Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die
Mutter zur Durchsetzung eines Regressanspruchs gegen den tatsächlichen
Vater, Voraussetzungen des allgemeinen Auskunftsanspruchs nach § 242 BGB;
Grenzen der Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB; Schutz des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts
BGH, Urteil vom 9. November 2011 -
XII ZR 136/09
Fundstelle:
NJW 2012, 450
BGHZ 191, 259
Amtl. Leitsatz:
a) Die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB, wonach die
Rechtswirkungen der Vaterschaft grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer
Feststellung an geltend gemacht werden können, kann im Regressprozess des
Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes in besonders
gelagerten Einzelfällen auf die Weise durchbrochen werden, dass die
Vaterschaft inzident festgestellt wird (im Anschluss an die Senatsurteile
BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008, 1424 und vom 22. Oktober 2008 - XII ZR 46/07 -
FamRZ 2009, 32).
b) Aus Treu und Glauben ergibt sich grundsätzlich ein Auskunftsanspruch,
wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich
bringen, dass der eine Teil in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder
den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und der andere Teil in der Lage
ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen
Auskünfte zu erteilen (im Anschluss an die Senatsurteile BGHZ 186, 13 =
FamRZ 2011, 21 und vom 7. Mai 2003 - XII ZR 229/00 - FamRZ 2003, 1836).
Solches ist auch dann der Fall, wenn der Mann seine Vaterschaft mit
Zustimmung der Mutter anerkannt hatte.
c) Die Verpflichtung zur Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters
ihres Kindes berührt zwar das Persönlichkeitsrecht der Mutter nach Art. 2
Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. In Fällen, in denen die Mutter den Mann zur
Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses veranlasst hatte, wiegt ihr
allgemeines Persönlichkeitsrecht aber regelmäßig nicht stärker als der
Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 20 Abs. 3 i.V.m.
Art. 2 Abs. 1 GG zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach
erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung hat in der
Tagespresse Furore gemacht: Der Scheinvater eines Kindes, der diesem
Unterhalt geleistet hat, hat einen Erstattungsanspruch gegen den
tatsächlichen Vater (§ 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB). Gleiches gilt über § 1615l
Abs. 3 für den Unterhalt, den er der Mutter nach § 1615l BGB geleistet hat.
Hier war der Scheinvater aber an diesem Regress gehindert, weil er den
tatsächlichen Vater nicht kannte. Dessen Vaterschaft war auch noch nicht
festgestellt. Er verlangte daher Auskunft von der Mutter. Da es hier keinen
speziell geregelten Auskunftsanspruch gibt, greift der Senat auf den
allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 242 BGH zurück. Nach der von der Rspr.
entwickelten "Zauberformel" besteht danach (nicht nur im Bereich des
Familienrechts) ein Auskunftsanspruch, wenn der Auskunftssuchende einen
Anspruch hat, den er ohne eine Information nicht durchsetzen kann, sich
diese Information nicht in zumutbarer Weise selbst beschaffen kann und die
zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen,
dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder
den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und der Verpflichtete in der
Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen
Auskünfte zu erteilen (s dazu auch
BGH v. 1.7.2014 - VI ZR 345/13). Erste Voraussetzung ist damit immer der Nachweis des
Bestehen eines Anspruchs zumindest dem Grunde nach, d.h. ein
Auskunftsanspruch kann grundsätzlich nicht bestehen, um zu Ergründen, ob ein
Anspruch besteht (im anglo-amerikanischen Recht spricht man insoweit
anschaulich von "fishing expeditions"). Damit stellt sich hier zunächst die
Frage, ob der Kl. bereits einen solchen Anspruch gegen den wahren Vater hat,
denn eigentlich können Rechte aus einer Vaterschaft nicht geltend werden,
solange diese nicht rechtlich nach § 1592 Nr. 1 und 2 BGB durch Vaterschaftsvermutung
oder Anerkennung feststeht oder gerichtlich festgestellt ist (§ 1600d Abs. 4
BGB). Dieser Ausschluss einer inzidenten Prüfung der Vaterschaft (zB im
Unterhaltsprozess) dient der Einheitlichkeit und damit der Sicherheit des
Statusverhältnisses. Hier fehlte es an einer solchen Feststellung, jedoch
durchbricht der Senat diese sog. Rechtsausübungssperre insbesondere deshalb,
weil der Kl. hier keine Möglichkeit hatte, eine solche Feststellung
herbeizuführen (er konnte nur die eigene Vaterschaft anfechten, §§ 1599,
1600 BGB, hat aber kein Antragsrecht im Vaterschaftsfeststellungsverfahren,
s. §§ 169 ff FamFG) und die Beteiligten, denen dies möglich war, zu einem
solchen Verfahren nicht bereits sind. Anschließend prüft er dann die
Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs nach § 242 BGB uns setzt sich dabei
mit der Frage auseinander, ob einem solchen das allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Mutter entgegensteht. Er verneint das mit sehr
sorgsamer Begründung. Er stellt zunächst fest, dass es sich nicht um
den Schutz des unantastbar geschützten, d.h. keiner Abwägung
widerstreitender Interessen zugänglichen Intimbereich handelt (s. dazu etwa
auch
BGH v. 25.10.2011 - VI ZR 332/09), und
nimmt sodann die Interessenabwägung vor. Das Bedürfnis nach effektivem
Rechtsschutz des Kl. bewertet er dabei aus nachvollziehbaren Gründen höher.
Zur Frage des Schadensersatzanspruchs des Scheinvaters gegen die Mutter s.
BGH v. 20.2.2013 - XII ZB
412/11.
©sl 2011
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten um eine
Auskunftspflicht der Beklagten zur Vorbereitung eines Unterhaltsregresses
nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung durch den Kläger.
2 Sie hatten bis zum Frühjahr 2006 für etwa zwei Jahre in nichtehelicher
Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Nach einem anschließenden
Versöhnungsversuch trennten sie sich im Frühsommer 2006 endgültig. Am 18.
Januar 2007 gebar die Beklagte einen Sohn. Schon zuvor hatte sie den Kläger
aufgefordert, ein Vaterschaftsanerkenntnis für "ihr gemeinsames Kind"
abzugeben; der Kläger hatte daraufhin mit ihrer Zustimmung die Vaterschaft
anerkannt. Er zahlte an die Beklagte 1.200 € für die Erstlingsausstattung
sowie insgesamt 2.075 € Kindesunterhalt und 1.300 € Betreuungsunterhalt.
3 In einem Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts wurde ein
psychologisches Gutachten eingeholt, dessen Kosten der Kläger jedenfalls
teilweise zahlen musste. In einem Rechtsstreit über Betreuungs- und
Kindesunterhalt verständigten sich die Parteien auf Einholung eines
Vaterschaftsgutachtens. Auf der Grundlage dieses Gutachtens stellte das
Familiengericht im Anfechtungsverfahren fest, dass der Kläger nicht der
Vater des 2007 geborenen Sohnes der Beklagten ist. Inzwischen erhält die
Beklagte von dem mutmaßlichen leiblichen Vater des Kindes monatlichen
Kindesunterhalt in Höhe von 202 €.
4 Dem Kläger ist der leibliche Vater des Kindes nicht bekannt. Zur
Vorbereitung eines Unterhaltsregresses verlangt er von der Beklagten
Auskunft über die Person oder Personen, die ihr in der gesetzlichen
Empfängniszeit außerdem beigewohnt haben. Das Amtsgericht hat die Beklagte
antragsgemäß zur Auskunft verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung
der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Oberlandesgericht
zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin Klagabweisung
begehrt.
Aus den Gründen:
5 Die Revision ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zu Recht zur Auskunft verurteilt.
6 Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende
August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor
diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3.
November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100).
I.
7 Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2009, 1924
veröffentlicht ist, hat eine Auskunftspflicht der Beklagten bejaht. Dem
Kläger stehe nach § 242 BGB ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zu.
Nach Treu und Glauben bestehe eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den
Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich brächten, dass der
Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts
im Ungewissen sei und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit
erforderliche Auskunft unschwer geben könne. Diese Voraussetzungen seien
vorliegend gegeben. Der Kläger wisse nicht und könne ohne die Auskunft der
Beklagten auch nicht wissen, wer ihr in der gesetzlichen Empfängniszeit
beigewohnt habe und gegen wen er seinen Anspruch auf Unterhaltsregress
richten könne. Die Beklagte könne diese Auskunft unschwer geben. Sie wisse,
wer ihr in der Empfängniszeit beigewohnt habe und wer der Vater des Kindes
sei. Denn von diesem beziehe sie gegenwärtig monatlichen Kindesunterhalt in
Höhe von 202 €.
8 Schutzwürdige Interessen der Beklagten stünden der Auskunft nicht
entgegen. Dass die Beklagte in der Empfängniszeit einem anderen Mann
beigewohnt habe, stehe nach der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung des
Klägers fest. Dem Kläger gehe es auch nicht um eine Bloßstellung der
Beklagten. Er sei sogar mit einer anonymen Erfüllung der auf ihn
übergegangenen Ansprüche durch den leiblichen Vater des Kindes einverstanden
gewesen. Diese Möglichkeit sei von der Beklagten und dem leiblichen Vater
nicht genutzt worden. Die Beklagte habe lediglich mitgeteilt, dass sie nach
all dem Streit zu nichts weiter bereit sei. Unter diesen Umständen und unter
Abwägung mit den gegenläufigen finanziellen Interessen des Klägers werde die
Beklagte durch die Auskunftspflicht nicht in ihrem Grundrecht auf Achtung
der Privat- und Intimsphäre aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
verletzt.
9 Die Auskunftspflicht nach § 242 BGB setze zwar zusätzlich eine
Sonderverbindung zwischen den Beteiligten voraus, die jedoch im weitesten
Sinne zu verstehen sei. Dafür genüge jeder qualifizierte soziale Kontakt und
reiche auch die durch ein nichtiges Rechtsgeschäft entstandene
Rechtsbeziehung aus. An einer solchen Sonderverbindung fehle es nach ihrem
vielfältigen qualifizierten sozialen Kontakt hier nicht. Der Kläger habe der
Beklagten Betreuungsunterhalt nach § 1615 l Abs. 2 Satz 1 BGB gewährt. Sie
habe der Anerkennung der Vaterschaft zugestimmt und deswegen eine
Garantenstellung für die Möglichkeit eines Rückgriffs des Klägers. Daran
ändere auch der Umstand nichts, dass das Vater-Kind-Verhältnis durch die
erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung mit Rückwirkung aufgehoben sei. Denn die
Auskunft werde gerade zur Abwicklung dieser Folge geschuldet.
II.
10 Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der
Revision im Ergebnis stand.
11 1. Die Revision ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers zulässig.
... (wird ausgeführt)
13 2. Zu Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der frühere
rechtliche Vater nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung von dem
leiblichen Vater Regress wegen seiner Leistungen auf Kindes- und
Betreuungsunterhalt verlangen kann.
14 Nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB geht der Unterhaltsanspruch eines
Kindes gegen einen Elternteil auf einen Dritten über, der als Vater
Unterhalt geleistet hat. Entsprechendes gilt für den Anspruch auf
Betreuungsunterhalt nach § 1615 l Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1607 Abs. 3 Satz 2
BGB. Unstreitig hat der Kläger nach seinem Vaterschaftsanerkenntnis
sowohl Kindes- als auch Betreuungsunterhalt gezahlt. Nach erfolgreicher
Anfechtung seiner Vaterschaft steht rechtskräftig fest, dass er solchen
Unterhalt nicht schuldete und somit als Dritter im Sinne von § 1607 Abs. 3
Satz 2 BGB geleistet hat. Der Unterhaltsanspruch des Kindes und der
Beklagten gegen den leiblichen Vater des Kindes ist somit auf den Kläger
übergegangen.
15 Dem Regressanspruch steht nach ständiger Rechtsprechung des
Senats auch nicht entgegen, dass nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung
durch den Kläger noch keine neue Vaterschaft festgestellt worden ist.
Die Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB, wonach die
Rechtswirkungen der Vaterschaft grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer
Feststellung an geltend gemacht werden können, kann im Regressprozess des
Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes in besonders
gelagerten Einzelfällen auf die Weise durchbrochen werden, dass die
Vaterschaft inzident festgestellt wird (Senatsurteile BGHZ 176, 327
= FamRZ 2008, 1424 Rn. 17 ff. und vom 22. Oktober 2008 - XII ZR 46/07 -
FamRZ 2009, 32 Rn. 11 ff.; vgl. auch Eschenbruch/Klinkhammer/Wohlgemuth Der
Unterhaltsprozess 5. Aufl. Kap. 4 Rn. 152). Eine solche Ausnahme
kommt insbesondere dann in Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass ein
Vaterschaftsfeststellungsverfahren auf längere Zeit nicht stattfinden wird,
weil die zur Erhebung einer solchen Klage Befugten dies ausdrücklich
ablehnen oder von einer solchen Möglichkeit seit längerer Zeit keinen
Gebrauch gemacht haben (Senatsurteile BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008,
1424 Rn. 28 ff. und vom 22. Oktober 2008 - XII ZR 46/07 - FamRZ 2009, 32 Rn.
12).
16 Diese Voraussetzung für eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des
§ 1600 d Abs. 4 BGB ist hier erfüllt, weil sich die Beklagte weigert, die
Person des mutmaßlich leiblichen Vaters zu benennen, obwohl sie ihr wegen
der laufenden Unterhaltsleistungen für das Kind positiv bekannt ist. Auch
nachdem die Vaterschaft des Klägers für das im Januar 2007 geborene Kind
wirksam angefochten wurde, beabsichtigen die Berechtigten nicht die vom
Gesetz vorgesehene Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes.
Einem Regressanspruch gegen den mutmaßlichen Vater mit inzidenter
Feststellung der Vaterschaft für das 2007 geborene Kind der Beklagten kann
der Erfolg deswegen nicht von vornherein versagt werden.
17 3. Ebenfalls zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen,
dass die Beklagte dem Kläger aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB Auskunft
über die Person schuldet, die ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat.
18 a) Allerdings ergibt sich die Auskunftspflicht der Beklagten
nicht bereits unmittelbar aus § 1605 BGB. Danach sind Verwandte in
gerader Linie einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und
ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines
Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist.
Gleiches gilt durch die Verweisung in § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB für das
Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen nicht verheirateten Eltern aus Anlass
der Geburt ihres gemeinsamen Kindes. Diese ausdrücklich geregelten
materiell-rechtlichen Auskunftspflichten erstrecken sich lediglich auf
Auskünfte über die Grundlagen der Einkommensermittlung, nämlich die
Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten, soweit dies zur
Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung
erforderlich ist. Eine Auskunft zur Person des mutmaßlich leiblichen
Elternteils nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung ist danach nicht
geschuldet.
19 b) Neben den ausdrücklich im Gesetz geregelten Auskunftspflichten
hat der Senat in ständiger Rechtsprechung auch eine Auskunftspflicht aus
Treu und Glauben nach § 242 BGB anerkannt, wenn die Beteiligten in einem
gemeinsamen Unterhaltsrechtsverhältnis stehen, wechselseitig auf Kenntnis
der Einkommensverhältnisse des anderen angewiesen sind und sich diese nicht
auf zumutbare andere Weise verschaffen können (Senatsurteile BGHZ
186, 13 = FamRZ 2011, 21 Rn. 13, 22 und vom 7. Mai 2003 - XII ZR 229/00 -
FamRZ 2003, 1836, 1837; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der
familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 1152, 1159).
20 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebieten es
Treu und Glauben auch grundsätzlich, dem Anspruchsberechtigten einen
Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden
Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in
entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im
Ungewissen ist, und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur
Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen
(BGH Urteile vom 6. Februar 2007 - X ZR 117/04 - NJW 2007, 1806 Rn.
13; BGHZ 152, 307, 316 = NJW 2003, 582; BGHZ 148, 26, 30 = MDR 2002, 228;
BGHZ 95, 285, 287 f. = NJW 1986, 1247; BGHZ 81, 21, 24 = NJW 1981, 2000 und
BGHZ 10, 385, 387). Die dafür erforderliche rechtliche Beziehung
kann sich etwa aus Vertragsverhandlungen, dauernden Geschäftsverbindungen,
Nachwirkungen eines Vertrages oder aus einem Nachbarschaftsverhältnis
ergeben (Palandt/Grüneberg BGB 70. Aufl. § 242 Rn. 3). Eine
Sonderverbindung der beteiligten Personen, die eine Auskunftspflicht nach
Treu und Glauben rechtfertigt, kann aber auch dann vorliegen, wenn ein
sonstiges familienrechtliches Verhältnis unmittelbar zwischen den
Beteiligten besteht.
21 Ein solches Verhältnis besteht zwischen den Beteiligten auch dann, wenn
der Mann seine Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt hatte.
Durch diese gemeinsame Erklärung entsteht die rechtliche
Vaterschaft, die die Eltern in vielfältiger Weise miteinander verbindet.
Sowohl die unterhaltsrechtlichen Folgen des Vaterschaftsanerkenntnisses als
auch dessen weitere Wirkungen begründen eine wechselseitige Auskunftspflicht
hinsichtlich der Voraussetzungen der Vaterschaft. Die Beteiligten des
Vaterschaftsanerkenntnisses schulden sich mithin wechselseitig Auskunft über
die insoweit relevanten Umstände, wenn der Auskunftsberechtigte über
wesentliche Informationen weder verfügt noch sich diese auf andere Weise
beschaffen kann und der Auskunftspflichtige die erforderliche Auskunft
unschwer erteilen kann. Diese wechselseitige Verpflichtung gilt
auch dann fort, wenn die Vaterschaft nachträglich wirksam angefochten ist,
soweit Rechtsfolgen des zunächst wirksamen Vaterschaftsanerkenntnisses
betroffen sind. Schuldner des Auskunftsanspruchs ist zwar regelmäßig der
Schuldner des über die Auskunft durchzusetzenden Hauptanspruchs. Aus
Treu und Glauben kann sich allerdings auch eine Auskunftspflicht Dritter
ergeben, die nicht Schuldner des Hauptanspruchs sind
(Palandt/Grüneberg aaO § 260 Rn. 8; Neumann FPR 2011, 366, 367; so auch
Eschenbruch/Klinkhammer/Wohlgemuth Der Unterhaltsprozess 5. Aufl. Kap. 4
Rn. 153).
22 Danach schuldet die Beklagte dem Kläger nach Treu und Glauben
Auskunft über die Person des mutmaßlich leiblichen Vaters ihres 2007
geborenen Kindes. Die Beklagte hatte den Kläger ursprünglich aufgefordert,
die Vaterschaft für "ihr gemeinsames Kind" anzuerkennen. Damit hat sie
deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht der Kläger leiblicher Vater ihres
2007 geborenen Kindes sei. Dem Vaterschaftsanerkenntnis des Klägers hat sie
außerdem zugestimmt, was nach § 1595 Abs. 1 BGB Voraussetzung für die
Wirksamkeit des Anerkenntnisses ist. Durch dieses Verhalten hat die Beklagte
zur Entstehung der gemeinsamen Elternschaft und zugleich zu einem
familienrechtlichen Sonderverhältnis beigetragen, das Auskunftsansprüche
nach Treu und Glauben begründen kann. Der Kläger kann den nach §
1607 Abs. 3 Satz 2 BGB auf ihn übergegangenen Anspruch auf Kindes- und
Betreuungsunterhalt nur dann durchsetzen, wenn ihm der leibliche Vater als
Anspruchsgegner bekannt ist. Dies ist nach den Feststellungen des
Oberlandesgerichts bislang nicht der Fall. Außer seinem
Auskunftsanspruch gegen die Beklagte hat der Kläger keine rechtliche
Möglichkeit, den leiblichen Vater zu ermitteln. Zwar ist die
Beklagte nicht Schuldnerin seines Anspruchs auf Unterhaltsregress. Im
Hinblick auf ihr Verhalten im Zusammenhang mit dem Vaterschaftsanerkenntnis
und der dadurch entstandenen familienrechtlichen Sonderverbindung schuldet
sie dem Kläger gleichwohl Auskunft zur Person des mutmaßlich leiblichen
Vaters ihres Kindes. Die Auskunft ist ihr nach den Feststellungen des
Oberlandesgerichts auch unschwer möglich (vgl. insoweit BGH Urteil vom 6.
Februar 2007 - X ZR 117/04 - NJW 2007, 1806). Sie kann dem Kläger jederzeit
Auskunft zu der Person geben, die ihr während der Empfängniszeit außerdem
beigewohnt hat. Hinzu kommt, dass die Beklagte nach den Feststellungen des
Oberlandesgerichts monatlichen Kindesunterhalt von dem mutmaßlich leiblichen
Vater des Kindes erhält.
23 4. Die Auskunftspflicht der Beklagten verstößt auch nicht gegen
ihre Grundrechte.
24 a) Die Verpflichtung zur Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters
ihres Kindes berührt zwar das Persönlichkeitsrecht der Beklagten nach Art. 2
Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, das auch das Recht auf Achtung der Privat-
und Intimsphäre umfasst und zu dem die persönlichen, auch geschlechtlichen
Beziehungen zu einem Partner gehören. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
schützt die Befugnisse des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu
entscheiden, inwieweit und wem gegenüber er persönliche Lebenssachverhalte
offenbart (vgl. BVerfGE 65, 1, 43 f. = NJW 1984, 419). Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet,
sondern ausdrücklich nur insoweit, als dadurch nicht die Rechte anderer
verletzt und nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder das Sittengesetz
verstoßen wird. Soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater
Lebensgestaltung eingegriffen wird, hat der Einzelne somit die
Einschränkungen hinzunehmen, die im überwiegenden Allgemeininteresse oder im
Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter
Wahrung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden (BVerfGE 96, 56,
61 = NJW 1997, 1769). Leitet sich der materiell-rechtliche
Auskunftsanspruch aus einer zivilrechtlichen Generalklausel her, wie dies
hier bei § 242 BGB der Fall ist, ist deswegen im Erkenntnisverfahren stets
zu prüfen, ob die begehrte Auskunft in den unantastbaren Bereich des
Persönlichkeitsrechts fällt und ob dem Anspruch Grundrechte der in Anspruch
genommenen Beklagten entgegenstehen (BGH Beschluss vom 3. Juli 2008
- I ZB 87/06 -FamRZ 2008, 1751 Rn. 13 f.).
25 b) Ein Eingriff in den unantastbaren Bereich des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts der Beklagten liegt hier schon deswegen nicht vor,
weil sie dem Kläger bereits durch ihr früheres Verhalten Tatsachen ihres
geschlechtlichen Verkehrs während der Empfängniszeit offenbart hatte, die
sich allerdings inzwischen als falsch herausgestellt haben. Die Beklagte
hatte den Kläger vor der Geburt des Kindes aufgefordert, die Vaterschaft für
"ihr gemeinsames Kind" anzuerkennen. Darin liegt zugleich die Behauptung der
Beklagten, die Vaterschaft des Klägers stehe für sie als Mutter fest, weil
ein anderer Vater nicht in Betracht komme. Die Beklagte hat in der Folge
auch dem Vaterschaftsanerkenntnis des Klägers zugestimmt und ihm erst auf
diese Weise die Rechtswirkung des § 1592 Nr. 2 i.V.m. §§ 1594, 1595 BGB
verschafft. Jedenfalls in Fällen, in denen die Mutter den Mann zur
Anerkennung der Vaterschaft veranlasst und dabei keine Zweifel an seiner
biologischen Vaterschaft geäußert hat, begegnet es keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken, sie nach wirksamer Vaterschaftsanfechtung
(zur Zeit vor der Anfechtung vgl. OLG Jena FPR 2011, 412) zur Auskunft über
die Person zu verurteilen, die ihr während der Empfängniszeit zusätzlich
beigewohnt hat. Daher ist es ihr zumutbar, durch Angaben zur Person
des mutmaßlichen Vaters an der Beseitigung der dem Scheinvater entstandenen
Nachteile mitzuwirken (vgl. BGH Beschluss vom 3. Juli 2008 - I ZB 87/06 -
FamRZ 2008, 1751 Rn. 17).
26 Auch die bei zulässigen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht
gebotene Interessenabwägung lässt hier keinen Rechtsfehler erkennen. Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten ist insbesondere durch das
Recht des Klägers auf effektiven Rechtsschutz begrenzt. Ohne eine
Auskunft der Beklagten zu der Person, die ihr während der Empfängniszeit
zusätzlich beigewohnt hat, kann der Kläger seinen Anspruch auf
Unterhaltsregress nicht auf rechtsstaatliche Weise durchsetzen. Entsprechend
hat das Berufungsgericht festgestellt, dass es dem Kläger lediglich auf die
Durchsetzung seines Rechtsanspruchs und nicht auf eine Bloßstellung der
Beklagten oder des biologischen Vaters ankommt. Deswegen hatte er sich sogar
mit einer anonymen Erfüllung seiner Zahlungsansprüche einverstanden erklärt.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist deswegen auch verhältnismäßig;
sie ist zur Durchsetzung des Anspruchs des Klägers erforderlich und
geeignet, weil sie ihn in die Lage versetzt, seinen Zahlungsanspruch in der
gebotenen Weise durchzusetzen. Jedenfalls in Fällen, in denen die Mutter -
wie hier - den Mann zur Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses veranlasst
hatte, wiegt ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht stärker als der
Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 20 Abs. 3 i.V.m.
Art. 2 Abs. 1 GG zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach
erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung.
27 5. Weil das Berufungsgericht die Beklagte somit zu Recht zur Auskunft
verurteilt hat, wer ihr während der Empfängniszeit ihres 2007 geborenen
Kindes beigewohnt hat, bleibt der Revision der Beklagten der Erfolg versagt.
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