkts diejenigen Maßnahmen zu treffen, die zur
Vermeidung einer Gefahr objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben
zumutbar sind (vgl. Senatsurteil vom 17. März 2009 - VI ZR 176/08 - aaO,
S. 650; Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung - Stand September 2008 - Bd. I
Kza 1515 S. 7; Foerste, aaO, § 24 Rn. 1; Kötz, Festschrift für W. Lorenz,
1991, S. 109, 115, 118).
16 (1) Erforderlich sind die Sicherungsmaßnahmen, die nach dem im
Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts vorhandenen neuesten Stand der
Wissenschaft und Technik konstruktiv möglich sind (Senatsurteile BGHZ
104, 323, 326; 129, 353, 361; vom 17. Oktober 1989 - VI ZR 258/88 - VersR
1989, 1307, 1308; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Band III/1, 1. Teil, Rn.
4.764; Hörl, Die unvertretbare Gefahr im deutschen Produkthaftungsrecht,
1999, S. 123; Kötz, aaO, S. 115) und als geeignet und genügend
erscheinen, um Schäden zu verhindern (vgl. Kullmann/Pfister, aaO, Kza
1515 S. 8 f. m.w.N.). Dabei darf der insoweit maßgebliche Stand der
Wissenschaft und Technik nicht mit Branchenüblichkeit gleichgesetzt werden;
die in der jeweiligen Branche tatsächlich praktizierten
Sicherheitsvorkehrungen können durchaus hinter der technischen Entwicklung
und damit hinter den rechtlich gebotenen Maßnahmen zurückbleiben (vgl.
Senatsurteile vom 17. Oktober 1989 - VI ZR 258/88 - aaO, S. 1308; vom 27.
September 1994 - VI ZR 150/93 - VersR 1994, 1481, 1482; BGH, Urteil vom 28.
September 1970 - VIII ZR 166/68 - VersR 1971, 80, 82; OLG Schleswig aaO, S.
692; Schmidt-Salzer, aaO, 1. Teil, Rn. 4.762 f., 4.791; Hörl, aaO, S. 124).
Die Möglichkeit der Gefahrvermeidung ist gegeben, wenn nach gesichertem
Fachwissen der einschlägigen Fachkreise praktisch einsatzfähige Lösungen zur
Verfügung stehen (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 1957 - VI ZR 120/56 -
VersR 1957, 584; MünchKomm/Wagner, aaO, § 823 Rn. 629, 646, § 3 ProdHaftG
Rn. 31; Kullmann, aaO, § 3 Rn. 13; Schmidt-Salzer, aaO, Rn. 4.748 f., 4.772
f.; Hörl, aaO, S. 124). Hiervon kann grundsätzlich erst dann ausgegangen
werden, wenn eine sicherheitstechnisch überlegene Alternativkonstruktion zum
Serieneinsatz reif ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 1957 - VI ZR
120/56 - aaO; MünchKomm/Wagner, aaO, § 823 Rn. 629, 646, § 3 ProdHaftG Rn.
31; Schmidt-Salzer, aaO, Rn. 4.748 f., 4.772 f.; Foerste, aaO, § 24 Rn. 92;
Hörl, aaO, S. 124 f.). Der Hersteller ist dagegen nicht dazu
verpflichtet, solche Sicherheitskonzepte umzusetzen, die bisher nur "auf dem
Reißbrett erarbeitet" oder noch in der Erprobung befindlich sind (vgl.
Schmidt-Salzer, aaO, Rn. 4.748 f.).
17 Sind bestimmte mit der Produktnutzung einhergehende Risiken nach dem
maßgeblichen Stand von Wissenschaft und Technik nicht zu vermeiden, ist
unter Abwägung von Art und Umfang der Risiken, der Wahrscheinlichkeit ihrer
Verwirklichung und des mit dem Produkt verbundenen Nutzens zu prüfen, ob das
gefahrträchtige Produkt überhaupt in den Verkehr gebracht werden darf
(vgl. dazu Senatsurteil vom 11. Juli 1972 - VI ZR 194/70 - VersR 1972, 1075,
1076, insoweit in BGHZ 59, 172 nicht abgedruckt; BGH, BGHZ 64, 46, 48;
MünchKomm/Wagner aaO, § 3 ProdHaftG Rn. 32; vgl. Foerste, aaO, § 24 Rn. 50,
85, 98; Kullmann/Pfister, aaO, Kza 1520, S. 38; Schmidt-Salzer, aaO, Rn.
4.687 f., 4.779; Meyer, Instruktionshaftung, 1992, S. 6).
18 (2) Die Frage, ob eine Sicherungsmaßnahme nach objektiven Maßstäben
zumutbar ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des
Einzelfalls beurteilen (vgl. Senatsurteile BGHZ 104, 323, 329; vom 23.
Oktober 1984 - VI ZR 85/83 - VersR 1985, 64, 65 und vom 17. Oktober 1989 -
VI ZR 258/88 - VersR 1989, 1307, 1308; Foerste, aaO, § 24 Rn. 51; Kull-mann/Pfister,
aaO, Kza 1515, S. 9; Schmidt-Salzer, aaO, Rn. 4.836). Maßgeblich ist
insbesondere die Größe der vom Produkt ausgehenden Gefahr (vgl. Senatsurteil
BGHZ 80, 186, 192). Je größer die Gefahren sind, desto höher sind die
Anforderungen, die in dieser Hinsicht gestellt werden müssen
(Senatsurteile vom 26. Mai 1954 - VI ZR 4/53 - VersR 1954, 364, 365 und vom
17. März 2009 - VI ZR 176/08 - aaO; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 116, 60, 67
f. und BVerfG, NJW 1997, 249). Bei erheblichen Gefahren für Leben und
Gesundheit von Menschen sind dem Hersteller weitergehende Maßnahmen zumutbar
als in Fällen, in denen nur Eigentums- oder Besitzstörungen oder aber nur
kleinere körperliche Beeinträchtigungen zu befürchten sind (vgl.
Senatsurteile BGHZ 99, 167, 174 f.; vom 31. Oktober 2006 - VI ZR 223/05 -
VersR 2007, 72, 73; vom 17. März 2009 - VI ZR 176/08 - aaO). Maßgeblich
für die Zumutbarkeit sind darüber hinaus die wirtschaftlichen Auswirkungen
der Sicherungsmaßnahme, im Rahmen derer insbesondere die
Verbrauchergewohnheiten, die Produktionskosten, die Absatzchancen für ein
entsprechend verändertes Produkt sowie die Kosten-Nutzen-Relation (vgl.
auch den so genannten risk-utility-test nach US-amerikanischem Recht, dazu
MünchKomm/Wagner, aaO, § 823 Rn. 630, § 3 ProdHaftG Rn. 31 f.; Wagner/Witte,
ZEuP 2005, 895, 903; Hörl aaO, S. 130 ff.; Kötz aaO, S. 116) zu
berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile BGHZ 51, 91, 108; 104, 323,
329; vom 17. Mai 1957 - VI ZR 120/56 - VersR 1957, 584; vom 23. Oktober 1984
- VI ZR 85/83 - VersR 1985, 64 und vom 17. Oktober 1989 - VI ZR 258/88 -
VersR 1989, 1307, 1308; OLG Frankfurt, VersR 1993, 845, 846 f.; MünchKomm/Wagner,
aaO, § 823 Rn. 620, 630, § 3 ProdHaftG Rn. 31 f.; Staudinger/Oechsler aaO, §
3 ProdHaftG Rn. 87; Schmidt-Salzer, aaO, Rn. 4.836; Kullmann/Pfister, aaO,
Kza 1515, S. 9 f.; Foerste, aaO, § 24 Rn. 51 f.; Hörl aaO, S. 130 ff.; Kötz
aaO, S. 115).
19 (3) Angesichts der mit Fehlauslösungen von Airbags verbundenen
Gefahren für Leib und Leben der Nutzer und Dritter haben Automobilhersteller
dementsprechend das Risiko, dass es in den von ihnen produzierten Fahrzeugen
zu derartigen Fehlfunktionen kommt, in den Grenzen des technisch Möglichen
und wirtschaftlich Zumutbaren mittels konstruktiver Maßnahmen auszuschalten.
20 bb) Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen nicht erkennen, ob es
die vorstehend dargelegten Grundsätze beachtet hat. Das Berufungsgericht
geht ersichtlich davon aus, dass ergänzende Sicherheitsvorkehrungen im
Streitfall technisch möglich waren. Denn es nimmt ausdrücklich Bezug auf die
Angaben des Sachverständigen im Beweissicherungsgutachten unter Ziff. 5.3.
Danach verfügen Fahrzeughersteller grundsätzlich über Möglichkeiten,
Fehlauslösungen von Front- oder Seitenairbags zu verhindern. Es sei möglich,
Ultraschallsensoren rund um das Fahrzeug anzubringen, die den Kontakt mit
einem Gegenstand sensieren und die zusätzlich zu den bereits bestehenden
Sensoren vor der Auslösung der Airbags abgefragt würden. Dementsprechend
befasst sich das Berufungsgericht auch mit der Frage, in welchem Umfang der
Hersteller verpflichtet ist, technisch mögliche Maßnahmen zu ergreifen.
Seine in diesem Zusammenhang getroffene Aussage, es gebe keine Verpflichtung
des Produzenten, alle konstruktiv möglichen Sicherheitsvorkehrungen zu
treffen, die Sicherheitsvorkehrungen müssten nur dem Stand der Technik
entsprechen, ist aber in sich widersprüchlich. Gefahrvermeidungsmaßnahmen,
die technisch möglich sind, gehen begrifflich nicht über den Stand von
Wissenschaft und Technik hinaus. Es liegt deshalb nahe, dass das
Berufungsgericht den Begriff des technisch Möglichen verkannt oder unter dem
vom Hersteller zu beachtenden neuesten Stand von Wissenschaft und Technik
rechtsfehlerhaft eine dahinter zurückbleibende Branchenüblichkeit verstanden
und nur die Branchenüblichkeit zusätzlicher Sicherheitsvorkehrungen verneint
hat.
21 Wollte das Berufungsgericht hingegen die technische Realisierbarkeit
eines sicherheitstechnisch überlegenen Alternativkonzepts verneinen, fehlt
es sowohl an - die erforderliche Abwägung ermöglichenden - tatsächlichen
Feststellungen als auch an der in erster Linie dem Tatrichter obliegenden
(vgl. BGH, BGHZ 64, 46, 48) Würdigung, ob der Pkw mit den Seitenairbags
trotz der Gefahr von Fehlauslösungen überhaupt in den Verkehr gebracht
werden durfte. Wollte das Berufungsgericht die wirtschaftliche Zumutbarkeit
zusätzlicher Sicherheitsvorkehrungen verneinen, was seine Ausführungen nahe
legen, die vom Sachverständigen beschriebenen Systeme seien aufwändig und
kostenintensiv, fehlt es an den eine Beurteilung dieser Frage ermöglichenden
Feststellungen.
22 d) Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht auch eine Haftung
der Beklagten wegen eines Instruktionsfehlers bei Inverkehrgabe des
Fahrzeugs. Es hat die Voraussetzungen eines nach dem Stand von
Wissenschaft und Technik nicht vorhersehbaren Entwicklungsfehlers, für den
die Beklagte nicht einzustehen hat, nicht richtig beurteilt (vgl. zum
Entwicklungsfehler Senatsurteile BGHZ 51, 91, 105; 80, 186, 197; 105, 346,
354; 129, 353, 358 f.; 163, 209, 222 f. und vom 11. Juni 1996 - VI ZR 202/95
- VersR 1996, 1116, 1117).
23 aa) Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings eine Haftung
der Beklagten wegen eines Instruktionsfehlers grundsätzlich in Betracht
gezogen. Zur Gewährleistung der erforderlichen Produktsicherheit hat der
Hersteller nämlich diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach den
Gegebenheiten des konkreten Falles zur Vermeidung einer Gefahr objektiv
erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind (vgl.
Senatsurteil vom 17. März 2009 - VI ZR 176/08 - aaO; Kullmann/Pfister, aaO,
Bd. I Kza 1515 S. 7; Foerste, § 24 Rn. 1). Lassen sich mit der Verwendung
eines Produkts verbundene Gefahren nach dem Stand von Wissenschaft und
Technik durch konstruktive Maßnahmen nicht vermeiden oder sind konstruktive
Gefahrvermeidungsmaßnahmen dem Hersteller nicht zumutbar und darf das
Produkt trotz der von ihm ausgehenden Gefahren in den Verkehr gebracht
werden, so ist der Hersteller grundsätzlich verpflichtet, die Verwender des
Produkts vor denjenigen Gefahren zu warnen, die bei bestimmungsgemäßem
Gebrauch oder nahe liegendem Fehlgebrauch drohen und die nicht zum
allgemeinen Gefahrenwissen des Benutzerkreises gehören (vgl.
Senatsurteile BGHZ 105, 346, 351; 106, 273, 283; 116, 60, 65, 67; vom 7.
Juli 1981 - VI ZR 62/80 - NJW 1981, 2514, 2515; vom 7. Oktober 1986 - VI ZR
187/85 - NJW 1987, 372, 373; vom 27. September 1994 - VI ZR 150/93 - VersR
1994, 1481, 1483 und vom 18. Mai 1999 - VI ZR 192/98 - VersR 1999, 890, 891;
BGH, BGHZ 64, 46, 49; Foerste, aaO, § 24 Rn. 171 ff., 225; MünchKomm/Wagner,
aaO, § 823 Rn. 636, 638; Kullmann/Pfister, aaO, Kza 1520, S. 38 ff.;
Schmidt-Salzer, aaO, Rn. 4.780, 4.1114; Staudinger/Oechsler, aaO, § 3
ProdHaftG, Rn. 46 ff.; Taschner/Frietsch, aaO, Einführung Rn. 61, 73, 74;
Meyer, aaO, 1992, S. 5 ff.; Hörl, aaO, S. 134 ff.; Fürer, Die
zivilrechtliche Haftung für Raucherschäden, 2005, S. 121 f.). Denn den
Verwendern des Produkts muss eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber
ermöglicht werden, ob sie sich in Anbetracht der mit dem Produkt verbundenen
Vorteile den mit seiner Verwendung verbundenen Gefahren aussetzen wollen
(vgl. BGHZ 64, 46, 49; Foerste, aaO, § 24 Rn. 173, 225; Schmidt-Salzer, aaO,
Rn. 4.780, 4.1114). Sie müssen darüber hinaus in die Lage versetzt werden,
den Gefahren soweit wie möglich entgegenzuwirken (vgl. BGH, BGHZ 64, 46, 49;
Foerste, aaO, § 24 Rn. 173; Meyer aaO, S. 8; Fürer aaO, S. 121 f.).
24 Inhalt und Umfang der Instruktionspflichten im Einzelfall werden
wesentlich durch die Größe der Gefahr und das gefährdete Rechtsgut bestimmt
(vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 273, 283; vom 16. Dezember 2008 - VI ZR
170/07 -VersR 2009, 272; BVerfG, VersR 1998, 58; MünchKomm/Wagner, aaO, §
823 Rn. 639; Meyer, aaO, S. 112 f.; Hörl, aaO, S. 138 ff.; Möllers, VersR
2000, 1177, 1181). Je größer die Gefahren sind, desto höher sind die
Anforderungen, die in dieser Hinsicht gestellt werden müssen (Senatsurteile
vom 26. Mai 1954 - VI ZR 4/53 - VersR 1954, 364, 365 und vom 17. März 2009 -
VI ZR 176/08 - aaO; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 116, 60, 67 f. und BVerfG,
NJW 1997, 249). Ist durch ein Produkt die Gesundheit oder die körperliche
Unversehrtheit von Menschen bedroht, ist schon dann eine Warnung
auszusprechen, wenn aufgrund eines ernst zu nehmenden Verdachts zu
befürchten ist, dass Gesundheitsschäden entstehen können (vgl. Senatsurteile
BGHZ 80, 186, 192; 106, 273, 283; Hörl, aaO, S. 140).
25 Feststellungen, die eine Beurteilung der Frage erlauben, ob nach diesen
Grundsätzen eine Aufklärung über die Risiken von Fehlauslösungen der
Air-bags im Streitfall rechtlich geboten war, hat das Berufungsgericht - aus
seiner Sicht folgerichtig (vgl. bb)) - nicht getroffen.
26 bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte treffe mangels
Kenntnis von der Möglichkeit der Fehlauslösung von Seitenairbags im
streitgegenständlichen Fahrzeug keine Haftung, ist aber von Rechtsfehlern
beeinflusst.
27 (1) Allerdings ist sowohl die auf die deliktische Produkthaftung als
auch die auf das Produkthaftpflichtgesetz gestützte Ersatzpflicht des
Herstellers ausgeschlossen, wenn der den Schaden verursachende Fehler des
Produkts im Zeitpunkt seiner Inverkehrgabe nach dem damaligen Stand von
Wissenschaft und Technik nicht erkennbar war (sogenannter
Entwicklungsfehler). Für die deliktische Produkthaftung ergibt sich
dies daraus, dass es im Falle eines Entwicklungsfehlers an der für einen
Ersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB erforderlichen objektiven
Pflichtwidrigkeit des Herstellers fehlt (vgl. Senatsurteile BGHZ 51, 91,
105; 80, 186, 196 f.; 105, 346, 354; 163, 209, 222 f. und vom 11. Juni 1996
- VI ZR 202/95 - VersR 1996, 1116, 1117; MünchKomm/Wagner, aaO, § 823 Rn.
626; Foerste, aaO, § 24 Rn. 83; Staudinger/J. Hager, BGB, Bearb. 1999, § 823
Rn. F 19; Schmidt-Salzer, aaO, Rn. 4.1116 f.; Bamberger/Roth/Spindler, BGB,
2. Aufl., § 823 Rn. 493; G. Hager, PHI 1991, 2, 6). Für auf das
Produkthaftpflichtgesetz gestützte Ansprüche folgt dies aus § 1 Abs. 2 Nr. 5
ProdHaftG (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 129, 353, 359; BT-Drucks.
11/2447, S. 15; Kullmann, aaO, § 1 Rn. 68; MünchKomm/Wagner, aaO, § 1
ProdHaftG Rn. 49 ff.; Staudinger/Oechsler, aaO, § 1 ProdHaftG Rn. 118 ff.;
Taschner/Frietsch aaO, § 1 ProdHaftG Rn. 106). Diese Bestimmung ist auch auf
Instruktionsfehler anwendbar (vgl. MünchKomm/Wagner, aaO, § 1 ProdHaftG Rn.
52; Staudinger/Oechsler, aaO, § 1 ProdHaftG Rn. 119; Fürer, aaO, S. 120; G.
Hager, PHI 1991, 2, 5 f.). Denn im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift,
die Haftung für sogenannte Entwicklungsrisiken auszuschließen und die
Verantwortlichkeit des Herstellers auf den Erkenntnisstand zum Zeitpunkt des
Inverkehrbringens des Produkts zu beschränken (vgl. BGHZ 129, 353, 358
f.; BT-Drucks. 11/2447, S. 16), ist ein Haftungsausschluss auch dann
geboten, wenn sich die Instruktion aufgrund einer nach dem Stand von
Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Inverkehrgabe nicht erkennbaren
Gefahr als fehlerhaft erweist. Dem steht nicht das Senatsurteil vom 9.
Mai 1995 (BGHZ 129, 353) entgegen. In dieser Entscheidung wurde lediglich
der Fabrikationsfehler in Form des sogenannten Ausreißers vom
Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG ausgenommen. Aussagen zum
Instruktionsfehler wurden dagegen nicht getroffen.
28 Sowohl im Rahmen der deliktischen als auch der auf das
Produkthaftpflichtgesetz gestützten Haftung setzt die Annahme eines
Entwicklungsfehlers voraus, dass die potenzielle Gefährlichkeit des Produkts
im Zeitpunkt seiner Inverkehrgabe nach dem damaligen Stand von Wissenschaft
und Technik nicht erkannt werden konnte, weil die Erkenntnismöglichkeiten
(noch) nicht weit genug fortgeschritten waren (vgl. zum ProdHaftG:
Senatsurteil BGHZ 129, 353, 359; BT-Drucks. 11/2447, S. 15; Kullmann, aaO, §
1 Rn. 68; Staudin-ger/Oechsler, aaO, § 1 ProdHaftG Rn. 111 ff.; Taschner/Frietsch,
aaO, § 1 ProdHaftG Rn. 106; vgl. zur deliktischen Produkthaftung
Senatsurteil BGHZ 105, 346, 354; OLG Hamburg, VersR 1984, 793; Staudinger/J.
Hager, BGB, Bearb. 1999, § 823 Rn. F 19; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2.
Aufl., § 823 Rn. 493; Wieckhorst, Recht und Ökonomie des
Produkthaftungsgesetzes, 1994, S. 117; Kullmann, NZV 2002, 1, 4). Dabei ist
unter potenzieller Gefährlichkeit des Produkts nicht der konkrete Fehler des
schadensstiftenden Produkts, sondern das zugrunde liegende allgemeine, mit
der gewählten Konzeption verbundene Fehlerrisiko zu verstehen (vgl. BGHZ
129, 353, 359; Staudinger/Oechsler, aaO, § 1 ProdHaftG Rn. 120; Foerste JZ
1995, 1063). Für die Erkennbarkeit maßgeblich ist das objektiv
zugängliche Gefahrenwissen; auf die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des
einzelnen Herstellers kommt es nicht an (vgl. zum ProdHaftG: BT-Drs.
11/2447, S. 15; EuGH, Slg. 1997, I-2649, 2670 - Kommission/Vereinigtes
Königreich; MünchKomm/Wagner, aaO, Einl. ProdHaftG Rn. 15, § 1 ProdHaftG Rn.
53; Staudinger/Oechsler, aaO, § 1 Prod-HaftG Rn. 126 f.; Kullmann, aaO, § 1
Rn. 67; Taschner/Frietsch, aaO, § 1 ProdHaftG Rn. 104; zur deliktischen
Produkthaftung: Kullmann/Pfister, aaO, Kza 1520, S. 15; MünchKomm/Wagner,
aaO, Einl. ProdHaftG Rn. 15; Graf v. Westphalen, aaO, § 72 Rn. 80). Der im
Rahmen der deliktischen Produkthaftung relevante Maßstab für die objektiv zu
bestimmende Erkennbarkeit des Fehlers und damit für die objektive
Pflichtwidrigkeit unterscheidet sich insoweit nicht vom Maßstab des § 1 Abs.
2 Nr. 5 ProdHaftG (vgl. Kullmann, aaO, § 1 Rn. 69; Staudinger/Oechsler, aaO,
Einl. ProdHaftG Rn. 33, 41, § 1 ProdHaftG Rn. 122, 125; MünchKomm/Wagner,
aaO, Einl. ProdHaftG Rn. 15; Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch,
Bd. 2, 1999, § 72 Rn. 80; Kötz, aaO, S. 113 ff.; vgl. auch BT-Drs. 11/2447,
S. 15; Buchner, DB 1988, 32, 33).
29 Die Beweislast für den Entwicklungsfehler trägt sowohl im Rahmen der
deliktischen Haftung wegen Verletzung der Instruktionspflicht bei
Inverkehrgabe des Produkts als auch im Rahmen des Produkthaftungsgesetzes
der Hersteller (vgl. zum ProdHaftG dessen § 1 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 4
Satz 2 sowie Staudin-ger/Oechsler, aaO, § 1 ProdHaftG Rn. 170; vgl. zur
deliktischen Haftung: Senatsurteile BGHZ 51, 91, 105 f.; 116, 60, 72 f.; vom
11. Juni 1996 - VI ZR 202/95 - VersR 1996, 1116, 1117; vom 18. Mai 1999 - VI
ZR 192/98 - VersR 1999, 890, 891; BGH, BGHZ 67, 359, 362; Staudinger/J.
Hager, BGB, Bearb. 1999, § 823 Rn. F 44; MünchKomm/Wagner, aaO, § 823 Rn.
662).
30 (2) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei der Prüfung, ob sich im
Streitfall ein Entwicklungsfehler realisiert hat, nicht beachtet. Es hat
sich aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass
die Beklagte erst nach Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs
Kenntnis von der Möglichkeit der Fehlauslösung von Seitenairbags mit
elektronischen Sensoren in diesem Fahrzeug erlangt hat. Denn erst am 3.
August 2000 sei ihr der - Hinweise auf Fehlauslösungen von Seitenairbags
enthaltende - Forschungsbericht der Bundesanstalt für Straßenwesen
zugänglich gemacht worden. Dabei hat das Berufungsgericht, wie die Revision
mit Erfolg geltend macht, verkannt, dass es nicht auf die subjektiven
Erkenntnismöglichkeiten des einzelnen Herstellers, sondern darauf ankommt,
ob die Erkenntnisse objektiv zugänglich waren, und dementsprechend keine
Feststellungen zu der maßgeblichen Frage getroffen, ob im Zeitpunkt der
Inverkehrgabe des Unfallfahrzeugs Erkenntnisse über mögliche Fehlauslösungen
von Seitenairbags mit elektronischen Sensoren objektiv verfügbar waren (vgl.
in diesem Zusammenhang auch BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 56/05 -
Airbag-Auslösesteuerung, z.V.b.).
31 Das Berufungsgericht hat darüber hinaus verkannt, dass es im Rahmen der
Feststellung eines Entwicklungsfehlers nicht auf die Erkennbarkeit des
konkreten Fehlers des schadensstiftenden Erzeugnisses, sondern auf die
Erkennbarkeit der potenziellen Gefährlichkeit des Produkts, d.h. des mit der
gewählten Konzeption allgemein verbundenen Fehlerrisikos ankommt. Das
zugrunde liegende allgemeine Fehlerrisiko war der Beklagten nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts aber bekannt. Danach wusste sie im
Zeitpunkt der Inverkehrgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs von der
Gefahr, dass es in von ihr produzierten und mit Airbags mit elektronischen
Sensoren ausgestatteten Limousinen der 3er-Reihe zu Fehlauslösungen der
Seitenairbags kommen könnte. Denn sie hatte im Mai 1999 das mit dem
Airbag-Mehrfach-Rückhaltesystem MRS 2 mit elektronischen Sensoren
ausgestattete Vorgängermodell des streitgegenständlichen Fahrzeugs
zurückgerufen, um durch Einbau einer geänderten Steuergeräte-Software
Fehlauslösungen von Seitenairbags zu verhindern. Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts war ihr lediglich nicht bewusst, dass sie die Gefahr von
Fehlauslösungen auch durch Einbau des weiterentwickelten Airbagsystems mit
geänderter Steuergerätesoftware (Mehrfach-Rückhaltesystem MRS 3) nicht
beseitigt hatte, sie also trotz aller technischen Bemühungen noch keine
Problemlösung zur Vermeidung der bekannten Gefahr gefunden hatte. Die
unzutreffende Annahme des Herstellers, eine bekannte Gefahr durch
konstruktive Verbesserungen des bestehenden Systems behoben zu haben, reicht
aber nicht aus, um einen Entwicklungsfehler anzunehmen, für den der
Hersteller nicht einzustehen hat.
III.
32 Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann (§§ 562
Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat
auf Folgendes hin:
33 1. Sollte es für die neue Entscheidung auf den Ursachenzusammenhang
zwischen einer etwaigen Verletzung von Instruktionspflichten und der
Fehlauslösung der Airbags ankommen, wird das Berufungsgericht zu beachten
haben, dass der Geschädigte zwar grundsätzlich die Beweislast dafür trägt,
dass der eingetretene Schaden durch eine ausreichende Warnung vor dem Risiko
vermieden worden wäre. Doch kann, wenn nicht konkrete Umstände des Falles
für das Gegenteil sprechen, eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass
ein deutlicher und plausibler Hinweis auf das bestehende Risiko von dem
Adressaten der Warnung beachtet worden wäre (vgl. Senatsurteile BGHZ
116, 60, 73; vom 7. Dezember 1993 - VI ZR 74/93 - VersR 1994, 319, 322; vom
2. März 1999 - VI ZR 175/98 - VersR 1999, 888, 889; OLG Karlsruhe, VersR
1998, 63, 64 f.).
34 2. Sollte es im weiteren Verfahren auf etwaige deliktische Pflichten der
Beklagten zur Reaktion auf nach Inverkehrgabe des betroffenen Fahrzeugs
erkennbar gewordene Gefahren des betroffenen Airbagsystems ankommen, wird
das Berufungsgericht zu beachten haben, dass Inhalt und Umfang der
Reaktionspflichten des Herstellers nicht davon abhängen, ob sich ein
Entwicklungsfehler verwirklicht hat oder nicht (vgl. Senatsurteil vom 16.
Dezember 2008 - VI ZR 170/07 - VersR 2009, 272 f. m.w.N.). Maßgeblich ist
insoweit vielmehr, welche Maßnahmen erforderlich sind, um durch § 823 Abs. 1
BGB geschützte Rechtsgüter effektiv vor Produktgefahren zu bewahren
(ebenda). |