Allgemeines Persönlichkeitsrecht; Schutz der
Intimsphäre; konkludent befristetes Einverständnis; Anspruch auf Löschung
intimer Bild- und Filmaufnahmen aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB
BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - VI
ZR 271/14 - OLG Koblenz
Fundstelle:
NJW 2016, 1094
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
Fertigt im Rahmen einer
intimen Beziehung ein Partner vom anderen intime Bild- oder Filmaufnahmen,
kann dem Abgebildeten gegen den anderen nach dem Ende der Beziehung ein
Löschanspruch wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zustehen, wenn
er seine Einwilligung in die Anfertigung und Verwendung der Aufnahmen auf
die Dauer der Beziehung - konkludent - beschränkt hat.
Zentrale Probleme:
Eine interessante und weiterführende Entscheidung zum
- absoluten - Schutz des der Privat- und Intimsphäre im Rahmen des
Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, welche die bisherige Rspr. hervorragend
zusammenfasst und weiterentwickelt. Zunächst stellen sich hierbei
prozessuale Fragen (Klageantrag, Bestimmtheit, ne ultra petitur-grundsatz
etc. Die Ausführungen zum materiellen Recht beginnen bei Rn.
23. Vgl. dazu auch
BGH NJW 2009, 3576;
BGH NJW 2012, 767
und BGH NJW 2012, 450.
©sl 2015
Tatbestand:
1 Die Klägerin nimmt den Beklagten -
soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - auf Löschung von Fotos und
Filmaufnahmen in Anspruch, die sie zeigen und sich auf elektronischen
Speichermedien des Beklagten befinden.
2 Die Parteien hatten eine - für die Klägerin außereheliche - intime
Liebesbeziehung. Der Beklagte, der von Beruf Fotograf ist, erstellte während
dieser Zeit zahlreiche Bild- und Filmaufnahmen von der Klägerin, auf denen
diese unbekleidet und teilweise bekleidet sowie vor, während und nach dem
Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten zu sehen ist. Teilweise hat die
Klägerin intime Fotos von sich selbst erstellt und dem Beklagten in
digitalisierter Form überlassen. Ferner besitzt der Beklagte Aufnahmen von
der Klägerin, die sie bei alltäglichen Handlungen ohne intimen Bezug zeigen.
Die Beziehung ist mittlerweile beendet, die Parteien sind zerstritten.
3 Der Beklagte ist - auf sein Anerkenntnis hin - rechtskräftig verurteilt,
es zu unterlassen, die Klägerin zeigende Lichtbilder und/oder Filmaufnahmen
ohne deren Einwilligung Dritten und/oder öffentlich zugänglich zu
machen oder machen zu lassen.
4 Dem weiteren Antrag der Klägerin, den Beklagten zur Löschung aller in
seinem Besitz befindlichen elektronischen Vervielfältigungsstücke von die
Klägerin zeigenden Lichtbildern und Filmaufnahmen zu verurteilen, hat das
Landgericht teilweise stattgegeben. Es hat den Beklagten verurteilt, die in
seinem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen elektronischen
Vervielfältigungsstücke von die Klägerin zeigenden Lichtbildern und/oder
Filmaufnahmen, auf denen die Klägerin
- in unbekleidetem Zustand,
- in teilweise unbekleidetem Zustand, soweit der Intimbereich der Klägerin
(Brust und/oder Geschlechtsteil) zu sehen ist,
- lediglich ganz oder teilweise nur mit Unterwäsche bekleidet,
- vor, während oder im Anschluss an den Geschlechtsverkehr,
abgebildet ist, vollständig zu löschen; die weitergehende Klage hat es
abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen beider Parteien hat das
Berufungsgericht zurückgewiesen. Die Revision hat es zur Fortbildung des
Rechts zugelassen, um die Frage zu klären, ob und unter welchen
Voraussetzungen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 37 KUG und
des § 98 Abs. 1 UrhG ein Anspruch auf Löschung von
Vervielfältigungsstücken besteht. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte
weiterhin das Ziel der Klageabweisung.
Entscheidungsgründe:
I.
5 Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in ZUM 2015, 58, abgedruckt
ist, hat den Löschungsantrag der Klägerin für hinreichend bestimmt gehalten.
Erfasst seien alle im Besitz des Beklagten befindlichen Medien, auf denen
sich die beanstandeten Aufnahmen befänden. Auch dem Tenor des
landgerichtlichen Urteils fehle es nicht an der Bestimmtheit, soweit der
Beklagte zur Löschung von Aufnahmen, die die Klägerin "im Anschluss an den
Geschlechtsverkehr" zeigten, verurteilt worden sei. Hiermit seien Aufnahmen
gemeint, die einen objektiven Bezug zum Geschlechtsverkehr erkennen ließen
und damit erkennbar noch in einem Zusammenhang mit dem zuvor durchgeführten
Geschlechtsverkehr stünden.
6 Das Landgericht habe auch nicht gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen.
Es habe der Klägerin nicht etwas zugesprochen, was diese nicht beantragt
habe. Vielmehr sei das Landgericht hinter deren Löschungsantrag
zurückgeblieben und spreche ihr - was zulässig sei - ein "Minus" zu.
7 Ein Anspruch der Klägerin auf Löschung der Aufnahmen ergebe sich nicht aus
§ 6 Abs. 1 BDSG. Denn dieses Gesetz sei im Streitfall, der einen rein
privaten Sachverhalt betreffe, nach § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 27 BDSG nicht
anwendbar. Die Aufnahmen seien unstreitig nicht zur Veröffentlichung und
Verbreitung bestimmt und ausschließlich zu persönlichen bzw. privaten
Zwecken gefertigt worden.
8 Ein Löschungsanspruch folge auch nicht aus § 37 KUG. Die
in Rede stehenden Lichtbilder und Vervielfältigungsstücke seien nicht
widerrechtlich hergestellt, sondern vielmehr mit dem Einverständnis der
Klägerin vom Beklagten erstellt bzw. ihm von der Klägerin zur Verfügung
gestellt worden, soweit diese die Aufnahmen selbst hergestellt habe.
9 Das Landgericht habe jedoch - im tenorierten Umfang - zu Recht einen
Löschungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB hergeleitet. Zwar stellten
die Fertigung der Lichtbilder und Filmaufnahmen zunächst keinen
rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin
dar, da sie mit deren Einverständnis erstellt worden seien.
10 Die Einwilligung der Klägerin in die Anfertigung der betreffenden
Aufnahmen schließe jedoch einen Widerruf des Einverständnisses für die
Zukunft nicht aus. Die Rechtsnatur der Einwilligung und die
Möglichkeit des Widerrufs einer einmal erteilten Einwilligung für die
Zukunft seien umstritten. Nach Auffassung des Berufungsgerichts handele es
sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Widerruf
dann erfolgen könne, wenn die Bedeutung des Persönlichkeitsrechts dies
gebiete. Nur so könne dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das auch das
Recht am eigenen Bild umfasse, Geltung verschafft werden.
11 Im Streitfall sei dabei zu berücksichtigen, dass die Aufnahmen im
privaten Bereich im Rahmen einer Liebesbeziehung gefertigt worden seien.
Daher sei der Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit des Beklagten nicht
berührt. Im Raum stünden das Recht des Beklagten auf Eigentum aus Art. 14
Abs. 1 GG, auf Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG und auf allgemeine
Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG. Da der Beklagte verurteilt sei, die
Aufnahmen nicht ohne Einwilligung der Klägerin Dritten zugänglich zu machen,
beschränke sich sein Anliegen darauf, sich die Aufnahmen anschauen zu
dürfen. Daher falle das Recht des Beklagten auf Kunstfreiheit in Abwägung
mit dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Klägerin nicht mehr erheblich
ins Gewicht. Auch die Kunstfreiheit sei nicht schrankenlos gewährleistet.
12 Entsprechendes gelte für die Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2
Abs. 1 GG. Sei die Beziehung zwischen den Parteien beendet, so überwiege das
Interesse der Klägerin an der Löschung das auf seinem Eigentumsrecht
begründete Recht des Beklagten an der Existenz der Aufnahmen.
13 Das Berufungsgericht halte für fraglich, ob die Foto- und Filmaufnahmen
dauerhaft und umfassend gegen den unbefugten Zugriff Dritter gesichert
seien. Aus Sicht der Klägerin bestünde Anlass zu Zweifeln, ob der Beklagte
mit den Aufnahmen mit der gebotenen größtmöglichen Sorgfalt umgehe. Immerhin
habe dieser vertrauliche E-Mails der Klägerin mit intimem Inhalt an die
Firmenadresse des Ehemanns der Klägerin mit der Möglichkeit der
Kenntnisnahme durch unbeteiligte Dritte weitergeleitet.
14 Außerdem sei die Einwilligung in die Erstellung und die damit verbundene
Nutzung der in Rede stehenden Lichtbilder zeitlich auf die Dauer der
zwischen den Parteien bestehenden Beziehung beschränkt gewesen.
15 Das Begehren der Klägerin auf Löschung aller sie zeigenden Aufnahmen
könne aber keinen Erfolg haben. Lichtbilder, die die Klägerin in bekleidetem
Zustand in Alltags- oder Urlaubssituationen zeigten, tangierten das
allgemeine Persönlichkeitsrecht in geringerem Maße und seien weniger
geeignet, das Ansehen der Klägerin gegenüber Dritten zu beeinträchtigen.
Insoweit müsse sich die Klägerin an der einmal erteilten Einwilligung zur
Erstellung der Fotos und der Nutzung durch den Beklagten festhalten lassen.
II.
16 Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsurteil hält den
Angriffen der Revision stand.
17 1. a) Zutreffend hat das Berufungsgericht in der von ihm bestätigten
Tenorierung des landgerichtlichen Urteils, durch das der Beklagte zur
Löschung von Lichtbildern und Filmaufnahmen verurteilt worden ist, auf denen
die Klägerin in bestimmter, näher bezeichneter Weise abgebildet ist, keinen
Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO gesehen. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO,
dessen Voraussetzungen auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen
sind, ist das Gericht nicht befugt, der Partei etwas zuzusprechen, was nicht
beantragt ist. Zulässig ist es jedoch, der Partei ein im Klageantrag
enthaltenes Weniger zuzusprechen (vgl. Senatsurteil vom 31. Januar 1984 - VI
ZR 150/82, VersR 1984, 389, 390; BGH, Urteile vom 11. April 2006 - X ZR
139/03, BGHZ 167, 166 Rn. 10; vom 20. November 1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120,
239, 248). So liegt der Fall hier. Denn die Löschung nur eines näher
umschriebenen Teils der Lichtbilder und Filmaufnahmen ist in der von der
Klägerin begehrten umfassenden Löschung als Minus enthalten.
18 b) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet die Urteilsformel (§ 313 Abs. 1
Nr. 4 ZPO) des vom Berufungsgericht bestätigten landgerichtlichen Urteils,
die den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags (§ 253 Abs. 2 Nr.
2 ZPO) zu genügen hat (BGH, Urteil vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, NJW
2008, 2647 Rn. 21 mwN). Auch diese Frage ist im Revisionsverfahren von Amts
wegen zu prüfen (vgl. nur BGH, Urteile vom 10. Februar 2011 - I ZR 164/09,
NJW 2011, 2657 Rn. 16; vom 16. November 2006 - I ZR 191/03, WM 2007, 1190 Rn.
15; jeweils mwN).
19 aa) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen
Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen
Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der
materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen
lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare
Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im
Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Welche Anforderungen an die
Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Klageantrag zu stellen sind,
hängt jedoch auch von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen
Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab. Die Anforderungen an die
Bestimmtheit des Klageantrags sind danach in Abwägung des zu schützenden
Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu
können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit
hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen
Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (BGH,
Urteil vom 28. November 2002 - I ZR 168/00, BGHZ 153, 69, 75 f. mwN).
20 bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen begegnet es keinen Bedenken, dass
das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil insoweit als hinreichend
bestimmt angesehen hat, als es im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz des
Beklagten befindliche elektronische Vervielfältigungsstücke erfasst. Zwar
ist nach § 854 Abs. 1 BGB ein Besitz nur an Sachen und somit an körperlichen
Gegenständen (vgl. § 90 BGB) möglich, wozu elektronische
Vervielfältigungsstücke als solche - anders als deren Verkörperung auf einem
Datenträger (vgl. BGH, Urteile vom 15. November 2006 - XII ZR 120/04, NJW
2007, 2394 Rn. 15; vom 14. Juli 1993 - VIII ZR 147/92, NJW 1993, 2436, 2437
f.; jeweils mwN) -gerade nicht zählen. Nichtdestotrotz lässt sich dem Tenor
hinreichend genau entnehmen, dass von ihm solche Dateien erfasst sein
sollen, auf die der Beklagte wie ein unmittelbarer Besitzer eine
jederzeitige Einwirkungsmöglichkeit hat oder bei denen - wie im Fall des
mittelbaren Besitzes - Dritte von ihm eine derartige Einwirkungsmöglichkeit
ableiten. Letztlich kommt es also darauf an, ob der auf Löschung in Anspruch
genommene Beklagte eine (ggf. mittelbare) Funktionsherrschaft über die Daten
innehat (vgl. Bohne in Wandtke/Bullinger, 4. Aufl., § 98 UrhG Rn. 19).
21 cc) Der Tenor ist auch nicht insoweit unbestimmt, als er die Löschung von
Lichtbildern und/oder Filmaufnahmen anordnet, auf denen die Klägerin vor,
während oder im Anschluss an den Geschlechtsverkehr abgebildet ist.
22 Das Berufungsgericht hat das für den letztgenannten Punkt zutreffend
dahingehend konkretisiert, dass damit Aufnahmen gemeint seien, die einen
objektiven Bezug zum Geschlechtsverkehr erkennen lassen und damit noch
erkennbar mit dem zuvor durchgeführten Geschlechtsverkehr in Zusammenhang
stehen. Ein solcher objektiver Bezug ist auch für die Bestimmung der
Aufnahmen unmittelbar vor dem Geschlechtsverkehr möglich. An der
Bestimmbarkeit von Aufnahmen während des Geschlechtsverkehrs können keine
Zweifel bestehen.
23 2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, der Klägerin stehe ein Löschungsanspruch hinsichtlich des
Teils der sie im vorbeschriebenen Zusammenhang zeigenden Aufnahmen zu.
24 a) Das Berufungsgericht hat einen Löschungsanspruch bezüglich aller
Aufnahmen, die den Intimbereich der Klägerin betreffen und sich beim
Beklagten befinden, geprüft. Ausweislich der Gründe seiner Entscheidung hat
es über den Wortlaut des Klageantrages und der Tenorierung des Landgerichts
hinausgehend, die nur zu löschende Vervielfältigungsstücke nennen, den
Beklagten verurteilt, auch die sich bei ihm befindlichen Originalaufnahmen,
das heißt, die jeweils ersten Speicherungen der digitalen Bilddateien auf
dem Speichermedium der Kamera(s) zu löschen; denn das Berufungsgericht
deutet den Klagantrag zutreffend und von der Revision unangegriffen
dahingehend, dass er alle im Besitz des Beklagten befindlichen Medien
betrifft, auf denen sich die beanstandeten Aufnahmen befinden.
25 b) Soweit das Berufungsgericht etwaige Löschungsansprüche nach §
35 Abs. 2 Satz 2 BDSG, § 37 Abs. 1 KUG und § 98 Abs. 1 UrhG verneint hat,
nimmt die Revision dies als ihr günstig hin. Das begegnet auch
keinen rechtlichen Bedenken.
26 c) Zutreffend kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass
der Klägerin hinsichtlich der Aufnahmen mit Intimbezug Löschungsansprüche
aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB wegen der Verletzung ihres
Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) zustehen.
27 aa) Im Streitfall sind bei der Klägerin aus dem Schutzbereich des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts ihr Recht auf Bildnisschutz und - mit
diesem verknüpft - ihre absolut geschützte Intimsphäre berührt. Denn die
fraglichen Aufnahmen zeigen sie in intimsten Situationen.
28 bb) Über die bloße Berührung des Schutzbereichs hinaus liegt ein
rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin
- in seiner bildnis- und Intimsphäre schützenden Funktion - darin, dass der
Beklagte die Verfügungsmacht über die vorbeschriebenen, die Klägerin
zeigenden Aufnahmen gegen deren Willen weiterhin ausübt.
29 (1) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein Rahmenrecht,
dessen Reichweite nicht absolut feststeht. Diese muss vielmehr durch eine
Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt
werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die
betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen
Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der
Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das
Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite
überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2014 - VI ZR
490/12, AfP 2014, 534, 536; vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325
Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22).
Der Bereich der Intimsphäre genießt überragend bedeutenden Schutz
(vgl. BVerfGE 119, 1 Rn. 102). Der Schutz des Kernbereichs privater
Lebensgestaltung ist einer Abwägung nach Maßgabe des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich (BVerfG AfP 2009,
365 Rn. 25).
30 (2) Von der gesetzlichen Regelung des Rechts am eigenen Bild in
§§ 22 ff. KUG, die eine besondere Ausprägung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts darstellt, wird das bloße Innehaben und Betrachten von
Bildaufnahmen gegen den Willen des Abgebildeten wie im Streitfall nicht
erfasst. Aus dieser Regelung wird abgeleitet, dass grundsätzlich
allein dem Abgebildeten die Befugnis zusteht, darüber zu befinden, ob und in
welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird (st. Rspr.;
vgl. nur Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332,
336; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 5; jeweils mwN).
Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gibt Art. 2 Abs. 1
i.V.m. mit Art. 1 Abs. 1 GG kein allgemeines oder gar umfassendes
Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person. Das Recht am
eigenen Bild gewährleistet dem Einzelnen aber Einfluss- und
Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Anfertigung und Verwendung von
Bildaufzeichnungen seiner Person durch andere geht. Das
Schutzbedürfnis ergibt sich vor allem aus der Möglichkeit, das auf eine
bestimmte Situation bezogene Erscheinungsbild eines Menschen davon zu lösen
und das Abbild jederzeit unter für den Betroffenen nicht überschaubaren
und/oder nicht beherrschbaren Voraussetzungen vor Dritten zu reproduzieren.
Je leichter dies ist, umso größer kann das Schutzbedürfnis sein. So sind mit
dem Fortschritt der Aufnahmetechniken wachsende Möglichkeiten der Gefährdung
von Persönlichkeitsrechten verbunden (vgl. BVerfGE 101, 361, 381; 120, 180,
198).
31 Diesem Schutzbedürfnis Rechnung tragend zielt der Bildnisschutz
der §§ 22 ff. KUG auf das Verbreiten und die öffentliche Zurschaustellung
des hergestellten Bildes ab (vgl. Götting in Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht, 4. Aufl., § 22 KUG Rn. 5; BGH, Urteil vom 10. Mai 1957 - I ZR
234/55, BGHZ 24, 200, 208). Er stellt aber nur eine teilweise
Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar und schließt einen
weitergehenden Bildnisschutz nicht aus (vgl. Lorenz in Kahl/Waldhoff/Walter,
BK, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 297, Stand April 2008). Durch die
Sonderregelung des § 22 KUG wird ein Rückgriff auf das Persönlichkeitsrecht
nicht verwehrt (vgl. Senatsurteil vom 2. Juli 1974 - VI ZR 121/73,
NJW 1974, 1947, 1948). So hat der erkennende Senat bereits
entschieden, dass ein Löschungsanspruch in Betracht kommt, wenn bereits
durch die Anfertigung von Fotos das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Abgebildeten verletzt wurde, der Besitz an den Fotos Folge dieser Verletzung
ist und der hierdurch hervorgerufene Störungszustand aufrechterhalten wird
(vgl. Senatsurteile vom 24. Juni 2008 - VI ZR 156/06, BGHZ 177, 119
Rn. 30; vom 16. September 1966 - VI ZR 268/64, NJW 1966, 2353, 2354; BGH,
Urteil vom 10. Mai 1957 - I ZR 234/55, BGHZ 24, 200, 208; Wenzel/von Strobl-Albeg,
Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 9 Rn. 4).
Zum rechtlich geschützten Bereich des Persönlichkeitsrechts gehört
in Ausformung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Art. 1 und
Art. 2 GG zugunsten des freien, eigenverantwortlichen Individuums auch, dass
der Einzelne grundsätzlich allein zur Verfügung über die Verwendung seines
Bildnisses - nicht nur in der Öffentlichkeit sondern auch sonst - berechtigt
ist.
32 (3) Danach kann unter besonderen Umständen schon das Innehaben
der Verfügungsmacht über Bildaufnahmen durch einen Dritten gegen den Willen
des Abgebildeten, sei es nur durch Behalten und Betrachten, dessen
Persönlichkeitsrecht verletzen.
33 (a) Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG
folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der Privat- und
Intimsphäre des Einzelnen auch Aspekte des Geschlechtslebens und das
Interesse, diese nicht offenbaren zu müssen. Der Schutz der Privat- und
Intimsphäre umfasst Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts
typischerweise als "privat" eingestuft werden, insbesondere weil ihre
öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das
Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der
Umwelt auslöst, wie es gerade auch im Bereich der Sexualität der Fall ist.
Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wäre die
sexuelle Entfaltung erheblich beeinträchtigt, obwohl es sich um
grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl. BVerfGE
101, 361, 382 mwN). Mit dem Recht auf Achtung der Privat- und
Intimsphäre spezifisch geschützt ist das Recht, geschlechtliche Beziehungen
zu einem Partner nicht offenbaren zu müssen, sondern selbst darüber befinden
zu können, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das
eigene Geschlechtsleben gewährt wird (vgl. BVerfGE 117, 202, 233
mwN;
BVerfG NJW 2015, 1506 Rn. 29).
34 Wie bereits dargelegt gewährt das Grundgesetz dem Einzelnen im
Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung einen unantastbaren
Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit, der wegen seiner besonderen Nähe
zur Menschenwürde absolut geschützt und einer Einschränkung durch Abwägung
nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich ist
(Senatsurteil vom 25.
Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 11; vgl.
auch BVerfGE 80, 367, 373; 120, 224, 239; 130, 1, 22; BVerfG, AfP 2009, 365
Rn. 25). Diesem Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der
Sexualität an (vgl. BVerfGE 119, 1, 29). Die
Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, hängt
davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt
höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus
sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt
(Senatsurteil vom
25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; vgl. auch BVerfGE
80, 367, 374; 120, 224, 239; 130, 1, 22; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25).
35 (b) Die Funktionsherrschaft des Beklagten über die intimen
Aufnahmen gegen den Willen der Klägerin ist dem vorbeschriebenen Kernbereich
zuzuordnen. Wer nämlich - wie hier - Bildaufnahmen oder Fotographien, die
einen anderen darstellen, besitzt, erlangt allein durch diesen Besitz eine
gewisse Herrschafts- und Manipulationsmacht über den Abgebildeten
(vgl. Götting in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 22 KUG Rn.
1), selbst wenn eine Verbreitung oder Weitergabe an Dritte nicht
beabsichtigt oder untersagt ist. Diese Macht ist umso größer, als
Aufnahmen eine vollständige Entblößung des gänzlich Privaten, der
grundsätzlich absolut geschützten Intimsphäre des Einzelnen, insbesondere im
Zusammenhang mit gelebter Sexualität, zeigen. Diese Entblößung wird von dem
Abgebildeten regelmäßig als peinlich und beschämend empfunden, wenn sich der
Situationszusammenhang wie hier durch die Beendigung der Beziehung geändert
hat. Die zur Anregung des gemeinsamen Sexuallebens erbrachte Entblößung wird
als demütigend wahrgenommen, wenn das gemeinsame Erleben entfällt, sie aber
dauerhaft sichtbar bleibt, wenn das aktive Subjekt gegen seinen Willen zum
reinen Objekt des Bildbetrachters wird. So liegt es im Streitfall.
Die Klägerin erfährt durch die gegen ihren Willen fortbestehende
Verfügungsmacht des Beklagten über die Aufnahmen, die die Öffnung ihrer
Intimsphäre sichtbar festschreiben, ein Ausgeliefertsein und eine
Fremdbestimmung, durch die sie im unantastbaren Kernbereich ihres
Persönlichkeitsrechts verletzt wird.
36 (4) Der Schutz des Persönlichkeitsrechts kann allerdings
entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung zurücktreten, wenn der
Grundrechtsträger den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus
öffnet, bestimmte, an sich dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnende
Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich die
Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl.
Senatsurteile vom 25.
Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO Rn. 12 mwN; vgl. auch
BVerfGE 80, 367, 374; 101, 361, 385; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25). Denn
niemand kann sich auf den Schutz seiner Intim- oder Privatsphäre
hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die er selbst der Öffentlichkeit
preisgegeben hat (vgl. Senatsurteile vom
26. Mai 2009 - VI ZR 191/08,
VersR 2009, 1085 Rn. 26; vom
25. Oktober 2011
- VI ZR 332/09, aaO; vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261
/10, VersR 2012, 368 Rn. 16; jeweils mwN; vgl. auch BVerfGE 101, 361, 385;
BVerfG, NJW-RR 2007, 1191, 1193). So liegt der Streitfall jedoch nicht.
37 Zwar hat die Klägerin nicht der Öffentlichkeit, aber dem
Beklagten Einblick in ihre Intimsphäre gewährt und ihm die Aufnahmen zum
Teil selbst überlassen, im Übrigen gestattet. Diese
Einwilligung war aber begrenzt auf die Dauer ihrer Beziehung zu dem
Beklagten. Das ergibt sich aus der - rechtlich nicht zu beanstandenden -
Auslegung der von der Klägerin konkludent erklärten Gestattung durch das
Berufungsgericht.
38 (a) Maßstab für die Frage nach der Wirksamkeit und dem Umfang einer
solchen Einwilligung können die für die Einwilligung nach § 22 KUG
entwickelten Grundsätze sein. Die Einwilligung kann danach grundsätzlich im
privaten Bereich konkludent und auch formlos (vgl. zur Abgrenzung BAG, BB
2015,1276, 1277), beschränkt oder unbeschränkt erteilt werden, die
Beschränkung kann etwa in räumlicher oder zeitlicher Hinsicht oder im
Hinblick auf einen bestimmten Zweck oder für bestimmte Medien erfolgen
(vgl. nur Götting in Schricker/Loewenheim aaO Rn. 43 mwN; vgl.
Soehring in ders./Hoene, Presserecht 5. Aufl., § 19 Rn. 46a; Engels in Beck
OK Urheberrechtgesetz § 22 Rn. 37; Senatsurteil vom 14. Oktober 1986 - VI ZR
10/86, NJW-RR 1987, 231). Nach der Rechtsprechung des Senats ist die
Reichweite der Einwilligung durch Auslegung nach den Umständen des
Einzelfalls zu ermitteln (vgl. zu § 22 Satz 1 KUG Senatsurteile vom 28.
September 2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83; vom 14. November 1995 - VI ZR
410/94, VersR 1996, 204, 205; vom 14. Oktober 1986 - VI ZR 10/86, NJW-RR
1987, 231; vom 6. Februar 1979 - VI ZR 46/77, NJW 1979, 2203). Das
Revisionsgericht kann diese Auslegung nur darauf überprüfen, ob Verstöße
gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Verfahrensvorschriften, anerkannte
Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen und ob der Tatrichter sich mit
dem Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (st.
Rspr.; vgl. etwa Senatsurteil vom 21. Oktober 2014
- VI ZR 507/13, VersR 2014, 1510 Rn. 9 mwN).
39 (b) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Bilder im privaten
Bereich und nur im Rahmen dieser Liebesbeziehung ohne vertragliche
Vereinbarungen und unentgeltlich entstanden sind, nur zu persönlichen bzw.
privaten Zwecken gefertigt wurden und nicht zur Veröffentlichung und
Verbreitung bestimmt waren. Es hat weiter festgestellt, dass die
Einwilligung in die Nutzung zeitlich auf die Dauer der zwischen den Parteien
bestehenden Beziehung beschränkt war. Fehler hinsichtlich des hier
der Auslegung der konkludenten Willenserklärung zugrunde zulegenden
Tatsachenstoffs zeigt die Revision nicht auf. Von Amts wegen zu prüfende
Rechtsfehler der Auslegung sind nicht ersichtlich.
40 (5) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin etwa
zurückdrängende grundrechtlich geschützte Positionen des Beklagten sind
schon im Ansatz nicht gegeben.
41 (a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Schutzbereich
der Berufsausübungsfreiheit des Beklagten (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht berührt.
Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.
42 (b) Das ideelle Interesse des Beklagten, die Bilder zur Pflege
der Erinnerung an die gemeinsame Beziehung behalten zu dürfen, kann eine
schutzwürdige Rechtsposition schon deshalb nicht begründen, weil ihm der
Gewahrsam an den Bildern von vornherein nur für die Dauer der Beziehung
gestattet war. Aus entsprechenden Gründen ist dem Beklagten auch
die Berufung auf Art. 14 GG und die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG)
versagt.
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