(Un-)Vererblichkeit des Anspruchs auf
Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
auch bei Erbfall nach Rechtshängigkeit; IPR: Abgrenzung
Erbstatut/Einzelstatut des vererbbaren Rechts
BGH, Urteil vom 23. Mai 2017 - VI ZR
261/16 - OLG Düsseldorf
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Der Anspruch auf
Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich
nicht vererblich. Dies gilt auch, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des
Geschädigten anhängig oder rechtshängig geworden ist (Fortführung von
BGH, Urteil vom 29. April 2014 - VI ZR 246/12, BGHZ
201, 45 ff.).
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung ergänzt
BGHZ 201, 45.
Dort hatte der Senat festgehalten, dass ein Anspruch
auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
nicht vererblich ist (s. dazu die dortige Anm.). In der vorliegenden
Entscheidung wird die damals offengelassene Frage behandelt, ob dies anders
ist, wenn der Geschädigte den Anspruch bereits rechtshängig gemacht hatte
(was der Senat verneint). Lehrreich sind die grundsätzlichen Ausführungen
über die Rechtshängigkeit. Er stellt aber zugleich klar, dass ein vor dem
Tod durch rechtskräftige Leistungsklage bestätigter Anspruch übergeht. Dann
hat nämlich der Erblasser die Genugtuung, der dieser dient, erlebt.
Der Fall enthält auch eine international-privatrechtliche Komponente: Bei
der Frage der Vererbbarkeit kommt es nicht auf das auf die Erbfolge
anwendbare Recht (Erbstatut) an, sondern sie unterliegt dem Recht, dem der
jeweilige Gegenstand unterliegt (s. dazu bereits BGH,
Beschluss vom 3. Dezember 2014 - IV ZB 9/14, NJW 2015, 623). Daher prüft
der BGH auch das auf den (unterstellten) Anspruch auf Geldentschädigung
anwendbare Recht. Dabei kann er nicht auf die
Rom II-VO zurückgreifen, weil diese nach deren Art. 1 Abs. 2 lit. g
sachlich nicht auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen anwendbar ist. Das
anwendbare Recht folgt hier vielmehr aus Art. 40 EGBGB.
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©sl 2017
Tatbestand:
1 Die Klägerin macht als
Rechtsnachfolgerin ihres im Laufe des Verfahrens verstorbenen Ehemannes, des
staatenlosen ursprünglichen Klägers D. (nachfolgend: Erblasser), einen
Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts durch mehrere von der Beklagten im Internet
veröffentlichte Artikel geltend. Im Revisionsverfahren ist nur noch der
Artikel vom 14. Mai 2010 von Interesse.
2 Der 1920 in der Ukraine geborene Erblasser kämpfte im zweiten Weltkrieg in
der Roten Armee, ehe er in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet. Gegen ihn
war erstmals in den 1970er-Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika der
Verdacht aufgekommen, er sei als Kollaborateur der Nationalsozialisten an
der Massenermordung von Juden in Konzentrationslagern beteiligt gewesen. In
Israel wurde ihm wegen des Vorwurfs, in den Jahren 1942 und 1943 im
Vernichtungslager Treblinka tätig gewesen zu sein, der Prozess gemacht.
Dieser endete mit einem Freispruch. Im Mai 2011 verurteilte ihn das
Landgericht München II wegen von März bis September 1943 im
Vernichtungslager Sobibor erfolgter 16facher Beihilfe zum Mord an 28.060
vornehmlich aus den Niederlanden stammenden Juden zu einer Freiheitsstrafe.
Sowohl der Erblasser als auch die Staatsanwaltschaft legten Revision ein,
über die nicht mehr entschieden wurde, weil der Erblasser am 17. März 2012
starb.
3 Die Beklagte berichtete in dem von ihr betriebenen Internetportal
regelmäßig unter voller Namensnennung über das Strafverfahren, unter anderem
am 14. Mai 2010 unter der Überschrift "Vor Gericht spielt er den
bettlägrigen, alten Mann. D. singt und lacht im Knast". Mit der im November
2011, also noch zu seinen Lebzeiten zugestellten Klage nahm der Erblasser
die Beklagte im Hinblick auf diesen und eine Reihe weiterer dort
veröffentlichter Artikel wegen Verletzung seines allgemeinen
Persönlichkeitsrechts auf Zahlung einer GeldentSchädigung in Höhe eines
Mindestbetrages von 5.100 € nebst Zinsen in Anspruch. Die Klägerin führt den
Prozess als Alleinerbin fort. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die
Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht
bezogen auf den Streit über den am 14. Mai 2010 veröffentlichten Artikel
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Nach Ansicht des Berufungsgerichts wäre ein Anspruch des Erblassers auf
Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach dem
maßgeblichen deutschen Recht mangels Vererblichkeit nicht im Wege der
Erbfolge auf die Klägerin übergegangen. Der Anspruch auf Geldentschädigung
sei auch dann nicht vererblich, wenn er vor dem Eintritt des Erbfalles
bereits rechtshängig gemacht worden sei. Denn die Rechtshängigkeit stelle
kein besonderes Kriterium dar, das eine Ausnahme vom Grundsatz der
Unvererblichkeit des Anspruchs erfordere. Eine Analogie zu § 847 Abs. 1 Satz
2 BGB aF, wonach der Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld bei
einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der
Freiheitsentziehung nicht übertragbar sei und nicht auf die Erben übergehe,
es sei denn, dass er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden sei
(§ 847 BGB in der Fassung vom 1. Januar 1964), komme nicht in Betracht, weil
eine nicht mehr geltende Norm nicht analog angewendet werden könne und sie
keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz enthalten habe. Soweit die Rechtsprechung
diese Norm zur Zeit ihrer Geltung entsprechend herangezogen habe, sei dies
nur zur Begründung der Unübertragbarkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung
erfolgt, nicht aber zur Begründung der Unvererblichkeit bzw. der Ausnahme
davon nach Rechtshängigkeit. Diesbezüglich sei eine Analogie schon vor der
Abschaffung dieser Norm nicht anerkannt gewesen. Der Vererblichkeit eines
rechtshängig gemachten Anspruchs auf Geldentschädigung stünden damit dessen
Natur, Zweck und Funktion entgegen.
5 Besondere Umstände, die eine Ausnahme vom Grundsatz der Unvererblichkeit
des Geldentschädigungsanspruchs geboten erscheinen ließen, seien nicht
ersichtlich. Der Präventionsgedanke stehe im Streitfall nicht im
Vordergrund, weil es sich entgegen der Auffassung der Klägerin um keinen
Fall der Zwangskommerzialisierung des Persönlichkeitsrechts handele. Es gebe
keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im Zeitpunkt der
Berichterstattung ein baldiges Versterben des Klägers ins Kalkül gezogen und
deswegen leichtfertig dessen Persönlichkeitsrecht der Berichterstattung
geopfert habe. Die Dauer des Rechtsstreits sei nicht auf von der Beklagten
verursachte Verzögerungen zurückzuführen.
6 Entgegen der Auffassung der Klägerin gelange ein materieller Anspruch, auf
den es in Abgrenzung zum prozessualen Anspruch allein ankomme, durch
Geltendmachung im Prozess nicht in eine "rechtliche Sicherheitsstufe". Die
Grundrechte, das Unionsrecht und die Europäische Menschenrechtskonvention
erforderten ebenfalls keine andere Beurteilung.
II.
7 Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein
Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts grundsätzlich selbst dann nicht vererblich ist, wenn
der Erblasser erst nach Rechtshängigkeit des Anspruchs, aber vor dessen
rechtskräftiger Zuerkennung stirbt.
8 1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist das
Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der von der Klägerin geltend
gemachte Anspruch gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB iVm Art. 1 Abs. 2 lit. g
der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates
über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom
II-VO; ABl. 2007 L 199 S. 40) nach deutschem Recht zu beurteilen ist.
9 2. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob dem Erblasser aufgrund des
Artikels vom 14. Mai 2010 gegen die Beklagte wegen einer Verletzung seines
allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1
Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Geldentschädigung zustand. Dies ist daher im
Revisionsverfahren zu Gunsten der Klägerin zu unterstellen.
10 3. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein solcher
- unterstellter - Anspruch nicht im Erbwege auf die Klägerin übergangen
wäre.
11 a) Die Frage, ob ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen
Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich ist, richtet sich auf der
Grundlage des für das Rechtsverhältnis maßgebenden Einzelstatuts
(vgl. BGH, Beschluss vom 3.
Dezember 2014 - IV ZB 9/14, NJW 2015, 623 Rn. 28 mwN;
Staudinger/Dörner, BGB, 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 135; BeckOK-BGB/Lorenz, Art.
25 EGBGB Rn. 31 [Stand: 1. November 2015]; MünchKomm-BGB/Dutta, 6. Aufl.,
Art. 25 EGBGB Rn. 196) ebenfalls nach deutschem Recht. Auch dagegen wendet
sich die Revision nicht.
12 b) Der erkennende Senat hat im Urteil vom 29. April 2014 (VI
ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn. 8 ff. - Berichterstattung
über trauernden Entertainer) klargestellt, dass der Anspruch auf
Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts grundsätzlich nicht vererblich ist. Dies gilt
jedenfalls dann, wenn der Erblasser vor Rechtshängigkeit des anhängig
gemachten Anspruchs stirbt (ebenso Senatsurteil vom 29. November 2016 - VI
ZR 530/15, VersR 2017, 301 Rn. 8). Soweit sich die Revision gegen dieses
Urteil wendet (so auch BeckOGK/Preuß, § 1922 Rn. 353.1 [Stand: 1. März
2017]; Beuthien, GRUR 2014, 957 ff.; Ludyga, ZUM 2014, 706 f.; MünchKomm-BGB/Leipold,
7. Aufl., § 1922 Rn. 121 f.; Schubert, JZ 2014, 1056 ff.; Staudinger/Kunz,
BGB, 2017, § 1922 Rn. 311 ff.; Staudinger/Melestean, Jura 2016, 783, 789
ff.), sieht der Senat keine Veranlassung, davon abzurücken. Mit ihren
Argumenten hat sich der Senat bereits in dieser Entscheidung
auseinandergesetzt.
13 c) Die Frage, ob der Geldentschädigungsanspruch auch dann unvererblich
ist, wenn der Erblasser erst nach dessen Rechtshängigkeit stirbt, konnte der
erkennende Senat dort offenlassen (aaO, Rn. 25; ebenso schon zu § 847 Abs. 1
Satz 2 BGB aF Senatsurteil vom 4. Juni 1974 - VI ZR 68/73, GRUR 1974, 797,
800 - Fiete Schulze). Die Frage ist jetzt in dem Sinne zu
entscheiden, dass die Rechtshängigkeit keine Ausnahme von der
grundsätzlichen Unvererblichkeit dieses Anspruchs rechtfertigt
(ohne Differenzierung zwischen rechtshängigen und nicht rechtshängigen
Ansprüchen gegen die Vererblichkeit auch BeckOK/Bamberger, BGB, § 12 Rn. 118
[Stand: 1. Februar 2017]; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und
Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 1011 ff.; Erman/Klass, BGB, 14.
Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 320; Fechner, Medienrecht, 17. Aufl., Kap. 4 Rn.
157; jurisPK-BGB/Vieweg/Lorz, § 253 Rn. 47 [Stand: 1. Dezember 2016]; Müller
in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 51 Rn.
28; Löffler/Steffen, Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 344;
NK-BGB/Katzenmeier, 3. Aufl., § 823 Rn. 245; Palandt/Weidlich, BGB, 76.
Aufl., § 1922 Rn. 36; PWW/Zimmer, BGB, 11. Aufl., § 1922 Rn. 48; Ricker in
Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts, 6. Aufl., 44. Kap. Rn. 43b;
offen gelassen von BeckOK InfoMe-dienR/Söder, § 823 BGB Rn. 306 [Stand: 1.
Februar 2017]; gegen einen Einfluss des Verfahrensstandes auch Staudinger/Melestean,
Jura 2016, 783, 790; für eine Vererblichkeit nach Rechtshängigkeit Burkhardt
in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14
Rn. 140; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 23;
wohl auch Geiger, jurisPR-FamR 22/2014, Anm. 1 [sub. D.]; Beater,
Medienrecht, 2. Aufl., Rn. 2166).
-
14 aa) Der erkennende Senat hält daran fest, dass sich aus der
Streichung des bis zum 30. Juni 1990 geltenden § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB -
ebenso wie aus der Streichung des § 34 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGSG
(Gesetz über den Bundesgrenzschutz in der Fassung vom 26. Juni 1981, BGBl. I
S. 553, beide gestrichen durch Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen
Gesetzbuches und anderer Gesetze vom 14. März 1990, BGBl. I S. 478) und des
§ 1300 Abs. 2 BGB (§ 1300 aufgehoben durch Art. 1 Nr. 1 Gesetz zur
Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998, BGBl. I S. 833) - kein
Wille des Gesetzgebers ableiten lässt, den Anspruch auf Geldentschädigung
wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vererblich
auszugestalten (Senatsurteil
vom 29. April 2014 - VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn. 14
ff.; BT-Drucks. 11/4415, S. 1, 4; kritisch Ludyga, ZUM 2014, 706 f.;
Cronemeyer, AfP 2012, 10, 12). Erst recht lässt sich deshalb kein
Wille des Gesetzgebers feststellen, dass ein grundsätzlich unvererblicher
Anspruch im Falle seiner Rechtshängigkeit entsprechend § 847 Abs. 1 Satz 2
BGB aF ausnahmsweise vererblich sein solle. Die Begründung des
Regierungsentwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung
schadensersatzrechtlicher Vorschriften, durch das der Schmerzensgeldanspruch
vom Deliktsrecht (§ 847 BGB aF) in das allgemeine Schadensrecht (§ 253 Abs.
2 BGB) überführt wurde, stellt ausdrücklich klar, dass der auf den
Schutzauftrag aus Artikel 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgehende Anspruch auf
Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von
den §§ 847, 253 BGB geltenden Rechts unabhängig ist, so dass Änderungen
dieser Vorschriften ihn auch nicht tangieren können (BT-Drucks. 14/7752, S.
24 f.).
15 bb) Die Rechtsordnung enthält keinen allgemeinen Grundsatz, aus
dem die Vererblichkeit rechtshängig gemachter Ansprüche ableitbar wäre.
16 (1) Materiellrechtlich entfaltet die Rechtshängigkeit zwar
rechtserhaltende Wirkungen, wenn eine Rechtsnorm die Durchsetzbarkeit oder
den Bestand eines Rechts, regelmäßig eines Anspruchs, ausschließt, sofern
das Recht nicht innerhalb einer bestimmten Frist rechtshängig gemacht wird
(vgl. Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 262 Rn. 6 ff.; Assmann
in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 262 Rn. 9; Foerste in Musielak/Voit,
ZPO, 14. Aufl., § 262 Rn. 1). Motiv dieses Zusammenspiels von Rechtsverlust
und Rechtserhalt ist typischerweise, dass der Schuldner oder Rechtsgegner
nach einer bestimmten Zeit Klarheit darüber erhalten soll, ob das Recht
verfolgt wird oder nicht. Besonders deutlich wird dies am Hemmungstatbestand
des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Da die Verjährungsvorschriften dem
Rechtsfrieden, der Rechtsklarheit und dem Zweck dienen, den Schuldner vor
Beweisnöten zu bewahren, die mit einem zu langen zeitlichen Abstand zum
Entstehen des Anspruchsgrunds eintreten können (vgl. BGH, Beschluss vom 3.
Dezember 2014 - XII ZB 181/13, NJW 2015, 1014 Rn. 46; Urteil vom 22. April
2010 - Xa ZR 73/07, NJW 2011, 218 Rn. 25; jeweils mwN), verjährt ein
Anspruch nicht, wenn er innerhalb der laufenden Verjährungsfrist gerichtlich
geltend gemacht wird. Entsprechendes gilt für andere Normen, die für die
gerichtliche Geltendmachung eine bestimmte Frist setzen (vgl. etwa § 562b
Abs. 2 Satz 2, § 801 Abs. 1 Satz 3, § 864 Abs. 1, § 977 Satz 2, § 1002 Abs.
1, § 1965 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 440 Abs. 3 HGB). Bei der Frage der
Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des
Persönlichkeitsrechts stellt sich dieser Regelungszusammenhang aber nicht.
Hier geht es nicht darum, dass der Anspruch aus Gründen des
Rechtsfriedens, der Rechtsklarheit oder zum Schutz des Verletzers zu
Lebzeiten des Verletzten geltend gemacht werden muss, um Rechtsnachteile zu
verhindern. Vielmehr folgt die Unvererblichkeit unabhängig von der
Schutzwürdigkeit des Verletzers oder des Rechtsverkehrs aus der Funktion
dieses Geldentschädigungsanspruchs (vgl. Senatsurteil vom 29. April
2014 - VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn. 17 ff.).
17 (2) Der Rechtshängigkeit kann zwar auch eine rechts(ver)stärkende
Wirkung zukommen (vgl. Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl.,
§ 262 Rn. 11; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 262 Rn. 16). Soweit man
§ 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und § 1300 Abs. 2 BGB eine solche Wirkung
entnahm, ist diese aber bereits durch deren Streichung gegenstandslos
geworden. Abgesehen davon wurde mit § 847 Abs. 1 Satz 2 aF BGB nicht das
Ziel verfolgt, einen grundsätzlich unvererblichen Anspruch ausnahmsweise
vererblich auszugestalten. Vielmehr schuf der historische Gesetzgeber diese
Norm, weil er es als etwas Anstößiges ansah, den Erben die Verfolgung eines
Anspruchs zu gestatten, an dessen Geltendmachung der Verletzte vielleicht
nicht dachte, sei es, weil er den betreffenden Schaden gar nicht empfunden
hatte, sei es, weil er aus persönlichen Rücksichten die Angelegenheit auf
sich beruhen zu lassen wünschte. Nur aus Gründen praktischer Zweckmäßigkeit
zur Vermeidung der sonst zu besorgenden Streitigkeiten hielt es der
Gesetzgeber für ratsam, den Übergang des Anspruchs auf die Erben nicht schon
dann zuzulassen, wenn der Verletzte die Geldentschädigung nur
außergerichtlich verlangt hatte, sondern nur dann, wenn der Anspruch
vertragsmäßig anerkannt oder rechtshängig geworden war (Jakobs/Schubert, Die
Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, §§
652-853, 1983, 25. Titel, Unerlaubte Handlungen, 1. Kommission, Prot I 2836;
siehe auch Motive, Bd. 3, S. 802 = Mug-dan, Die gesamten Materialien zum
Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. II, S. 448; dazu ferner
Senatsurteil vom 6. Dezember 1994 - VI ZR 80/94, NJW 1995, 783). Dem Erben
sollte mithin nur dann die Anspruchsverfolgung gestattet werden, wenn
erstens der Wille des Verletzten hierzu klar erkennbar war und zweitens
Streit über die Äußerung dieses Willens ausgeschaltet werden konnte (so der
Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze, BT-Drucks. 11/5423, S. 4).
18 cc) Für die Frage, ob der Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich vererblich ist, ist
deshalb sowohl vor als auch nach der Rechtshängigkeit allein dessen Funktion
maßgebend. Der erkennende Senat hat bereits mehrfach klargestellt, dass bei
der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren
Persönlichkeitsrechtsverletzung - anders als beim Schmerzensgeld -
regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht (vgl.
Senatsurteile vom 29. April
2014 - VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn. 18; vom 6. Dezember
2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 206; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03,
BGHZ 160, 298, 302; jeweils mwN), während der Präventionsgedanke die
Gewährung einer Geldentschädigung nicht alleine zu tragen vermag
(vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn. 19;
vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 207; vom 5. März 1974 -
VI ZR 228/72, VersR 1974, 756, 758). Der Senat
hat deshalb für die Frage der Vererblichkeit eines bereits anhängigen
Entschädigungsanspruchs ausgeführt, dass die Anhängigkeit einer auf
Geldentschädigung gerichteten Klage nichts daran ändert, dass die von der
Geldentschädigung bezweckte Genugtuung mit dem Tod des Verletzten an
Bedeutung verliert (Senatsurteil
vom 29. April 2014 - VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 Rn. 24).
Aus dem Gedanken der Genugtuung folgt weiter, dass auch ein rechtshängiger
Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts nicht vererblich ist. Denn ebenso wenig wie
der Erblasser Genugtuung bereits mit der Einreichung der Klage erlangt,
erlangt er sie mit deren Zustellung (vgl. Stender-Vorwachs, NJW
2014, 2831, 2833; MünchKomm-BGB/Leipold, 7. Aufl., § 1922 Rn. 122; Geiger,
jurisPR-FamR 22/2014 Anm. 1 [sub. C.]; Spickhoff, LMK 2014, 359158 [sub.
2]). Sie tritt erst mit der rechtskräftigen Zuerkennung eines Anspruchs auf
Geldentschädigung ein. Denn mit der Rechtskraft und nicht - wie die
Revision meint - mit der Zustellung der Klage, mit der allenfalls eine
Aussicht auf Genugtuung entsteht, wird eine gesicherte Position erlangt.
Der Senat hat in dem Urteil vom 29. April 2014 (VI ZR 246/12, aaO, Rn. 18)
formuliert, sterbe der Erblasser, bevor sein Entschädigungsanspruch
erfüllt worden sei, verliere die mit der Geldentschädigung bezweckte
Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Daraus kann nicht abgeleitet
werden, Genugtuung werde erst mit der Erfüllung erlangt (aA
Spickhoff, LMK 2014, 359158 [sub. 2.]; Beuthien, GRUR 2014, 957, 958).
Stirbt der Erblasser nach Rechtskraft der
Entscheidung, geht der rechtskräftig zuerkannte Anspruch auf seinen Erben
über.
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