(Un-)Vererblichkeit des Anspruchs auf
Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts;
keine analoge Anwendung von § 167 ZPO für andere materiellrechtliche
Wirkungen der Rechtshängigkeit
BGH, Urteil vom 29. April 2014 - VI
ZR 246/12 - KG Berlin
Fundstelle:
NJW 2014, 2871
JZ 2014, 1053 m. Anm. Schubert
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Der Anspruch auf
Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich
nicht vererblich.
Zentrale Probleme (s. dazu auch die
Pressemeldung des BGH):
Eine wichtige, f ür BGHZ vorgesehene
Entscheidung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Es geht um die Frage, ob
ein (nur bei schweren Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
gegebener) Schadensersatzanspruch in Geld bezüglich des immateriellen
Schadens vererblich ist. Der Senat verneint das mit dem Kernargument, dass
bei der Frage des Schadenersatzes in Geld bei
Persönlichkeitsrechtsverletzungen der Genugtuungsaspekt für den Geschädigten
im Vordergrund steht, der im Falle des Todes des Geschädigten seine
Bedeutung verliert. Aus diesem Grund hatte der BGH bisher auch bei
Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts keinen
Geldersatzanspruch gegeben. In Bezug auf das postmortale
Persönlichkeitsrecht ist im übrigen zwischen den persönlichkeitsrechtlichen
und den vermögensrechtlichen Aspekten dieses Rechts zu unterscheiden. Die
persönlichkeitsrechtlichen Aspekte des postmortalen Persönlichkeitsrechts
sind nicht vererblich. Nach der Leitentscheidung des BGH im berühmten
Mephisto-Fall (BGHZ 50, 133)
handelt es sich dabei vielmehr um Fortbestehen
der Rechte des Verstorbenen, die von seinen nächsten Angehörigen
wahrgenommen werden können. Anders verhält sich dies mit den
vermögensrechtlichen Aspekten des postmortalen Persönlichkeitsrechts, also
z.B. in Fällen, in welchen der Verstorbene nicht in seiner Ehre verletzt
wird, sondern er gleichsam finanziell ausgenutzt wird, indem z.B. mit seiner
Person Werbung betrieben wird (s. dazu
BGHZ 143, 214 - Marlene Dietrich
sowie
BGHZ 169, 193 - Klaus Kinski). Dieses Recht geht
auf die Erben über, kann aber von diesen nicht gegen den mutmaßlichen Willen
des Verstorbenen ausgeübt werden.
Offen gelassen hat der Senat, ob etwas anderes gilt, wenn der Verletzte erst
nach Eintritt der Rechtshängigkeit des
Geldentschädigungsanspruchs verstirbt. Im vorliegenden Fall hatte nämlich
der Verletzte noch zu Lebzeiten eine Klage auf Geldentschädigung
eingereicht, war aber vor der Zustellung dieser Klage, d.h. vor Eintritt der
Rechtshängigkeit, verstorben. Der Senat präzisiert hier weiter, dass die in
§ 167 ZPO angeordnete Rückwirkung bei alsbaldiger Zustellung nur für Fälle
gilt, in welchen durch die Zustellung eine Frist gewahrt oder die Verjährung
neu beginnen oder gehemmt werden soll. Soweit es um andere Wirkungen der
Rechtshängigkeit geht, ist § 167 ZPO auch nicht analog anwendbar (s. dazu
zur Vorläufernorm in § 270 III ZPO a.F. BGHZ 111,
329 im Zusammenhang mit der Zustellung des Scheidungsantrags im Rahmen
von § 1933 BGB). Die Frage ist nunmehr ebenfalls geklärt:
BGH v. 23.7.2017 - VI ZR 261/16.
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Beklagte ist Gesamtrechtsnachfolgerin der H. B. Zeitschriften
Verlag KG (im Folgenden ebenfalls: Beklagte), die im Zeitraum von März 2009
bis August 2010 mehrfach in von ihr herausgegebenen Zeitschriften über den
bekannten Entertainer P. A. (im Folgenden: Erblasser) berichtete. Gegenstand
der Berichte waren unter anderem die Trauer des Erblassers um seine
verstorbene Tochter sowie der Gesundheitszustand des Erblassers. Im Hinblick
auf die von ihm in diesem Zusammenhang angenommene Verletzung seines
Persönlichkeitsrechts nahm der Erblasser die Beklagte auf Zahlung einer
Geldentschädigung in Höhe eines Mindestbetrags von 30.000 € nebst Zinsen in
Anspruch. Seine Klage ist beim Landgericht am 11. Februar 2011 eingegangen.
Am 12. Februar 2011 verstarb der Erblasser. Im März 2011 ist die Klage
zugestellt worden. Der Kläger führt den Prozess als Erbe fort.
In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit der vom
erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren
weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
2 Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die
streitgegenständlichen Veröffentlichungen überhaupt einen
Geldentschädigungsanspruch zum Ausgleich für erlittene
Persönlichkeitsrechtsverletzungen begründen könnten. Denn der Anspruch sei
höchstpersönlicher Natur und deshalb nicht vererblich. Ob dies anders zu
beurteilen sei, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Verletzten
rechtshängig werde, könne ebenfalls offenbleiben, da die Zustellung der
Klage vorliegend erst nach dem Tod des Erblassers erfolgt sei. Aus § 167 ZPO
folge nichts anderes. Weder lasse sich der Vorschrift der allgemeine
Rechtsgedanke entnehmen, dass zugunsten des Klägers bereits der Eingang der
Klage bei Gericht ausreichend sei, wenn die Zustellung "demnächst" erfolge,
noch setze die Vorschrift die Anhängigkeit der Klage mit ihrer
Rechtshängigkeit gleich.
II.
3 Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
4 1. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der
- unterstellte - Geldentschädigungsanspruch des Erblassers mangels
Vererblichkeit nicht auf den Kläger übergehen konnte.
5 a) Die Frage, ob der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des
Persönlichkeitsrechts vererblich ist, ist höchstrichterlich bislang nicht
abschließend geklärt (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04,
BGHZ 165, 203, 208; BGH, Urteil vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10, BGHZ 189,
65 Rn. 39 f.). Im Schrifttum ist die Frage umstritten.
6 Eine Reihe von Autoren bejaht die Vererblichkeit (z.B. Soergel/Beater,
BGB, 13. Aufl., Anh. IV § 823 Rn. 25; Brändel in: Götting/Schertz/Seitz,
Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 36 Rn. 24; Cronemeyer, AfP 2012, 10
ff.; Dreier/Specht in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., KUG § 22 Rn. 37 und §§
33-50 Rn. 21, anders allerdings noch Dreier in der 3. Aufl., KUG § 33-50 Rn.
21; Fechner, Medienrecht, 14. Aufl., Kap. 4 Rn. 157; Kutschera, AfP 2000,
147, 148 f.; Leipold, Erbrecht, 19. Aufl., Rn. 635 Fn. 51; MünchKommBGB/Rixecker,
6. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 237 aE). Begründet wird diese
Auffassung zunächst mit der uneingeschränkten Vererblichkeit des
Schmerzensgeldanspruchs seit Aufhebung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF zum 1.
Juli 1990, aus der entsprechende Konsequenzen auch für den Anspruch auf
Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu ziehen seien
(Soergel/Beater, aaO; Cronemeyer, aaO, 11 f.; Kutschera, aaO).
Darüber hinaus wird angenommen, die unterschiedliche Behandlung des
Schmerzensgeldanspruchs einerseits und des Geldentschädigungsanspruchs wegen
Verletzung des Persönlichkeitsrechts andererseits verstoße gegen Art. 3 Abs.
1 GG (Cronemeyer, aaO, 11; Kutschera, aaO, 148). Andere gehen davon
aus, eine unberechtigte Besserstellung des Verletzers durch den Tod des
Verletzten vor Leistung des Geldersatzes müsse vermieden werden
(Dreier/Specht, aaO, KUG § 22 Rn. 37). Überdies löse sich der auf eine
Geldzahlung gerichtete Anspruch mit seiner Entstehung von den ideellen
Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts (Dreier/Specht, aaO).
7 Die Gegenauffassung (z.B. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht
der Wort-und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14 Rn. 140; Damm/Rehbock,
Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 1011
ff.; Er-man/N. Klass, BGB, 13. Aufl., Anh. § 12 Rn. 320; Müller in: Göt-ting/Schertz/Seitz,
Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 51 Rn. 28; Soehring in: Soehring/Hoene,
Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 23; Löffler/Steffen, Presserecht, 5. Aufl.,
LPG § 6 Rn. 344) stützt sich auf den Zweck der Geldentschädigung,
der darin liege, die - nicht vererblichen (vgl. BGH, Urteile vom 1.
Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 220 - Marlene Dietrich; vom 20.
März 1968 - I ZR 44/66, BGHZ 50, 133, 137 - Mephisto) - ideellen
Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu schützen (so
ausdrücklich Burkhard, aaO; Steffen, aaO). Weiter wird darauf verwiesen, die
überwiegende Genugtuungsfunktion des Geldentschädigungsanspruchs aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen und ihr höchstpersönlicher Bezug zur
Individualität des Betroffenen lasse eine Vererblichkeit nicht zu (vgl.
Damm/Rehbock, aaO, Rn. 1012; Erman/N. Klass, aaO).
8 b) Die zuletzt genannte Auffassung trifft im Ergebnis zu. Der Anspruch auf
Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist
grundsätzlich nicht vererblich.
9 aa) Unmittelbar aus der nach wie vor zutreffenden Erkenntnis, dass die
ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts unauflöslich an die Person
ihres Trägers gebunden und als höchstpersönliche Rechte unverzichtbar und
unveräußerlich, also nicht übertragbar und nicht vererblich sind (vgl. BGH,
Urteile vom 24. März 2011 - IX ZR 180/10, BGHZ 189, 65 Rn. 38; vom
1.
Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 220 - Marlene Dietrich; vom 20.
März 1968 - I ZR 44/66, BGHZ 50, 133, 137 - Mephisto), ergibt sich dies
freilich - worauf die Revision zutreffend hinweist - noch nicht. Denn der
Geldentschädigungsanspruch hat zwar seine Grundlage im Schutzauftrag aus
Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 - VI ZR
265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160,
298, 302; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15; jeweils mwN;
BVerfGE 34, 269, 292 - Soraya) und dient gerade den vom allgemeinen
Persönlichkeitsrecht umfassten ideellen Interessen. Als Geldzahlungsanspruch
ist er aber nicht selbst Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
(vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2011 - IX ZR 180/11, BGHZ 189, 65
Rn. 39 f.).
10 bb) Die Unvererblichkeit ergibt sich aber aus Natur und Zweck des
Geldentschädigungsanspruchs selbst.
11 (1) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass der Anspruch auf
Entschädigung in Geld für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht
abtretbar ist. Er hat dies "aus der entsprechenden Anwendung der
Vorschriften, die für die gesetzlich normierten Fälle ideellen
Schadensersatzes gegeben sind", gefolgert. Konkret hat er dabei auf die
damals geltenden Regelungen des
§ 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und des § 1300 Abs. 2 BGB aF abgestellt
(Senatsurteil vom 25. Februar 1969 - VI ZR 241/67, VersR 1969, 519, 521).
Die genannten Vorschriften regelten dabei nicht nur die fehlende Abtretbarkeit der Ansprüche aus § 847 Abs. 1 Satz 1 BGB aF bzw. § 1300 Abs.
1 BGB aF, sondern auch ihre grundsätzliche Unvererblichkeit.
Grund für den
Ausschluss von Abtretbarkeit und Vererblichkeit dieser Ansprüche war, dass
sie der Gesetzgeber aufgrund ihres an die Person des Berechtigten gebundenen
Charakters für höchstpersönlich erachtete (vgl. für § 847 Abs. 1 Satz 1 BGB aF: Senatsurteile vom 22. Juni 1976 - VI ZR 167/75, NJW 1976, 1890; vom 14.
März 1961
- VI ZR 146/60, NJW 1961, 1575; für § 1300 Abs. 2 BGB aF: Palandt/Lauterbach,
BGB, 28. Aufl. 1969, § 1300 unter 1). Durch die entsprechende Anwendung der
Vorschriften des § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und des § 1300 Abs. 2 BGB aF auf
den auch zum damaligen Zeitpunkt bereits aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG
hergeleiteten (vgl. Senatsurteil vom 19. September 1961
- VI ZR 259/60, BGHZ 35, 363, 366 ff.) Geldentschädigungsanspruch hat der
Senat zum Ausdruck gebracht, dass er diesem Anspruch denselben Charakter
zumisst.
12 (2) An dieser Einschätzung und der sich daraus ergebenden Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs hält der Senat - wie
bereits im Urteil
vom 6. Dezember 2005 (VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 208) zum Ausdruck
gebracht - trotz der inzwischen erfolgten Aufhebung von § 847 Abs. 1 Satz 2
BGB aF und von § 1300 Abs. 2 BGB aF fest. Weder lässt sich der Wille des
Gesetzgebers feststellen, auch den Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich auszugestalten (a), noch führen
Sinn und Zweck des Geldentschädigungsanspruchs unabhängig von einer
entsprechenden Entscheidung des Gesetzgebers zur Annahme, der
Geldentschädigungsanspruch sei heute vererblich (b).
13 (a) Unmittelbar hat sich der Gesetzgeber mit der Frage der Vererblichkeit
des Geldentschädigungsanspruchs bislang nicht befasst. Eine mittelbare
Aussage des Gesetzgebers, der Geldentschädigungsanspruch sei vererblich,
lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
14 (aa) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein solcher
gesetzgeberischer Wille zunächst nicht aus der Streichung von § 847 Abs. 1
Satz 2 BGB aF und entsprechender Vorschriften in anderen Gesetzen durch das
Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 14.
März 1990 (BGBl. I, S. 478). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hier
seine bis dahin und auch später (vgl. nur Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BR-Drucks. 742/01, S. 58;
ferner Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates,
BT-Drucks. 14/7752, S. 55) geübte Zurückhaltung, den vom erkennenden Senat
unmittelbar aus dem Schutzauftrag des Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG
hergeleiteten Geldentschädigungsanspruch in irgendeiner Weise zu regeln,
hätte aufgeben und eine Aussage zur Vererblichkeit dieses Anspruchs hätte
treffen wollen, sind nicht ersichtlich.
15 Im Gegenteil sollte mit der Streichung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und
entsprechender Vorschriften im Luftverkehrsgesetz, im Bundesgrenzschutzgesetz sowie im Atomgesetz ein spezifisches Problem im
Bereich des Schmerzensgeldes einer Lösung zugeführt werden. Dieses Problem
lag ausweislich der Gesetzesmaterialien im "Wettlauf mit der Zeit", dem sich
"insbesondere die nächsten Angehörigen" ausgesetzt sahen, wenn sie "gerade
bei schwersten Verletzungen mit der Folge der Bewusstlosigkeit des
Verletzten und akuter Lebensgefahr" Schmerzensgeldansprüche auch für den
Fall des Todes
des Verletzten wahren wollten (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze, BT-Drucks. 11/4415, S. 1, 4;
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum genannten
Gesetzentwurf, BT-Drucks. 11/5423, S. 1, 4). Auch wenn sich die Reichweite
der Gesetzesänderung nicht auf die Fälle schwerster Verletzungen mit der
Folge der Bewusstlosigkeit des Verletzten und akuter Lebensgefahr
beschränkte, sondern auch leichtere Verletzungen, im Falle des § 34
Bundesgrenzschutzgesetz sogar Ehrverletzungen einschloss, waren mithin doch
gerade die Fälle schwerster Körperverletzungen Grund für die Streichung der Unvererblichkeit der genannten Ansprüche. Damit bezweckte die
Gesetzesänderung die Beseitigung einer Problemlage, die typischerweise bei
Ansprüchen infolge von Körperverletzungen, nicht aber bei Ansprüchen
aufgrund der Verletzung des Persönlichkeitsrechts besteht (vgl. auch
Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3.
Aufl., Rn. 1012). Dass der Gesetzgeber mit der Streichung unter anderem des
§ 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF nicht alle Ansprüche auf Ausgleich immaterieller
Nachteile für vererblich erklären wollte, zeigt im Übrigen auch die Regelung
des § 1300 Abs. 2 BGB aF. Sie wurde bis zur Abschaffung des Kranzgeldes zum
1. Juli 1998 beibehalten.
16 (bb) Die Aufhebung des § 1300 Abs. 2 BGB aF im Jahr 1998 lässt
offensichtlich keinen Rückschluss auf einen Willen des Gesetzgebers zu, den
Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts
vererblich auszugestalten. Die Streichung war notwendige Folge der
Abschaffung des Kranzgeldes überhaupt durch das Gesetz zur Neuordnung des
Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998 (BGBl. I, S. 833). Grund für die
Abschaffung war die Annahme, das Kranzgeld als solches, nicht seine
Unvererblichkeit, sei rechtspolitisch überholt (vgl. Entwurf eines Gesetzes
zur Neuordnung des Eheschließungsrechts, BR-Drucks. 79/96, S. 37).
17 (b) Entscheidend gegen die Vererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs
spricht seine Funktion.
18 Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren
Persönlichkeitsrechtsverletzung steht regelmäßig der Genugtuungsgedanke im
Vordergrund (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05,
VersR 2006, 673 Rn. 16; Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04,
BGHZ 165, 203, 206; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302;
vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15; vom 5. Dezember 1995 -
VI ZR 332/94, VersR 1996, 339, 340; vom 4. Juni 1974 - VI ZR 68/73, VersR
1974, 1080, 1082 - Fiete Schulze). Da einem Verstorbenen Genugtuung für die
Verletzung seiner Persönlichkeit nicht mehr verschafft werden kann, scheidet
nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Zuerkennung einer
Geldentschädigung im Falle der Verletzung des postmortalen
Persönlichkeitsschutzes aus (Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 - VI ZR
265/04, BGHZ 165, 203, 206 f. mwN; vom 4. Juni 1974 - VI ZR 68/73, VersR
1974, 1080, 1082 - Fiete Schulze). Erfolgt die Verletzung des
Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Verletzten, stirbt dieser
aber, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden ist, verliert die mit
der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an
Bedeutung. Gründe, vom Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs über den
Tod des Verletzten hinaus auszugehen, bestehen unter diesem Gesichtspunkt im
Allgemeinen mithin nicht.
19 Der von der Revision herangezogene Gedanke der Prävention kann vorliegend
zu keiner anderen Beurteilung führen. Zwar trifft es zu, dass der
Geldentschädigungsanspruch auch der Prävention dient (Senatsurteile vom 17.
Dezember 2013 - VI ZR 211/12, VersR 2014, 381 Rn. 38; vom 6. Dezember 2005 -
VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 207 mwN; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03,
BGHZ 160, 298, 302; Müller in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des
Persönlichkeitsrechts, § 51 Rn. 7, 10; jeweils mwN). Der Präventionsgedanke
vermag die Gewährung einer Geldentschädigung - auch in dem von der Revision
vorliegend für gegeben erachteten Fall der Zwangskommerzialisierung - aber
nicht alleine zu tragen (Senatsurteile vom 6. Dezember 2005 aaO mwN;
vom 5. März 1974 - VI ZR 228/72, VersR 1974, 756, 758). Dies wirkt sich
nicht
nur - wie im Falle postmortaler Persönlichkeitsrechtsverletzungen - auf die
Beurteilung der Frage aus, ob der Geldentschädigungsanspruch auch unabhängig
von seiner Genugtuungsfunktion entstehen kann, sondern auch darauf, ob er -
wie im vorliegend zu beurteilenden Fall - bei Fortfall dieser Funktion
weiterbestehen kann.
20 cc) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die Annahme der
Unvererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen Verletzung des
Persönlichkeitsrechts nicht gegen § 1922 BGB. Denn die von § 1922 Abs. 1 BGB
vorgesehene Universalsukzession ist von vornherein auf die vererblichen
Vermögensgegenstände beschränkt (vgl. Staudinger/Marotzke, BGB, Neubearb. 2008, § 1922 Rn. 53).
21 dd) Auch der Einwand der Revision, es stelle eine sachlich nicht
gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar und verstoße deshalb gegen Art. 3
Abs. 1 GG, wenn der Anspruch auf Geldentschädigung anders als der Anspruch
auf Schmerzensgeld und andere Immaterialgüterrechte nicht vererblich wäre,
geht
fehl.
22 Zwar ist Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von
Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten in wesentlicher
Hinsicht anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die
ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Auch liegt eine solche
Grundrechtsverletzung nicht nur dann vor, wenn der Gesetzgeber mehrere
Personengruppen ohne hinreichenden sachlichen Grund verschieden behandelt,
sondern auch dann, wenn die Gerichte im Wege der Auslegung gesetzlicher
Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten Differenzierung
gelangen (BVerfG, VersR 2000, 897 mwN). Vorliegend scheitert die Annahme
einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG aber daran, dass für die im Hinblick
auf die Frage der Vererblichkeit unterschiedliche Behandlung des
Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung
des Persönlichkeitsrechts einerseits und des Schmerzensgeldanspruchs sowie
anderer Immaterialgüterrechte andererseits sachliche Gründe bestehen. Denn
die Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs hat - wie dargelegt
-ihren Grund letztlich in der Genugtuungsfunktion, die bei ihm im Vergleich
zu sonstigen Ansprüchen auf Ersatz immaterieller Nachteile und gerade auch
im Vergleich zum Schmerzensgeldanspruch in besonderem Maße ausgeprägt ist
(vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05, VersR 2006, 673 Rn.
14 ff.; Senatsurteile vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298,
302; vom 26. November 1996 - VI ZR 323/95, VersR 1997, 325, 327).
23 Soweit die Revision auf die Vererblichkeit des Urheberrechts nach § 28
Abs. 1 UrhG verweist, die sich nicht nur auf die vermögensrechtlichen
Elemente des Urheberrechts, sondern auch auf das Urheberpersönlichkeitsrecht
bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 - I ZR 28/12, WRP 2014, 68 Rn. 25
- Beuys-Aktion; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG 4. Aufl., § 28 Rn. 2), ist
ihr zuzugeben, dass das Urheberpersönlichkeitsrecht insoweit anders
behandelt wird als das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Diese
Ungleichbehandlung hat ihren sachlichen Grund aber darin, dass das
Urheberpersönlichkeitsrecht so mit den vermögensrechtlichen Elementen des
Urheberrechts verflochten ist, dass sie sich nicht voneinander trennen
lassen (vgl. Schulze, aaO), und sich das Urheberpersönlichkeitsrecht gerade
hierin vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht unterscheidet. In der
unterschiedlichen Ausgestaltung des Urheberpersönlichkeitsrechts als
vererbliches und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als grundsätzlich unvererbliches Recht liegt zugleich ein (weiterer) sachlicher Grund für die
insoweit unterschiedliche Behandlung auch des Anspruchs auf Ersatz
immaterieller Schäden bei Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts (§ 97
Abs. 2 Satz 4 UrhG) einerseits und des Geldentschädigungsanspruchs wegen
Verletzung des (allgemeinen) Persönlichkeitsrechts andererseits. Denn die
Entschädigungsansprüche sind mit dem Rechtsgut, dessen Verletzung sie
entspringen, eng verknüpft.
24 c) Entgegen der hilfsweise geäußerten Auffassung der Revision wurde der -
unterstellte - Geldentschädigungsanspruch vorliegend auch nicht deshalb
vererblich, weil er noch zu Lebzeiten des Erblassers anhängig gemacht wurde.
Denn die bloße Anhängigkeit einer auf Geldentschädigung gerichteten Klage
ändert nichts daran, dass die von der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung
mit dem Tod des Verletzten an Bedeutung verliert.
25 Ob - wie dies etwa § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB aF und § 1300 Abs. 2 BGB aF
für die Ansprüche auf Schmerzens- bzw. Kranzgeld vorgesehen haben -anderes
gilt, wenn der Geldentschädigungsanspruch rechtshängig geworden ist, kann
offenbleiben. Denn die Klage wurde der Beklagten erst nach dem Tod des
Erblassers zugestellt.
26 Aus § 167 ZPO ergibt sich nichts anderes. Die dort angeordnete
Rückwirkung beschränkt sich - verfassungsrechtlich unbedenklich - auf Fälle,
in denen durch die Zustellung eine laufende Frist gewahrt oder die
Verjährung neu beginnen oder gehemmt werden soll. Für sonstige Wirkungen der
Zustellung gilt sie hingegen nicht (allg. M.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom
22. Juli 2010
- V ZB 178/09, NJW 2011, 528 Rn. 8 mwN; Urteil vom 21. April 1982 - IVb ZR
696/80, NJW 1982, 1812, 1813; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 167 Rn. 4;
MünchKommZPO/Häublein, 4. Aufl., § 167 Rn. 6). Zu diesen sonstigen Wirkungen
zählen insbesondere rechtsbegründende und rechtsverstärkende Folgen, die die
Vorschriften des materiellen Rechts an die Rechtshängigkeit und damit an die
Zustellung der Klageschrift knüpfen (BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010
- V ZB 178/09, aaO Rn. 9; Zöller/Greger, aaO). Für § 847 Abs. 1 Satz 2 Halbs.
2 BGB aF hat auch der erkennende Senat eine Anwendung solcher Vorschriften
wiederholt abgelehnt, die zur Fristwahrung die Wirkung der Zustellung auf
den Zeitpunkt der Einreichung zurückbeziehen (vgl. Senatsurteile vom 22.
Juni 1976 - VI ZR 167/75, NJW 1976, 1890 f.; vom 10. Oktober 1961 - VI ZR
40/61, NJW 1961, 2347; vom 14. März 1961 - VI ZR 146/60, NJW 1961, 1575 f.;
Palandt/Thomas, BGB, 49. Aufl. 1990, § 847 unter 5 c). Durchgreifende
Gründe
dafür, diese ständige höchstrichterliche Rechtsprechung aufzugeben, werden
von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich
.
27 2. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
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