Namensrechtsverletzung
(§ 12 BGB) bei Gebrauch eines Namens als Domainnamen; kein postmortaler
Schutz des (Künstler)Namens; Vermögenswerte Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts: Zeitliche Begrenzung des Schutzes; ("kinski-klaus.de")
BGH, Urt. v. 5. Oktober
2006 - I ZR 277/03
Fundstelle:
NJW 2007, 684
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsätze:
1. Das Namensrecht einer
Person aus § 12 BGB, das auch ihren Künstlernamen schützt, erlischt mit dem
Tod des Namensträgers.
2. a) Die vermögenswerten Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts sollen es nicht dem Erben ermöglichen, die öffentliche
Auseinandersetzung mit Leben und Werk des Verstorbenen zu kontrollieren oder
gar zu steuern. Eine Rechtsverletzung kann nur nach sorgfältiger Abwägung
angenommen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der in Anspruch
Genommene für seine Handlungen auf Grundrechte wie die Freiheit der
Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) und die Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs.
3 GG) berufen kann.
b) Die Schutzdauer der vermögenswerten Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts ist wie das Recht am eigenen Bild (§ 22 Satz 3 KUG)
auf zehn Jahre nach dem Tod der Person begrenzt. Der postmortale Schutz des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts endet damit nicht insgesamt nach Ablauf
von zehn Jahren. Unter den Voraussetzungen und im Umfang des postmortalen
Schutzes der ideellen Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts
besteht er fort.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung legt lehrbuchartig zentrale Fragen des
Namensrechts und des postmortalen Persönlichkeitsschutzes dar. Der BGH
entscheidet zum ersten Mal die Frage, wie lange der Schutz der
vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichlkeitsrecht währt. Er
wendet die Regelung des § 22 S. 3 KUG ("Bildnisse dürfen nur mit
Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt
werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete
dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des
Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der
Angehörigen des Abgebildeten") analog an.
S. auch BVerfG NJW 2006, 3409;
BGH
NJW 2000, 2001 und
BGH
NJW 2000, 2195. Zur Dauer des Schutzes s. auch
OLG München
NJW-RR 1994, 925.
s. auch die
Pressemeldung des BGH Nr. 132/2006.
©sl 2006
Tatbestand:
1 Die Kläger sind die Erben des am 23. November 1991 verstorbenen Klaus
Nakszynski, der unter dem Künstlernamen Klaus Kinski sehr bekannt geworden
ist. Sie haben mit Abmahnungen vom 21. März 2002 beanstandet, dass die
Beklagten den Domain-Namen "kinski-klaus.de" zur Registrierung angemeldet
und benutzt hätten, um für eine von ihnen veranstaltete Ausstellung über
Klaus Kinski zu werben, und von diesen die Abgabe strafbewehrter
Unterlassungserklärungen gefordert. Die Beklagten hätten in ihr absolutes
Recht an der Vermarktung der Prominenz des Erblassers eingegriffen. Mit
ihrer Klage verlangen die Kläger als Schadensersatz die Erstattung der
Abmahnkosten.
2 Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hatte
keinen Erfolg.
3 Mit ihrer (vom Landgericht zugelassenen) Revision beantragen die Kläger,
das Berufungsurteil aufzuheben und auf ihre Berufung das landgerichtliche
Urteil abzuändern und nach ihren in zweiter Instanz zuletzt gestellten
Anträgen zu erkennen.
Entscheidungsgründe:
4 I. Das Berufungsgericht hat die Klage schon deshalb als unbegründet
angesehen, weil die Kläger bei den Abmahnungen rechtsmissbräuchlich
gehandelt hätten. Sie hätten ihre behaupteten Ansprüche auch in einer Weise
geltend machen können, die die Beklagten weniger mit Kosten belastet hätte.
Die Klage sei im Übrigen auch deshalb unbegründet, weil den Beklagten nicht
verboten werden könne, für eine Ausstellung zu werben, die das Interesse an
Klaus Kinski als Person der Zeitgeschichte befriedigen solle.
5 II. Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat
die Klage im Ergebnis zu Recht als unbegründet angesehen.
6 1. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche können nicht auf § 823
Abs. 1 BGB i.V. mit § 12 BGB gestützt werden.
Zu Lebzeiten hätte allerdings Klaus Kinski selbst ein Unterlassungsanspruch
aus § 12 BGB gegen einen anderen als einen Namensträger zugestanden, der
sich den Domain-Namen "kinski-klaus.de" registrieren lässt. Der
Namensträger braucht nicht zu dulden, dass er seinen Namen nicht als
Internetadresse nutzen kann, weil ein Nichtberechtigter ihm bei der
Registrierung zuvorgekommen ist (vgl. BGHZ 155,
273, 276 f. - maxem.de; BGH, Urt. v. 19.2.2004
- I ZR 82/01, GRUR 2004, 619, 620 = WRP 2004, 769 - kurt-bieden-kopf.de).
8 Nach dem Tod einer Person kann aber die Benutzung ihres Namens als
Internetadresse nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Namensanmaßung
untersagt werden. Das Namensrecht einer Person aus § 12 BGB, das auch ihren
Künstlernamen schützt (vgl. BGHZ 30, 7, 9 - Caterina Valente),
erlischt mit dem Tod des Namensträgers (vgl. BGHZ 8, 318, 324; offen
gelassen von BGHZ 107, 384, 390 - Emil Nolde; a.A. v. Gamm,
Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., 2. Halbbd, Kap. 53 Rdn. 20; Schack, JZ 1987,
776). Ein Toter ist nicht mehr Rechtssubjekt und kann daher nicht mehr
Träger des Namensrechts sein. Eine Schutzlücke entsteht dadurch nicht. Das
Namensrecht ist eine Erscheinungsform des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten
allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BGHZ
143, 214, 218 - Marlene Dietrich). Wird der Name nach dem Tod der Person
in einer Weise benutzt, die in das postmortale allgemeine
Persönlichkeitsrecht eingreift, besteht weiterhin Schutz.
9 2. Die Kläger können die Abmahnkosten auch nicht nach § 823 Abs. 1 BGB als
Schadensersatz wegen Eingriffs in das postmortale Persönlichkeitsrecht
des Klaus Kinski, dessen Erben sie sind, verlangen.
10 a) Die Persönlichkeit des Menschen wird auch über den Tod hinaus
geschützt. Dies folgt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht, soweit es
verfassungsrechtlich gewährleistet ist, aus dem Grundrecht des Art. 1 Abs. 1
GG, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. Demgegenüber besteht kein
Schutz des Verstorbenen durch das Grundrecht der freien Entfaltung der
Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil Träger dieses Grundrechts nur die
lebende Person ist (vgl. BVerfG NJW 2001, 594; BVerfG NJW 2001, 2957,
2959; BVerfG, Beschl. v. 22.8.2006 - 1 BvR 1168/04, WRP 2006, 1361, 1363 Tz
24; BGH, Urt. v. 6.12.2005 - VI ZR 265/04, GRUR 2006, 252, 253 Tz 9 = WRP
2006, 359, für BGHZ 165, 203 vorgesehen).
11 b) Bei einer Verletzung der ideellen Bestandteile des zivilrechtlichen
postmortalen Persönlichkeitsrechts stehen dem Wahrnehmungsberechtigten
Abwehransprüche, nicht auch Schadensersatzansprüche zu (vgl. BGH GRUR
2006, 252, 253 Tz 11).
12 c) Das zivilrechtliche postmortale allgemeine Persönlichkeitsrecht
schützt allerdings mit seinen vermögenswerten Bestandteilen auch
vermögenswerte Interessen der Person. Bei einer Verletzung können
Schadensersatzansprüche bestehen, die von den Erben des Verstorbenen geltend
gemacht werden können (vgl. BGHZ 143, 214, 220
ff. - Marlene Dietrich; vgl. dazu BVerfG WRP
2006, 1361, 1363 Tz 17 ff.; vgl. auch BGH GRUR 2006, 252, 254 Tz 15
ff.).
13 Die vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts
behalten dem Erben trotz ihrer Vererblichkeit nicht in gleicher Weise wie
die urheberrechtlichen Verwertungsrechte bestimmte Nutzungshandlungen vor.
Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein sog. offener
oder Rahmentatbestand, bei dem der Eingriff nicht die Rechtswidrigkeit
indiziert, sondern in jedem Einzelfall durch eine Güterabwägung ermittelt
werden muss, ob der Eingriff durch schutzwürdige andere Interessen
gerechtfertigt ist oder nicht (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.2003 - VI ZR
373/02, NJW 2004, 762, 764; Urt. v. 19.4.2005 - X ZR 15/04, NJW 2005, 2766,
2770, jeweils m.w.N.). Die Befugnisse des Erben aus den vermögenswerten
Bestandteilen des postmortalen Persönlichkeitsrechts leiten sich zudem vom
Träger des Persönlichkeitsrechts ab und dürfen nicht gegen dessen
mutmaßlichen Willen eingesetzt werden (vgl.
BGHZ 143, 214, 226 - Marlene Dietrich). Sie sollen es nicht dem Erben
ermöglichen, die öffentliche Auseinandersetzung mit Leben und Werk des
Verstorbenen zu kontrollieren oder gar zu steuern. Die Verwendung seines
Namens kann danach nicht ohne weiteres als ein zum Schadensersatz
verpflichtender Rechtseingriff in die vermögenswerten Bestandteile des
postmortalen Persönlichkeitsrechts beurteilt werden.
14 Eine Verletzung der vermögenswerten Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts kann nur nach sorgfältiger Abwägung angenommen werden.
Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der in Anspruch Genommene für seine
Handlungen auf Grundrechte wie die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5
Abs. 1 GG) und die Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) berufen kann (vgl.
dazu auch BGH GRUR 2000, 709, 711 - Marlene
Dietrich, insoweit nicht in BGHZ 143, 214). Die mitwirkende Absicht
der Gewinnerzielung schließt die Unbedenklichkeit des Vorgehens nicht ohne
weiteres aus (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1995 - VI ZR 410/94, GRUR 1996, 195,
198; vgl. auch BGH GRUR 2000, 709, 711 - Marlene Dietrich - zur Werbung für
ein Musical über das Leben von Marlene Dietrich, insoweit nicht in BGHZ 143,
214).
15 d) Ein Schadensersatzanspruch der Kläger unter dem Gesichtspunkt des
Eingriffs in die vermögenswerten Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts von Klaus Kinski ist aber bereits aus anderen Gründen
ausgeschlossen. Ein solcher Anspruch ist schon deshalb nicht gegeben, weil
dieser Schutz mit dem Ablauf von zehn Jahren nach dem Tod von Klaus Kinski
am 23. November 1991 erloschen ist. Die Abmahnungen vom 21. März 2002, deren
Kosten als Schadensersatz verlangt werden, bezogen sich lediglich auf die
zukünftige Unterlassung der Nutzung des Domain-Namens "kinski-klaus.de".
16 In seiner Entscheidung "Marlene Dietrich" (BGHZ
143, 214, 227 f.) hat der Senat die Frage dahinstehen lassen, wie lange
die vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts
geschützt sind (vgl. dazu auch - nicht tragend - BGHZ 151, 26, 29). In der
Literatur ist dies umstritten; dabei werden recht unterschiedliche Ansichten
zur Schutzdauer vertreten (zum Meinungsstand vgl. Wortmann, Die
Vererblichkeit vermögensrechtlicher Bestandteile des Persönlichkeitsrechts,
2005, S. 306 ff.; Lichtenstein, Der Idealwert und der Geldwert des
zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechts vor und nach dem Tode, 2005, S. 362
ff.; Jung, Die Vererblichkeit des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, 2005,
S. 256 ff.). Teilweise wird befürwortet, für die vermögenswerten
Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts so lange Schutz zu
gewähren, wie auch dessen ideellen Bestandteile geschützt sind (vgl.
Staudinger/Schmidt, JURA 2001, 241, 246; vgl. auch Frommeyer, JuS 2002, 13,
18). Aber auch soweit eine bestimmte Schutzdauer vorgeschlagen wird, gehen
die Meinungen weit auseinander (für eine Schutzdauer von 30 Jahren nach dem
Tod: Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5.
Aufl., Kap. 5 Rdn. 124; Gregoritza, Die Kommerzialisierung von
Persönlichkeitsrechten Verstorbener, 2003, S. 128 ff., 131; Lichtenstein aaO
S. 369 ff.; von 35 Jahren: Jung aaO S. 260 ff.; ders., AfP 2005, 317, 322
f.; von 70 Jahren: Schricker/ Götting, Urheberrecht, 3. Aufl., Anhang zu §
60 UrhG § 22 KUG Rdn. 63; Fischer, Die Entwicklung des postmortalen
Persönlichkeitsschutzes, 2004, S. 260 f.; Claus, Postmortaler
Persönlichkeitsschutz im Zeichen allgemeiner Kommerzialisierung, 2004, S.
218 ff.). Die Frage ist dahin zu entscheiden, dass der Schutz für die
vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts in
entsprechender Anwendung der Schutzfrist für das postmortale Recht am
eigenen Bild (§ 22 Satz 3 KUG) auf zehn Jahre begrenzt ist (ebenso
Magold, Personenmerchandising, 1994, S. 573 f.; Schulze Wessel, Die
Vermarktung Verstorbener, 2001, S. 141 ff.; Wortmann aaO S. 308 ff., 311;
Ullmann, AfP 1999, 209, 214; ders., WRP 2000, 1049, 1053; vgl. auch Taupitz
in Taupitz/Müller, Rufausbeutung nach dem Tode: Wem gebührt der Profit?,
2002, S. 1, 48 f.).
17 Das Recht am eigenen Bild, das zu den Erscheinungsformen des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts gehört (vgl. BGHZ 143, 214,
218 - Marlene Dietrich), hat nach der Entscheidung des Gesetzgebers eine
Schutzdauer von zehn Jahren. Die Begrenzung der Schutzdauer beruht nicht nur
auf dem Gedanken, dass das Schutzbedürfnis nach dem Tod mit zunehmendem
Zeitablauf abnimmt (vgl. BVerfGE 30, 173 = NJW 1971, 1645, 1647). Sie
schafft auch Rechtssicherheit und berücksichtigt das berechtigte Interesse
der Öffentlichkeit, sich mit Leben und Werk einer zu Lebzeiten weithin
bekannten Persönlichkeit auseinandersetzen zu können.
18 Die Entscheidung des Gesetzgebers über die Dauer des Schutzes des
postmortalen Rechts am eigenen Bild ist auf die Dauer des Schutzes für die
vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts zu
übertragen. Das Persönlichkeitsbild einer zu Lebzeiten sehr bekannten Person
ist nach ihrem Tod auch Teil der gemeinsamen Geschichte. Das Interesse
der Angehörigen (§ 22 KUG) oder - bei den vermögenswerten Bestandteilen des
postmortalen Persönlichkeitsrechts - das der Erben (BGHZ 143, 214, 220 ff. -
Marlene Dietrich) an einer wirtschaftlichen Verwertung des
Persönlichkeitsbildes muss deshalb nach Ablauf von zehn Jahren zurücktreten.
Eine darüber hinausgehende zeitliche Ausdehnung der Schutzdauer der
vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts wäre mit
der Wertung des § 22 KUG nicht vereinbar. Der postmortale Schutz des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts endet damit nicht insgesamt nach Ablauf
von zehn Jahren. Unter den Voraussetzungen und im Umfang des postmortalen
Schutzes der ideellen Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts
besteht er fort.
19 3. Auf die - vom Berufungsgericht im Übrigen zu Unrecht bejahte - Frage,
ob die Kläger bei ihren Abmahnungen rechtsmissbräuchlich gehandelt haben,
kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an.
20 III. Danach war die Revision der Kläger zurückzuweisen. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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